Das Rätsel des Glaubens liegt im Leugnen des Wissens
Buch
Titel: Die Zwerge von Amboss – Die Zerrissenen Reiche 1 Seiten: 492
Verlag: Piper Verlag ISBN: 978-3-492-26663-5 EUR: 8.95
Autor
Thomas Plischke: geboren 1975 in Ludwigshafen am Rhein
nach der Ausbildung zum Verlagskaufmann studierte er Amerikanistik, Anglistik und Medienkultur in Hamburg, tätig als Dozent, Übersetzer, Lektor und Autor
Entwicklung der Zerrissenen Reiche in Zusammenarbeit mit Ole Johan Christiansen, nähere Informationen zum Konzept siehe www.im-plischke.de/plischke/zerrissenereiche.php
Buchinhalt
Im Dampfland, dem Reich der Zwerge, genauer gesagt in Amboss, der größten Stadt des Zwergenbundes, geschieht ein grausamer Mord.
Es ist bereits der dritte Mord in Folge mit ähnlich skurrilem Tathergang!
Der berühmte Komponist Namul Trotz, bekannt nicht zuletzt durch diverse Musikstücke für den Rat der Stadt Amboss, Loblieder und Vertonungen für Bestattungen, Hochzeiten, Manufaktureinweihungen und sogar des Eids der Sucherschaft, fand durch eine Silberflöte, die seines menschlichen Haushälters, in seinem Rücken den Tod.
Kommissar Garep Schmied und sein Gehilfe Bugeg Gerber nehmen den Fall genauer unter die Lupe.
Garep Schmied, pfiffig und erfahren, teilt hierbei nicht die gleiche Sichtweise wie Bugeg Gerber, der zwar stets um die Erfüllung der Erwartungen seines Mentors bemüht, dennoch stark von Vorurteilen gegenüber Menschen geprägt scheint.
Auffällig ist, dass Trotz den bei ihm lebenden Menschen nicht nur, wie im Zwergenbund üblich, als Diener beschäftigt hat.
Handelt es sich eventuell um ein Verbrechen aus Leidenschaft oder geht diesem Mord eine abgekartete Planung mit politischem Hintergrund voraus?
Ein Fememord oder steckt vielleicht doch noch sehr viel mehr dahinter?
In welchem Zusammenhang stehen die Vorfälle der zwergischen Nation mit dem menschlichen Söldner und Bestienjäger Irisanjo von Wolfenfurt, kurz Siris, aus den Zerrissenen Reichen, der sich nach einem Zwischenfall aufmacht, seine Schwester Sira im Zwergenbund aufzuspüren und den Vorgängen in einer zweifelhaften Heilanstalt, in der fragwürdige Experimente an Menschen und Halblingen vorgenommen werden?
Welche Folgen hat die Zwietracht zwischen Zwergen, Halblingen und Menschen?
Meine Meinung
Nach der Leseprobe und der Inhaltsbeschreibung hatte ich mich auf einen Kriminalroman eingestellt, der nach Katzen, Hunden, Schafen und Stofftieren nun auch die Zwerge bedenkt. Doch weit gefehlt!
Glaubt man anfänglich noch, es hierbei mit einem mehr oder weniger normalen Verbrechen zu tun zu haben, wird man doch schnell eines Besseren belehrt.
Der Mordfall zu Beginn des Buchs ist nur ein winziges Puzzleteil eines Großen Ganzen, das viel weitere Kreise zieht, als der Leser zunächst annehmen sollte.
Wider Erwarten landet man über kurz oder lang in einem Sumpf aus politischen Intrigen, Korruption und Machtgebahren.
Dieser Roman reicht über die bekannten Ansätze in der Fantasy-Literatur, insbesondere die Zwergenschaft, weit hinaus.
Thomas Plischke überrascht in ‚Die Zwerge von Amboss – Die Zerrissenen Reiche 1’, dem Auftakt einer neuen Serie im Piper Verlag, mit einer Sammlung zahlreicher Elemente aus aktuellem und vergangenem Weltgeschehen, verbindet dabei gekonnt Krimi / Thriller mit Fantasy / Paranormalem und einer Prise Sozialkritik.
Das Ergebnis ist eine anspruchvolle Lektüre, die der Menschheit einen Spiegel vor Augen hält, der Parallelen zur Realität unumwunden zur Schau stellt.
Das Buch ist neben Prolog und Epilog in 33 Kapitel gegliedert, die insgesamt zwei große Teile, ‚Amboss’ und ‚Hammer’ bilden.
Von Kapitel zu Kapitel wechseln die Szenarien und damit die Perspektive zwischen den Figuren.
Dem Leser werden auf diese Weise parallele Handlungsstränge geboten, die im ersten Teil des Buchs auf jeden Fall Neugier wecken, wie wohl hier ein Zusammenhang bestehen könnte.
