Das Labyrinth der Wörter - Marie Sabine Roger

  • Verlag: Hoffmann und Campe, 208 Seiten, Erschienen Feber 2010, Originaltitel La tete en friche


    Über die Autorin:
    Marie-Sabine Roger wurde 1957 in Bordeaux geboren und lebt in Südfrankreich. Sie arbeitete einige Jahre als Grundschullehrerin, ehe sie sich ganz der Schriftstellerei widmete. Von ihren Romanen wurden mehrere ausgezeichnet. Das Labyrinth der Wörter erhielt den Prix Inter 2009.
    Verlag Hoffmann und Campe


    Inhalt:
    Germain ist über 40, groß wie ein Bär und ungebildet. Margueritte dagegen ist 86, zart wie ein Blatt und sehr belesen. Gegensätze, die einander kaum begegnen und dennoch entfaltet sich zwischen den beiden eine ungewöhnliche Freundschaft. Sie lernen einander in einem Park in Paris kennen, als sie beide die Tauben beobachten und zählen. Margueritte beginnt Germain Bücher vorzulesen und dadurch regt sich sein Geist, der über all die Jahre seiner Schulzeit nicht gefordert oder gefördert wurde. Germain beginnt über sich, seine Vergangenheit, seine Freunde, seine nervende Mutter und seine Zukunft nachzudenken. Eine Zukunft, die eigentlich vorprogrammiert schien, die aber durch diese Bekanntschaft neu geschrieben wird.


    Meine Meinung:
    Eine wirklich schöne Geschichte, mit einfachen Worten erzählt. Germain, einfach, ungebildet aber bauernschlau und Margueritte, eine feine Dame aus gutem Hause, belesen und zerbrechlich - beide werden sympathisch beschrieben und finden in einer außergewöhnlichen Freundschaft zueinander.
    Die meist recht kurzen Kapitel lesen sich sehr flüssig und es wird nie langweilig.
    Eine wunderbares Buch über Freundschaft, Liebe, Familie, Vergangenheit und Zukunft.
    Wer die Eleganz des Igels mag, der wird auch diese Geschichte mögen.


    Von mir gibts 9 von 10 Punkten (den Abzug gibts weils einfach zu kurz war, ich möchte unbedingt wissen, wies es weitergeht!)

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  • Das Märchen vom Proleten und der Bildungsbürgerin


    Der fünfundvierzigjährige Germain ist meistens arbeitslos, lebt in einem Wohnwagen auf dem Grundstück seiner Mutter, verbringt seine Zeit in der Kneipe oder bei Annette, mit der er Sex hat und nichts weiter. Gelegentlich geht er in den Stadtpark, um seinen Namen auf das Gefallenenmahnmal zu kritzeln und anschließend die Tauben zu zählen, denen er Namen gegeben hat. Auf diese Art lernt er Margueritte kennen, eine kleine, alte Dame, die auf "seiner" Parkbank sitzt und auch die Vögel zählt. Der Unterschied zwischen den beiden könnte ansonsten nicht größer sein: Sie ist eine elegante, belesene Omi, und Germain ist ein grobschlächtiger, egozentrischer, des Lesens gerade so fähiger Packer, der nur "schaut", aber nie "beobachtet", wie Marie-Sabine Roger behauptet.


    Es kommt, wie es kommen muss. Oder wie sich der etwas weltfremde Bildungsbürger das so vorstellt. Margueritte nimmt den stämmigen Proleten unter ihre Fittiche, begeistert ihn zuerst für Camus, dann für das Lesen allgemein, und führt ihn schließlich in das "Labyrinth der Wörter", manifestiert in einem Wörterbuch, dessen viele Querverweise niemals enden, aber mit viel Wissen belohnen. Am Ende ist Germain nicht nur sehr viel klüger, nein, er beobachtet auch, verblüfft seine Kneipenkumpels mit Wörterbuchschlauheiten und stellt sogar fest, dass er für Annette eigentlich Liebe empfindet, worauf konsequent der Kinderwunsch folgt.


    "Das Labyrinth der Wörter" ist ein Märchen, angelehnt an dasjenige vom Aschenputtel. Unter Germains rauer Schale steckt Potential, und die Autorin versucht uns weiszumachen, dass man dieses Potential nur sanft anregen muss, um eine verblüffende Metamorphose einzuleiten. Im Buch gelingt das natürlich vortrefflich, schließlich war es die böse (aber eigentlich ihrerseits nur häufig benachteiligte) Mutter, die verhindert hat, dass Germain zu jener wundervollen Pflanze heranwachsen konnte, die Margueritte spät aus dem verwachsenen Etwas herausschälen muss. Die Botschaft ist so klar wie simpel: Wenn man die sozial Schwachen, wenig Gebildeten für Kultur allgemein und Weltliteratur im besonderen begeistert, werden sie zu handzahmen Feingeistern. Man muss sich nur Mühe geben.


