Colum McCann - Zoli

  • Titel: Zoli
    Autor: Colum McCann
    Verlag: Rowohlt
    Erschienen: Januar 2007
    Seitenzahl: 384
    ISBN: 3498044893
    Preis: 19.90 EUR


    Inhalt:
    Zoli Lackowa ist Roma, geboren vor dem Zweiten Weltkrieg in der Nähe von Bratislava. Als junges Mädchen überlebt sie den Holocaust in den Wäldern und lernt dort, höchst ungewöhnlich für eine Zigeunerin, lesen und schreiben. Nach Kriegsende beginnt sie, die Gesänge ihres Volkes in Gedichtform zu publizieren. Doch sowohl ihrer Familie als auch der sozialistischen Regierung sind ihre freisinnigen Texte bald ein Dorn im Auge – und ihre Sippe verstößt sie. Auch ihr Geliebter, der irische Journalist und Ethnologe Stephen Swann, verrät sie, weil er Repressalien fürchtet. Nun ist sie ganz allein, eine Verfemte. Mit nichts als dem, was sie am Leib trägt, macht sie sich auf in jenen Westen, in dem es wahre Freiheit geben soll. Drei Jahre dauert ihre Reise; sie führt durch den Eisernen Vorhang, ihr Ziel ist ungewiss. Und noch länger wird es dauern, bis Zoli ihren verräterischen Geliebten wieder trifft… (Quelle: www.amazon.de)


    Autor:
    Colum McCann wurde 1965 in Dublin geboren. Er arbeitete als Journalist, Farmarbeiter und Lehrer und unternahm lange Reisen durch Asien, Europa und Amerika. für seine Erzählungen erhielt McCann, der heute in New York lebt, zahlreiche Literaturpreise, unter anderem den Hennessy Award for Irish Literature sowie den Rooney Prize. (Quelle: www.amazon.de)


    Meine Meinung:
    Colum McCann hat ein sehr einfühlsames Buch geschrieben. Intensiv lässt er den Leser am Schicksal der Roma Zoli teilhaben. Eine Frau, die in den Traditionen ihres Volkes lebt, aber dann genau von diesem Volk verstoßen wird. Das Buch macht deutlich, dass niemand das Recht hat, über die Lebensweise und die Traditionen der Roma zu lächeln; die typische lächelnde, verständnisheuchelnde Arroganz ist genau das, was diese Menschen nicht verdient haben. Anstatt ihnen mit Verständnis und ehrlicher Toleranz zu begegnen, werden sie nach wie vor ausgegrenzt.
    McCann hat ein Buch geschrieben, dass man nach dem Lesen nicht einfach nur weglegt um sofort nach einem anderen Buch zu greifen. Es ist ein Buch, dass es verdient hat im Gedächtnis zu bleiben und dieses Buch hat es auch verdient, dass man seinem Nachhall lauscht.
    McCann macht sehr deutlich, dass es wenig Sinn macht, den Roma unsere Lebensweise überzustülpen. Gerade diese Lebensweise sorgt dafür, dass auch ihre Traditionen und ihre Geschichte verschüttet werden. Das kann ernsthaft niemand wollen.
    „Zoli“ von Colum McCann ist ein Buch welches ich uneingeschränkt empfehlen kann. Der Autor trifft genau den richtigen Ton, er stellt die Roma nicht als „Wesen aus einer anderen Welt“ da, er beschreibt sie vielmehr so wie sie sind, als ein Volk mit einer eigenen, faszinierenden Tradition, mit eigenen Sitten und Gebräuchen, die zu bewahren, den Roma immer schwerer wird und schwerer gemacht wird.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Meine Meinung
    Colum McCann öffnete mir mit „Zoli“ ein Fenster, durch das ich einen Blick in die Welt der Roma werfen konnte. Ich habe viel über ihre Lebensweise, Traditionen und Werte erfahren. In diesem Roman weist McCann aber auch auf die Bedeutung von Würde und Selbstbestimmung der Menschen hin. Er zeigt klar die Folgen auf, die Diktatur und Fremdherrschaft für die Roma nach sich zogen.


