Beiträge von Sandra

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    Original von Babyjane

    ICH MAG DIE HAUPTPERSONEN NICHT :-(


    Jo, Leila und Renate sind polarisierend angelegt. Wie? Indem jede eine Macke bekommen hat. So erhalten die Figuren einerseits einen menschlichen Zug und anderseits gehen sie damit den LeserInnen je nach Laune auf den Keks oder sie werden liebenswürdig eingeschätzt.
    Mir war es von Anfang an wichtig, dass die Figuren in der WG zwiespältige Gefühle auslösen. Warum? Das habe ich vergessen und die Begründung finde auch nicht mehr in meinen Notizen. :cry
    Woran ich mich noch lebhaft erinnere, dass ich mal gedacht habe: „Liebe Renate, wenn du noch ein Wort über deine süßen, herzigen Brüste verlierst, degradiere ich dich zu einer Nebenfigur. Ein Wonderbra! Du hast ja eine Meise!“
    Ich brauchte die Wonderbra-Episode, weil sie eine kleine Vorbereitung für eine andere war.


    Sandra

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    Original von Cait
    Ich mag solche kleinen Geschichten nämlich sehr gerne... *gg*


    Wenn eine Fee mir einen Wunsch erfüllen würde, müsste ich nicht lange überlegen. „Bitte“, würde ich ihr sagen, „zaubere mich in das Land des Lagerfeuers. Ich will Geschichten erzählen. Die Menschen sollen erschrecken, lachen, wütend werden und ich will die Glut in ihren Augen sehen. Ich will ihr seufzen hören. Wenn ich sie auf dem gefühlsmäßigen Höhepunkt gebracht habe, verschiebe ich den Rest der Geschichte auf Morgen. Lass` sie dann träumen von der Welt des erzählenden Wortes. Lass` sie erleben, was sie sich immer schon gewünscht haben. Lass` sie ihre Geschichte zu Ende träumen.“
    Leider sind die Feen ausgestorben und mit ihnen begann eine neue Zeit des Erzählens. Geschichten werden am PC geschrieben und nur ich höre mir dabei zu. Mal mehr, mal weniger es kommt auf meine Laune an. Und wie du, liebe Cait, mag ich Geschichten in einer Geschichte.


    Sandra

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    Original von magali
    Die Geschichte mit Frau Müller war mich ein bedrückender Gegensatz zu der Geschichte der drei Frauen. Toll, wie Ton und Atmosphäre wechseln. Nur die Wärme bleibt.


    Die Geschichte der Familie Müller finde ich auch sehr stark. Wie kam das zustande? Batcat ich sehe dich im Pyjama den Thread interessiert lesen.
    Bevor ich mit dem Roman angefangen habe, war ich gefangen von den Fragen: Wie kann ich Diskriminierung sichtbar machen? Wie kann ich zeigen, dass die Frauenbewegung etwas bewirkt hat? Die Fragen und ein paar mehr haben mich vor allem beschäftigt unter den Frauen. Darum haben mich die Männer nur am Rande interessiert und ihr überzogenes Bild missbrauchte ich schamlos zum Vergleich. :anbet
    So! Dann strukturierte ich die Geschichte: WG, Büro und Müllers und habe die Reihenfolge strikt eingehalten. Ich war unsicher, ob meine Idee auch funktioniert. Habe trotz aller Zweifel bis zum Schluss durchgehalten.
    Der nächste Schritt war: Wer steht für was? WG für den theoretischen Diskurs. Die Figuren habe ich dort blasser gezeichnet, dafür haben sie ein wenig Ecken und Kanten verpasst bekommen. Da die Theorie mich angefangen hat zu langweilen, habe ich sie abgeschwächt und fing an humorvoll damit umzugehen. Nichts hasse ich mehr, wie wenn mein Text mich zum gähnen bringt.
    Büro für zwei Generationen treffen aufeinander. Die alte Oberschwester reagiert auf Veränderung, ohne die Ursache dafür zu erkennen.
    Müller: Was war "der Startpunkt" der frauenbewegten Frauen? So konnte ich bei Müllers so richtig aus dem erzählerischen Vollen schöpfen. Das habe ich mit Wonne getan.


