Ausgeliehen - Rebecca Makkai

  • DAS BUCH
    Der 10-jährige Ian ist süchtig nach immer neuen Geschichten. Lucy Hull ist Bibliothekarin in der Stadtbücherei von Hannibal – und seine Komplizin. Sie hilft ihm, die geliehenen Bücher an seiner herrischen Mutter vorbeizuschmuggeln. Als Lucy eines Morgens zur Arbeit kommt, traut sie ihren Augen kaum: Ian kampiert, umgeben von Decken, T-Shirts und Büchern, zwischen den Regalen. Pflichtbewusst will Lucy den Ausreißer nach Hause bringen, doch Ian hat einen anderen Plan: Geschickt lotst er sie mitten hinein in eine abenteuerliche Reise quer durch die USA. Doch wer hat hier wen entführt? Und läuft wirklich nur Ian vor seinen Eltern davon?


    DIE AUTORIN
    Rebecca Makkai, geboren 1971, ist Lehrerin und lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Chicago. Ihre Erzählungen erschienen u.a. in der 2008 von Salman Rushdie und 2009 von Alice Sebold herausgegebenen Anthologie The Best American Short Storys. Ausgeliehen ist ihr erster Roman. www.rebeccamakkai.com


    MEINE MEINUNG
    Lucy, die Kinder-Bibliothekarin in der kleinsten langweiligsten und normalsten Stadt Hannibal, findet in Ian, dem zehnjährigen "Lesefanatiker" einen Seelenverwandten - sie versorgt ihn mit Büchern und er bringt sie dazu, sich endlich ihrem Leben zu stellen...


    An einem Tag findet sie ihn in der Kinderbibliothek sitzen, als kleinen Ausreißer, und anstatt ihn nach Hause oder zur Polizei zu bringen, lässt sie sich von ihm fast bis Kanada schleusen - und findet auf dieser Reise nicht nur viel über ihren kleinen neuen Freund, sondern auch über sich selbst und ihr bisheriges Leben heraus. Auch ihre Familie - der Vater, der unter widrigen Umständen aus der UdSSR fliehen musste - erscheint auf einmal in völlig neuem Licht.


    Das Buch braucht knappe 100 Seiten, bis es mal Fahrt aufgenommen hat, aber dann liest es sich wie ein kleiner Roadmovie. Lucy und Ian wirken trotz des Altersunterschieds von 16 Jahren und der Tatsache, dass Ian noch ein Kind ist, wie ein kleines altes Ehepaar. Die Lügen, die die beiden erzählen, um nicht die wahre Geschichte offenbaren zu müssen, werden immer haarsträubender und machen auch vor dem jeweils anderen nicht halt.


    Über Ians Motive erfährt man relativ wenig, bzw. nur das, was Lucy spekuliert. Ihre eigenen Fluchten aus dem bisherigen Leben dagegen werden reichlich dargestellt: Sie lässt viel hinter sich und will doch eigentlich so viel neues beginnen. Ob der Konzertpianist der Richtige dafür ist? Oder doch der Freund aus der Bibliothek? Am Ende weiß nur Lucy, ob sie alles richtig gemacht hat und lässt den Leser ein bisschen im Dunkeln darüber, ob ihr Leben nun, nachdem sie auf der Reise mit Ian unfreiwillig sich selbst gesucht hat, sich auch gefunden hat. Auch über ihn sind nicht mehr viele Worte verloren, so dass ich mich als Leser etwas alleingelassen gefühlt habe mit dem Ende.


    Dennoch ist alles so unrealistisch und oft auch surreal geschrieben, dass man sich die Wahrheit der Geschichte schwerlich vorstellen kann. Dabei ist das Buch stets einfach und verständlich gehalten, nicht einmal die russischen Namen im Buch sind kompliziert oder die Hauptpersonen verlieren sich in ellenlangen Monologen... Schwierig wird es nur, wenn man versucht, die einzelnen Lügen auseinanderzuhalten - denn selbst Lucy gelingt dies ja nicht immer.


    Ian hätte dem Buch sicherlich einen Aufkleber verpasst, der es als lesenswert kategorisiert hätte, aber ob es auf die Liste gekommen wäre, mit den Büchern, die er unbedingt gelesen haben muss.... das würde ich so nicht blind unterschreiben.

