Am Futterhaus. Vögel erleben im Jahreslauf - Dr. Richard Schöne

  • Dr. Richard Schöne: Am Futterhaus – Vögel erleben im Jahreslauf, Bern 2012, Haupt-Verlag, ISBN 978-3-258-07756-7, 160 Seiten, Hardcover mit kreisförmiger Zierstanze auf dem Cover, rund 200 farbige Abbildungen, Format: 26 x 20,4 x 1,4 cm, EUR 19,90.


    „Wildtiere beobachten“ – das klingt nach Aufwand und Expedition. Ist es oft auch. Eine Ausnahme gibt es: die einheimischen Wildvögel. Wer einen Vogelfutterplatz anlegt und diesen ganzjährig betreibt, der hat seine Wildtierschau das ganze Jahr über frei Haus vorm eigenen Fenster.


    Dann sieht der Tierfreund, welche Vogelarten sich einfinden und kann deren soziale Interaktion erleben. Wenn die Voraussetzungen günstig sind — zum Beispiel in einem Garten mit Bäumen, Büschen und Sträuchern – kann man in unmittelbarer Umgebung des Futterplatzes noch viel mehr beobachten: das Balzverhalten, Paarbildung und Paarung, den Nestbau und die Aufzucht der Jungen und die Revierverteidigung. Man erkennt mit der Zeit die Vogelarten nicht nur am Ruhekleid der Altvögel, sondern kann auch die Jungvögel in ihrem Jugendkleid zweifelsfrei identifizieren, was gar nicht immer so einfach ist.


    Ehe man sich als Hobby-Ornithologe betätigen kann, muss man natürlich einiges wissen, und dabei hilft einem dieses Buch: Ist es überhaupt angeraten, Vögel zu füttern, und dann gleich das ganze Jahr über? Welche Arten der Futterstellen sind für welchen Zweck geeignet? Wie stellt man sie so auf, dass sie Schutz vor Katzen und Raubvögeln bieten? Soll man Vogelhaus, Futtersilo, Futterautomat, Futtertisch, Futtersäckchen oder Bodenfütterung bevorzugen? Oder ist eine Kombination aus verschiedenen Komponenten optimal? Sollte man auch Trink- und Badeplätze anbieten? Welche Art von Futter ist empfehlenswert? Und warum ist es sinnvoll, auch Mineralien und Spurenelemente anzureichen? Und wie macht man das?


    Wer einen Garten hat, den er nach Gutdünken bepflanzen kann, kann „Naturfutterstellen“ anbieten. Im Buch gibt es eine umfangreiche, bebilderte Liste mit geeigneten Pflanzen: Eibe und Wilde Johannisbeere, Haselnuss und Vogelbeere, Schlehe, Sanddorn, Pfaffenhütchen, Holunder, Schneeball, Efeu und andere mehr. Angaben über Wuchs, Pflege, Blütezeit und Früchte geben Hinweise darauf, ob die Pflanzen zu den Bedingungen im eigenen Garten passen.


    Selbst als Laie hat man schon mal etwas von Zugvögeln gehört. Hier erfährt man auch, sofern man es nicht ohnehin schon weiß, was Standvögel, Territorialvögel, Strich- und Invasionsvögel sind. Und wussten Sie, dass sich die Schnabelfarben bei Star und Kernbeißen im Jahreslauf hormonell bedingt verändern? Bei diesen Arten, die nur einmal im Jahr brüten, stellt der Schnabel ein sekundäres Geschlechtsmerkmal dar und steigert die Attraktivität des Vogels beim anderen Geschlecht.


    Es gibt auch bei Vögeln, wie bei anderen Tieren, Farbabweichungen wie Schwärzlinge und Weißlinge. Selbst solche Besonderheiten kann man unter Umständen an Futterplätzen beobachten. Was es auch zu sehen gibt – so ist nun mal die Natur – sind kranke Vögel. Aber da muss man schon genau hinsehen, denn erkrankte und geschwächte Vögel verbergen so gut es geht ihren Zustand, weil sie sonst von ihren Artgenossen attackiert werden. Die Lebenserwartung von Wildvögeln ist leider nicht besonders hoch. Auf den Seiten 124/125 liefert der Autor dazu interessante Zahlen.


