"Septimus Heap - Magyk" von Angie Sage
Ich konnte nicht an diesem Buch vorbeigehen, das dort ein wenig verloren im fast leeren Regal bei den Jugendbüchern in unserer Unibuchhandlung stand. Der Einband zog mich magisch an, vielleicht ist es ja mit einem Zauber belegt? (erschienen ist es im Verlag Carl Hanser, München, Wien 2005, eventuell sollte man dort einmal nachfragen) - "Genauso muss ein Buch sein, in dem man auf Zauberer und Hexen stoßen wird!" dachte ich " Es sieht aus, wie ich mir als Kind ein Zauberbuch vorstellte" - Goldene Lettern in goldener Umrandung, auf einem dunkelgrünen Hintergrund, der wie altes, geprägtes Leder aussieht, nachgemachte Metallbeschläge an den Ecken und in der Mitte ein Drachenring, scheinbar abschließbar mit einem (leider nur aufgedrucktem) Metallschloss an einem Lederband. Zum Glück ist die unvermeidliche ISDN Nummer auf der Rückseite so klein gedruckt, dass sie nicht weiter stört. - Wären die Materialien echt, so hätte ich sicher wesentlich mehr, als 17,90 Euro dafür zahlen müssen. Doch nicht nur der Einband verlockte mich zum Lesen, sondern auch der Klappentext versprach eine interessante Geschichte:
Wer ist Septimus Heap?
In jedem Fall ist er der siebte Sohn eines siebten Sohnes, und solche Söhne verfügen über magische Kräfte. Wurde Septimus Heap deshalb entführt? Und was haben die Entführer mit ihm vor?
Wer Antworten auf diese Fragen sucht, gerät unweigerlich ins Reich der Zauberer und Geister, der Panzerkäfer, Rattenboten und Wendronhexen, der weissen und der schwarzen Mächte. - Die leider nicht immer leicht zu unterscheiden sind.
Und wer ist Angie Sage?
Die Autorin des Buches ist freiberufliche Illustratorin und lebt in Cornwall. Sie hat Grafikdesign und Illustration an der Art School in Leicester studiert und wurde bislang vor allem durch ihre Bilderbücher bekannt. Dieses Buch ist ihr erster Roman und sie hat noch zwei weitere Bücher über Septimus Heap in Planung. Mehr war nicht über sie zu erfahren, doch die liebevoll gezeichneten Bilder zu Beginn jedes neuen Kapitels zeigen ihr Können und weckten bei mir den Wunsch, noch mehr von ihren Illustrationen zu sehen.
Im Reich der Zauberer
Und so begann ich an einem kalten, verregneten Abend, mich in das Reich der Zauberer hineinzulesen. Was passiert nun in dieser Welt dort, wie ist sie und wer ist denn nun Septimus Heap?
- Mitten umgeben von Ackerland, liegt eine große Burg, in deren Mitte ein riesiger Zauberturm emporragt. Dort wohnen die Zauberer des Reiches und ganz oben sozusagen im Penthouse, residiert der amtierende außergewöhnliche Zauberer als ihr Oberhaupt. In diesem Fall Marcia Overstrand mit ihrer Vorliebe für spitze lila Schuhe aus Pythonhaut. Da im Lauf der Zeit immer mehr Menschen in die Burg zogen, wurden entlang der inneren Burgmauer die "Anwanden" gebaut - ein 5 km langes Gebäude, dass ein wahres Labyrinth aus vielen verschlungenen Korridoren und Räumen bildet. Es gibt dort kleine Fabriken, Wohnraum, Schulen, Geschäfte und sogar ein Theater. Sarah und Silas Heap leben in einem Raum in den Anwanden und Silas, ein mehr oder weniger begabter Zauberer geht seinen täglichen Vergnügungen nach und grollt immer noch, dass die eingebildete Marcia Overstrand ihn vor Jahren überholte und außergewöhnliche Zauberin wurde.
Der Tag an dem sein siebter Sohn Septimus geboren wird, ist gleichzeitig auch ein Schicksalstag für die Bewohner der Burg. Während Sarah in den Wehen liegt, wird die Königin mit einer Silberkugel von einem Meuchelmörder erschossen. Die zweite Silberkugel in seiner Waffe ist für ihr Baby, die kleine Prinzessin bestimmt, doch die kann in letzter Minute gerettet werden. Septimus findet sie, ohne zu wissen wer sie ist und bringt sie zu seiner Frau. - Als er nach Hause kommt, findet er Sarah weinend im Bett, da ihr die Hebamme den scheinbar totgeborenen Sohn gezeigt und mitgenommen hat. Sie nehmen nun das Findelkind auf und ziehen es groß. Die kleine Jenna, wie sie genannt wird, lebt bis zu ihrem 10. Geburtstag unbehelligt in der Familie und weiß nichts von ihrer Herkunft, doch dann geht alles ganz schnell - Jemand hat herausgefunden, wer sie ist und eine Meuchelmörderin ist unterwegs zu ihr.