  • Der 10-jährige Ian liebt Bücher und ist süchtig nach deren Geschichten. Seine tiefgläubige Mutter Jane will ihrem Sohn aber nicht all das lesen lassen, was er gerne möchte.
    In Lucy Hull, der jungen Bibliothekarin der Stadtbücherei von Hannibal, findet Ian eine Komplizin, da Lucy der Meinung ist, dass dem Lesen keine Grenzen gesetzt sind und sie vehement auf der Meinungsfreiheit in den U.S.A. besteht. Deshalb hilft sie dem Jungen, die gewünschten Bücher aus der Bücherei an seiner herrischen Mutter vorbeizuschmuggeln.
    Das geht solange gut bis Lucy eines Morgens Ian zwischen den Regalen in der Bücherei findet. Der Junge ist von zu Hause ausgerissen und schafft es Lucy, die ihn halbherzig zu seiner Familie zurückbringen will, quer durch die U.S.A. zu lotsen.
    Es beginnt daraufhin eine Fahrt, bei der sich Lucy immer mehr in Lügen und Widersprüchen verwickelt und sich damit unfreiwillig der Entführung strafbar macht.
    Wenn man den Klappentext und die ersten 100 Seiten von Rebecca Makkais „Ausgeliehen“ liest, dann rechnet man zuerst nicht damit was für eine Wendung die Geschichte nimmt. Denn zuerst hat man das Gefühl, dass es hier um ein Buch über Bücher und die Liebe zu Geschichten geht. Nach und nach aber entwickelt sich die Geschichte immer mehr zu einer Flucht, bei der Ian vor seinen Eltern und Lucy vor ihrem Leben wegläuft.
    „Ausgeliehen“ ließ sich sehr flüssig und gut lesen, wurde aber zum Ende hin etwas langatmig, da sich die Geschichte immer wiederholt. Ian und Lucy fahren von einer Stadt in die nächste und Lucy lässt sich immer wieder breitschlagen noch weiter zu fahren und so kommt es lange nicht zu einem Ende. Es wäre nicht weiter schlimm gewesen, wenn ich nicht dauernd das Gefühl gehabt hätte, dass etwas Entscheidendes fehlt.
    Ians Charakter nervte mich mit der Zeit auch sehr und ich konnte Lucys Verhalten nicht nachvollziehen. Sie ließ sich von einem 10-jährigen unter Druck setzen und handelte immer nach seinem Willen, obwohl sie wusste was Ian vorhatte und das er sie belog. Sie ließ sich also in eine Geschichte hineinziehen, die ich stellenweise nicht nachvollziehen konnte. Auch ihre Paranoia und Gedanken über die Konsequenzen nervten zum Teil, da sie wirklich hanebüchen waren.
    Ich konnte vieles hier nicht ganz nachvollziehen was die Logik betraf, schließlich handelte es sich ja doch um Kindesentzug und dass die beiden so leicht und unbehelligt quer durch die U.S.A. reisen konnten, konnte ich einfach nicht glauben.
    Die letzten 50 Seiten waren dann ebenfalls für mich sehr weit hergeholt und übertrieben und ich war schon etwas enttäuscht, da auch das Ende einerseits zu glatt und nichtssagend war, zum anderen war aber hier wieder der Zauber vom Anfang vorhanden und die Liebe zu Büchern war auch durch die ausgewählte Sprache hier wieder deutlich spürbar.
    Das hat dann auch meine Bewertung und meine Laune gerettet, da ich trotz einiger Negativpunkte das Buch gerne gelesen habe und die Idee auch sehr schön fand, wenn auch die Umsetzung nicht gänzlich gelungen ist.
    Schade war auch, dass die Personen etwas farblos blieben und genau das, das für mich interessant gewesen wäre nicht geklärt wurde, wie zum Beispiel ein Einblick in Ians Familie, Rockys Geschichte, Motive für gewisse Handlungen, etc.
    Es fehlte also etwas der Sinn an manchem.
    Interessant waren dann aber wieder die Einblicke in die russische Vergangenheit von Lucys Vater, der aus der Sowjetunion floh. Diese Einstreuungen haben für Abwechslung gesorgt und auch etwas das „Roadmovie“ gerettet.
    „Ausgeliehen“ war ein Buch, von dem ich etwas anderes und vielleicht sogar mehr erwartet habe.
    Dennoch habe ich das Buch gerne gelesen, wenn auch es sich anders entwickelt hat, als zunächst erwartet.
    Für mich war es ein Buch, das die Liebe zu Büchern und Geschichten gut gezeigt hat und bei dem man das auch gespürt hat.
    Ians und Lucys Geschichte fand ich trotz einiger Schwächen schön und durchaus empfehlenswert, wenn man sich auch auf etwas Unerwartetes einlassen kann.
    Ich habe das Buch gerne gelesen und lese auch gerne noch weitere Bücher der Autorin.