    Sachlich nüchtern, aber nachhaltig, erzählt Colum McCann über einen Zeitraum von 70 Jahren die Geschichte der Zoli Novotna, die so nie existierte. Das Leben der Zoli wird in den 6 Abschnitten des Buches aus verschiedenen Blickwinkeln, jeder in einem eigenen Sprachstil gehalten, betrachtet. An manchen Stellen hätte ich mir bei den Protagonisten mehr Wärme und Emotionen gewünscht. Obwohl gerade diese rationale Sprache dazu beiträgt, dieses schwierige Thema neutral zu betrachten.


    Dank seiner akribischen Recherche ist mit „Zoli“ ein glaubwürdiger und meines Erachtens realitätsnaher Roman entstanden, der auch ein Zeitbild darstellt. An keiner Stelle in diesem Buch kommt der Autor auch nur in die Nähe einer verklärten Lagerfeuer- und Zigeunerromantik. Er zeigt deutlich die Härten und Schwierigkeiten des Lebens von Minderheiten in den verschiedenen Gesellschaftssystemen auf.


    Mir hat dieser Roman von Colum McCann sehr gut gefallen. Ich habe Einblick bekommen in eine mir bisher fremde Welt. Auch wenn das Buch jetzt beendet ist, wird Zoli meine Gedanken noch lange begleiten.

  • Das klingt sehr interessant. Derzeit faszinieren mich diese Art Romane sehr. Eigentlich wollte ich auf die Taschenbuchausgabe warten, aber ich denke, ich werde meine Stimmung ausnutzen und es mir bald zulegen :grin.

  • „Zoli“ erzählt eine Lebensgeschichte. Nicht nur die der weiblichen Figur Zoli (Marienka) Novotna, eine Roma-Frau, sondern auch die Geschichte ihres Volkes, ihrer Verfolgung während des 2.Weltkrieges und Holocausts, ihre Instrumentalisierung für die slowakischen Kommunisten und schluss endlich ihre erzwungenen Assimilation. Von der Politik der Faschisten als „Untermenschen“ betrachtet und verfolgt, später glorifiziert als die natürlichste aller Lebensformen durch die Kommunisten, um ihnen dennoch später das Recht auf ihre eigene rumfahrende Kultur zu nehmen. Viele politische Ansätze sind in diesem Buch, viel allgemeine Kritik daran Menschen ihr Recht auf eigene Kultur und Bräuche zu nehmen. Sie vom fahrenden Volk aus Gutmütigkeit und Erlaubniswille der Oberen zu sesshaften Menschen zu machen.


    Und doch ist dies nicht der einzige Aspekt dieses Romans, der zu gefallen weiß. Es ist vor allem die Viel-Perspektivigkeit, die der irische Autor Column McCann einsetzt, um ein breit gefächertes Bild einer Roma-Lebensweise zu erhalten. Er lässt Zoli selbst sprechen, zuerst „glühendes“ und später ausgestoßenes Mitglied der Roma; ihren Geliebten Stephen Swann, der sie verrät, der Slowake sein möchte und doch niemals über sein irisch-gefärbtes Slowakisch hinauskommt. Und er lässt Zolis Lieder sprechen, voll von Metaphoriken aus der Natur, von Tieren und Pflanzen und vor allem von den Wünschen eines jungen Menschen ihrem Platz in der Familie zu finden, den sie sehr rasch wieder verliert. Es ist auch die Geschichte einer Flucht, über die Slowakei, nach Ungarn, weiter nach Österreich – Von der Familie verlassen, vom Geliebten verraten, vom Glauben an den Sozialismus enttäuscht. Präsentiert wird eine starke Heldin, eine Heldin vor allem, die sich trotz der „westlichen“ Übermacht niemals unterkriegen lässt und trotz ihrer eigenen Isolation eine starke Persönlichkeit bleibt. Eine Kämpferin.


