Lucy - Laurence Gonzales

  • Titel: Lucy (auch in der amerik. Originalausgabe)
    Autor: Laurence Gonzales
    Verlag: dtv
    Erschienen: November 2011
    Seitenzahl: 430
    Preis: 14,90 €


    Kurzbeschreibung (von Amazon übernommen)
    Das Mädchen Lucy wächst im afrikanischen Dschungel bei ihrem Vater, einem englischen Naturforscher, in völliger Abgeschiedenheit auf. Sie ist vierzehn, als er stirbt. Durch Zufall findet die amerikanische Wissenschaftlerin Jenny sie und nimmt sie mit nach Amerika. Lucy ist hübsch und sehr begabt. Was niemand ahnt: Sie ist das Ergebnis eines unglaublichen Experiments, ihr Erbgut eine Kreuzung zwischen dem von Mensch und Menschenaffe. Irgendwann lässt sich das nicht mehr geheimhalten - woraufhin Medien, Militär und Wissenschaftler eine erbarmungslose Jagd auf Lucy beginnen ...


    Über den Autor
    Laurence Gonzales wurde in St. Louis, Missouri, geboren und wuchs in Texas auf. Er wurde für seine journalistische Arbeit mehrfach ausgezeichnet und hat bereits eine Reihe von preisgekrönten Büchern veröffentlicht.
    Mehr unter www.laurencegonzales.com


    Mein Eindruck
    Es beginnt absolut spannend, die atmosphärisch dichte Erzählweise fesselt, macht neugierig und zieht in den Bann. Als der Bürgerkrieg immer näher rückt muss die Anthropologin Jenny ihren Forschungsstützpunkt im kongolesischen Dschungel fluchtartig verlassen. Sie will einen ebenfalls forschenden englischen Kollegen warnen und findet in seiner Hütte Lucy, ein junges Mädchen, allein und augenscheinlich verwaist. Sie nimmt Lucy mit, zunächst nach England und dann in die USA.


    Obwohl nicht sofort explizit ausgesprochen, weiß der Leser doch ziemlich bald, welches Geheimnis Lucy und ihre Abstammung umgibt und es dauert auch nicht allzu lange, bis Jenny entdeckt, dass Lucy Gene von Bonobos (Menschenaffen) in sich trägt. Wie es dazu kommen konnte, wird einigermaßen nachvollziehbar erklärt. Jenny liebt Lucy umso mehr, versucht sie zu beschützen und ihr ein halbwegs normales Leben zu ermöglichen.


    Lucy ist fernab jeglicher Zivilisation aufgewachsen, von ihrem Vater jedoch zu einem überaus gebildeten und intelligenten Mädchen erzogen worden, sehr belesen, aber ein bisschen altmodisch und ohne Kenntnis dessen, was heutzutage die Welt amerikanischer Teenager ausmacht. Ich fand es faszinierend zu lesen, wie sie mit ihren etwas anderen Instinkten auf diese moderne und technisierte Welt trifft. Mit ihren Augen die totale Reizüberflutung in unserer Gesellschaft zu erleben, lässt einmal mehr deren Absurdität erkennen. Natürlich gibt es allerhand Probleme, aber Lucy lebt sich ein, lernt ihre besonderen Fähigkeiten und Kräfte einigermaßen zu kontrollieren und findet eine Freundin, die zu ihr steht. Interessant auch, dass sie ganz genau über die Problematik ihrer Abstammung Bescheid weiß. Ihr Vater hat sie über die Gefahren, die auf sie zukommen können nicht im Unklaren gelassen.