    Sandra

    Liebe Eulen,


    komme ich doch nach einem langen freien Tag nach Hause und bin völlig erstaunt darüber, dass die Leserunde schon läuft. Ich bin verunsichert und suche gerade nach einem Weg, wie ich mich einklinken kann.
    Ich fange mal mit dem Thema „Arsch“ an. Interessiert es euch überhaupt? Ich sehe nickende Köpfe.
    Also gut: Wie kommt eine Autorin darauf Menschen nach dem verlängerten Rücken zu beurteilen?
    Es war einmal in jungen Jahren, da habe ich mich in eine Frau verliebt. Ich war hin und weg. Sie war so keck, dass ich gar nicht anders konnte. Ich mag freche Frauen.
    Das heißt aber noch nicht, dass ich Chancen bei ihr hatte. Ich hatte keine. Meine Schuhe gefielen ihr nicht. Das ist wahr.
    Sie beurteilte Menschen nach ihrem Schuhwerk. Beispielsweise: Je fester der Schuh am Fuß sass, desto gefestigter schätzte sie den Charakter ein. Was für Schuhe ich damals trug, weiß ich nicht mehr. Es ist zwanzig Jahre her. Aber, dass ich mir wegen Schuhe einen Korb holte, das habe ich nie vergessen.
    Aus dem Schuh wurde ein Arsch. Aus seiner Größe wurde die Form des Hinterteils. Wenn es Menschen gibt, die andere nach ihrer Fußbekleidung taxieren, dann kann das meine Figur über die vier Buchstaben auch. Warum nicht? Ich habe mich beim Schreiben köstlich über diesen Nonsens amüsiert. Klischee war mein Thema. Alle, die mir dazu eingefallen sind, habe ich schamlos und sehr entzückt den Figuren in der WG untergejubelt.


    Sandra

    Liebe Ines,
    als du geschrieben hast, du könntest einen Lesbenroman schreiben, da habe ich dich innerlich ziemlich ausgelacht. Heute Morgen muss ich mich bei dir entschuldigen.
    Der Unterschied, ob ich aus einer Randgruppe heraus oder über eine schreibe ist der: Als lesbische Autorin brauche ich keine andere Lesbe, die mir sagt, wo es lang geht, dafür fehlt mir manchmal wahrscheinlich die nötige Distanz. Wenn du beispielsweise über homosexuelle Menschen schreibst, dann hast du die innere Distanz, dafür fehlt dir das Insiderwissen.
    Damit will ich sagen, eine Autorin kann über alles schreiben, was sie gerade interessiert, weil es immer irgendwo jemand gibt, der sie mit ihrem Wissen füttert. Jede führt mehrere Telefonjoker im Portemonnaie mit. Wenn du einen Lesbenroman schreibst, dann bin beispielsweise ich für dich da.
    Was nicht jeder kann, ist dagegen eine Idee für eine Geschichte zu finden und sie zu erzählen. Nicht nur eine, sondern viele. Kurzgeschichten, Romane und was uns gerade so einfällt, unabhängig davon, welches Niveau sie haben. Das macht uns zu GeschichtenerzählerInnen oder wie wir uns auch nennen zu Autoren.


    Sandra

    Am liebsten hätte ich:

    Zitat

    Original von Ines
    Seit einiger Zeit beschäftigt mich die Frage, wie der Blick auf die Welt sich im Text wieder findet. ).


    in Verbindung mit:


    Zitat

    Original von Ines als Gast

    Welchen Sinn und Zweck haben Grenzen (ich meine hier ausdrücklich und nur die Grenzen der Sprache und die Grenzen des Blicks).


    Sandra

    Zitat

    Original von Ines
    ... Die Grenzen meines Blickes sind die Grenzen meiner Welt. (Wittgenstein möge mir verzeihen).


    Gut, dann anderes, liebe MaryRead.
    Watzlawick meint: „Wenn etwas nicht so ist wie es sein sollte, dann kann man Menschen zum Wahnsinn treiben.“


    Damit gebe ich zu bedenken, wenn der Blick, die Sprache usw. uns keine Grenzen aufzeigen würden, dann könnten wir unseren Verstand verlieren. Es scheint sinnvoll zu sein, sich Grenzen vorsichtig zu nähern und sich Grenzüberschreitungen gezielt auszusuchen.


    Sandra

    Zitat

    Original von Ines
    Iris


    Frei nach Wittgenstein: Die Grenzen meines Blickes sind die Grenzen meiner Welt. (Wittgenstein möge mir verzeihen).


    Nicht ganz. Frei nach: Die Grenzen meiner Sprache, sind die Grenzen meiner Welt.