    Das wäre zwar wünschenswert und mag sogar stimmen, vielleicht nicht einmal nur in Einzelfällen. Aber in diesem vorhersehbaren und deshalb über weite Strecken sehr langweiligen, zwanghaft belehrenden Märchen funktioniert es nicht. Wenn man einen Blick auf das Autorinnenbild im Schutzumschlag wirft, entsteht eine Idee davon, was in ihrem Kopf vorgegangen sein mag, als sie dieses Buch konzipiert und geschrieben hat. "Das Labyrinth der Wörter" ist ein bildungschauvinistisches Manifest, ein überaus snobistisches Traktat über eine Welt, die es so nicht gibt, die sich der weltfremde Edelakademiker aber wünscht, oder zu wünschen vorgibt. Dabei schwingt stark erkennbar die Hoffnung mit, dass es bitteschön doch nicht so kommen möge. Marie-Sabine Roger wirkt dieserart wie eine C-Prominente, die sich beim Überreichen der Geldspende in einem Ghetto fotografieren lässt und danach im Privatjet zurück in die Reichenkolonie fliegt. Zudem ist das ganze auch noch aus Germains Sicht und in dessen Sprache erzählt, was nicht selten unfreiwillig komisch, mindestens aber absolut unauthentisch wirkt. Ein ärgerliches Buch.

  • Mir hat dieses Buch, diese Geschichte, sehr gut gefallen. Ein Highlight direkt am Monatsersten!


    Die Geschichte zwischen Margueritte und Germain ist wirklich schön erzählt, die Freundschaft zwischen den zwei Hauptfiguren, zwischen denen mehr als 40 Jahre Leben liegen, entwickelt sich langsam, aber beständig und authentisch. Margueritte lässt ihre Lebensweisheiten charmant auf Germain los, der sie gottseidank nicht völlig unkritisch aufnimmt. Da gibt es natürlich viele Allgemeinheiten, aber Roger erzählt das so ironisch charmant, dass man einfach hingerissen sein muss.


    Leider muss ich sollhaben vollumfänglich zustimmen: Die Geschichte ist viel kurz. Aber dadurch doch irgendwie rund und man weiß, dass sowohl Germain als auch Margueritte gut "betreut" in die Zukunft gehen.


    Dem Buch sind eindeutig noch viele neue Leser zu wünschen und ich bin gespannt, was von der Autorin noch so zu erwarten ist.


    .

  • Zitat

    "Das Labyrinth der Wörter" ist ein Märchen, angelehnt an dasjenige vom Aschenputtel. Unter Germains rauer Schale steckt Potential, und die Autorin versucht uns weiszumachen, dass man dieses Potential nur sanft anregen muss, um eine verblüffende Metamorphose einzuleiten. Im Buch gelingt das natürlich vortrefflich, schließlich war es die böse (aber eigentlich ihrerseits nur häufig benachteiligte) Mutter, die verhindert hat, dass Germain zu jener wundervollen Pflanze heranwachsen konnte, die Margueritte spät aus dem verwachsenen Etwas herausschälen muss. Die Botschaft ist so klar wie simpel: Wenn man die sozial Schwachen, wenig Gebildeten für Kultur allgemein und Weltliteratur im besonderen begeistert, werden sie zu handzahmen Feingeistern. Man muss sich nur Mühe geben.


    Sehr interessant, offensichtlich schlägt in der französischen Literatur gerne mal postrevolutionäre Sozialromantik durch. Die zitierte Kritik könnte man nahezu unverändert für "No & ich" von Delphine de Vigan übernehmen, nur ist da "die Gute" eine dreizähnjährige Hochbegabte, das "hässliche Entlein" dagegen, das sich zum gesellschaftskonformen Schwan entwickelt, eine Straßengöre.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • DraperDoyle :


    gespoilert wegen Ende des No-Buches ...


    Ich habe mir nur erzählen lassen dass es eine wundervolle Geschichte sein soll. Hier wird ja auch viel kritisiert. Muss ich mal bald lesen

  • da hast du natürlich recht, wirbelwind


    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zum Inhalt


    Germain ist nicht unbedingt der Hellste. Da er früher nur unregelmäßig zur Schule gegangen ist, kann er nicht richtig lesen und auch seine Allgemeinbildung lässt sehr zu wünschen übrig.
    Germains Freunde machen sich deswegen lustig über ihn, doch den Junggesellen interessiert das wenig. Er hat sich in seinem Wohnwagen häuslich eingerichtet, baut Gemüse an und verbringt die Abende in der Kneipe. Germain mag die einfachen Dinge im Leben und so begnügt er sich damit, wenig nachzudenken und stattdessen in den Tag hinein zu leben.


