Briefwechsel, Herausgegeben von Inge Jens und Uwe Naumann
Rowohlt, 2011
Gebunden
304 Seiten
Rückseite:
LIEBER UND VEREHRTER ONKEL HEINRICH –: was soll man sich nun zu Geburtstagen wünschen? … Dass der nächste, oder übernächste, unter gründlich veränderten Welt-Umständen stattfinden möge. (…) Ich habe es so im Gefühl: die Riesen-Sauerei hat ihren Höhepunkt erreicht. Jetzt kommen keineswegs zwei Jahrzehnte deutscher Hegemonie über Europa. Das steht erstens nicht in Hitlers Sternen geschrieben, und ausserdem gibt es, immer noch, zu viel moralische Gegenkräfte in Europa. (…) Wie nett wäre es, wenn wir am Sonntag alle in der rue Rossini zusammen sein könnten: Frau Kröger – grüsse Sie aufs allerartigste von mir – würde etwas Delikates kochen, und Du würdest vielleicht ein Stück Henri vorlesen, und wir hätten es reizend. Jedenfalls aber möchte ich es – wenn irgend möglich – so einrichten, dass ich noch einmal nach Nizza komme, ehe ich den Atlantik wieder überqueren muss … Alle treuen Grüsse und Wünsche Deines: KLAUS KÜSNACHT, 26. MÄRZ 1938
Über die Herausgeber:
Inge Jens, geboren 1927 in Hamburg. Studium der Germanistik, Anglistik und Pädagogik; Promotion 1953. Herausgeberin der Tagebücher Thomas Manns. Mitarbeit an zahlreichen weiteren kulturhistorischen Projekten. Seit 1951 ist sie verheiratet mit Walter Jens; das Ehepaar lebt in Tübingen und schrieb zusammen die Bestseller „Frau Thomas Mann“ (2003) und „Katias Mutter“ (2005).
Uwe Naumann, geboren 1951 in Hamburg. Studium der Germanistik und Soziologie, Promotion 1983. Programmleiter Sachbuch im Rowohlt Verlag. Lebt in Hamburg.
Mein Eindruck:
Heinrich Mann war Thomas Manns älterer Bruder, Klaus war Thomas Manns ältester Sohn.
In diesem Buch ist der Briefwechsel zwischen Klaus und Heinrich Mann abgedruckt und von den Herausgebern mit Anmerkungen versehen.
Zudem sind Texte enthalten, in denen sich Klaus Mann über seinen Onkel äußerte z.B. in seinem Buch Der Wendepunkt oder in seinen Tagebüchern.
Von Heinrich Mann ist auch ein Beitrag über seinen Neffen enthalten, ihm zum Gedächtnis, denn Klaus Mann hat 1949 Selbstmord begangen, ein Jahr später starb Heinrich Mann.
Dieses Buch trägt deutlich die Handschrift der Herausgeberin Inge Jens, die Spezialistin für die Familie Mann ist. Auch der andere Herausgeber, Uwe Naumann ist Kenner, er hat bereits ein Buch über Klaus Mann veröffentlicht und war treibende Kraft für dieses Buch.
Beide sind eine Garantie für klare und gründliche Arbeit, die auch noch durch ein eindrückliches Nachwort ergänzt wird.
Erwähnenswert sind auch noch eine Anzahl von Fotos und Karikaturen der Manns im Mittelteil des Buches.
Das Buch ist durch diese Zusammenstellung ein komplettes Werk geworden.
Dennoch hat mich persönlich bei allen Beiwerk der nur 74 Seiten fassende Briefwechsel (inklusive den aufschlußreichen Anmerkungen der Herausgeber) am meisten interessiert, da er original Auskunft über diese schriftstellerischen Größen gibt. Die Anmerkungen von Jens/Naumann dazu sind wirklich sehr nützlich und eine gute Leistung.
Das Verhältnis von Onkel und Neffe war gut, interessant war, wie sie jeweils politisch Stellung bezogen, das grenzet sie zeitweise ab von Thomas Mann, der in den ersten Jahren nur zögerlich Stellung zur Exilliteratur zog.
Schwerpunkt sind die Jahre im Exil, als Klaus Mann seine Zeitschriften herausgab und dabei auch Artikel und Beiträge von seinem Onkel einfügte.
Überhaupt geht es in den Briefen viel um Literatur und Politik.
Das Heinrich Mann jetzt direkt der geistige Vater von Klaus Mann war, glaube ich dennoch nicht. Ein Einfluss sicherlich, doch eigentlich war Klaus Manns literarische und politische Arbeit durchaus eigenständig.
Von dem Buch angeregt, habe ich dann auch den Dokumentarfilm Onkel-Heinrich auf www.zeitzeuge-tv.com gesehen, der einen tiefen Einblick in die Arbeitsweise von Inge Jens und Uwe Naumann gab. Sie interviewten am Ende des Films sogar noch Heinrich Manns Enkel. Ein sehr empfehlenswerter Film, ebenso wie das Buch.