    4 von 5 Sternen!

  • Meine Meinung: Lucy Hull ist Bibliothekarin in der kleinen Stadt Hannibal und kümmert sich dort um die Kinderbuchabteilung. Regelmäßig liest sie den Kindern vor und ist ihr Ansprechpartner für die passende Buchauswahl. Der zehnjährige Ian ist ein Stammgast, den sie besonders ins Herz geschlossen hat, seit dessen Mutter Lucy eine Verbotsliste überreicht hat. Ian soll möglichst nur christliche Literatur lesen und Lucy leidet mit ihm unter der Einengung durch seine strengen Eltern.


    Als Ian ausreißt und eine Nacht in der Bücherei verbringt, schafft Lucy es nicht, ihn zurück zu seinen Eltern zu bringen, sondern geht mit ihm auf eine lange Reise durch das Land.


    Auf dem Buchrücken ist zu lesen, dass die beiden dabei eine „lesehungrige Spur“ quer durch die USA ziehen und so freute ich mich auf viele Gespräche und Diskussionen über Bücher, die die beiden nun auf ihrer Reise führen würden, doch leider wurde diese Erwartung nicht erfüllt.
    Trotzdem war das Buch keine Enttäuschung für mich, denn die Erlebnisse auf den unterschiedlichen Stationen ihrer Reise sind so interessant, dass man gerne weiter liest, um zu erfahren, was mit diesen beiden Ausreißern geschieht. Dass sie keine Perspektive auf eine gemeinsame Zukunft haben, ist Lucy und somit auch dem Leser von Anfang an klar, doch wie ihr Weg aussehen und enden wird, steht erst einmal in den Sternen.


    Der Schreibstil ist einfach gehalten und das Buch liest sich gut und flüssig. Lucy ist eine interessante Persönlichkeit, die manchmal etwas naiv und weltfremd, oft aber auch sehr nachdenklich durch das Leben geht und deren Mitleid für den unterdrückten Jungen so gut geschildert wird, dass man sie bis zum Ende ihrer Reise gern begleitet. Es ist nicht nur ein Abenteuer für Ian, sondern auch für Lucy, die auf dieser Tour sehr viel über sich und ihre Familie entdeckt.


    Und irgendwann verlässt man die beiden Reisenden am Ende etwas traurig und nachdenklich, denn das Buch enthält eine Botschaft, die noch etwas nachwirkt…


    Von mir 7 Sterne für das Buch und eine Leseempfehlung.

  • Hm... Also auf die Frage, was die Autorin mir damit sagen möchte, wüsste ich jetzt keine Antwort... Wahrscheinlich mag sie Kinderbücher und hat deshalb eine Geschichte drum herum geschrieben.
    Ich kann auch nicht verstehen, wieso Lucy sich so einfach hat "entführen lassen". Ian ist meiner Meinung nach ziemlich nervig, ich hätte so schnell wie möglich versucht, ihn wieder loszuwerden.
    Nur an einer Stelle kann ich mich mit Ian identifizieren, dass wir beide nämlich immer das Ende zuerst lesen: "'Aber ich mache es nicht absichtlich. [...] Ich muss immer das Ende aufschlagen, weil ich wissen möchte, wie viele Seiten das Buch hat [...], aber wenn ich die letzten Seiten sehe, saugen meine Augen die Wörter auf.'" (S. 261) :write


    Ich liebe das wunderschöne Cover!

    "Leben, lesen - lesen, leben - was ist der Unterschied? (...) Eigentlich doch nur ein kleiner Buchstabe, oder?"


    Walter Moers - Die Stadt der träumenden Bücher