Bastian Jäger - Die Traumbauer

  • Mit Liebe zum Detail. Wenn ich so in mich reinblicke, ist es dieser Satz, der das Debüt von Bastian Jäger gut umreißt.
    Wenn wir nun schon das Wort Details in den Mund nehmen, widme ich mich denselben in meiner Rezension und um mich an die Regeln der Büchereule zu halten hier noch schnell die Angaben des Verlags - Books on Demand:


    "Die Traumbauer ist ein philosophischer Roman über das 'Hier und Jetzt' und die 'Flucht vor sich selbst'; es ist ein Buch das zum Nachdenken anregt.


    Zwei Geschwister suchen auf gegenüberliegenden Seiten der Welt ihren Weg durchs Leben. Bewusst und unbewusst werden sie dabei mit den Diskrepanzen ihrer inneren und der äußeren Welt konfrontiert.
    In den Gassen Shanghais lernt man Maximilian kennen. Während sich zwischen ihm und der bezaubernden Josephine eine Liebesbeziehung entwickelt, lernt er, um sein Glück zu finden, mit dem alltagsphilosophischen Ansatz vom Hier und Jetzt zu leben.
    Zeitgleich ist Sophia im turbulenten New York auf der Flucht vor sich selbst. Dabei stolpert sie durch Jazzclubs und die Arbeitswelt, durch Lust und Frust und das handfeste und zeitweise selbstverschuldet unschöne Leben."


    In meinen Worten würde ich das gern so umreißen:


    Das Debüt erhebt für sich den Untertitel eines philosophischen Romans, in dem es um zwei rote Fäden gehen wird. Das Leben im Hier und Jetzt sowie die Flucht vor sich selbst.
    Um die Themen greifbarer zu machen, erleben wir die Umsetzung der beiden Topics anhand der Geschichten zweier Geschwister.


    Faden Nummer 1:


    Maximilian lebt in Shanghai. Der Doktorand ist vertieft in seine Arbeit, die er im Auftrag eines Unternehmens, in der fernöstlichen Metropole fertigstellt. Zu dem Zeitpunkt, an dem wir als Leser ihm begegnen ist er schon ein Jahr vor Beendigung der Arbeit. Seinem neuen Lebensort und den Kollegen hat er sich nur bis auf eine relativ seichte Oberfläche angenähert. Für die Metropole an sich hat er Begeisterung, dem temporären Lebensort verleiht jedoch erst die Bekanntschaft zu der älteren, erfolgreichen Unternehmerin Iria das gewisse Extra. Auch diese Bekanntschaft verbleibt auf einem weitgehend hedonistischem und bindungsfreien Niveau.
    Traut er sich oder traut er sich nicht?
    Diesen nähefreien Zustand scheint seine neue Bekanntschaft zu einer russisch-deutschen Diplomatentochter – Josephine – zu durchbrechen, er traut dem Ganzen jedoch nicht wirklich „über den Weg“.
    Josephine bringt eine neue Qualität in seine zwischenmenschlichen Beziehungen und steht in der Geschichte für das Hier und Jetzt ohne einen materiellen Hedonismus, sondern vielmehr als jemand mit viel Respekt für jedem Moment.
    Wie wird Maximilian seinen Weg in der Beziehung finden und sich zu den beiden Frauen positionieren?


    Faden Nummer 2:


    Die zweite Geschichte ist die seiner Schwester Sophia. Sie trifft uns bei Ihrem beruflichen sowie privaten Neustart in New York. Ein scheinbar für sie persönlich nicht ideal gelaufener Aufenthalt in London liegt gerade hinter ihr. Auf dem Flug nach Big Apple lernt sie Victor kennen. Der Unternehmer beeindruckt sie nicht nur durch seine Eloquenz und Zugewandtheit, sondern auch als er sich im weiteren Verlauf als begabter Jazz-Amateurmusiker entpuppt. Sophia wird enttäuscht. Zur Entpuppung gehört auch der Fakt, dass Victor an eine sympathische Kunstgaleristin vergeben ist. Zu beiden baut Sophia, neben diversen Erlebnissen mit Mitbewohnern oder Bekanntschaften, eine Freundschaft auf. Gemeinsam hängen sie regelmäßig in New Yorker Jazz-Clubs herum, ohne dass sie ihre Schwärmerei für Victor je direkt ansprechen würde oder sich anderweitig zu einem ev. „gesünderem“ mentalen Zustand zurückbesinnt.
    In welches Verhältnis und welche Situation manövriert sich Sophia im Verlauf der Geschichte? Wird sie – wie scheinbar in London – eine Flucht ergreifen?


    Die Charaktere


    Nachdem der Plot umrissen ist, möchte ich meine persönlichen Eindrücke zum Besten geben.
    Mit Maximilians Charakter und Beweggründen hatte ich das gesamte erste Drittel des Buches etwas zu kämpfen. Seine Motivation, weshalb er Schwierigkeiten mit dem sich Fallen lassen hat, wurde leider nicht bis zum Schluss klar. Da hätte mir persönlich wenigstens andeutungsweise mehr Info geholfen.
    Auch wurde mir nicht klar, wieso in einer Beziehung zwischen zwei im Leben stehenden erwachsenen Menschen der Status quo – ob sie denn gerade noch jemand anderen getroffen hatten oder ob sie gänzlich frei sind – ein dermaßiges Tabuthema oder Geheimnis ist.