Gegen Ende von ‚Amboss’ wird ein Großteil der Personen aufeinander treffen. Jedoch nur, um mit Beginn von ‚Hammer’ wieder getrennter Wege bestimmten Zielen nachzugehen.
Eine Methode, die mir gut gefallen hat, verhindert sie doch Längen oder aufkommende Langeweile durch die damit einhergehende Abwechslung für den Leser.
Im Gegensatz zur üblichen Literatur Zwerge betreffend, sind in Plischkes Roman die Zwerge, nicht die Menschen, tonangebend im Hinblick auf Technik, Medizin, Architektur und Infrastruktur.
Doch zukunftsträchtige Entwicklungen haben bekanntlich auch Nachteile.
Probleme wie Arbeitslosigkeit, zunehmende Bevölkerungsdichte und Korruption konfrontieren die Zwerge mit der Realität.
Sollten doch alle gleich sein, wächst vielmehr die Kluft zwischen arm und reich.
Intrigen und Wetteifern um Macht und Wohlstand bestimmen Politik und Wirtschaft. So herrscht beispielsweise ein äußerst empfindliches Gleichgewicht zwischen den Freien Arbeiterbunden und der Sucherschaft. Vergehen werden geduldet, solange diese an sich untersagten Geschäfte das Gemeinwohl nicht in Gefahr bringen. Stillschweigende Übereinkünfte zwischen den beteiligten Parteien sind üblicher Brauch.
Kultur- und Glaubensunterschiede schüren Vorurteile bis hin zu Intoleranz und Diskriminierung.
Der nicht abreißende Strom von menschlichen Flüchtlingen aus den Zerrissenen Reichen sorgt für Unmut unter den Zwergen, aber auch die Zwerge untereinander sind sich längst nicht alle wohl gesonnen.
Insbesondere an dem einst von Vertrauen und Respekt geprägten Verhältnis zwischen Garep Schmied und Bugeg Gerber wird deutlich, wie konsequent und rasant Macht (hier) einen Zwerg verändert, wenn sie zu Kopfe steigt, und aus vermeintlichen Freunden plötzlich erbitterte Feinde werden. Ganz wie im wahren Leben. Leider.
Plischke entfaltet eine genau durchdachte Welt, in der scheinbar nichts wirklich dem Zufall überlassen ist. Einerseits spricht ein bis zuletzt ausgearbeitetes Konzept für den Ehrgeiz, die Disziplin und die Mühe des Autors, andererseits fehlt möglicherweise Raum für Spontaneität. Will heißen, der Leser bekommt eine bis ins Detail gefertigte Schablone, die kaum Platz für das Spiel der eigenen Phantasie bietet.
Dem Einführungsband einer Serie halte ich jedoch stets zugute, dass er, um die Neugier der Leser zu wecken und erhalten, eine möglichst breit gefächerte Kostprobe dessen bieten sollte, was die Spannbreite an Möglichem und Machbaren der gesamten Serie ausmacht.
Gefreut hat mich das Kapitel, in dem sowohl Garep Schmied als auch Arisascha von Wolfenfurt in Erinnerungen an Vergangenes schwelgen. Diese kleine Sequenz erfüllt die beiden Figuren mit Leben.
Solche emotionalen Elemente hätte ich mir öfter, auch für andere Charaktere gewünscht, um ihnen mehr Tiefe zu verleihen.
Hinweise auf Reaktionen der Menschen auf Erfindungen der Zwerge, wie Dampfschiffe oder Züge, samt ihren genauesten Beschreibungen waren lustige Nebeneffekte, wo man es doch eher anders herum erwarten würde.
Das Cover des Buchs hat nicht zwingend mit den Zwergen des Dampflands zu tun, dennoch eine nette Idee, eine exakte Abbildung eines Teils der Waffe jedem Kapitel voranzustellen und die beiden Teile des Romans auf eben diesem Titelhintergrund, statt auf langweilig leerer Seite, anzukündigen.
Die Weltkarte als Überblickshilfe am Anfang des Buchs ist ebenfalls lobend zu erwähnen.
‚Die Zwerge von Amboss’ lässt selbstredend einige Fragen für den Fortsetzungsband offen, ergibt insgesamt dennoch einen zufrieden stellenden Einstieg in die Serie um die Zerrissenen Reiche.
Ich bin gespannt wie es mit Himek Steinbrecher und dem Geist der Patientin 23, Ulaha, und natürlich Arisascha von Wolfenfurt und Garep Schmied weitergeht.
Wird es schließlich zum provozierten Krieg zwischen den Völkern kommen?
Fazit
Plischkes angenehmer Schreibstil in Verbindung mit der lockeren Situationskomik in vielen Dialogen bietet ein unterhaltsames, teils inhaltlich innovatives Lesevergnügen.
Unbedingt auch einen Klick wert: www.im-plischke.de/plischke/uebermich.php
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