Da ja ab morgen eine neue Leserunde beginnt, möchte ich heute - auch wenn noch viele mittendrin sind - einige abschließende Bemerkungen aufschreiben.
1. Der Erzähler
Ich habe bewusst einen Ich-Erzähler gewählt, weil er subjektiv sein darf und weil er einen Veränderungsprozeß durchmachen muss, während er erzählt. Bryndt erwähnt ja mehrfach, seit zwei Jahren nicht gesprochen zu haben. Diese elektive Stummheit ist das Ergebnis vieler traumatischer Ereignisse seines Lebens. Jetzt, als er zumindest innerlich wieder redet, verändert sich seine Sichtweise: Von Haß und Schwarz-Weiß zu Verständnis.
Er löst sich davon, der Sohn einer Tragödie zu sein und nimmt sein Leben an, wie es ist. Er wird erwachsen. Deswegen kann er am Ende loslassen und annehmen, was auch immer kommt.
2. Brynhild
Brynhild ist eine Frau, die nicht verwirklicht, wozu sie Anlagen hat. Zu keiner Zeit, weder am Anfang ihres Lebens noch am Ende. Ihr "Nein" ist ein nein zu sich selbst, auch wenn sie das nicht erkennen könnte. Nur durch Hagen wird diese Verhinderung kurzfristig unter- und aufgebrochen.
Brynhilds Verhängnis ist ein Konjunktiv - sie hätte alles sein können...
3. Siegfried
Siegfried ist kein ekelhafter Angeber, Siegfried bleibt sich selbst entfremdet, weil er nach Mime auf keine Grenzen mehr stößt. Er verliert sich - außerhalb seiner zwanghaft gesuchten Zerstreuungen - in sich selbst.
Unrecht, das er begeht berührt ihn ebenso wenig wie die Chance auf gutes. Nur in direkter Reaktion spürt er sich. Auch wenn er auftritt, wie das Leben selber - eigentlich existiert er gar nicht.
4. Hagen
...ach, Hagen! Hagen ist kein Finsterling, Hagen erliegt den negativen Strömungen seines Familienthemas. Seine enorme Selbstkontrolle, die ihn auch emotional versteinert hat, hat ihn lange überleben lassen. Als dann diese Selbstkontrolle durch Brynhild aufgebrochen wird, beginnt auch sein Weg aufs Ende zu. Er glaubt nicht, etwas so Schönes verdienen zu können.
Und all das Gute, was er wollte, konnte auch aus diesem Grund keine Wirklichkeit werden, denn der der zuinnerst an Hagen zweifelt - ist Hagen.
5. Der arme Gunther
Gunther will es allen Recht machen. Er geht mit Gernoth jagen, obwohl er Angst vorm Reiten hat, er macht, was Hagen ihm sagt, wann hagen es ihm sagt und wie. Seine Sicht auf Frauen, Untertanen usw. machen ihn nicht zu einem Bösewicht, sondern zu einem Mann seiner Zeit ( so weit wir das überhaupt nachempfinden können). Und Gunther liebt: Hagen, Gernoth, Rikchen. Das Gunther nie aufgewacht ist zu dem, was Menschsein sonst noch bedeuten kann, macht ihn doch eher wieder - normal?
6. Anachronismen und anderes Übel
Ich stehe geläutert gegenüber all dem, was Atlanten, Bücher, Experten sagen. Ich habe versucht, so genau wie möglich zu erzählen.
Aber wenn ich zwischen Gelerhsamkeit und Dramaturgie zu wählen habe, dann soll mich der Teufel holen - Dramaturgie gewinnt.
Auch bei der Sprache.
Mir ist schon klar, dass Svenke wahrscheinlich nicht wirklich: "Red nicht so mit Deiner Mutter", gesagt hätte. Aber er hätte sich in einer alltagsgemäßen Umgangsprache ausgedrückt. Und die versuche ich umzusetzen.
7. Die "message"
Ich habe kein Sendungsbewusstsein, daher keine Message.
Ich bediene mich aber gerne bei einem lang verstorbenen Landsmann, Christian Dietrich Grabbe, der eines seiner Stücke folgendermassen ankündigte:
"Findet der Leser nicht, dass diesem Stück eine tiefere Weltanschauung zugrunde liegt, verdient es keinen Beifall."
So geht es auch den "Nebeln des Morgens".
Ich bedanke mich ganz herzlich für Euer freundliches Interesse und werde auch in den nächsten Wochen noch hin und wieder hereinschauen, um nachziehende Fragen zu beantworten.
Es war mir ein großes Vergnügen.
Herzlich,
Viola