    Im Verlauf des Buches lernte ich Maximilian besser kennen und fand, dass der Charakter sich in eine besser nachvollziehbarere Richtung entwickelte. Seine Ambivalenz und die dazugehörigen Gedankengänge wurden greifbar.
    Sophias Gedankengänge empfand ich als von Beginn an gut und sehr klar umschrieben.
    Ihr Übergang aus der Studierenden in eine berufstätige Frau spiegelt sich nachvollziehbar in ihren Erlebnissen in der WG auf der einen Seite, dem Job und auch der Beziehung zu dem viel reiferen Pärchen auf der anderen Seite.
    Ihre Themen – die Suche nach sich selbst in Koppelung mit der Flucht – erschließen sich natürlicher als das sehr ätherische Leben im Moment oder auch im Hier und Jetzt.


    Die Einbindung der Themen


    Das ist wirklich gelungen. Gerade das Leben im Moment scheint Bastian als Autor sehr am Herzen zu liegen und zieht sich dementsprechend allein sprachlich durch das gesamte Werk. Alle Szenen sind ausgekostet. Die durch die erzählende Person wahrgenommenen Eindrücke bis ins kleinste Fitzelchen beschrieben. Ich ziehe an dieser Stelle den Hut vor der tollen sprachlichen Varianz im Buch.


    Als Leser bleibt einem fast nichts anderes übrig als innezuhalten, sich auf den jeweiligen Ort einzulassen. Teilweise war mir die verbale Exaktheit fast schon einen Ticken zu viel, während sie an anderer Stelle – siehe Maximilians Hintergründe – mehr hätte sein können. Beispiel? Nun:
    In den Dialogen zwischen Josephine und Max wirkte der Fokus auf das Hier und Jetzt etwas überzogen, durch die vorher beschriebene Gedankenwelt beider Personen war schon der große Vorzug des Charakters Josephine vollkommen klar geworden. Aber ok, das sind auch Details :-)


    Auf ihre eigene Art und Weise zieht sich auch das andere Thema der Flucht vor sich selbst oder vielleicht auch der Suche nach sich selbst (?) durch beide Geschichten. Beide Charaktere wanken in ihren Entscheidungen, sind uneins und erleben Umbrüche.


    Zusatzgoodie


    Bei den immer wieder eingeflochtenen Koch- und Essensszenen lief mir sprichwörtlich das Wasser im Munde zusammen. Es machte mir sehr viel Spaß den Roman aus der kulinarisch-kulturellen Perspektive zu lesen. Die spannenden Wohnviertel und interessanten Orte an beiden Metropolen kann man geradezu selbst vor Augen sehen und die internationale Küche auf der Zunge schmecken. Auch hier ein deutliches „toll gemacht“ an Bastian!


    Empfehlung


    Frei heraus empfehle ich das Buch Menschen, die sich gern in sprachlichen Feinheiten verlieren oder die ein Faible für das Reisen an sich haben. Für die wäre das Buch ein toller Appetizer. Auch diejenigen, die selbst eh an dem Respekt für den Moment arbeiten, werden mit dem Roman glücklich. Nicht zu vergessen diejenigen Leser, die eine schöne Liebesgeschichte mit ausgefallenem Ende schätzen.


    Eher „actiongewohnte“ Zeitgenossen werden einige Selbstdisziplin aufbringen müssen erstmal in den Stil reinzufinden und sich auf die langsame Beziehungskiste der beiden Hauptdarsteller einzulassen, gerade weil größere Abenteuer fehlen und es sich eher um Lebensthemen an sich handelt, die den beiden eine Herausforderung sind.


    Meine Bewertung mit Smiley habe ich vor allem auf Grund des interessanten Abschlusses, der sprachlichen Varianz, dem kulturellen Aspekt und dem Debütbonus vergeben. Wie man aus der Rezension rauslesen kann, ist noch Entwicklungspotenzial nach oben.


    Autor


    Bastian Jäger ist nicht nur Autor, sondern auch Diplomingenieur für Mechatronik und Informationstechnik.
    Trotz einem Hang zur Technik und einer Lese-/Rechtschreibschwäche hat Bastian bereits zu Schulzeiten gerne geschrieben – vorrangig Poesie und Kurzgeschichten. Während seines ersten, sechsmonatigen Aufenthalts in Shanghai im Jahre 2010 entstand aus dem Schreiben von Berichten für die Familie zu Hause der Wunsch ein größeres Werk zu verfassen. Die Idee zu Die Traumbauer entstand eben dort, in Shanghai. Aktuell ist ein zweites Buch in Arbeit.


    Zu Kaufen gibt es Die Traumbauer z.B. über Books on Demand (ISBN siehe oben). Wenn Euch mein Rezensionsstil zusagt, freue ich mich auch über Besuch auf meinem Blog www.nichtohnemeinbuch.com