"Sweetly" wird auch bei PAN erscheinen - wann ist aber noch nicht klar. Ich hoffe ja auf nächstes Frühjahr
Meine Rezension zu "Blutrote Schwestern":
Inhalt
Es ist Nacht wenn die zwei jungen Frauen ihre blutroten Mäntel überwerfen und ihr Haus verlassen. Sie wandern durch die Straßen, kichern ahnungslos und schweben unbekümmert wie Schmetterlinge durch die dunklen Gassen. Bis ein Furcht erregender Wolf sich ihnen in den Weg stellt. Sein Blick ist gierig und seine scharfen Zähne lassen keinen Zweifel daran, dass er ihr Fleisch will. In dem Moment erstirbt das Kichern und die eine Frau entblößt ihr vernarbtes Gesicht. Beide greifen zu ihren Äxten und eröffnen die Jagd auf den Wolf. Denn das ist ihre Aufgabe. Das ist ihre Bestimmung.
Seit die Schwestern Scarlett und Rosie über die Existenz der Fenris, der Werwölfe, Bescheid wissen, richten sie ihr Leben auf die Jagd aus. Doch obwohl die Herzen der beiden im Einklang schlagen, schlagen sie nicht für dieselbe Sache. Während Scarlett für die Jagd lebt, entdeckt die zarte Rosie langsam, dass es auch noch mehr im Leben gibt. Und als sie sich verliebt, laufen plötzlich beide Gefahr alles zu verlieren, für das sie so sehnsüchtig kämpfen…
Bewertung
Nach der fröhlichen Teenieromanze „Drei Wünsche hast du frei“ legt Jackson Pearce nun bei PAN eine düstere und blutige Neuerzählung des Märchens Rotkäppchen vor.
Anders als bei den Gebrüdern Grimm erwarten den Leser hier aber zwei Protagonistinnen. Scarlett ist die Ältere der beiden und durch ihre traurige Vergangenheit gezeichnet: ihre Körper ist beinahe komplett mit Narben versehrt und ihr rechtes Augen fehlt. Mit ihrer Art eckt sie schon mal beim Leser an, denn obwohl man Mitleid mit ihr hat und ihre Beweggründe verstehen kann, ist sie oft etwas schwierig. Besessen von der Jagd auf die Fenris und bisweilen neidisch auf ihre Schwester sind es nur die Momente, in denen man merkt wie wichtig ihr die Bindung zu Rosie ist, in denen man sie schließlich in sein Herz schließt.
Rosie hingegen hat kaum Erinnerungen an den Vorfall, der ihre Schwester vor Jahren zeichnete und lebt unversehrt mit Scarlett zusammen im Haus ihrer Großmutter. Die Sechzehnjährige ist gewissenhaft und viel unbeschwerter als ihre ältere Schwester, hält jedoch immer zu ihr und begleitet sie so oft sie kann mit auf die Jagd. Doch nicht nur, dass sie äußerlich ihrer Schwester nicht ähnelt, sie findet – anders als Scarlett – kein Glück in der Jagd auf Fenris. Als sie deshalb langsam beginnt sich kleine Freiheiten zu erkämpfen, verfolgt man diese Wandlung als Leser fasziniert.
Denn auch wenn „Blutrote Schwestern“ die Rotkäppchenfigur aufgreift und ein blutiger Fantasyroman ist, so steckt eigentlich eine sehr berührende und schöne Geschichte hinter dem gruseligen Cover. Natürlich kommen die Actionszenen nicht zu kurz – man hält beim Lesen unwillkürlich die Luft an, wenn Lett und Rosie sich auf die Jagd begeben – aber viel mehr noch als das glänzt die Geschichte mit ihren leisen Untertönen. Immer wieder wird zum Beispiel das berühmte Höhlengleichnis von Platon aufgegriffen. Dabei liest man fasziniert nicht nur die ursprüngliche Geschichte des Philosophen, sondern auch die Interpretationen der beiden Schwestern, die sich völlig unterscheiden. Ist für Scarlett das symbolische „aus der Höhle in den Sonnenschein“ (und somit ins Erkennen) treten die Tatsache, dass sie über die Existenz der Fenris Bescheid weiß und sie bekämpfen muss, so verbindet Rosie eine ganz andere Erfahrung damit.
Gerade weil beide Schwestern sich im Laufe der Geschichte weiter entwickeln und die Erzählperspektive zwischen ihnen wechselt, wird deutlich, dass sie erst einmal lernen müssen, dass Abstand nehmen nicht immer heißt sich zu verlieren. Meiner Meinung nach macht dieser familiäre Aspekt einen großen und wichtigen Teil von „Blutrote Schwestern“ aus.
Den Fantasy-, Grusel- und Actionanteil muss man aber auch würdigen können um diese außergewöhnliche Geschichte zu mögen. Hier sind die Wölfe keine kleinen, kuscheligen Monster, die eigentlich nur zutiefst missverstanden werden. Sie sind einfach abgrundtief böse und ihre Beschreibung jagt einem beim Lesen schon mal einen kalten Schauer über den Rücken. Beinahe meint man das Geifern der Fenris in solchen Momenten tatsächlich spüren zu können und möchte sich, wie früher wenn einem als Kind gruselige Märchen vorgelesen wurden, wieder unter der Bettdecke verstecken. In solchen Momenten geht es häufig rasant und blutig im Buch weiter. Auf abgetrennte Arme und herumspritzendes Blut muss man sich dort unter Umständen einstellen.
Etwas schade war lediglich, dass der spannungsgeladene Teil der Erzählung recht vorhersehbar war. Ab der Hälfte de Buches sind so viele Andeutungen gefallen, dass man schnell den Knackpunkt herausfindet. Unter Umständen kann einen das etwas ungeduldig stimmen, da die Charaktere noch einige Zeit länger brauchen um das Rätsel zu lösen. Insgesamt tritt die Handlung der Fenrisjagd beinahe etwas in den Hintergrund hinter die kraftvolle Erzählung des Lebens der beiden Frauen, die lernen müssen, ihrem Herzen zu folgen.
Nimmt man all diese Aspekte zusammen, so weiß man aber auch, was das neue Buch von Jackson Pearce so besonders macht: sie schafft eine Geschichte, die so düster und brutal ist, dass man manchmal gerne den Kopf einziehen möchte, erzählt aber dabei in leisen Tönen eine einfühlsame Familiengeschichte und würzt das alles mit einem Hauch von Kindheitserinnerungen an ein Märchen über ein Mädchen, das mit seinem roten Mantel durch den finstren Wald lief.