    Wer sich mit Vogelarten auskennt, dem werden überdies „Ausnahmegäste, Raritäten und Neozoen“ (Seite 127) auffallen: Vögel, die sonst in anderen Biotopen zu Hause sind und die es infolge des Klimawandels oder anderer äußerer Umstände an den heimischen Futterplatz verschlagen hat. Selbst „Gefangenschaftsflüchtlinge“ können zu Besuch kommen und unter Umständen zu Neubürgern werden. So sind einige exotische Arten in Deutschland heimisch geworden, z.B. der Große Alexandersittich, die Brautente, der Fasan, die Gelbkopfamazone, der Halsbandsittich, die Kanadagans, der Nandu und noch einige andere mehr.


    Abgesehen von den privaten Futterstellen vorm Haus gibt es noch organsierte Fütterungsplätze, die zum Zweck der Jagd, des Fototourismus oder des Vogelschutzes eingerichtet werden. Dafür liefert das Buch eindrucksvoll bebilderte Beispiele.



    ((Bild anklicken, dann wird es ein bisschen größer))


    Von diesem wunderschön bebilderten Buch kann man eine Menge lernen. Ausführliche Vogelporträts in Bild und Text stellen uns die gängigen Besucher unserer Futterstellen vor. Diese Porträts plus weiterführende Informationen und Beobachtungstipps gibt es auch online unter http://www.voegel-am-futterhaus.de.


    Für die Mobilen und technisch Fortschrittlichen uns hält diese Seite noch weitere Angebote bereit: „Die iPhone-App »Vögel am Futterhaus« http://itunes.apple.com/de/app/id347068197?mt=8 alle Informationen rund um die Vogelfütterung, mit Artportraits und Tipps zum richtigen Füttern und selbstverständlich mit einer direkten Schnittstelle zu www.naturgucker.de, so dass Sie Ihre Beobachtungen im Internet mitteilen können. Wollen Sie mit Garten- und Vogelfreunden diskutieren oder sich austauschen, dann sind Sie auf dem »Mein Vogelgarten«-Forum genau richtig: http://f3.webmart.de/f.cfm?id=3411461 .“


    Der Autor
    Dr. Richard Schöne war von Kindesbeinen an feldornithologisch unterwegs und ist seit über fünfzig Jahren Vogelhalter und –züchter. Während des Veterinärmedizinstudiums beschäftigte er sich mit Fragen der Vogelmedizin. Über siebzig wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Veröffentlichungen auf den Gebieten Feldornithologie, Vogelhaltungshygiene, Vogelzucht und Vogelkrankheiten hat er vorzuweisen.

    Und was die Autofahrer denken,
    das würd’ die Marder furchtbar kränken.
    Ingo Baumgartner

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  • Eigentlich sollte man ja meinen, es gibt bereits genug Vogelbücher. Und ehrlich gesagt habe ich auch schon jede Menge davon, ohne dass ich deshalb von mir behaupten könnte, einen Haus- von einem Feldsperling unterscheiden zu können.
    Gerade deshalb habe ich mir dieses Buch zugelegt, denn es erschlägt einen nicht mit den nahezu 500 Vogelarten, die einem theoretisch in Deutschland begegnen könnten, sondern beschränkt sich ganz bewusst auf das, was sich vor unserer Haustür abspielt.


    Deshalb ist die auch kein Buch für passionierte Birdwatcher, die hunderte Kilometer zurücklegen und bei Wind und Wetter mit Kamera und Fernglas im Gebüsch sitzen, um irgendeinen seltenen Irrgast aus Kanada vor die Linse zu bekommen. Es ist auch kein Buch für Puristen, die das Leben in urbanen Räumen als weitaus weniger wertvoll betrachten als das in unberührte Natur.
    Nein, es ist für so faule Menschen wie mich, die sich über Trubel am Futterhaus freuen, und die schon auch mal euphorisch werden, wenn eine Invasion von Seidenschwänzen ihren Garten heimsucht, die aber ansonsten keinerlei Ambitionen haben, tiefer in die Ornithologie einzusteigen.


