Beiträge von Literaholic

    Auch wenn nun schon viele Worte über Piñol hier getippt wurden, meine Begeisterung ist groß genug, um auch meine Bewertung zu hinterlassen :-) Also nochmal zum Inhalt:


    Unser Held mit dem klangvollen Namen Thomas Thomson ist ein brotloser Schriftsteller im Jahre 1914. Über eine unterhaltsame Schicksalsverwicklung – beginnend in London der damaligen Zeit – kommt er mit einem Mordfall in Kontakt, der ihn zumindest schriftstellerisch auf eine Reise in den Kongo schickt. Ein Anwalt ersucht ihn durch die Umsetzung der Ereignisse um den Mord an zwei Adelsnachkommen in Form eines Buches für einen wohlwollenden Blick gegenüber dem Angeklagten zu sorgen. Wie er den Auftrag umsetzt, sich in die Geschichte hineinsaugen lässt und ob er auch tatsächlich selbst in den Kongo fährt, bleibt am Anfang des Buches ein kleines Geheimnis…ich habe mich entschieden zu der Frage ein Mäntelchen des Schweigens auszubreiten, möchte jedoch anklingen lassen, dass die Geschichte eine fast utopische Wandlung erfährt.


    Zur Bewertung:


    Ihr kennt das sicherlich alle, es gibt gute Bücher, erfreuliche Bücher, lehrreiche Bücher, schlechte Bücher und Bücher, die man nie wieder aus dem eigenen Buchgedächtnis streichen wird. „Pandora im Kongo“ zählt für mich zu dieser letzten Sorte. Der spielerische Schreibstil und der nicht endend wollende Wortschatz des Autors lassen mich den Hut ziehen. Trotz teilweise langer und auch zuweilen verschachtelter Sätze fiel mir das Lesen niemals schwer.


    Mit jeder Seite versank ich tiefer im Jahr 1914 und tiefer in dem heißen, wilden Urwald des Kongo. Die Umgebung entstand mühelos vor meinem inneren Auge und die einzeln beschriebenen Grausamkeiten der beiden Adelssöhne, sprich der to-be-Leichen, jagten mir Schauer den Rücken runter. Auf diese Weise dem vermeintlichen Täter zuhörend, schlüpfte ich automatisch in die Rolle von Thomas Thomson. Ich konnte seine widersprüchlichen Gefühle der Geschichte gegenüber, seine Mühen an dem eigenen Buch und seine Verzweiflung, je mehr er dem Angeklagten Glauben schenkte, selbst nachspüren.


    Um Euch noch einen Vergleich ob meiner Begeisterung zukommen zu lassen: Daß ich einem Erzählstrang mit solch einer Atemlosigkeit gefolgt bin, ist mir zuletzt im Fall der „Stadt der Diebe“ von David Benioff (CoProduzent bei Game of Thrones) widerfahren und auch davor eher selten.


    Zum Ende des Buchs sei gesagt, dass man um jeden Preis bis zum allerletzten Buchstaben lesen muss. Die Wendungen hören nicht eher auf und auch der Emotionsregen für den Leser nicht.


    Ich werde mir so schnell wie möglich die beiden weiteren Büchern des Autors besorgen und hoffentlich mit vergleichbarer Begeisterung verschlingen können. Mit „Im Rausch der Stille“ gelang Albert Sánchez Piñol bereits 2003 der internationale Durchbruch. Ferner ist auf Deutsch auch „Der Untergang Barcelonas“ erschienen. Alle drei im Fischer-Verlag... wie gesagt, ich bleib dran!


    Ich wünsche Euch weiterhin eine belesene Zeit und vielleicht ja auch viel Spaß mit Thomas Thomson im Kongo… :-] :anbet

    Ankündigung Buchrückseite


    Auf der Buchrückseite wir ein spleeniger Kommissar angekündigt. Einer den ein unüberlegter Angriff auf einen Kollegen in das dienstliche Exil verschlagen hat. Nämlich in die „Versorgung“. Die Abteilung für Büromaterial ist gemeint. Als Personalmangel die Leitung der Mordabteilung im Fall eines erstochenen Ghanaers dazu treibt ihn aus dem Exil zu holen, ergreift Martin Nettelbeck – der eben beschriebene – die Chance!


    Erste Funde


    Nach einer nicht ganz leichten Identifikation des Opfers stolpert Nettelbeck zusammen mit seinem jüngeren neuen Partner zwischen der ghanaischen Community, einem von Anfang an suspektem Missionswerk und einem Nazinetzwerk durch Berlin.


    Hierbei sind die Berliner Schauplätze originalgetreu wiedergegeben und die gezeichnete Atmosphäre sprach mich persönlich sehr an. Vor allem, weil ich als Berliner Einwohner tatsächlich das Gefühl bekam durch die Straßen unserer Stadt zu wandeln.


    Die Akteure


    Die Charakterzeichnung kann ich einfach nur als vollständig gelungen betiteln. Unabhängig, ob es sich um die Heranführung an den Haupthelden geht oder um die Vorstellung seiner Mitstreiter und Konkurrenten, durch gelungene knackige Dialoge und kleine subtil eingeflochtene Rückblicke fühlt man sich schnell in die Gedankenwelt der Einzelnen ein.
    Der automatische Nebeneffekt: Alle Handlungen sind nachvollziehbar. Es werden keine Geschichten unnütz angerissen oder gar nicht abgeschlossen.
    Auch der Täter selbst kommt hin und wieder zu Wort und bringt den Leser der Erklärung des Buchtitels Schrittchen für Schrittchen näher.


    Liebe und Herz am rechten Fleck


    Im Gegensatz zu so manch anderem Werk, hat mich die hier sanft aufkeimende Liebe von Nettelbeck zu einer Dame, die ich aus Spoilergründen nicht verraten möchte, überhaupt nicht gestört. Ganz im Gegenteil. Der Charakter der Dame ist spannend und wird schließlich in den nachfolgenden Bänden der Reihe weiter eine Rolle spielen. Passt!


    Die Rückblenden und Dialoge zeichnen bezüglich Nettelbecks Charakter nicht nur seine Spleenigkeit – er ist eher ausweichend, schweigsam, neigt zu Einzelaktionen… – sondern auch seinen Sinn für Gerechtigkeit und für das tatsächlich Richtige im Leben. Für dieses Richtige geht er Risiken ein, verstößt gegen Regeln und bricht auch sonst so manche Dienstvorschrift.