    Sandra

    Zitat:
    Original von Ines
    Seit einiger Zeit beschäftigt mich die Frage, wie der Blick auf die Welt sich im Text wieder findet.


    Ich stimme dir zu, Magali, um lautes nachdenken geht es hier.
    Ich versuche mich erneut darin.


    Ich erzähle Geschichten, in denen ich immer verpacke, was mich gerade im Kleinen oder Großen beschäftigt. Nicht immer, dass ist so nicht richtig, eine Begebenheit, die mein Leben sehr geprägt hat und unter dem ich immer noch leide, werde ich niemals explizit schreibend verarbeiten. Dennoch rutschen verschiedene Gefühle und Situationen in meinem Roman hinein, an dem ich gerade schreibe. Würde ich ihn auf nächstes Jahr verschieben, würde er einen anderen Schwerpunkt bekommen, obwohl die Idee, die dahinter steckt die selbe ist und ich mich am Plot halten würde.
    Damit versuche ich zu sagen, ich kann mich nicht schreibend vom Alltag trennen. Wenn ich beispielsweise wütend bin, dann gerät meine Figur ganz sicher in eine Situation, -sollte sie nicht passen, dann wird sie passend gemacht oder der Text später eingebaut,- indem stocksauer nur der Vorname ist. Das Thema hier im Threat verarbeite ich gerade in eine erotische Geschichte, obwohl es ganz und garnichts mit Erotik zu tun hat. Fragt mich bitte nicht wie das geht, ich weiß, dass ich es tue. Darum glaube ich auch, dass mein Blick auf die Welt sich in einem Text wieder findet. Nur wie?, weiß ich auch nicht und ich ärgere mich darüber, dass ich es nicht weiß. Denn je bewusster mir mein Blick auf die Welt ist, desto besser kann ich ihn einsetzen und damit spielen, auch wenn ich mir erlaube aus dem Bauch zu schreiben.


    Sandra

    Liebe Ines


    Du bist gerade so schön warmgelaufen. :-) Was ich gern von dir hätte, weil ich immer noch nicht ganz wach und ausgeschlafen bin :cry, einen Link von Weltblick oder Weltbilder zurück zum Anfang zu deiner Frage über Randgruppen.
    Nach all diesen Teilen müsste es uns doch gelingen, den Faden bzw. eine Antwort zu finden, auch wenn es die allgemeingültige Wahrheit nicht gibt. Ich fühle, wir sind ganz nahe dran. Wenn mein Gefühl mich nicht ohne meinen morgentlichen Kaffee täuscht. :-)


    Sandra

    Zitat

    Original von Ines als Gast
    Sandra ,


    du bist wirklich eine wahre Freundin!


    Ha, jetzt habe ich dich. :kiss Genau darum geht es doch. :write Wir lieben unser Weltbild, woran wir glauben und es fällt uns schwer es zu ändern. Genauso schwer wie Lieblingsschuhen oder den Teddybär zu entsorgen, der uns durch Höhen und Tiefen begleitet hat. Sie geben uns Sicherheit in einer unfassbaren Welt wie Vorurteile oder Schubladisierungen. Weltbilder, Vorurteile, Randgruppen usw. sind Konstruktionen des Geistes in den unterschiedlichsten Kulturen, um uns das Leben zu vereinfachen. Ich behaupte, um gleich in die nächste Falle zu tappen, dass Autoren genau darüber schreiben. Damit meine ich, wir schreiben, jede auf ihre Art und Weise, über Weltbilder und den Ängsten, die entstehen, wenn sie nicht so sind, wie wir das stündlich erleben. Stellvertretend lassen wir unsere Figuren, um es ganz simpel auszudrücken, in seiner „Trichterwelt“ agieren und stolpern. Damit unterstreichen wir zwangsläufig eine buddhistische Weisheit, die besagt: „Sei weit und offen wie der Himmel. Das ist der wahre Weg“, unabhängig davon, ob wir uns in unserem Privatleben dranhalten.


    Sandra

    Zitat

    Original von Ines als Gast
    Sandra ,


    wie du weißt, bin ich bereit, einiges dafür zu tun, dass mein Weltbild so bleibt wie es ist. :lache
    Du wirst deshalb in Kürze eine Alice-Schwarzer-Biografie von amazon bekommen.:rofl


    Liebe Ines


    :grin Das ist nicht nötig, da ich mich gerade in einen Mann verliebt habe. :grin Sollte ich gerade lügen, werde ich blitzartig dafür sorgen, dass es bald der Wahrheit entspricht, nur um dein Weltbild ein wenig anzukratzen. :-]


    Sandra

    Zitat

    Original von Ines

    ... So, das war mein Outing.