    Im Prinzip eine Ausgangssituation, die Spannung verspricht und jede Menge Potential bietet. Leider verflacht die Geschichte im weiteren Verlauf immer mehr. Gut bleiben die Passagen, die sich mit Lucy, ihrer Andersartigkeit, ihren Gefühlen und Wahrnehmungen beschäftigen, die Rahmenhandlung drum herum wird zeitweise fade und langweilig, bekommt einen aufzählenden Charakter wie in einem zweitklassigen Schulaufsatz. Plötzlich überschlagen sich dann die Ereignisse, alle möglichen Gruppierungen, von christlichen Fundamentalisten und bigotten Eiferern bis zu skrupellosen Militärs und Politikern wenden sich gegen Lucy. Wie sich die Dinge dann weiterentwickelten war mir letztendlich zu reißerisch, zu viel und zu dick aufgetragen um noch wirklich nachvollziehbar zu wirken. Auch die immer einseitiger und klischeehafter werdende Entwicklung der Protagonisten trägt nicht dazu bei, das Buch glaubwürdiger und ernsthafter zu gestalten. Angesichts der Schlichtheit und Naivität hatte ich irgendwann das Gefühl, eher ein Jugendbuch gelesen zu haben, u. a. sicher auch wegen der Rolle, die Facebook und Youtube spielen.


    Inwieweit die Geschichte „wissenschaftlich fundiert“ ist, wie es im Klappentext heißt, vermag ich nicht zu beurteilen. Beim Lesen habe ich diesen Eindruck jedenfalls nicht wirklich gewonnen, dazu wurde über weite Strecken zu oberflächlich und klischeehaft mit dem Thema umgegangen.


    Fazit
    Es werden viele interessante gesellschaftskritische, moralische und ethische Aspekte angerissen, die leider im Verlauf der Geschichte unter einer zunehmend naiven Erzählweise und klischeehaften Handlung verblassen.
    7 Punkte

  • Ich habe Lumos’ Rezension wenig hinzuzufügen, denn sie stimmt mit meinem Eindruck von dem Buch überein.


    Ich würde „Lucy“ als nette Lektüre für Jugendliche oder junge Erwachsene beschreiben, die sich leicht und flüssig lesen lässt. Am Anfang ist durchaus Spannung vorhanden, verliert sich jedoch im Laufe der Handlung, die schnell vorhersehbar und zum rührenden Ende hin auch kitschig wird.

    Ob die Geschichte wissenschaftlich haltbar ist, wage ich stark zu bezweifeln. Es fehlt schon an einer plausiblen Erklärung, wie Lucys Vater mitten im kongolesischen Dschungel mit seiner eher behelfsmäßigen Ausrüstung in der Lage war, seine Forschungen zu betreiben. Die Klischeehaftigkeit aller Figuren hat mich gestört, die Schwarzweißzeichnung macht sie oberflächlich und uninteressant. Die angesprochenen Themen bleiben oberflächlich, lassen es an Ernsthaftigkeit vermissen. Aber Lucy ist ein wunderbares Mädchen, das man einfach gern haben muss. Das macht das Buch trotz der gelegentlichen Längen unterhaltsam und lesenswert.


    Die Geschichte trägt Züge von Tarzan und Die Insel des Dr. Moreau, wegen der gelungenen Protagonistin Lucy ist sie nett zu lesen.

  • Hm, gegen das, was ich mir von dem Buch versprochen hatte, war die Geschichte tatsächlich ein bisschen lahm.

    Aber trotzdem war mir Lucy so sympathisch, dass ich unbedingt weiterlesen wollte und kann auch akzeptieren, dass es so wenig "Wumms" gab. Es passt ganz einfach zu ihrem Wesen.


    Den Anfang fand ich übrigens furchtbar einfach konstruiert und hätte fast abgebrochen. Aber(fast) jedes Buch bekommt von mir eine 100-Seiten-Chance und das war auch gut so, denn es wurde ja besser und besser.

    Ich konnte mich letztendlich mit allem gut anfinden und gebe dem Buch irgendwas zwischen 7 und 8 Punkten. Zum Nachdenken regt es allemal an.

    „An solchen Tagen legt man natürlich das Stück Torte auf die Sahneseite — neben den Teller.“