    Besonderen Spaß hat mir auch die Darstellung des „Sich-aneinanderreibens-und-anfreundens“ der beiden Kommissare bereitet. Nettelbeck wird von Wilbert Täubner unterstützt (ja, ich weiß, Wilbert ist nicht gerade sexy, aber was soll´s) und die beiden lernen sich im Verlauf der Seiten mehr und mehr schätzen.


    Wer wird das Buch mögen?


    Berlin-Fans natürlich, Liebhaber von minutiös schlüssigen Geschichten, aber auch Leser, denen etwas grenzwertiger Humor nicht zuviel wird. :chen


    Der grafit-Verlag hat übrigens einen YouTube-Trailer zum „Schneckenkönig“ online und auch die Nachfolgebände verlegt. Abgesehen vom Kauf direkt über die Verlagsseite, kommt Ihr natürlich auch über alle anderen gängigen Quellen dran.


    Ich bleibe auf jeden Fall an der Reihe dran!
    Ich hoffe Ihr auch.

    Mit seinem Umschlagstext über eine scheinbar fast psychotische Entscheidung eines Verfolgers hatte mich das Buch im Buchladen in seinem Bann, also nichts wie los und ein Rezensionsexemplar bestellt.


    Was mich dann erwartete?
    Nun, zunächst ein Ich-Erzähler, der scheinbar allwissend über der angekündigten Hauptperson schwebt. Sorgenvoll ist sein Ton und mit vielen offengebliebenen Fragen leitet dieser die Geschichte um den Ausbruch Philips ein. Wir erwischen Philip anfangs in einer typischen Managersituation. Immer wieder mit seinem Smart Phone quercheckend und seine Assistenz konsultierend, bahnt er sich seinen Weg an einem Spätnachmittag zu einem nicht ganz unwichtigen Geschäftstermin.


    Aus Randsätzen und im Verlauf der Beobachtungen rund um die Figur wird dem Leser die Wichtigkeit des Termins für einen satten Gewinn klar.
    Wie nebenher eingestreut wird auch die Gesellschaftskritik und der auf dem Buchcover angekündigte "unbestechliche Blick" des Autors auf seine Umgebung und das heutige Leben.
    So werden während des Wartens die um Philip herumhechtenden Heimkehrer und Feierabendmacher gnadenlos unter die Lupe genommen. Trennscharfe Sätze sortieren die Passanten in Schubladen, Philip oder zumindest unser allwissende Ich-Erzähler legen den Finger in jede sich unter dem Mäntelchen eines scheinbaren Alltagserfolgs erschliessende Wunde.


    Hier die einsamen, langsam vor sich hin alternden Sekretärinnen und Angestellten, dort die noch naiv in die Zukunft blickenden Halbwüchsigen. An der Stelle musste ich schon mal schlucken. Aus welchem Recht heraus wird hier gestempelt? Einfach, weil es uns mit einer gewissen Befriedigung erfüllt mit dem Finger zu zeigen? Oder weil ein Tropfen Wahrheit der Aufrüttelung dienen soll? Leichte Zweifel an der Message des Buches hatte ich an dieser Stelle.


    Wie dem auch sei, Philips Blick fängt sich in dem Moment auf einem Paar pflaumenlilaner Ballerinas. Das Kopfkino geht los. Die schlanken Fesseln und dezenten Details verleiten Philip seiner Fantasie und dem Jagdinstinkt freien Lauf zu lassen.
    Das Spiel beginnt, Philip folgt der jungen Frau über eine Brücke und Uferstrasse zu einem Geschäft und der Spannungsbogen steigt weiter.
    Er lässt sich nicht beirren durch ihren Abstecher in das Pelzgeschäft. Vielmehr interpretiert er immer mehr Details in die Tatsache, dass die Frau einen Pelz aus dem Geschäft abgeholt hat.


    Sie wird immer mehr zu seinem persönlichen Rätsel, seinem Mysterium, welches er unbedingt lösen will.


    Das muss man Lukas Bärfuss wirklich lassen. Seine ungewöhnlichen Vergleiche, Kopfkinobilder und vor allem das alles durchziehende stilistische Mittel der rhetorischen Frage schafft es den Leser wunderbar am Geschehen zu beteiligen. Ein winziges kleines Bisschen zu viel rhetorische Frage - aber gut, das ist eine Spitzfindigkeit meinerseits.
    Und so lassen wir uns auch auf Philips Spiel ein, finden es amüsant.


    Der Spannungsbogen nimmt neue Formen an in dem Moment als Philip allen Ernstes Kontaktversuche seiner Assistentin und auch die seiner - vorerst nicht weiter beschriebenen- privaten Verabredung sausen lässt, um der Verfolgten in einen abfahrenden Zug nachzuspringen.


    Ohne Ticket und ohne das Ziel der Zugfahrt zu kennen schreckt er kurz auf, bleibt aber verbissen am Ball. Bis zu einer Wohnung in einer Vorstadt folgt er seinem Opfer und lässt auch hier nicht locker. Was ist los mit dem Mann? Folgen wir einem Stalker? Kommt es nun zu einem Eklat, einer Straftat sogar?


    Der Stil des Buches findet seinen Widerhall in weiteren Fragen, die im Kopf des Lesers entstehen.


    Letzte Anmerkungen:


    Eines kann ich an der Stelle noch preisgeben, denke ich, ohne einen richtigen Spoiler. Philip entwickelt weitere Tricks, um seine Jagd auf gar keinen Fall abbrechen zu müssen, nur weil mittlerweile der Abend hereingebrochen ist und er ohne Jacke und ohne weiteren Plan irgendwo in der Vorstadtpampa steht.


    Im letzten Drittel des Buches schwenkt die Handlung um, Philip driftet von einer Rückkehr in sein bürgerliches Managerdasein weiter ab und der Autor führt noch weitere Gestalten ein, die für einen Abschluß der Geschichte sorgen. Ich persönlich empfand die Einführung derselben als zu "hoppladihopp", geradezu aus dem Zusammenhang gerissen und konnte zwar den geschickten Umschwung der Erzählerperspektive durchaus geniessen, die eigentliche Lösung des Rätsels jedoch nicht wirklich.