    .... Außerdem erwarte ich von einer lesbischen Frau bestimmte Dinge. Das muss nicht gleich ein EMMA-Abo sein, aber zumindest sollte sie die Alice-Schwarzer-Biografie im Regal stehen haben, während ich das Ding nicht unbedingt gelesen haben muss.


    Liebe Ines


    Deine Offenheit schätze ich, ich werde es dir gleich tun, auch wenn ich mich vielleicht lächerlich mache –und das vor meiner Leserunde. Mein Tag ist schon versaut. Seit acht Uhr sind die Handwerker in meiner Wohnung und haben mir nicht einmal einen Kaffee gegönnt. Zudem arbeite ich auf einem fremden Computer. Igitt.
    Zurück zum Thema: Obwohl ich zu den sogenannten Randgruppen gehöre, habe ich mich immer der Mehrheit zu gehörig gefühlt. Wenn ich einer Ungerechtigkeit begegne, sehe ich rot, unabhängig davon ob die betreffende Person zu einer Minderheit oder Mehrheit gehört. Das ist mir völlig gleichgültig.
    Vom politischen Standpunkt heraus glaube ich nicht daran, dass es eine Mehrheit gibt, aus menschlicher Sicht sehr wohl, auch wenn es mir nicht immer passt ein Kind des Zeitgeistes zu sein, was mir immer dann besonderes auffällt, wenn ich meine alten Kurzgeschichten oder Manuskripte überarbeite.
    Ich bin eine Erdenbürgerin mit Schwächen und Stärken. Ich streite, liebe, habe Vorurteile, bin feige, aber auch mutig und manchmal lebe ich ein Leben, das ich nachts nicht schlafen kann. Trotzdem bemühe ich mich jeden Tag neu "edel, hilfreich und gut" zu sein. Manchmal befinde ich mich dabei unter Menschen, die zu einer Randgruppe gehören und manchmal treffe ich auf die Mehrheit.
    .


    Sandra


    PS: Ich habe keine Alice Schwarzer - Biographie im Regal stehen. Bin ich nun keine "Lesbe"? Zudem wer ist überhaupt Alice Schwarzer? Setzt sie sich für Ungerechtigkeiten ein? Gehört sie zu der Randgruppe der homosexuellen Menschen? Oder zu der Mehrheit der Frauen, die im Leben aus dem Vollen schöpfen wollen? Wie Männer auch?

    Zitat

    Original von Doc Hollywood

    Spielt es eine Rolle für Dein Selbstverständnis, ob Du Chinesin, Deutsche oder Lappländerin wärst? ... Viel interessanter und wichtiger ist doch, was man tut, wie man denkt - nicht, woher man kommt oder in welchem Land man geboren ist.


    Lieber Doc


    Ich glaube, es macht einen Unterschied, ob ich eine Mahlzeit mit der Hand, Stäbchen oder Besteck esse. Wer Besteck nicht gewohnt, der findet eine Gabel im Mund etwas Abscheuliches.
    Genauso ist es ein Unterschied aus welchem Land eine Person kommt. Denken, Fühlen und Prioritäten werden anders gewichtet sowie Metaphern anderes gedeutet. Ich zweifele daran, ob ein Chinese und ein Deutscher dieselbe Begebenheit gleich erzählen.
    So nun habe ich gerade meine Argumentation ad absurdum geführt, weil es keine zwei Personen gibt, unabhängig davon, woher sie kommen, die gleich erzählen –nicht einmal, wenn sie sich auf einen Handlungsstrang einigen. Pech. Ich werde meine Argumentation überdecken müssen. Hat eine eine Idee, wo ich gestolpert bin?


    Liebe Grüsse
    Sandra

    Es ist sehr viel über Minderheiten und Randgruppen geschrieben worden. Sehr aufschlussreich, mein Dachstübchen glüht.
    Lass` es uns noch einwenig auf die Spitze treiben: Wer möchte zur Mehrheit gehören?
    Was ist die Mehrheit?
    Was kann ich tun, um im Club der Mehrheit aufgenommen zu werden?
    Was für einen Charakter brauche ich, wieviel Geld, was für ein Aussehen oder Ansehen usw.?
    Kennt ihr jemand, der zur Mehrheit gehört? Würdet ihr ihn beneiden? Gibt es hier jemand, der von sich sagen würde, ich gehöre zur Mehrheit?