Marcia, die Oberhexe offenbart ihr und ihrer Familie, in welcher Gefahr sie schweben und es beginnt eine abenteuerliche Flucht, in die verzauberten Marschlande zu der dicken magischen Tante Zelda. Mit dabei ist Silas, sein Sohn Nicko, ein vor dem erfrieren geretteter Jungsoldat namens Junge 412 und der ewig sabbernde Wolfshund Maxie. Die Meuchelmörderin scheitert und man setzt einen Jäger auf Jenna an, den sie erst einmal abhängen können, doch die Flucht vor dem grausamen Jäger ist damit nicht beendet und nur ein langer Winter schützt sie auf der kleinen Marscheninsel für eine gewisse Zeit. Während draußen meterhoch Schnee liegt, müssen sie Tante Zeldas Kochkünste erleiden, deren Spezialität mit Kohl belegte Brote sind, und die ihnen schmackhafte Abendmahlzeiten wie aufgeschnittenen Aal mit Erdbeermarmeladen-Sauce serviert. Als eines Tages die Botenratte Stanley auftaucht, die Silas in einer Nachricht von seiner Frau Sarah mitteilt, sein Sohn Simon, der mit dem Rest der Familie in den Wald in der Nähe der Burg geflüchtet ist, wäre verschwunden, macht sich Silas auf , um ihn zu suchen. Da Marcia nicht in ihrem Zauberturm ist, hat der zurückgekehrte böse Zauberer DomDaniel leichtes Spiel und übernimmt ihren Posten. Er will das Land mit seiner schwarzen Magie beherrschen und schickt deshalb die Botenratte mit einer gefälschten Nachricht zu Marcia, die darauf hereinfällt, und so im Gefängnis landet. Nun glauben die Verfolger von Jenna, sie hätten leichtes Spiel mit ihr und könnten sie töten. Das Kampfboot DomDaniels wird flott gemacht und segelt in Richtung Marschlande...
Ob es ihnen gelingen wird und wann endlich der totgeglaubte Septimus Heap auf den Plan tritt, verrate ich natürlich nicht, denn dann wäre die Spannung dahin.
Ein kleiner Einblick
Kapitel 8: Im Müllschlucker - Beim Sprung in den Müllschlucker hatte Jenna so große Angst vor der Meuchelmörderin, dass sie gar nicht dazu kam, sich vor dem Schacht zu fürchten. Doch als sie hilflos in die pechschwarze Tiefe purzelte, geriet sie in Panik. Das Innere des Müllschluckers war kalt und rutschig wie Eis. Es bestand aus glatt poliertem schwarzem Schiefer, den die Maurermeister, die den Zauberturm vor vielen Jahrhunderten gebaut hatten, fugenlos geschnitten und zusammengefügt hatten. Das Gefälle war steil, so steil, dass Jenna keine Kontrolle darüber hatte, wohin sie fiel und so purzelte sie mal hierhin, mal dorthin, rollte von einer Seite auf die andere.
Doch das Schlimmste war die Dunkelheit.
Tiefe, undurchdringliche Nacht umgab sie. Sie bedrängte Jenna von allen Seiten und so sehr sie ihre Augen auch anstrengte, sie konnte nichts aber auch gar nichts erkennen. Nicht das Geringste. Sie dachte, sie sei blind geworden. Aber hören konnte sie noch. Und hinter sich vernahm sie das rasch näher kommende Zischen von feuchtem Wolfshundfell. Maxie, der Wolfshund hatte einen Riesenspaß. Ihm gefiel dieses Spiel. Er war ein wenig überrascht gewesen, als er in den Müllschlucker sprang und dort kein Silas mit einem Ball auf ihn wartete. Und er war noch überraschter, als seine Pfoten den Dienst versagten. Er tastete kurz umher, um den Grund dafür zu finden. Dann prallte er mit der Schnauze gegen den Nacken der gruseligen Frau (Marcia). Sie hatte irgendetwas Köstliches im Haar. Gerade als er versuchte, daran zu lecken, bekam er von ihr einen heftigen Stoß verpasst und landete auf dem Rücken. Aber jetzt war Maxi glücklich. Mit der Schnauze voran, die Pfoten dicht am Leib, verwandelte er sich in einen stromlinienförmigen Streifen Fell und überholte sie alle. Er überholte Silas nur ungern, denn Silas war der Rudelchef und er Maxie, durfte eigentlich nicht die Führung übernehmen. Doch er konnte nichts dafür - in einem Schwall von kaltem Eintopf und Karottenschalen rauschte er an Silas vorbei in die Tiefe…..Der Zauberturm hatte 21 Stockwerke. Die beiden oberen Stockwerke bewohnte die außergewöhnliche Zauberin, und jeder Stock darunter beherbergte zwei Zauberwohnungen. Da kamen viele Mahlzeiten zusammen. Ein Schlaraffenland für einen Wolfshund und Maxie fraß bei der Schussfahrt durch den Turm so viel Abfall, dass es für den ganzen Tag reichte….