    Fazit


    Daher vergebe ich zwar für das in den Medien vielbesprochene Werk ebenfalls eine gute Bewertung möchte aber auf meiner Kritik beharren, ob sich denn da der Autor am Ende die Lösung einfach gemacht hat. Ist da die Abgabedeadline dazwischengegrätscht oder war eine Schreibblockade der Bösewicht? Oder langte ihm einfach die Message über die Zerbrechlichkeit unseres Daseins und wie schnell eine einzelne ungewöhnliche Entscheidung den Weg in den Wahn ebnen kann...?


    Ich werde das wohl nicht erfahren, schade eigentlich... Da im Mai in Berlin eine Lesung des Autors stattfindet, werde ich ggf. versuchen dort noch Antworten auf meine Fragen zu erhalten :-).
    Auch die eingestreuten Gesellschaftskritiken hören im Verlauf der Geschichte weitgehend auf (oder sind mir nicht mehr ins Auge gesprungen...wer weiß...). :gruebel
    Stilistisch ist das Buch trotzdem ausgezeichnet und verdient die positive Bewertung diesbezüglich.

    Mein Eindruck zu Stadt der Diebe ist ebenso positiv :-)


    Hier einige Gedanken aus meiner Rezension:


    Ganz viel Seele


    Bei der Einleitung des Hörbuchs – Zitat:
    „Mein Großvater, der Messerstecher, tötete zwei Deutsche, bevor er 18 war“ Zitatende.


    …und dem Namen der Protagonisten wurde ich stutzig. Warum heisst der Erzähler Lew Benioff?


    Aus Interviews mit David Benioff (z.B. im Deutschlandfunk) wurde aber klar, dass es sich nur um ein Stilmittel handelt und nicht um eine authentische eigene Herkunftsgeschichte. Das besagte Mittel verfehlt nicht seinen Zwecks. Die Anbindung an den Erzähler war sofort hergestellt.
    Schön ist auch, dass man nicht erst ein Drittel des Werks lesen musste, um in die eigentlich relevanten Ereignisse einzutauchen...


    Kurzer Abriss meinerseits: Russland, eiskalter Januar 1942, belagertes Leningrad


    Weil er während der nächtlichen Ausgangssperre beim vermeitlichem Leichenfleddern/ Plündern erwischt wurde, wird der 17-jährige Lew sofort inhaftiert – es interessiert niemanden, dass er nur Hunger hatte und auf Plündern steht Erschiessung. In einer dunklen Gefängniszelle harrt er seines Schicksals , erlebt aber eine Überraschung. Er wird nicht aufs Schafott, sondern zusammen mit einem Mithäftling Kolja vor den Geheimdienstchef der Stadt geführt. Der gibt den beiden eine „Chance“ auf Überleben, wenn sie eine unlösbare Aufgabe lösen: Im Tausch gegen ihre Freilassung sollen sie innerhalb von sechs Tagen im ausgehungerten Leningrad zwölf Eier für die Hochzeitstorte seiner Tochter auftreiben.
    Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt. Der schüchterne Lew klemmt sich an den Deserteur Kolja – einen gewitzten, charmanten Frauenhelden – und zusammen entwickeln sie eine Idee nach der anderen, wie man im hungernden Leningrad Eier finden könne.


    Neben zahlreichen Nebenhandlungssträngen, die aus diesen Ideen entspringen, arbeitet sich in den Vordergrund der Geschichte ein aberwitziger Plan: Kolja will sich mit Lew zu einer Geflügelfarm jenseits der feindlichen deutschen Linien durchschlagen. Ein selbstmörderisches Unterfangen …


    Was macht denn nun den Meister aus?


    Für mich macht die natürliche, unaufgesetzte Art Charaktere zu zeichnen, sie durch ihre Handlungen und authentische Dialoge zum Leben zu erwecken, ein seltenes Talent bei Literaten aus. Dieses hat David Benioff scheinbar mit Löffeln gefressen.
    Er braucht keine unnötigen Erläuterungen, jede Beschreibung der Umgebung und der Handelnden ist so prägnant und spricht für sich, dass spätestens nach der Hälfte jeder Leser/jede Leserin einen Lieblingscharakter hat, mit ihm mitfiebert, mitlacht und weint. Ich glaube, dass es die Menschen sind, die auch im Alltag sehr achtsam leben und ganz genau auf die Details achten – was in unserer Umgebung unsere Emotionen in welcher Art und Weise lenkt – die die besten Geschichten kreiren ohne unnötig zu überladen oder mit Nichtigkeiten zu langweilen. David Benioff zählt zu ihnen.


    Trotz der Natürlichkeit der beiden Hauptprotagonisten springt die Grausamkeit des Krieges den Leser/Leserin immerwieder „von der Seite“ an und bringt uns als Leser auf den Boden der Tatsachen. Dass „wir“ nicht in einem einfachen Beziehungsproblem stecken in dem Buch. „Wir“ sind im Krieg. Und es geht ums nackte Überleben.


    Schließlich erschafft David Benioff ein echtes klassisches Abenteuer. Die liebgewonnen Helden gehen durch eine Gefahr nach der nächsten, Co-Charaktere gesellen sich dazu, trennen sich wieder oder sterben eines grausamen Todes. Die Spannungskurve ist elegant und unnachgiebig. Auf den Ausgang des Abenteuers möchte ich keinerlei Hinweise geben… es ist zu toll und ich will keinesfalls zuviel sagen. Es ist mehr als lohnenswert! :anbet :wave

    Hallo liebe Co-Eulen, ich lese gerade Wittkamps Schneckenkönig und habe einen SEHR positiven ersten Eindruck. Es handelt sich um den Auftakt einer Berlin-Krimireihe und es ist alles super recherchiert, was ich als Berliner Einwohner gut beurteilen kann...


    Auch die Charaktere erschliessen sich wunderbar, als erstmal vielversprechend!

    Auf der Buchrückseite kann man eine Empfehlung der Vanity Fair lesen:
    „Ein unwiderstehlicher wilder Roman über das Erwachsenwerden, der Ihnen das Herz brechen wird.“ Zitatende.


