==Für mich: Pflichtlektüre in der Schule==
Hallo lieber Leser, liebe Leserin.
===Einleitung===
Über eine nette Autorin bin ich auf den BoD-Verlag gestolpert, in dessen Forum ich Matthias Gerschwitz kennenlernen durfte. Er unterbreitete mir den Vorschlag, mir sein Buch „Endlich mal was positives“ zuzusenden, unter der Voraussetzung dieses Sachbuch / Biographie ehrlich zu rezensieren. Bei dem Thema eine echte Herausforderung.
===Buchdaten===
Autor: Matthias Gerschwitz
Titel: Endlich mal was Positives
Untertitel: Offensiv und optimistisch: Mein Umgang mit HIV
Verlag: BoD
Erschienen: 2009
ISBN-13: 9783839118436
Seiten: 94
Einband: TB
Kosten: 9,95€
Serie: -
===Autor===
Matthias Gerschwitz wurde am 1.10.1959 als sechstes und jüngstes Kind einer hochmusikalischen Familie in Wuppertal geboren. Nach seinem Abitur ging es über die Bundeswehr zum Studium. Seit 1992 lebt und arbeitet er als selbständiger Kommunikationswirt in Berlin. 1994 wurde bei einem Arztbesuch das HIV-Virus in seinem Blut festgestellt.
**Weitere Werke**
Das Haus in der Kaiserstraße – Auf Zeitreise in Solingen-Wald
Bullrich-Salz: Marke · Mythos · Magensäure
Molle und Medaille: Eine Alt-Berliner Kneipe zwischen Zille und Olympia
Anthologie (Hrsg. Birgit Fabich): Geschichten für Entdecker
===Leseprobe===
Seite 55: Ich habe Freunde, die sich in melancholischen Momenten elegisch darin ergehen, dass ich sterben werde. Da kann ich ihnen nur Recht geben, aber ich weise grundsätzlich darauf hin, dass ihnen dieses Schicksal auch nicht erspart bleiben wird. »Das Leben ist eines der schwersten und endet gewöhnlich tödlich« war ein viel und gern zitierter Sponti-Spruch meiner Jugend. Und er gilt noch heute.
Natürlich weiß ich, dass der Hinweis auf meinen Tod gut gemeint ist. Aber er bewirkt bei mir eher eine ganz andere Reaktion, nämlich: »Gut gemeint ist das Gegenteil von gut«. An dieser Art von Mitleidsbekundungen stören mich zwei Dinge. Erstens höre ich diesen Satz zumeist dann, wenn ich einem anderen bei der Lösung seiner Probleme zu helfen versuche und dem anderen plötzlich auffällt, dass seine Probleme eigentlich Peanuts sind im Vergleich zu meiner Situation. Das sehe ich naturgemäß anders, denn jedes aktuelle Problem ist wichtig und verdient eine Lösung; meine Infektion hingegen ist mittlerweile mehr als fünfzehn Jahre alt und damit alles andere als aktuell. Trotzdem wird mein Einwand immer wieder mit demselben Hinweis – ich mag das Wort Totschlagargument an dieser Stelle gar nicht verwenden – zurückgewiesen: »Aber Du bist doch unheilbar krank!« Na, herzlichen Dank.
Wer mehr Einblicke haben möchte, findet hier weitere Leseproben: http://www.endlich-mal-was-positives.de/buchinfo/
===Inhaltsangabe===
Es gibt viele Bücher zu HIV und AIDS, aber nur wenige, die einen direkten Einblick in das Leben mit dem Virus geben. In „Endlich mal was Positives“ beschreibt Matthias Gerschwitz, der 1994 das Testergebnis HIV positiv erhielt, seinen Umgang mit der Infektion ohne Larmoyanz oder Betroffenheitspathos, sondern optimistisch und zuweilen auch etwas provokativ.
Das Buch soll Mut machen und informieren: Es wendet sich nicht nur an Positive, insbesondere Neu-Infizierte und ihre Freunde und Verwandte, die sich plötzlich auf eine veränderte Lebenssituation einstellen müssen, sondern auch (und besonders) an diejenigen, die bislang keine Notwendigkeit sahen, sich mit der Infektion zu befassen, weil sie immer noch glauben, sie wären von HIV nicht betroffen. Eine trügerische Einstellung, denn es kann jeden treffen, egal, ob Mann oder Frau, ob homo-, bi- oder heterosexuell. Das Virus ist nicht wählerisch.
„Endlich mal was Positives“ ist teils Erfahrungsbericht, teils Statement. Das Buch zeigt, dass man auch mit HIV das Lachen nicht verlernen muss und mit einer unheilbaren Krankheit zukunftsorientiert leben kann. Und das ist doch endlich mal was Positives. (Quelle: www.endlich-mal-was-positives.de)
===HIV===
Mit »HIV« bezeichnet man das „Humane Immundefizienz-Virus“, engl. „Human immunodeficiency virus“. Es entstammt der Familie der Retroviren und greift das Immunsystem des Menschen an. Ohne Gegenmaßnahmen kann es dazu führen, dass das Immunsystem zusammenbricht und gegen weitere, so genannte „opportunistische Infektionen“ (Lungenentzündung, Toxoplasmose etc.) nichts mehr ausrichten kann. Erst dann spricht man vom Vollbild „AIDS“ (engl. „Acquired immunodeficiency syndrome“, dt. „erworbenes Immundefektsyndrom“). Übertragen werden die HI-Viren durch den Austausch von Körperflüssigkeiten (Blut, Sperma, Vaginalsekret). Auch wenn HIV nach wie vor unheilbar ist, so ist es doch dank moderner Therapiemaßnahmen behandelbar.