    Liebe Grüsse
    Sandra

    Randgruppe:


    Liebe Ines


    Gehört nicht jeder Mensch zu einer Randgruppe? Jeder hat schon mal erlebt, dass er ausgeschlossen worden ist. Mal mehr- mal weniger. Ist das nicht das Normale?
    Wer kennt es nicht: Stehparty. Jeder redet mit jedem. Nur ich stehe in einer Ecke, ganz alleine, völlig verlassen, schon halb verdurstet und verhungert. Und übersehe, dass in den anderen Ecken auch Menschen stehen, die zu niemandem zu gehören scheinen.


    Liebe Grüsse
    Sandra

    Sandra ,


    ich habe zu diesem Thema einen eigenen Thread aufgemacht. Du findest ihn über Forum - Autorenecke - Autoren unter sich.


    Deine Antwort befriedigt mich nicht ganz. In dir fließt ja jede Menge unterschiedliches Blut. Ist es so, dass du manche Dinge aus der Sicht einer Asiatin siehst, bei anderen eine "deutsche" Brille auf hast und überhaupt: Denkst und schreibst du manchmal aus indonesischer, aus holländischer, aus deutscher oder aus schweizer Sicht? Und ist das alles vermischt?


    Die Antwort passt gut in den neuen Thread "Autoren und Randgruppen".


    Liebe Ines


    Wieso wundert es mich nicht, dass meine Antwort dich nicht ganz befriedigt?


    Ich bin nicht als Ausländerin in Holland aufgewachsen. Ich bin „holländisch“ erzogen worden. Meine indonesischen Wurzeln wurden nicht gerade Tod geschwiegen, aber auch nicht explizit erwähnt.
    Als ich mit sechs Jahren nach Deutschland kam, fühlte ich mich auch nicht als Ausländerin, sondern mit den Jahren als Deutsche. Erst als ich mit 22 Jahren in die Schweiz zog, bekam ich den ersten Eindruck als Ausländerin. Ich war eine Ausländerin in der Schweiz, was ganz logisch war, weil ich ja aus Deutschland kam. In den Niederlanden war ich auch eine Deutsche, weil ich meine Muttersprache nicht mehr beherrschte. Erst als sich der Schweizerakzent in meiner Sprache niederschlug, merkte ich, dass ich auch keine Deutsche mehr war, sondern asiatisches Blut durch meine Adern fliesst.


    Ehrlich gesagt, habe ich lange nicht gemerkt als Ausländerin diskriminiert zu werden, weil ich damit aufgewachsen bin und den Umgang mit mir als Normal empfinde. Diskriminiert fühlte ich mich erst, als mir die Diskriminierung bewusst wurde und ich nicht mehr persönlich nahm. Das brauchte seine Zeit und ich bin immer noch dran. Es wird noch dauern bis mir klar werden wird, mit welcher Brille ich gerade schreibe und denke.


    Sandra

    Ist dein Blick auf Grund deiner Randgruppenzugehörigkeit ein anderer als bei "normalen" Autoren? Bist du in bestimmten Bereichen sensibler, aufmerksamer, unduldsamer?


    Liebe Ines


    Ich sitze hier auf meinem Gymnastikball an meiner Tastatur vor meinem Monitor und schwitze Blut und Wasser.
    Erstaunlich wie viel Randgruppen ich angehöre, ich habe meine Zugehörigkeit noch nie so wie du auf eine Reihe gebracht. Ich fand, ich gehöre zu den "normalen" Autoren. Scheinbar nicht.
    Darum kann ich deine Frage, ob ich in bestimmten Bereichen sensibler, aufmerksamer, unduldsamer bin, nicht beantworten.
    Nichtsdestoweniger habe ich den Ruf in bestimmten Bereichen beispielsweise Integration von Ausländern, Diskriminierung, Ungerechtigkeiten schon im Ansatz usw. allergisch zu reagieren.
    Ich erkenne es sofort. Ob sich dieser Charakterzug auf mein Schreiben abfärbt, weiß ich nicht. Darüber habe ich noch nie nachgedacht.


    Sandra