    Bevor der Roman mein Herz gebrochen hat, hat er es erfüllt. Erfüllt mit dem Blick eines heranwachsenden Jungen, der mit einiger inneren Distanz auf sich und seine Familie blickt. Zu den Details:


    Die Message


    Man entwickelt früh im Buch das Gefühl, dass der Ich-Erzähler der Autor selbst ist und dass er zwei Dinge auf den Weg mitgeben will. Zum einen, wie tief er seine Familie liebt und zum anderen was für einen zähen, wilden und undankbaren Sumpf seine Herkunftsfamilie gebildet hat.


    Sein naiv-kindlicher und dennoch gnadenlos sezierender Blick stellt dem Leser alle Familienmitglieder vor. Im Zentrum steht aber die Beziehung zu seinen beiden Brüdern. Die drei Brüder bilden eine Front gegen die Eltern, die nur mit Mühe gegen die Herausforderungen einer Latinomigrantenherkunft ankämpfen. Kontinuierlich droht die Arbeitslosigkeit. Sowohl bei Mutter als auch bei Vater. Gleichzeitig malocht sich zumindest die Mutter in undankbarer Schichtarbeit in einer Brauerei den Buckel krumm. Die Bewältigungsmechanismen der Eltern auf ihre schwierigen Lebensumstände erscheinen zunächst typisch – Alkoholkonsum gehört zum Alltag, lautstarke Konflikte bis hin zu punktueller Gewalt ebenso.


    Trotzdem ist das Buch kein typisches „böses Ghetto“-Drama!


    Mit Fortschreiten der Geschichte lernen wir die Eltern als auf ihre Art liebende, fürsorgliche Eltern kennen, die sich selbst verloren haben im Sog des Lebens und der Armut.
    Es ist wundervoll, wie wir durch den Blick des Kindes mitgenommen werden in die Reaktionen der Brüder und vor allem des Erzählers. Ich bin lange keinem so nachvollziehbaren Erzählpfad gefolgt, der mir aufzeigt, wie kindliche Interpretation funktioniert und kindliche Stressbewältigung.


    Die Brüder sind bei weitem keine hilflosen Opfer. Sie sind jeder für sich und alle drei zusammen eine Instanz. Am besten lasse ich an der Stelle den Autor selbst zu Wort kommen:


    Zitat


    Als wir Brüder waren, waren wir die Musketiere. ‚Einer für alle! Und alle auf einen!‘, schrien wir und fochten mit unseren Gabeln.Wir waren Monster – Frankenstein, Frankensteins Braut, Frankensteins Baby. Wir bastelten Zwillen aus Buttermessern und Gummibändern, kauerten unter Autos und schossen mit Kieselsteinen auf weiße Frauen – wir waren die drei Bären, die sich an Goldlöckchen wegen des fehlenden Breichens rächten.Die Gottezahl ist Drei.Wir waren die Gotteszahl.“ Zitatende.


    Stil


    Nicht zuletzt bedient der Autor meine Vorliebe für knappen Schreibstil, wohlgewählte Sätze und unglaublich berührende Metaphern/Bilder. Eine tolle Metapher des „in den Himmel Fallens“ ist auch wunderbar auf dem Cover der Hardcoverversion des Buches umgesetzt. Mittlerweile ist das Cover der Taschenbuchversion anders, nimmt aber ebenso eine Geschichte von vielen auf.


    Es gibt in dem Buch keine Einleitung oder auch klassische Spannungskurve. Der Leser wird ebenso grob und wüst in die Welt dieser Familie hineingeschleudert, wie die Protagonisten eben sind. Jedes Kapitel für sich erzählt einen Aspekt und eine neue Minigeschichte.
    Alle zusammen formen ein immer schärferes Bild. Ein Bild von Ausbruchsversuchen und ein Bild einer liebevollen, völlig überforderten Familie. Bis zum Ausklang oder Schluß des Buches, welches dann eine kleine Überraschung inkl. Selbstoffenbarung des Erzählers birgt. Nun, ich habe es zumindest nicht kommen sehen.


    Fazit


    Das Buch hinterlässt einen tiefen Nachhall bei mir und ich gebe aus ganzem Herzen die bestmögliche Bewertung, die ich mir denken kann. Alle Daumen gereckt, keine Fragen oder „Abers“ offen.


    Für Dich, mein/e werte/r LeserIn, habe ich nur eine Message: Les´das Buch!
    Wenn Euch meine Rezension gefällt, freue ich mich über Blogbesuch auf www.nichtohnemeinbuch.com :wave

    Mit Liebe zum Detail. Wenn ich so in mich reinblicke, ist es dieser Satz, der das Debüt von Bastian Jäger gut umreißt.
    Wenn wir nun schon das Wort Details in den Mund nehmen, widme ich mich denselben in meiner Rezension und um mich an die Regeln der Büchereule zu halten hier noch schnell die Angaben des Verlags - Books on Demand:


    "Die Traumbauer ist ein philosophischer Roman über das 'Hier und Jetzt' und die 'Flucht vor sich selbst'; es ist ein Buch das zum Nachdenken anregt.


    Zwei Geschwister suchen auf gegenüberliegenden Seiten der Welt ihren Weg durchs Leben. Bewusst und unbewusst werden sie dabei mit den Diskrepanzen ihrer inneren und der äußeren Welt konfrontiert.
    In den Gassen Shanghais lernt man Maximilian kennen. Während sich zwischen ihm und der bezaubernden Josephine eine Liebesbeziehung entwickelt, lernt er, um sein Glück zu finden, mit dem alltagsphilosophischen Ansatz vom Hier und Jetzt zu leben.
    Zeitgleich ist Sophia im turbulenten New York auf der Flucht vor sich selbst. Dabei stolpert sie durch Jazzclubs und die Arbeitswelt, durch Lust und Frust und das handfeste und zeitweise selbstverschuldet unschöne Leben."


    In meinen Worten würde ich das gern so umreißen:


    Das Debüt erhebt für sich den Untertitel eines philosophischen Romans, in dem es um zwei rote Fäden gehen wird. Das Leben im Hier und Jetzt sowie die Flucht vor sich selbst.
    Um die Themen greifbarer zu machen, erleben wir die Umsetzung der beiden Topics anhand der Geschichten zweier Geschwister.