    Der ORF hat in einer Kritik dem Autor zu viele Klischees vorgeworfen: Er würde damit spielen sich an dem Wort „Zigeuner“ aufzuhängen, außerdem stelle er dar, sie wären fasziniert von allem, würden stehlen etc.pp. Ich möchte folgendes sagen: Natürlich verwendet er Klischees, aber nicht ohne den Hintergrund zu erläutern. Wie vielleicht dem geneigten Rezensenten vom ORF bekannt ist, wenn er es gelesen hat, erklärt Zoli, dass Zigeuner so etwas wie Besitz nicht kennen. Sie unterscheiden nicht zwischen einem Bauern und dem ihrigen Besitz, ganz getreu dem Motto: „Allen gehört die Welt.“


    Die Sprache McCanns ist zauberhaft, wirklich zauberhaft.
    Man fiebert mit, mit der anfangs jungen, am Ende alten Heldin. Man fiebert mit bei ihren Gedichten, bei ihrer Ausstoßung, bei ihrer Flucht nach Österreich…


    Zolis Geschichte wirkt wie ein riesiges Gemälde, ein Porträt einer Kultur, die fast schon vergangen scheint und doch an hochaktuellen Themen messbar ist. Ich habe die Lektüre wirklich genossen und muss dem SPIEGEL wirklich recht geben: „Die Weltliteratur hat eine neue Heldin!“


    Fazit:


    Ein Gemälde über die Kultur der Roma, ein Stück Geschichte, ein Stück Liebe zur Sprache – Einfach schön zu lesen!

    „Die Literatur greift immer dem Leben vor.
    Sie ahmt das Leben nicht nach, sondern formt es nach ihrer Absicht.”

    Oscar Wilde, irischer Schriftsteller und Aphoristiker

  • Zitat

    Original von SueTown
    Das klingt sehr interessant. Derzeit faszinieren mich diese Art Romane sehr. Eigentlich wollte ich auf die Taschenbuchausgabe warten, aber ich denke, ich werde meine Stimmung ausnutzen und es mir bald zulegen :grin.


    Falls du, so wie ich, doch aufs TB wartest: es erscheint im August! :-)

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Der Autor beschreibt auf eine objektive Art und Weise wozu die zwangsweise "Zivilisierung" und Assimilation des traditonsbewussten Volkes der Roma in Osteuropa geführt hat. Das Buch liefert Antworten auf die Frage, warum Roma heutzutage zu den sozialschwächsten Bevölkerungsgruppen in diesen Ländern gehören.
    Ein kluges, wertvolles Buch. :fingerhoch

    "Die Bildung kommt nicht vom Lesen, sondern vom Nachdenken über das Gelesene."
    (Carl Hillty)

  • Mir hat Zoli auch sehr gut gefallen. Kein Buch dass man mal eben schnell durch gelesen hat und dann einfach weg legen kann.


    Ich habe viel über die Roma und ihre Sitten und Gebräcuhe gelernt, wobei ich es mir sehr schwer vorstelle in der heutigen Zeit, immer alle Vorschriften einzuhalten, wie z.B. dass man nicht über einer Frau laufen darf (hab ich das noch richtig im Kopf?). Das stelle ich mir in einem mehrgeschossigen Haus sehr schwierig vor.


    LG Luthien

  • Wirklich ein sehr gutes Buch, was mir einen Einblick in die Lebensweise der Roma ermöglicht hat.


    Schon im ersten Abschnitt, der Ende der 30er Jahre spielt, musste ich schlucken, als Zoli ihre Eltern verloren hat. Und immer wieder war ich sehr berührt beim Lesen, als geschildert wurde, wie mit den Zigeunern umgesprungen wurde.


    Erst ausgegrenzt, dann vor den Karren der Kommunisten gespannt, dann wieder ausgegrenzt und in Ghettos gesperrt, weil die Regierung eine andere Lebensweise für sie vorschrieb, fern von den Sitten und Gebräuchen.


    Zoli hat viel durchmachen müssen und ich habe sie für ihre Haltung bewundert. Zum Schluß konnte sie sogar verzeihen und wieder singen.


    Der Autor hat mich in dieses Buch reingezogen, ich mochte kaum aufhören zu lesen und musste mich zwingen, langsam zu lesen.


    Von mir 9 Punkte für dieses bemerkenswerte Buch.

  • Auch mir bescherte dieser glaubwürdige Roman einen faszinierenden Einblick in eine Welt bzw. Kulter, von der ich doch kaum Ahnung habe. Zoli ist eine starke Protagonistin, man hofft während des Lesens, die Dinge mögen sich für sie zum Guten wenden. Eindrucksvoll sind die Passagen, in denen die Unterdrückung und Ausgrenzung beschrieben werden, die die Roma im Lauf der Jahre unter verschiedenen Regimen erleiden mußten.
    Der Sprachstil variiert, gefiel mir in Summe aber ganz gut und paßte zum Text.