    Das Buch ist in drei Abschnitte gegliedert. Zunächst einmal beschreibt Schöne die Grundvoraussetzungen für Beobachtungen am Futterhaus: Das Häuschen selbst. Schon in diesem Abschnitt zeigen sich die Ergebnisse Schönes jahrelanger Vogelbeobachtung, denn die verschiedenen Vogelarten haben ganz unterschiedliche Vorlieben, was die Präsentation des Futters angeht. Doch ein Vogelhäuschen alleine schafft noch lange keinen vogelfreundlichen Garten. Schöne gibt praktische Tips, wie man auch durch geeignete Bepflanzung des Gartens das ganze Jahr über Futter und Schutz zur Verfügung stellen kann.


    Im zweiten Teil, „Die Vögel und ihr Futter“, stellt Schöne zunächst knapp 50 Vogelarten in Bild und Text vor. Hier schon hebt sich dieses Buch deutlich von den anderen Vogelbüchern ab, die in meiner Bibliothek noch so rumgeistern: Die Fotos sind einfach großartig und geeignet, bestimmte Arten auch wirklich zu identifizieren. Der Begleittext weist kurz auf Besonderheiten in Aussehen, Verhalten und Futter hin. Überhaupt wird dem Futter viel Raum gegeben. Denn Vögel essen nicht einfach das Zeug aus dem Baumarkt, auf dem „Vogelfutter“ steht. Jeder Art hat ganz bestimmte Ansprüche, die sich auch noch im Laufe des Jahres, etwa zur Brutzeit oder Mauser, ändern können.
    Auch in diesem Kapitel überzeugt das Buch besonders durch die vielen ganz konkreten Tips und Hinweise.


    Im dritten Abschnitt endlich, „Vogelbeobachtung am Futterplatz“, geht es um alle denkbaren Verhaltensweisen der Vögel: Paarung, Jungenaufzucht, inner- und zwischenartliche Aggressionen und vieles mehr. Und hier zeigt sich auch die Leidenschaft, mit der Schöne seit Jahrzehnten Vögel beobachtet, denn dieser Abschnitt geht weit über das „Spatzenzählen“ am Futterplatz hinaus. Hier sind ihm wunderbare Aufnahmen gelungen: Spatzen, die sich mit Buntspechten anlegen, Jungvögel, die um die Gunst der Eltern balgen, turtelnde Buchfinken. Hinzu kommt ein äußerst informativer Textteil, der eine Fülle von Detailwissen vermittelt, das mir als Otto-Normal-Beobachterin bisher vollkommen entgangen ist, etwa, wie sich bei manchen Vögeln die Schnabelfärbung im Laufe des Fortpflanzungszyklus verändert, oder welche Nestaumaterialien welcher Vogel bevorzugt verwendet. In dieser Hinsicht ist dieses Buch auch ganz besonders für Kinder geeignet, beantwortet es doch viele Fragen, die Kinder so gerne stellen und bei denen die meisten Erwachsenen nur hilflos mit den Schultern zucken können. Etwa, wieviel so ein Vogel eigentlich trinkt. Oder ob Vögel pullern können.


    Die Ausstattung des Buches ist beeindruckend. Der originelle Pappeinband ist ein echter Hingucker und Druck und Papier laden richtiggehend zum Blättern ein. Der Knaller aber sind die Fotos. Die sind durchweg so brillant, dass ich mir das eine oder andere ohne Weiteres an die Wand hängen würde. In dieser Hinsicht ist dieses Buch also ein hochwertiger Bildband, den man auch einfach so hin und wieder betrachten kann. Empfehlenswert!

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)