    An einem dieser Tage trifft er im Park auf Margueritte, eine alte Dame, die zwar genau wie Germain gerne Tauben zählt, ansonsten aber das komplette Gegenteil von ihm ist. Die studierte Biologin drückt sich gewählt aus, ist in der Welt herumgekommen und liebt die Literatur.
    Was zunächst nach einer unverbindlichen Parkbekanntschaft aussieht, entwickelt sich trotz der Unterschiede zu einer echten Freundschaft und Germain denkt zum ersten Mal ernsthaft über sich und sein Leben nach…


    Zur Umsetzung


    „Das Labyrinth der Wörter“ ist ein kleines, aber feines Buch!


    Die kurzen Kapitel ziehen wie im Flug am inneren Auge vorbei und hinterlassen beim Leser ein warmes Gefühl. Zwar ist Germains Ausdrucksweise bisweilen recht derb und im Ganzen eher schlicht, doch hinter diesen Zeilen steckt der eigentliche Zauber der Geschichte.


    Die Treffen mit Margueritte bilden dabei nur den roten Faden der Handlung, denn vorrangig geht es um Germains Leben: Er erzählt von seiner verkorksten Kindheit, dem schlechten Verhältnis zu seiner Mutter und macht sich Gedanken über den richtigen Umgang mit Freunden und Frauen.
    Auch wenn Germain nicht der Hellste ist, so besitzt er doch ein gutes Gespür für zwischenmenschliche Feinheiten und dank Marguerittes Hilfe kann er seine Gefühle nach und nach in passende Worte hüllen.


    Er macht in seiner Entwicklung zwar keine außergewöhnlich großen Sprünge und wirft hier und da immer noch etwas durcheinander, doch genau das gibt der Figur etwas Glaubwürdiges.
    Wirkt Germains „Dummheit“ zunächst noch etwas aufgesetzt, verliert sich dieser Eindruck während des Lesens, denn eigentlich geht es nicht um Bildung oder eine gehobene Ausdrucksweise, sondern um eine ungewöhnliche Freundschaft und darum, dass jeder Mensch besondere Eigenschaften hat, die das Zusammensein bereichern.


    Ich habe „Das Labyrinth der Wörter“ sehr gerne gelesen und empfehle es all jenen, die kurze, aber bezaubernde Geschichten mögen. Zudem eignet sich das Büchlein auch bestens zum Verschenken.

  • Ich habe es vor einiger Zeit gelesen und fand es auch etwas sehr naiv und stellenweise sogar besserwisserisch - wie mit dem erhobenen Zeigefinger - ein recht nett zu lesendes Märchen, mehr aber nicht.


    :wave

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

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  • Ich habe das Buch abgebrochen, mir war das zu gewollt naiv.

    Herzlichst, FrauWilli
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    Ich habe mich entschieden glücklich zu sein, das ist besser für die Gesundheit. - Voltaire

  • Ich habe das Buch gestern Abend angefangen - bis jetzt (ca. 70 Seiten) finde ich es sehr schön. Ich mag den Stil, die wirklich schönen Sätze über "Weisheiten" - auch wenn sie profan sein mögen.
    Da ich Bücher über Bücher sammele, hat es hervorragend in mein Beuteschema gepasst. Und: ich musste schon wieder verdammt viele schöne Sätze aufschreiben und habe mich, Margueritte sei Dank, auch gleich hier bei der Eulen-Leserunde zu "Die Pest" angemeldet.

  • Gerade habe ich dieses Buch beendet. Es ist eine zu Herzen gehende Geschichte über einen ungebildeten und bis dahin eher groben Mann, der in mittleren Jahren ist und eine alte Dame kennen lernt, die aus einer ganz anderen Welt kommt als er und ihn auf einen neuen Weg führt.
    Mir haben die kurzen Kapitel gefallen, dadurch lies es sich sehr flüssig lesen.


    Von mir gibt es 7 von 10 Punkten

  • Zitat

    Original von keinkomma
    Ich habe das Buch gestern Abend angefangen - bis jetzt (ca. 70 Seiten) finde ich es sehr schön. Ich mag den Stil, die wirklich schönen Sätze über "Weisheiten" - auch wenn sie profan sein mögen.
    Da ich Bücher über Bücher sammele, hat es hervorragend in mein Beuteschema gepasst. Und: ich musste schon wieder verdammt viele schöne Sätze aufschreiben und habe mich, Margueritte sei Dank, auch gleich hier bei der Eulen-Leserunde zu "Die Pest" angemeldet.


    Ja, als ich mich dort angemeldet habe, musste ich sofort an dieses Buch denken.


    Wir lesen uns also dort!

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  • Ich hab's sehr gerne gelesn. Weil es mir wieder in Erinnerung gerufen hat, warum ich gerne lese.
    Das Mädel, das es geschrieben hat, liest gerne. Punkt. Das Ghetto-Schickimicki-Bildungsbürgertum-Gefasel ist dummes Zeug.