Weltweit sind etwa 33 Millionen Menschen mit HIV infiziert oder leiden an AIDS, davon weit über die Hälfte Frauen. In Deutschland leben nach Angaben des Robert-Koch-Institutes (www.rki.de) etwa 67.000 HIV-infizierte oder an AIDS erkrankte Menschen (Stand: 2009).
Viele Hinweise zur Infektion, zur Prävention und zum Umgang mit HIV gibt es hier: http://www.hiv-symptome.de/hiv-factsheet-ebook.html
===Meine Meinung===
Das Thema HIV und Aids ist durch Plakate stets präsent, wird aber doch gerne in den Hintergrund gedrängt. Das Randgruppen- und „Mich-kann-es-nicht-treffen“-Denken dominiert nach wie vor. Da will ich mich gar nicht ausschließen. Auch wenn ich grob wusste, worum es sich bei dieser Virusinfektion handelt, war ich doch nicht ausreichend informiert, wie ich beim Lesen feststellen durfte.
Der Einstieg in Matthias Leben beginnt mit einem Vorwort von Andreas Schultz, einem Schulfreund des Autors, in dem erklärt wird, wie dieses Werk entstanden ist. Im Anschluss erfährt der Leser wie der Autor von seiner Erkrankung erfahren hat. Klar wird im ersten Moment das Klischee-Denken: „Schwul und HIV“ bestätigt, aber dieses Buch geht wesentlich tiefer. Matthias Gerschwitz schreibt auf humorvolle, anschauliche Art und mit verständlicher Ausdrucksweise über die Krankheit und die Jahre, die er damit schon lebt. Dabei verfällt er nicht ins Jammern, sondern zeigt auf, wie positiv man auch mit einem positiven Ergebnis umgehen kann. Für Laien wie mich bindet er Fachwissen, Fakten und Zahlen plausibel in seine Erzählung ein. Wobei er darauf achtet, nicht einschläfernd zu schreiben. Gerade Sachbücher können den Leser mit einem Überfluss an Fachbegriffen und Informationen ermüden und erdrücken. Das ist hier nicht der Fall. Mir hat das Lesen sehr viel Spaß gemacht, wenn ich das bei diesem wichtigen Thema überhaupt sagen darf. Ich finde es bewundernswert, wie Matthias solche Lebensfreude an den Tag legen kann. Viele Leser werden jetzt sicher denken, dass er damit seine Angst überspielt, doch durch den Foren-Kontakt, weiß ich, dass dies echt ist.
Er zeigt nicht nur die Krankheit selbst auf, sondern verweist auch auf die Vorurteile, erläutert Außenstehenden die Schwulenszene und spricht die Fortschritte in der Forschung an. Ich empfand es als sehr erschreckend, wie in der heutigen Zeit mit diesem Thema umgegangen wird. Manche, wenn auch nur sehr wenige Menschen wollen sogar diese Krankheit ihrem Partner zu liebe bekommen, anderen hingegen ist es völlig egal ob sie sich infizieren. Wieder andere verlassen sich auf die »Mittel danach« und nehmen lieber schwere Nebenwirkungen in Kauf, als auf die sexuelle Lust zu verzichten. In den USA kursieren sogar schon »Mittel davor«, um »Unfälle« zu vermeiden, obwohl die Wirksamkeit noch gar nicht bewiesen ist. Meist kommt das Erwachen erst, wenn man selbst betroffen ist oder den Verdacht hegt. Da genügt schon der fremdgehende Partner, der sich nicht schützt - und schon ist es passiert. Einmal, das kann „das“ Mal sein.
Die Lektüre ist nicht lang, aber beinhaltet alles, was man als Laie wissen sollte. Beim Lesen sollte aber nie vergessen werden, dass HIV immer noch unheilbar ist – aber dank der modernen Medizin inzwischen behandelbar. Der hohen Lebenserwartung HIV-Infizierter (Matthias lebt mittlerweile seit 18 Jahren mit der Infektion und ist immer noch topfit) stehen allerdings viele Tabletten mit nicht so schönen Nebenwirkungen gegenüber. Bei Matthias Stil kann man dies stellenweise vergessen, bekommt es aber immer wieder ins Gedächtnis gerufen.
Gelesen habe ich dieses biographische Sachbuch in einem Zug, da es einfach leicht verständliche Kost ist.
Am Ende des Buches waren alle relevanten Fragen zumindest theoretisch geklärt. Zum Beispiel die Ansteckungsgefahr, Verlauf der Krankheit, die Forschung, das Outing, das Leben mit der Krankheit und ähnliche Fragen, die einem Laien vor dem Lesen einfallen. Trotzdem gibt es zwei Aspekte, die offen bleiben. Zum Einen, wenn man sich doch ansteckt, wie die Gesellschaft es in diesem Fall auffasst und ob man selbst die Kraft findet, so positiv zu leben. Es ist zwar auch ein Leitfaden, diese Krankheit nicht in den Vordergrund zu stellen, aber das ist charakterabhängig. Zum Zweiten konnte er mir nie komplett die Frage, wie ich mit einem Erkrankten umgehen soll, enträtseln. Trotz seines Werkes hätte ich stets Angst, etwas Falsches zu sagen oder überflüssiges Mitleid auszudrücken.
Empfehlen kann ich das Werk JEDEM. Egal ob Lehrern, die es im Schulunterricht einbinden, Laien, Personen im Umfeld eines Betroffenen oder sogar einem Betroffenen, um ihn Mut zu machen.
===Bewertung===
Von mir erhält das Buch fünf Sterne. Es ist lebensnah, ehrlich und informativ, wobei eine Portion Humor auch seinen Platz findet. Von diesem Lebensmut können sich auch „Negative“ eine Scheibe abschneiden.
Danke fürs Lesen und Bewerten. Freu mich über Lob / Kritik, also her mit Kommentaren.
Eure Sarah