T. Patrick Westhouse: Drei Tage im Juli, 2003
Betzel Verlag, Bluebook, Satire 3-932069-20-X
ca. 300 Seiten, Titelillustration von H. H. Dietrich
www.betzelverlag.de
Oliver Römer bewirbt sich als Pfleger in einem Altenheim. Gleich an seinem ersten Tag wird er gnadenlos mit der unmenschlichen Maschinerie dieses Betriebs vertraut gemacht, muss seinen neuen Kollegen zur Hand gehen und kurz darauf sogar allein die hier untergebrachten Menschen betreuen.
Schon bald bemerkt er, dass nicht nur die Alten mehr oder minder verrückt sind, sondern auch das Pflegepersonal. Abgestumpft und hoffnungslos fristen sie alle ihr Dasein, und Oliver selbst gerät zunehmend in den Bann dieses entwürdigenden Alltags.
Allerdings lernt er auch viel über sich selbst. Er beginnt das System zu durchschauen und will Licht an diesen dunklen Ort tragen…
Es muss nicht Splatter sein, um das namelose Grauen heraufzubeschwören. Dieses ist tatsächlich sehr viel näher, als man denkt, denn es ist in der realen Welt verankert und erwartet viele Menschen.
T. Patrick Westhouse, der selbst in Altenheimen tätig war, beschreibt das alptraumhafte Schicksal armer, einsamer und pflegebedürftiger alter Menschen, die abgeschoben werden an Orte, an denen sie die Jungen, die in einer Illusion ewiger Jugend und Gesundheit leben und den Gedanken an das eigene Alter verdrängen, nicht einem mitunter erschütternden Anblick aussetzen können. Ungeliebt, vergessen und entmündigt werden diese Menschen schlimmer behandelt als jedes Tier – von der eigenen Familie und vom Personal, das schon aus Selbstschutz eine Mauer um sich errichtet, um nicht durch das tägliche Elend verrückt zu werden. Während das Volk laut aufschreit, sobald ein Hund getreten wird, haben die Alten (Kranken und Kinder) praktisch keine Lobby.
Der Autor schildert die Charaktere seines Buchs als Individuen, in denen oft mehr steckt, als es zunächst den Anschein hat. Jeder von ihnen lebt in seiner persönlichen Hölle und wartet nur noch auf das erlösende Ende. Oliver Römer, aus dessen Sicht die Ereignisse beschrieben werden, möchte Hoffnung bringen, aber auch er ist nur ein kleines Rädchen im Getriebe, das eher einen Defekt erleidet und ausgetauscht werden muss, als dass es die Maschine in eine andere Richtung bewegen könnte.
Man liest die Gesellschaftssatire mit sehr gemischten Gefühlen. Was mit zynischem Humor geschildert wird, ist so tragisch, dass man nicht lachen kann. Nach der bitteren Lektüre vermag man nur noch zu hoffen, dass einem ein solcher Lebensabend erspart bleibt.
Wie auch in anderen Bereichen des Lebens wird im Altenheim alles ‚von Oben’ geregelt, von Personen, die selbst keinen Fuß in die Anstalt setzen oder denen eine heile Welt vorgegaukelt wird, da das Personal sich vor Veränderungen fürchtet, die den eigenen Status gefährden und mit mehr Arbeit erbunden sein könnten. Das Heim und seine Hierarchie wird zu einem Symbol für den ganzen Staatsapparat, für die ganze Welt, die von einigen wenigen kontrolliert wird, die die Macht in den Händen halten und behalten wollen, ohne Kenntnis der Situation und ohne Rücksicht auf die Menschen, die für sie nur gesichts- und namenloses Nichts sind.
Wer glaubt wirklich noch an eine Veränderung zum Besseren angesichts der täglichen Schlagzeilen in den Medien?
Ich fand es zeitweise "Heavy"
Grüßle
Sielka