    Faden Nummer 1:


    Maximilian lebt in Shanghai. Der Doktorand ist vertieft in seine Arbeit, die er im Auftrag eines Unternehmens, in der fernöstlichen Metropole fertigstellt. Zu dem Zeitpunkt, an dem wir als Leser ihm begegnen ist er schon ein Jahr vor Beendigung der Arbeit. Seinem neuen Lebensort und den Kollegen hat er sich nur bis auf eine relativ seichte Oberfläche angenähert. Für die Metropole an sich hat er Begeisterung, dem temporären Lebensort verleiht jedoch erst die Bekanntschaft zu der älteren, erfolgreichen Unternehmerin Iria das gewisse Extra. Auch diese Bekanntschaft verbleibt auf einem weitgehend hedonistischem und bindungsfreien Niveau.
    Traut er sich oder traut er sich nicht?
    Diesen nähefreien Zustand scheint seine neue Bekanntschaft zu einer russisch-deutschen Diplomatentochter – Josephine – zu durchbrechen, er traut dem Ganzen jedoch nicht wirklich „über den Weg“.
    Josephine bringt eine neue Qualität in seine zwischenmenschlichen Beziehungen und steht in der Geschichte für das Hier und Jetzt ohne einen materiellen Hedonismus, sondern vielmehr als jemand mit viel Respekt für jedem Moment.
    Wie wird Maximilian seinen Weg in der Beziehung finden und sich zu den beiden Frauen positionieren?


    Faden Nummer 2:


    Die zweite Geschichte ist die seiner Schwester Sophia. Sie trifft uns bei Ihrem beruflichen sowie privaten Neustart in New York. Ein scheinbar für sie persönlich nicht ideal gelaufener Aufenthalt in London liegt gerade hinter ihr. Auf dem Flug nach Big Apple lernt sie Victor kennen. Der Unternehmer beeindruckt sie nicht nur durch seine Eloquenz und Zugewandtheit, sondern auch als er sich im weiteren Verlauf als begabter Jazz-Amateurmusiker entpuppt. Sophia wird enttäuscht. Zur Entpuppung gehört auch der Fakt, dass Victor an eine sympathische Kunstgaleristin vergeben ist. Zu beiden baut Sophia, neben diversen Erlebnissen mit Mitbewohnern oder Bekanntschaften, eine Freundschaft auf. Gemeinsam hängen sie regelmäßig in New Yorker Jazz-Clubs herum, ohne dass sie ihre Schwärmerei für Victor je direkt ansprechen würde oder sich anderweitig zu einem ev. „gesünderem“ mentalen Zustand zurückbesinnt.
    In welches Verhältnis und welche Situation manövriert sich Sophia im Verlauf der Geschichte? Wird sie – wie scheinbar in London – eine Flucht ergreifen?


    Die Charaktere


    Nachdem der Plot umrissen ist, möchte ich meine persönlichen Eindrücke zum Besten geben.
    Mit Maximilians Charakter und Beweggründen hatte ich das gesamte erste Drittel des Buches etwas zu kämpfen. Seine Motivation, weshalb er Schwierigkeiten mit dem sich Fallen lassen hat, wurde leider nicht bis zum Schluss klar. Da hätte mir persönlich wenigstens andeutungsweise mehr Info geholfen.
    Auch wurde mir nicht klar, wieso in einer Beziehung zwischen zwei im Leben stehenden erwachsenen Menschen der Status quo – ob sie denn gerade noch jemand anderen getroffen hatten oder ob sie gänzlich frei sind – ein dermaßiges Tabuthema oder Geheimnis ist.


    Im Verlauf des Buches lernte ich Maximilian besser kennen und fand, dass der Charakter sich in eine besser nachvollziehbarere Richtung entwickelte. Seine Ambivalenz und die dazugehörigen Gedankengänge wurden greifbar.
    Sophias Gedankengänge empfand ich als von Beginn an gut und sehr klar umschrieben.
    Ihr Übergang aus der Studierenden in eine berufstätige Frau spiegelt sich nachvollziehbar in ihren Erlebnissen in der WG auf der einen Seite, dem Job und auch der Beziehung zu dem viel reiferen Pärchen auf der anderen Seite.
    Ihre Themen – die Suche nach sich selbst in Koppelung mit der Flucht – erschließen sich natürlicher als das sehr ätherische Leben im Moment oder auch im Hier und Jetzt.


    Die Einbindung der Themen


    Das ist wirklich gelungen. Gerade das Leben im Moment scheint Bastian als Autor sehr am Herzen zu liegen und zieht sich dementsprechend allein sprachlich durch das gesamte Werk. Alle Szenen sind ausgekostet. Die durch die erzählende Person wahrgenommenen Eindrücke bis ins kleinste Fitzelchen beschrieben. Ich ziehe an dieser Stelle den Hut vor der tollen sprachlichen Varianz im Buch.


    Als Leser bleibt einem fast nichts anderes übrig als innezuhalten, sich auf den jeweiligen Ort einzulassen. Teilweise war mir die verbale Exaktheit fast schon einen Ticken zu viel, während sie an anderer Stelle – siehe Maximilians Hintergründe – mehr hätte sein können. Beispiel? Nun:
    In den Dialogen zwischen Josephine und Max wirkte der Fokus auf das Hier und Jetzt etwas überzogen, durch die vorher beschriebene Gedankenwelt beider Personen war schon der große Vorzug des Charakters Josephine vollkommen klar geworden. Aber ok, das sind auch Details :-)


    Auf ihre eigene Art und Weise zieht sich auch das andere Thema der Flucht vor sich selbst oder vielleicht auch der Suche nach sich selbst (?) durch beide Geschichten. Beide Charaktere wanken in ihren Entscheidungen, sind uneins und erleben Umbrüche.


    Zusatzgoodie


    Bei den immer wieder eingeflochtenen Koch- und Essensszenen lief mir sprichwörtlich das Wasser im Munde zusammen. Es machte mir sehr viel Spaß den Roman aus der kulinarisch-kulturellen Perspektive zu lesen. Die spannenden Wohnviertel und interessanten Orte an beiden Metropolen kann man geradezu selbst vor Augen sehen und die internationale Küche auf der Zunge schmecken. Auch hier ein deutliches „toll gemacht“ an Bastian!


