Eigentlich wollte Officer T. J. Banks sich nur um ein paar ausgebrochene Kühe, die nachts eine Straße blockieren, kümmern, doch dann sieht er sich plötzlich mit einer schrecklich zugerichteten Frauenleiche konfrontiert. Die Polizeichefin Kate Burkholder ist schockiert, nicht nur aufgrund der furchtbaren Qualen, die das Opfer hat erleiden müssen, sondern besonders wegen der römischen Ziffern, die der jungen Frau in den Bauch geritzt wurden. Diese sind das Markenzeichen eines Serienkillers, genannt "Schlächter", der seit gut 16 Jahren nicht mehr in Erscheinung getreten ist und mit dem sie ein bitteres Geheimnis verbindet. Schon bald werden weitere Opfer gefunden, und die Grausamkeit des "Schlächters" nimmt deutlich zu. Kate Burkholder steht unter Zugzwang. Es heißt weitere Morde zu verhindern und ihre Position als Polizeichefin zu verteidigen, denn der Druck der Bevölkerung nimmt zu.
Linda Castillos "Die Zahlen der Toten" ist der erste Teil einer Serie um die Polizeichefin Kate Burkholder, und das ist gut so, denn Band 1 macht Lust auf mehr. Die Autorin versteht es eine spannende Geschichte aufzubauen, und den Leser mitfiebern zu lassen. Dieses übrigens von der ersten Seite an, wo der erste Mord des "Schlächters" in Painters Mill aus der beängstigenden Perspektive des Opfers beschrieben wird. Bei der Beschreibung der Grausamkeiten zeigt Linda Castillo keinerlei Zurückhaltung.
Größtenteils wurde dieser Thriller in einer beobachtenden Erzählform geschrieben, diese wird jedoch jedes Mal dann unterbrochen, wenn die Protagonistin in Aktion tritt. Die junge Polizeichefin erzählt in der Ich-Form und lässt den Leser an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben. Sie zeigt Stärken und Schwächen, die sie zu einer authentischen und interessanten Persönlichkeit machen. Auch anderen Personen aus Kates Umfeld schreibt Linda Castillo eine eigene Persönlichkeit auf den Leib, was erwarten lässt, dass die Autorin diese eventuell in den folgenden Bänden fortführen und hoffentlich ausarbeiten möchte. Da sind u.a. der sich eigentlich im Ruhestand befindende Pickles, Youngster T. J. Banks oder der ehemalige Marine Glock. Sympathische Personen, deren Eigenarten gerne mit einem Augenzwinkern beschrieben werden. Leichte Abstriche gibt es dagegen beim Protagonisten John Tomasetti, dessen extremer Wandel innerhalb des Buches unvorstellbar einfach dargestellt wird und dadurch unrealistisch wirkt. Auch im Zusammenspiel mit Kate Burkholder hätte ich mir zuerst mehr Reibung gewünscht. Da hätte die Autorin sich etwas mehr Zeit lassen können.
Schauplatz des Thrillers ist das eher verschlafene Painters Mill, Ohio, in dem auch eine Amische Gemeinde sich angesiedelt hat. Diese spielt in Kate Burkholders Vergangenheit eine große Rolle. Zum Zeitpunkt der Morde beherrscht tiefster Winter den Ort, die Personen kämpfen gegen Schnee, Eis und Kälte. Für mich ein wunderbarer Kontrast zu anderen Thrillern, der eine besondere Atmosphäre schafft.
"Die Zahlen der Toten" von Linda Castillo ist ein Thriller, den ich gerne empfehle. Die volle Wertung mag ich aber noch nicht geben, denn ich bin überzeugt, dass die Autorin sich in den Folgebänden weiter steigern wird.