Die magiefreie Realität
holte mich wieder ein, als ich am Ende des Buches angelangt war. Wie schade, dass es nur 500 Seiten hat, denn ich hätte noch lange weiterlesen können. Die Geschichte ist spannend und lustig gemacht. Ein etwas skurriles Völkchen wird hier geschildert - alle haben ihre Eigenheiten und Macken und die Charaktere sind sehr gut gezeichnet. Auch wenn sich die Hauptpersonen in großer Gefahr befinden, lockert die Autorin die Atmosphäre immer wieder durch kleine komische Situationsschilderungen und zickige Dialoge auf. Zum Teil stutzt man beim Lesen über bestimmte Dinge: Der Zauberturm hat einen Müllschlucker, die Tante im Wald, zu der der Rest der Familie flieht, trägt Leggins und der Jäger, der sie auf einem von vielen Ruderern angetriebenen Schnellboot verfolgt, nutzt einen Suchscheinwerfer. In vielen Fantasy-Romanen wird die Welt düster und magisch beschrieben, die Kleidung, Gerätschaften und Lebensumstände erscheinen eher mittelalterlich und die Nebenfiguren sind oft nur am Rande beschrieben, während die Protagonisten - häufig eine Gruppe Auserwählter, die losziehen, um ihre Welt vor den bösen Mächten zu retten - als edle und häufig ernste Personen geschildert werden. Selten flackert ein Fünkchen Humor auf (falls man nicht gerade Terry Pratchett liest) und die Geschichten leben hauptsächlich von Abenteuern, grausamen Schlachten, Entführungen und letztendlich der Rettung des Guten.
Und nun Leggins und Suchscheinwerfer…Sieht so eine magische Welt aus? Warum eigentlich nicht? Jeder Autor, der eine Fantasy-Welt erdenkt, hat die Freiheit, seine Personen so leben zu lassen, wie es ihm gefällt. Er kann sie in Kleider stecken, die ihm gefallen und er kann auch den mächtigsten und schönsten Turm mit einem Müllschlucker ausstatten, wenn er Lust dazu hat- das ist sein gutes Recht. Zudem ist das Buch in die Kategorie Kinder und Jugendbuch einzuordnen und so sollte der anspruchsvolle Leser, der nur ernste Fantasy-Literatur kennt, schon ein Auge zudrücken (falls ihn das nicht bei der Lektüre stört).
Mir hat es jedenfalls sehr gut gefallen und allein so ein liebevoll erdachtes Cover anzusehen und dann das Buch in den Händen zu halten, bereitete mir ein zusätzliches Lesevergnügen. Sicher ist die Sprache nicht wortgewaltig und die Formulierungen kommen einfach und ohne Schnörkel daher, doch erwarte ich keine poetische Sprache, keine ausschweifenden Beschreibung irgendwelcher Landschaften oder Räumlichkeiten in einem Buch für eine jüngere Leserschaft. Die Handlung, die Spannung und die Situationskomik genügten mir hier allemal, um mich gefangen zu nehmen und deshalb möchte ich es uneingeschränkt weiterempfehlen an diejenigen, die auch als Erwachsene nicht davor zurückgeschreckt sind, ein Jugendbuch wie Harry Potter in die Hand zu nehmen. Vergleichen möchte ich Magyk allerdings nicht mit Anne Rowlings Büchern, denn ich bin der Meinung, dass man nicht jeden guten Fantasy Roman für Kinder, bzw. Jugendliche an Harry Potter messen muss, ebenso wenig, wie sich Fantasy für Erwachsene generell an Tolkien orientieren braucht. Jeder Autor hat seine eigene Welt, seine eigenen Geschichten erschaffen und warum sollte ihm/ihr bei jedem Satz, bei jeder Handlung, die er schreiben will Tolkien oder Rowling mit mahnendem Blick und hoch gehobener Messlatte vor Augen schweben? Ich glaube, es würde die Vielfalt der Geschichten, die in den vergangenen Jahren geschrieben wurden zerstören. Dieses Buch jedenfalls ist eine weitere Bereicherung für Leser, die dieses Genre mögen und zusätzlich noch ein dekoratives Stück für das Bücher-Regal. Auf jeden Fall freue ich mich schon auf die angekündigte Fortsetzung und hoffe, dem einen oder anderen mit meinem Bericht nun den Mund wässrig gemacht zu haben.
Noch einmal alle Daten zum Buch
Titel: Septimus Heap - Magyk
Autorin: Angie Sage
Verlag: Carl Hanser Verlag München Wien
Preis: 17,90 Euro
ISBN: 3-446-20642-6
Seitenzahl: 501
Informationen: www.septimusheap.de
Ich war schon lange nicht mehr hier, doch heute las ich im Forum, dass sich Branka beklagte, weil noch niemand eine Rezi über dieses Buch geschrieben hat...und da dachte ich, das kann ich ändern :), diese Rezi habe ich vor einiger Zeit bei Ciao veröffentlicht und ich hoffe, sie ist nicht zu lang für die Büchereulen (bei Ciao ist diese Länge fast Standard)