Nachdem mich Bill Bryson dafür präpariert hat, und meinereiner, als er beim 2er-Eulentreff viel zu früh in der Wagnerschen Thalia stand, auf der suche nach einem Buch über Bergdohlen, über den Darwin-Jahr-Tisch stolperte, der so ungünstig vor meinem Zielregal stand, dachte ich, nimmst dieses davon mit:
Dieses Buch ist in der ersten Hälfte - no na ned, im Darwinjahr - eine Würdigung Darwins als einer der wenigen grossen, zahlreiche - noch heute gültige - Theorien aufstellenden Universal-Biologen - von dem ausgerechnet die Theorie, durch die er heute berühmt ist, die Evolutionstheorie, NICHT stammt. Diese Theorie gab es schon zur Zeit seines Großvaters, und der zum Beginn seiner Karriere - als gelernter Geistlicher und Theologe eigentlich gläubige Darwin setzte sich nur mit der Theorie, die unter anderen sein eigener Großvater vertreten hatte, auseinander, und kam darauf, sie funktioniert, wenn man die von ihm auf seiner Reise beobachteten Phänomene und Details richtig in das von ihm aufgestellte Gesamtkonzept der Natur als Ganzes hinein gefügt.
Darwin war DER biologische Generalist seiner Zeit und hatte ein Wissen über die Natur und ihre Funktionsweisen zusammen getragen, das noch heute beeindruckt, und in vielen Teilen bis heute Gültigkeit hat. Er war Geologe, Botaniker, Tier-Systematiker, Biogenese-Theoretiker, Tierpsychologe, Ethologe, Anthropologe, Pflanzen-Entwicklungsphysiologe, Blütenbiologe, Bodenbiloge, und hat viele Zweige der heutigen Forschung sogar als erster begründet. Als Gentleman und finanziell unabhängiger Privatgelehrter konnte er es sich leisten, sein Leben seinen Experimenten und Beobachtungen zu widmen.
Dennoch hatte er, wie der Untertitel sagt, der da heisst: 'Was Darwin nicht wissen konnte', als Begründer der Fachrichtungen das Problem, dass er nicht auf Forschungen, etwa im mikroskopischen und zellulären Bereich zurückgreifen konnte, Dinge, wie die DNA, die Chromosomen, die Mitochondrien, Chloroplasten, die jedem halbwegs aufmerksamen Schulabgänger, der kein 'nicht genügend' in Biologie hat zumindest namentlich bekannt sind. Die modernen Forschungen haben einen Großteil von Darwins Theorien bestätigt, einige wenige andere, wie etwa seine Pangenesis-Theorie (dass zeitlebens erworbene Eigenschaften an die Nachkommen vererbt werden) widerlegt.
Darwin's Selektionstehorie, die Weiterentwicklung und Veränderung der Spezies durch Auswahl der in die Umwelt passendsten hatte Zeit seines Lebens einen grossen Haken: die Erde war mit Lord Kelvin's letzter Schätzung nur um die 24 Mio Jahre alt, wo er doch für die Entwicklung seiner Rankenkrebse, Käfer und käferfressenden Finken aber mindestens 60-140 Mio Jahre brauchte.
Die Autorität Kelvins wurde Zeitlebens desselben (bis 1907) nicht offen angegriffen, obwohl die Entdeckung der Radioaktivität 1903 und damit der Schlüssel zur Altersbestimmung in ebendiese fiel.
Der schüchterne und unsichere 1882 verstorbene Darwin erlebte die neuen Daten nicht mehr, die sich immer mehr verfeinert und seit den 50ern und Clair C Patterson's Uran/Blei&Blei-Zerfall, auf ein endgültiges Erdalter von etwa 4565 Mio Jahren einpendeln, also mehr als genug Zeit, um vom Einzeller zum Baum oder zum Menschen zu werden, inclusive dazwischen ausgestorbener Trilobiten und Dinosaurier. Die Selektionstheorie Darwins, die so gut in die ältere Evolutionstheorie passte, konnte somit posthum bestätigt werden.
Der zweite Teil des Buches befasst sich mit der Forschung nach Darwin, behandelt einige bekannte und auch unbekannte Forscher der diversen von Darwin eingeführten Teilgebiete der Biologie, und gibt zuletzt Einblicke ins Fachgebiet des Autors.
Der Autor, Ulrich Kutschera, Professor für Pflanzenphysiologe und Evolutionsbiologe in Kassel und der Carnegie Institution for Science der Sanford University, sowie Vorsitzender der AG Evolutionsbiologie im Verband deutscher Biologen, ist den Beobachtern der amerikanischen Kreationismus-Debatte durch sein Bonmot zum Käfer-Gott bekannt, denn es gibt um ein Vielfaches mehr Käfer- als Säugetierarten, und damit ist seiner Ansicht nach offensichtlich, was eine Schöpfergottheit tatsächlich an dieser Welt interessiert.
Er hat sich dem Kampf gegen den auch hierzuland weit verbreiteten biologischen Analphabetismus verschrieben, dem er unter anderem mit diesem, eher leicht lesbaren Buch hier zur Evolution für Dummies zu entgegnen versucht.
Eigene Meinung:
Meinereiner, obwohl selbst erst in der letzten Klasse meiner Schulkarriere (und das eher wenig erfolgreich durch einen jungen, didaktisch überforderten Lehrer) mit Mikrobiologie bekannt gemacht, hat seinen Ruf gehört (obwohl zugegebenermassen wegen dem bunten Cover) und kennt sich inzwischen dank solcher Bücher ein kleines Bisserl besser in der Umwelt aus, als meine dazumals hadale Bio-Maturanote vermuten liesse.
Aufgefallen ist mir, der Autor zitiert sich gern selbst, was aber bei einem Buch, das man schnell für ein Publikum relativer Laien aus dem Ärmel schüttelt, durchaus verständlich ist.
Obwohl meine Mitbewohnerin beim Durchblättern meinte, das Buch dürfte nicht für jeden verständlich sein, so muss ich entgegen halten, dass das einem nur beim Durchblättern so erscheint, da alles in dem Buch langsam aufbaut und bei der ersten Nennung in Klammern oder zumindest im nächsten Satz aus dem Fachsprech übersetzt und erklärt wird. Wer dran bleibt, kommt auch mit. Gelegentliche Leser von populärwissenschaftlichen Zeitschriften wie meinereiner kommen damit durchaus klar, und fühlen sich nicht überfordert.
Wer etwas nicht verstanden hat, kann an den dem Buch beigefügten Links ja nachfragen/schauen gehn:
www.evolutionsbiologen.de
www.eseb.org
www.ncseweb.org
www.springerlink.com/content/120878/