    Empfehlung


    Frei heraus empfehle ich das Buch Menschen, die sich gern in sprachlichen Feinheiten verlieren oder die ein Faible für das Reisen an sich haben. Für die wäre das Buch ein toller Appetizer. Auch diejenigen, die selbst eh an dem Respekt für den Moment arbeiten, werden mit dem Roman glücklich. Nicht zu vergessen diejenigen Leser, die eine schöne Liebesgeschichte mit ausgefallenem Ende schätzen.


    Eher „actiongewohnte“ Zeitgenossen werden einige Selbstdisziplin aufbringen müssen erstmal in den Stil reinzufinden und sich auf die langsame Beziehungskiste der beiden Hauptdarsteller einzulassen, gerade weil größere Abenteuer fehlen und es sich eher um Lebensthemen an sich handelt, die den beiden eine Herausforderung sind.


    Meine Bewertung mit Smiley habe ich vor allem auf Grund des interessanten Abschlusses, der sprachlichen Varianz, dem kulturellen Aspekt und dem Debütbonus vergeben. Wie man aus der Rezension rauslesen kann, ist noch Entwicklungspotenzial nach oben.


    Autor


    Bastian Jäger ist nicht nur Autor, sondern auch Diplomingenieur für Mechatronik und Informationstechnik.
    Trotz einem Hang zur Technik und einer Lese-/Rechtschreibschwäche hat Bastian bereits zu Schulzeiten gerne geschrieben – vorrangig Poesie und Kurzgeschichten. Während seines ersten, sechsmonatigen Aufenthalts in Shanghai im Jahre 2010 entstand aus dem Schreiben von Berichten für die Familie zu Hause der Wunsch ein größeres Werk zu verfassen. Die Idee zu Die Traumbauer entstand eben dort, in Shanghai. Aktuell ist ein zweites Buch in Arbeit.


    Zu Kaufen gibt es Die Traumbauer z.B. über Books on Demand (ISBN siehe oben). Wenn Euch mein Rezensionsstil zusagt, freue ich mich auch über Besuch auf meinem Blog www.nichtohnemeinbuch.com

    Als Book on Paper ist "Krieg" hier auf der Büchereule schon zu finden... ich möchte gern noch ein paar Worte zur Hörversion verlieren:


    Vom Klappentext her hatte dieses Hörbuch einen Reiz für mich, gekauft hätte ich aber eher nicht spontan. Für ein Experiment aus der guten alten Bücherei hat es dennoch gelangt.


    Klappentext ist wie folgt:
    Seit Monaten schon lebt Arnold Steins zurückgezogen inmitten der rauen Welt der Berge und kommt nur gelegentlich runter ins Dorf. Doch so einsam und abgeschieden ist das Leben nicht in dieser verwitterten Almhütte mit all ihren Geheimnissen: In einem Moment der Abwesenheit zerstört ein Fremder die letzten Dinge, die ihm wichtig sind, sein Hund wird brutal verletzt – ein Kampf auf Leben und Tod mit unbekanntem Gegner beginnt. Und auf einmal versteht Arnold, wie alles zusammenhängt: das Schicksal seines Sohnes mit der zerstörerischen Trauer seiner Frau und der eigenen Flucht aus einem Leben, in dem er sich nur ein einziges Mal zur Wehr setzte.


    Nun bin ich froh dieses Hörbuch nicht verpasst zu haben. Es birgt Überraschungen.


    Inhalt


    Der Eigenbrödler und Kauz Arnold Steins lebt zurückgezogen in den Bergen. Fast ausschließlich aus seiner Perspektive entrollt sich auch die Geschichte.
    In Zeitsprüngen lernen wir nach und nach, dass er nicht immer so allein war. Steins war einst Familienvater eines talentierten jungen Mannes, dieser von Klein auf ein Haudrauf, als auch liebender Ehemann.
    In der Gegenwart leistet nur noch ein Hund ihm Gesellschaft auf der einsamen Almhütte.
    Was war geschehen, dass er sich hierher zurückgezogen hat?


    Die Zeitsprünge beleuchten den tragischen Verlauf seiner Verluste. Der talentierte Sohn, frisch verlobt, möchte sich endgültig beweisen und zieht in den Krieg gegen den Terror in ein nicht näher bezeichnetes Land im Nahen Osten. Sein Fall lässt das Familiengebäude einstürzen. Die Ehefrau geht an der Trauer zu Grunde.


    In der verwitterten Almhütte will Steins in seiner Trauer suhlen. Hin und wieder fährt er ins Dorf für Besorgungen, kapselt sich aber durch regelrechte Barrieren komplett ab.


    Ein neuer Spieler


    Jedoch: In einem kurzen Moment der Abwesenheit zerstört ein Fremder die letzten Dinge, die ihm wichtig sind, und als auch noch „Hund“, sein treuer Gefährte, verletzt wird, weiß Steins, was ihm bevorsteht – ein Kampf auf Leben und Tod mit unbekanntem Gegner … Seine Flucht in die Einsamkeit kann er nicht mehr aufrechterhalten.


    Aufbau


    Ich hatte einen sehr einfach strukturiertes Werk erwartet und bin hier positiv überrascht worden. Die Zeitsprünge sind gut gewählt und nicht nur für die Erläuterung des Hintergrundes gut genutzt, sondern auch für die Zeichnung des Charakters des Sohnes als auch von weiteren Nebenrollen. Wie Steins sich die kleinen strategischen Vorteile der Hütte nach und nach erschließt, sich für den Kampf wappnet, um sich dabei erneut seinem gefallenen kämpferischen Sohn näher zu fühlen, ist gut aufgebaut.


    Abschluß


    Einen Dämpfer habe ich dann doch noch erhalten, nämlich durch das Ende, welches ich ungern verraten möchte. Zu schlicht. Ja, es kommt zum Showdown, dennoch hätte man thematisch aus dem mysteriösen Feind doch mehr rausholen können. Die im Verlauf der Geschichte eingestreuten Intermezzi mit Wanderinnen, die Steins in seiner Einsamkeit ansprechen, waren ok für die Charakter- und Situationszeichnung, aber auch nicht ein Muß.


    In Summe kann ich das Hörbuch dennoch empfehlen, vor allem für spannungsreiches, unangestrengtes Hören zum Beispiel im Urlaub bestens geeignet.


    Sprecher


    Urich Noethen war 2016 mein Sprecherfavorit und erfüllte auch hier meine Vorfreude. Dunkle Stimme, ruhige Betonung, keine Übertreibungen.


    Info für Kaufwütige: Das Hörbuch ist im Random House Audio Verlag zu haben...


    Hat sonst noch jemand was von Jochen Rausch gehört? Wie sind da die Eindrücke??
    LG Literaholic von nichtohnemeinbuch.com


    Edit: ISBN hinzugefügt. LG JaneDoe

    Habe mich riesig gefreut von Bastian Jäger in Bezug auf sein Debüt angesprochen zu werden, ob ich denn Lust hätte zu lesen und zu rezensieren.


    Nun bin ich halb durch und viel am Hirnen zu den einzelnen Figuren, dem Gesamtplot und auch der Message - nämlich im Hier und Jetzt zu leben bzw. was das eigentlich heißt.


    Zu einem finalen Eindruck bin ich noch lange nicht gekommen. Erster Eindruck ist, dass sehr minutiös an den Beschreibungen gefeilt wurde, die Charaktere haben verschiedene Qualität für mich als Leserin gewonnen und dass es ein super Buch ist, wenn man sich mal in die Strassen von Shanghai oder New York versetzen will... Mehr sag ich noch nicht...
    Hier kommt die Webpage des Autors:http://die-traumbauer.de/


    Und ich habe bereits einen Minipreview ins Buch auf meinem Blog verfasst, zu dem ich Euch auch gern einlade:
    https://nichtohnemeinbuch.com/…tionmittendrinmittwoch-1/


    LG der Literaholic von nichtohnemeinbuch

    Wir starten wieder miiiit dem....Klappentext:
    Ein Philosoph. Ein Schotte. Ein Killer.
    Zwölf Morde hat Billy bis jetzt verübt, jedes Mal lässt er sich von den Opfern vorab deren Lebensgeschichte erzählen. Ein einziges Mal hat er aus Versehen den Falschen getötet. Das hat Konsequenzen. In Las Vegas kommt es zum Showdown.
    Nach diesen knappen Worten zu meiner Rezi:
    Nachdem die Lektüre beendet ist, merke ich, wie es weiter in mir arbeitet.


    Inhalt


    In Ich-Perspektive begleiten wir Billy. Billy, den Auftragsmörder. Er ist auf dem Weg nach Las Vegas, ob für einen weiteren Mord oder für ein Treffen wird erst nach und nach klar. Auf unseren Weg mit Billy erhalten wir vom kargen Klappentext noch den Hinweis, dass bereits 12 Morde erfolgt sind und dass Vagas eine unliebsame Überraschung für unseren Killer bereithalten wird.


    Jedoch ist es sehr wichtig für das Verständnis des Buches auf die Details – des Klappentextes und natürlich darüber hinaus der Erzählung selbst – zu achten. Die Beschreibung von Billy ist nicht ohne Grund in genau der Reihenfolge angegeben, wie Ihr sie auch meinem Titel entnehmen könnt. Philosoph. Schotte. Killer. In zeitlichen Sprüngen lernen wir, wie es dazu kam, dass Billy Auftragsmörder wurde und darüber hinaus unaufhörlich Philosophie lebt.
    Er beschreibt seine Ursprungsfamilie und die Familie, die ihn aufnahm und zu dem gemacht hat, der er ist. Die ihn prägende Figur in der Familie – Onkel Seamus – ist zum Beispiel eine überraschende Mischung aus selfmade-man, red neck und höherer intellektueller Instanz. Er, die Tante, der Cousin Frankie und Billy formen das Familienunternehmen. Kaum nachverfolgbar, nicht auffindbar (oder eben fast nicht) nehmen sie Mordaufträge an.
    Die Liebe von Billy und seines Ziehvaters zur Philosophie wird deutlich in ihrer sehr eigenen Auffassung über Recht und Unrecht. Die Begründungen wen und warum sie töten überraschen.


    Mehrwert gegenüber üblichen Metzelthrillern


    Hier kommt der TATSÄCHLICHE große Mehrwert des Buches zum Tragen. Wir werden nach und nach in Aspekte der Nietzsche´en Philosophie hineingeworfen, deren Konsequenzen für das Handeln der Figuren sind für uns Normalsterbliche skurril.
    Dieser Mehrwert hat aber auch einen Preis. Ich bin das erste Mal in der Mitte des Buches aufgeschreckt, um festzustellen, dass ich gut unterhalten und zum Denken angeregt wurde, sich aber inhaltlich für die Reise von Billy nach Vegas nicht wirklich etwas getan hat. Es wurde an der Stelle etwas langatmig.
    Billy steckt in der Mitte des Buches fest – durch eine Panne wird er zu einem Exkurs in ein Wüstennest und zu einem 70-er-Jahre Autohändler gezwungen. Die seitenlange Interaktion dieser irren Figuren weckt ein Kopfkino á la Quentin Tarantino-Film. Bei der nervaufreibenden Szene, in der der Autohändler Billy gnadenlos zutextet, wartet man innerlich auf die Explosion der Gewalt. Billy müssten doch einfach die Nerven durchgehen, er den Händler erschiessen und sich ein Auto krallen. Kommt nicht.


    Zweifel & Hadern :gruebel


    An dieser Stelle im Buch hatte ich auch etwas Zweifel an der Figur. So sanft. So gutmütig ist unser Killer. Einerseits passt es zu seinem Werdegang, seinen Überzeugungen als Philosoph und einer exzellenten Tarnung seines wahren Seins. Andererseits bin ich vielleicht aus anderen Killerdarstellungen heraus verdorben. Wo bleibt der Reiz der Gewalt, der Sog der Macht perfekt töten zu können, der so vielen anderen Mördergestalten inne ist?
    Nach nährer Analyse stimme ich dem Autor einzlkind aber zu. Billy kann nicht anders sein, als zurückhaltend stoisch. Er schwebt über den Dingen. Da rastet man nicht aus.


    Aktion?


    Diese Tendenz bleibt dem Buch bis kurz vor Schluß erhalten. Blutiges Gemetzel oder sensationslüsterne Gewaltbeschreibungen wird man hier nicht bekommen. Dafür lernen wir weitere Surrealitäten auf Billys Weg kennen – einen IT-Nerd, der am liebsten Borg sein will, einen Elvis-Impersonifizierer (im Buch ELWIS mit W), einen Chaffeur, dessen Körperhygiene schon beim Lesen für Würgereiz sorgt und viele Mehr.
    Dazwischengeschaltet die Zeitsprünge, in denen der Philosoph uns zu seinen Morden mitnimmt, diese erläutert und für entsprechende Bilder in unserem Kopf sorgt.


    Über die Überraschung am Ende des Buches und die Auflösung werde ich das Mäntelchen des Schweigens hüllen.


    Faszinierend


    Fazit ist definitiv ein Daumen HOCH! :anbet
    Wie bereits angedeutet, kommen Freunde von Tarantino-Kunst oder noch besser David Lynch-Werken voll auf ihre Kosten. Ich hatte zwischendurch Szenen aus dem umstrittenen Blue Velvet (der ein oder andere kenn sicherlich den Lynch-Film) vor meinen Augen.


    Wenn Ihr noch mein Lieblingszitat und andere Rezensionen aus meiner Feder haben wollt, lade ich gern ein auf: http://www.nichtohnemeinbuch.com
    Beste Grüße
    Kasia

    Für den Start der Klappentext:
    Aus dem Bulgarischen von Alexander Sitzmann. In Georgi Gospodinovs Erzählungen begegnen wir hinterwäldlerischen Dorfbewohnern auf dem südlichen Balkan, einem Kind, das nacheinander verschiedene Väter adoptiert, einem Autor, der ganz Lissabon nach einer unbekannten Schönen absucht, und zahlreichen simplen oder auch raffinierten Ehebrüchen; einige Geschichten werfen Blicke in die kommunistische Vergangenheit des Landes und andere in die Zukunft der Menschheit. Wie in der Titelgeschichte die Zeit, die das Licht von der Sonne zur Erde braucht, gerade das bisschen Zeit ist, die der Autor dem Leser zur Lektüre des Textes einräumt, so lauern in vielen Texten Gospodinovs Weltuntergangsgedanken, Sorgen und Trauer um die Unzuverlässigkeit der Menschen.


    Rezension:
    Georgi Gospodinov ist fast schon zu Klischee für die melancholische slavische Seele um wahr zu sein. Hochwertig und ansprechend ist er trotzdem.
    Seine Erzählungen haben mich mit einem sehr intensiven und persönlichem Schreibstil reingesogen und bis zum Ende des Buchs nicht wieder aus den Krallen gelassen. Ich bedauere nun, nach Beenden der Lektüre, dass dies „nur“ ein Bibliotheksbuch ist. Es wird wohl ein Neuzuwachs im Buchregal werden.


    Häppchen genauer betrachtet
    Lasst mich Euch einige der Erzählungen näher vorstellen. Die titelgebende Geschichte wirft uns vorbereitungslos und ohne großes Getue rein in eine Ankündigung einer bevorstehenden Apokalypse. Der an der Stelle geradezu atemlose Schreibstil baut in null komma nichts Spannung auf. Nur, um in die Kiste mit schwarzem Humor zu greifen und die Geschichte in eine Erzählung über die Zufallskarriere eines Sonnenuntergangsfotografen münden zu lassen. Was für ein Ritt!


    Weit sensibler baut sich die Geschichte um einen Mann, der nach 40 Jahren die Dame seines ersten Mals wiedersehen möchte, auf. Aber vorsicht! Wappnet Euch vor dem unromantischen Ende.


    Oder die darauf folgende, in der es um die gespenstische Atmosphäre von historisch belasteten Orten geht. Manche Gespenster, die schlimme Ereignisse hinterlassen, sind trotz baulicher Maßnahmen einfach nicht weg zu bekommen.
    Wenn man da als Leser denkt, der Neigung zur Melancholie sei Genüge getan, hat sich sehr verschätzt. Die Geschichte um einen Heimjungen, der einen Vater adoptieren möchte, oder auch die um einen Kinodreh in einem langsam aussterbenden Dörfchen berühren tief.


    Einfach da „drüberlesen“ ist keine Option. Pausen und Durchatmen muss man sich bei Gospodinovs Erzählungen gönnen.


    Sehr prägend für den Autor ist auch, dass bei mindestens jeder zweiten Geschichte der Eindruck einer starken autobiografischen Komponente entsteht. Die Akteure sind wiederholt selbst Literaten und auch an anderen Hinweisen, wie gern gewählter Ich-Perspektive, mangelt es nicht.
    Die Komposition und Phantasiefülle der Erzählungen sowie der absorbierende Stil bewegen mich für Georgi beide Däumchen nach oben zu heben.
    Ich werde dieses Mal keine Schätzungen darüber abgeben, für wen dieses Buch geeignet ist und für wen nicht, denn ich halte es auf Grund seiner literarischen Qualität generell für eine Bereicherung. Wem die Themen der Geschichten doch zu tief gehen, wird automatisch Pausen einlegen oder auch nach einer bestimmten individuellen Geschichtenanzahl X das Buch beiseite legen.


    Fazit:
    Nerven muss man haben für Gospodinov, aber er ist ein MUSS!
    Wenn Euch meine Rezension gefällt, findet Ihr gern mehr davon auf meinen Blog ;-) : www.nichtohnemeinbuch.com

    Liebe Eulen, ich beende gerade Billy von einzlkind.


    Das Buch ist überraschend, anders, hat so seine Momente...
    Angekündigt wird ein schottischer Killer/Philosoph auf der Reise nach Las Vegas... das Buch selbst ist eine Odysee zwischen seinem Werdegang, dem Ist (sprich seiner Las Vegas Tour) und Metaphern/Bildern...
    Wer Kopfkino a la 70er oder auch etwas Tarantinoartigem haben möchte ist hier gut aufgehoben.


    Klingt jetzt nicht so begeistert, das täuscht. Ich fand es durchaus gut, ich denke nur ich hatte etwas anderes erwartet.
    Ein Killerbuch ohne Kill - bislang...
    Mal schauen wie das letzte Drittel sein wird.


    Wenn Ihr nachher die Rezension sehen wollt - wird wohl erst in paar Tagen kommen, lade ich Euch natürlich auf meinen Blog ein: www.nichtohnemeinbuch.com


    So much for now hier noch das Cover: