Beiträge von Ati

    Unter dem Pseudonym Mara Schwarz erschien im Mai dieses Jahres das Buch Magersucht ist kein Zuckerschlecken. Das weiß man nicht erst, seit man Bilder der Französin Isabelle Caro gesehen hat, die frisch aus der Klinik entlassen und gerade mal 30 Kilogramm schwer für den italienischen Fotografen Oliviero Toscani posierte. Obwohl sie damit nach eigenen Angaben auf die Krankheit aufmerksam machen wollte, wurde sie gleichzeitig zum Symbol eines Körperfett als fehlende Willensstärke herabsetzenden Schönheitsideals. Ihre Sucht führte 20120 zum Tod. Doch allgemein betrachtet wird dieses Wissen gemeinhin ignoriert.


    Magersucht ist kein Zuckerschlecken - Der Titel ist quasi Programm. Denn Zuckerschlecken ist etwas, das mit Genuss zu tun haben könnte. Und Genuss, kleine Belohnungen, kleine Aufmerksamkeiten an sich selbst sind etwas, das Mara Schwarz vermeidet, wo sie nur kann. Von klein auf jemand, der sich viele Gedanken um andere macht und selbst eher zurücksteht als einmal vortritt, rutscht sie als Teenager in die Suchtspirale. Nach zwei – krankheitsbedingt – abgebrochenen Ausbildungen ist sie mit 23 Jahren bereits Rentnerin. Ihr Körper kann, genau wie ihre Seele, nicht mehr.


    Fast ihr halbes Leben kämpft sie für und gegen etwas, das in unserer Gesellschaft zunehmend Raum fordert und doch weitestgehend stillgeschwiegen wird. Egal ob es sich um Adipositas, Bulimie oder Anorexie handelt – die Allgemeinheit denkt im Hinblick auf krankhafte Essstörungen bedauerlicherweise viel zu oft, dass es doch recht einfach sein müsste, so etwas in den Griff zu bekommen. Fettleibige sollen sich doch eigentlich bitte einfach nur besser beherrschen, Anorektiker müssen doch eigentlich einfach nur essen. Bulimiker hingegen werden eigentlich fast nicht wahrgenommen, weil sie zumindest äußerlich lange nicht auffallen. Immer mehr Mädchen und Frauen, aber auch zunehmend Jungen und Männer leiden darunter. Auch deshalb, weil Essen Bestandteil des täglichen Lebens ist, dem man sich grundsätzlich für eine gesunde Lebensweise nicht entziehen kann. Gründe für diese Störungen gibt es viele, doch die werden meist „in sich hineingefressen“, „ausgekotzt“ oder auch „ausgehungert“. Der Leidensdruck ist enorm und die Chancen, beispielsweise von Magersucht geheilt zu werden, sind gering. Laut Statistik finden nur etwa zwanzig Prozent den Weg aus der Suchtspirale. Fast genau so viele sterben jedoch daran – auch weil die Betroffenen teilweise gar nicht einsehen, wie krank sie sind. Und selbst wenn sie es dann irgendwann erkennen – wie beispielsweise Mara Schwarz – heißt das noch lange nicht, dass sie Heilung finden.


    In ihrer Autobiografie zeigt die Autorin, dass der Weg zurück in ein halbwegs normales Leben bei Weitem nicht so einfach ist, wie viele denken. Sie leidet selbst an Anorexiea nervosa – der psychisch bedingten Magersucht. Das Buch entstand aus einer Aufarbeitung von Tagebucheinträgen aus der Zeit des bisherigen Höhepunkts ihrer Krankheit. Einer Zeit, in der ihr Zustand mehr als einmal lebensbedrohlich war, in der zur Anorexie ein massives Alkoholproblem kam, in der sie kurz davor war, endgültig zu zerbrechen.


    Dass es in ihrem Fall nicht einfach daran liegt, dass sie durch zu nachhaltigen Fernsehkonsum ein völlig verqueres Schönheitsideal vermittelt bekommen hat, wird bereits eingangs kurz und klar umrissen. Einer der Auslöser ihrer Magersucht war ein traumatisches Erlebnis, das in ihr den Wunsch geweckt hat, nicht fraulich zu sein, nicht erwachsen zu werden. Im Gegensatz zu den Auslösern ist das etwas, dass sie gewissermaßen kontrollieren kann. Ihr Leben besteht fortan nur noch aus Zwängen und Kämpfen. Aus Bestrafungen und Missachtung ihrer eigenen Person. Lange Zeit denkt sie, wenn sie nur lange genug hungert und bricht, trinkt oder die Anweisungen ihrer Therapeuten und Ärzte missachtet, muss doch jemand kommen und ihr helfen. Obwohl sie quasi alles kontrollieren muss, tut sie alles dafür, dass ihr eben diese Kontrollmöglichkeit genommen wird.


    Der Großteil des Buches handelt genau davon. Von Zwangsernährung und Aufenthalten in der Psychiatrie. Ob die Suche nach Ursachen tatsächlich größtenteils nicht stattgefunden hat oder von der Autorin lediglich nicht so wahrgenommen wurde, mag dahingestellt sein. Vorwiegend behandelt wurden ihrem Empfinden nach jedenfalls die durch die Magersucht hervorgerufenen Mangelerscheinungen und körperlichen Auswirkungen. Doch durch die eindringliche und offene Schilderung ihrer Geschichte verhilft sie dem Leser zu einem besseren Einblick in das krankhaft veränderte Denken Magersüchtiger. Oder lässt ihn begreifen, wie eigentlich harmlose und/oder gut gemeinte Bemerkungen von Betroffenen wahrgenommen werden.


    Das Buch lässt sich trotz der Thematik überraschend leicht lesen. Es zieht einen förmlich hindurch, obwohl diverse Passagen auch innehalten lassen, weil es fast zu viel wird. Es verstört, weil die Lösung einfach scheint, aber eben tatsächlich nicht einmal andeutungsweise so ist. Es erschüttert, weil es schwer zu ertragen ist, unbegreiflich, dass jemand hungernd den eigenen Tod in Kauf nimmt. Es wühlt auf, weil Mara Schwarz sich nicht allem verschließt, sondern bei aller Verzweiflung und Wut durchaus empathisch die Hilflosigkeit der Behandler fühlt und wiedergibt. Es berührt, wie die Autorin beispielsweise in ihren Gedichten ihr Leiden in Worte fasst.


    In der teils selbstironischen Schilderung ihrer Krankheit mit Wortspielereien und Gedichten, aber auch in ihren Zeichnungen, offenbart sich die Autorin als Mensch, den man am liebsten in die Arme schließen und trösten und gleichermaßen schütteln und aufrütteln möchte. Sie zeigt sich kreativ und liebenswert, aber auch aggressiv, uneinsichtig und schwach. Sie pocht nicht auf einen Opferstatus. Sie weist nicht anderen die Schuld zu, sondern weiß, dass sie selbst für ihren augenblicklichen Zustand verantwortlich ist. Sie zeigt sich genau wie alle Anorektiker als überaus willensstark im Bezug auf ihre Krankheit und schafft es dennoch irgendwie zu überleben. Und ausgerechnet in dem Augenblick, als sie quasi aufgegeben wird, tritt eine hoffnungsvolle Veränderung in ihrer Denkweise ein. Bei Fertigstellung des Buchprojektes steht sie nach eigenen Angaben mit dem Rücken zum Meer am Strand. Sie weiß, dass die Krankheit wie ein Kraken im Hintergrund lauert. Sie weiß, dass sie nur einen Schritt vom Abgrund beziehungsweise vom Fall ins Wasser und damit in die Arme des Kraken entfernt ist, doch sie hebt auch den Kopf und sieht, dass sie nicht alleine ist. Dass es Hilfe gibt und dass sie doch vor allem selbst um ihr Leben kämpfen muss. Dass sie es wert ist.


    Beim Lesen der Inhaltsangabe musste ich sofort an eine Schulfreundin denken. Mir ist klar, dass persönliche Dinge niemals in eine Buchbesprechung einfließen sollten. Dennoch ging mir Beate, und ihr Wunsch koste es was es wolle immer noch dünner zu sein, nicht mehr aus dem Kopf, während ich mich Seite um Seite durch die Autobiografie von Mara Schwarz arbeitete. Arbeitete – nicht einfach nur las. Ihr Buch mit dem Titel Magersucht ist kein Zuckerschlecken, mit dem der Verlag periplaneta seine Sachbuch-Edition Blickpunkt startet, ist nicht einfach nur ein Buch zum Zeitvertreib, keine einfache (Lese-)Kost. Es ist ein aufwühlender Einblick in das Gefühlsleben der Autorin. In eine Krankheit, die vielfältige Auslöser hat und die, sofern die Betroffenen keinen Ausweg finden, unaufhaltsam und lebensbedrohlich verläuft. Die in die Isolation führt und – wie bereits eingangs erwähnt – zunehmend um sich greift, weil junge Menschen unter dem Druck (des Lebens) zerbrechen. Ein Buch, das betroffenen Angehörigen und Freunden weiterhelfen kann. Ein Buch, in dem sich vermutlich mehr als ein(e) betroffene(r) Magersüchtige(r) wiedererkennt. Beate hat es bedauerlicherweise nicht geschafft. Doch Mara Schwarz hat diese Chance noch. Ich wünsche der Autorin von ganzem Herzen, dass sie ihrem persönlichen Anorexie-Kraken entkommt.


    Copyright © 07/2012 by Antje Jürgens (AJ)

    Lili St. Crow
    Strange Angels 01: Verflucht


    Originaltitel Strange Angels aus dem Englischen übersetzt von Sabine Schilasky
    PAN
    ISBN 9783426283455
    ISBN 342628345X
    Fantasy, Jungenbuch 12 – 15 Jahre
    Deutsche Erstausgabe 2011
    Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München
    Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 384 Seiten
    [D] Preis 16,99 €


    Verlagsseite
    Autorenseite


    Lili St. Crow – unter diesem Pseudonym veröffentlicht die 1976 in New Mexico geborene und z. T. im Vereinigten Königreich auf einer Militärbasis aufgewachsene Autorin Lilith Saintcrow Geschichten und Bücher für Jugendliche, während sie sich unter ihrem richtigen Namen an ein erwachsenes Publikum wendet. Ein weiteres Pseudonym ist Anna Beguine. Die heute mit einigen Katzen und ihrer Familie in Vancouver lebende Autorin bevorzugt dabei die Genres Paranormale Romance oder Urban Fantasy.


    Die Liste ihrer Veröffentlichungen deutet darauf hin, dass sie nicht nur seit ihrem 10. Lebensjahr gerne schreibt, sondern geradezu süchtig danach zu sein scheint. Neben der frei zugänglichen Onlineserie „Selene", erschienen seit 2004 auch mehrere Novellen und Buchreihen der Autorin unter einem der drei oben genannten Namen.


    2004 – 2008: Watcher-Serie, 5 Bände
    2005: Society-Serie, 2 Bände
    2005 – 2008: Dante-Valentine-Serie, 5 Bände
    2007: Smoke, Mirror, Steelflower
    2009: The Demon’s Librarian
    2008 – 2011: Jill-Kismet-Serie, 6 Bände


    Wer „Selene“ verfolgt oder verfolgt hat, wird vielleicht die eine oder andere Figur aus der Dante-Valentine-Reihe wiedererkennen. Dante Valentine? Jill Kismet? Richtig, diese beiden Reihen kennen Fans des Genres aus den von LYX für den deutschen Buchmarkt übersetzten Bänden. Und dank PAN wird auch die anvisierte jugendliche Zielgruppe hierzulande etwas mit dem Namen St. Crow anfangen können. Der Verlag brachte im April 2011 den gleichnamigen Auftaktroman der bislang fünfteiligen Serie Strange Angels unter dem Titel „Verflucht“ in die Buchläden.


    Wie bei den übrigen Büchern des Verlags kann man auch bei „Verflucht“ zunächst bereits zur Covergestaltung gratulieren. Der dunkle, matt gehaltene Umschlag zeigt ein schlafendes Mädchen, wirkt durch die Drucktechnik fast samtig, fasst sich griffig an. Die weiße Schrift des Titels leuchtet förmlich ins Auge, obwohl sie gleichzeitig etwas verschwommen und dadurch unwirklich wirkt. Und damit einen Bezug zum Buchinhalt bekommt.


    Im Buch selbst geht es um die 16jährige Dru, die – vorübergehend – in den Dakotas lebt. Die Geschichte spielt über einen Zeitraum von einigen Tagen im Winter. Der eben erwähnte Bezug zum Buchcover zeigt sich darin, dass Dru visionsartige Träume erlebt.


    Neben Dru geht es aber auch um Zombies und Dämonen, Vampire und Gestaltwandler. Die kennt der Teenager nicht nur aus Büchern und Filmen, sondern weiß schon von klein auf, dass sie zur Realität gehören, auch wenn die meisten Menschen nichts davon mitbekommen. Ihre Mutter ist vor Jahren gestorben. Ihre Großmutter, die sie daraufhin großgezogen hat, lebt auch nicht mehr. Einzig ihr Vater ist ihr geblieben, der Dinge jagt, die für gewöhnlich ohne nachzudenken ins Reich der Mythen und Gruselgeschichten sortiert werden. Jedenfalls, bis er eines Tages auf jemanden trifft, der ihn tötet und seiner Tochter als Zombie auf den Hals hetzt. Und er ist nicht der Einzige, der auf Dru angesetzt wird, denn in ihr schlummert ein Geheimnis. Sie selbst hat keine Ahnung, worum es dabei geht, ihr Widersacher jedoch offenbar schon, weshalb ihr gar nichts anderes übrig bleibt, als sich zu wehren.


    Sollten hier Buffy und Konsorten in leicht variierter Form à la Supernatural wiederauferstehen?


    Steckt in der Geschichte nur ein weiterer Teenager, der unwahrscheinlich zäh, widerspenstig und nicht totzukriegen ist? Der seinen Daseinszweck allein im Killen von Monstern und nebenbei im Anschmachten eines übernatürlichen Wesens sieht? Der schlaflose Nächte en masse erlebt, horrormäßige Gestalten einfach so im Kickboxstil vernichtet und das Erlebte auch noch problemlos wegsteckt? Ein Teenie, der cool damit umgeht, dass er den zum Zombie mutierten eigenen Vater töten muss, um zu überleben?


    Glücklicherweise wird man in „Verflucht“ davon verschont. Dru ist trotz ihres Wissens um die Anderen ein völlig normales Mädchen, das – zumindest im Auftaktroman - keine übermäßig übernatürlichen Kräfte in sich bündelt. Sie kann sich wehren, sie kann mit Waffen umgehen, doch sie ist keine Heldin, die über allem steht und nebenbei stets noch perfekt gestylt ist. Sie ist ein junges Mädchen, das neben den ganz normalen Problemen wie Schule und Erwachsenwerden auch damit kämpfen muss, mit den ständigen Ortswechseln zu leben, die das Leben mit ihrem Vater und seinen Aufträgen so mit sich bringt. Keine gute Voraussetzung um Freundschaften zu schließen. Dru ist trotzig und in gewisser Weise zornig. Wenn man alle auf Abstand hält, fällt das Abschiednehmen gar nicht erst schwer. Einsam - so stellt sich Dru dar. Dru muss schreien und weinen, ist verzweifelt und ängstlich. Eben eher eine Gejagte als eine Jägerin.


    Trotzdem schreckt sie einen Jungen nicht ab: Graves, ebenfalls ein Außenseiter, der sich nach und nach als ein Junge herausstellt, der ohne festen Wohnsitz auch niemanden hat, der sich um ihn kümmert, spricht sie an. Und als kurz darauf Dru’s kleine Welt durch den doppelten Tod ihres Vaters zusammenbricht, ist er es, der ihr hilft. Er bietet ihr neben einem Unterschlupf eine Schulter zum Anlehnen, obwohl er nicht einmal andeutungsweise ahnt, worauf er sich da einlässt. Er fragt nicht viel, sondern handelt. Er schreckt nicht vor dem zurück, was ihn da überrollt, sondern stellt sich dem Ganzen – ebenfalls nicht cool und abgeklärt, sondern eher wie jemand, der nach dem Prinzip mitgehangen-mitgefangen lebt. Was hier ins Auge fällt, ist, dass Graves, ganz unauffällig eine erwachsene und erzieherische Rolle einnimmt, indem er Dru auf „wichtige“ Dinge im „normalen“ Leben verweist und sie animieren möchte, sich daran zu halten. Was in vergleichbaren Romanen oftmals von Erwachsenen ausgeht und dadurch bisweilen eher ermüdend-belehrend als motivierend wirkt, stellt sich im Hinblick auf seine Person durchaus überlegt und schlüssig dar.


    Wer zwischen Graves und Dru eine Liebesgeschichte vermutet, wird enttäuscht. Dafür gibt es zunächst eine Geschichte über eine sich anbahnende Freundschaft und Vertrauen, über Werte, Perspektiven und Ziele. Alles andere wäre fehl am Platz, zu heftig ist das, was die beiden erleben. Bereits anfangs der von Dru erzählten und von ihren Gedanken durchsetzten Geschichte wird klar, dass die Autorin nicht sehr zartfühlend mit ihnen umgeht. Die Leser werden nicht von gut aussehenden Blutsaugern und scheinbar unwiderstehlichen Werwölfen an-, sondern von zerfallenden Zombies und beißwütigen Gestaltwandlern ins Geschehen gezogen. Dru und Graves machen gezwungenermaßen das, was zum Überleben notwendig ist, sind dabei aber verletzlich und auch durchaus wehrlos. Beide Charaktere wirken mit ihren Schwächen und in ihrer Hilflosigkeit bei allem was sie tun lebensecht. Flüssig verwebt die Autorin die fantastischen Elemente mit dem realen Hintergrund zu einer Atmosphäre, die den Leser schnell einhüllt, auch Erwachsene hin und wieder schlucken lässt, jedoch nicht nur platt auf blutrünstigen Horror abzielt. Gegen Ende von „Verflucht“ bekommen die beiden Hilfe durch den nach Apfelkuchen duftenden Blutsauger Christope, der eine nicht gleich einfach und klar zu definierende Rolle spielt.


    Ein kleines Manko ist, das Dru’s Gedanken, die als kursiver Text dargestellt werden, sich häufen. Was einerseits gut zu ihrer inneren Zerrissenheit passt, stört andererseits in seiner Häufigkeit. Durch Wiederholungen bestimmter Dinge entwickeln sich zusätzlich Längen. Zumindest Letztere werden jedoch meist schnell von spannungsreichen Momenten abgelöst und gehen in dem grundsätzlich flüssigen Schreibstil fast unter.


    Ein weiteres Manko stellt die von der Autorin gewählte Erzählform dar. Man sieht alles aus Dru’s Sicht, kann so nur ihrem Fokus folgen und verschiedenen Zusammenhänge nicht ohne Weiteres erkennen. Obwohl letztendlich alles verwoben wird, sucht man manchmal den roten Faden. Ein Perspektivwechsel hätte hier gut getan, obwohl der Leser an sich in diesem Buch mit einer Fülle an Informationen versorgt wird. Sie ergeben sich aus Rückblicken auf Dru’s bisheriges Leben, aus Träumen, Andeutungen, Ahnungen; was alles in allem für einen trotz allem gelungenen Auftakt der Strange-Angels-Reihe sorgt. Das nachvollziehbare Verhalten der lebensecht wirkenden Hauptfiguren tut ein Übriges.


    Letztlich wird bereits mit diesem ersten Band klar, dass die Bücher der Reihe vermutlich nicht in sich abgeschlossen und separat lesbar sind. Das Ende von „Verflucht“ ist völlig offen. So wird weder das Geheimnis um Dru gelüftet, noch die Rolle des eben erwähnten Blutsaugers ganz klar. So ist ungeklärt, was aus Graves wird oder wer wirklich hinter dem Mord an Dru‘s Vater steckt. Dieses Ende kann jedoch bei allen Fragen schwer als Cliffhanger bezeichnet werden.


    Fazit


    Die fehlenden Antworten macht Lust auf die im Herbst erscheinende Fortsetzung „Verraten“, zumal bereits jetzt erkennbar scheint, dass die Geschichte sich steigert. Die kleinen Schwächen sorgen dennoch für einen Punkteabzug, weshalb ich nur vier Punkte von fünf Punkten vergeben möchte. Zudem habe ich bei der Altersfreigabe ab 12 Jahre Bedenken, da die Zombiepassagen doch sehr anschaulich beschrieben sind.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Freut mich, wenn ich auch dir helfen konnte :wave.


    Allerdings möchte ich nochmals anmerken: Lyx ist ja bekanntermaßen fast ein synonym für erotisch stark angehauchte Geschichten. Allerdings nicht in der aktuellen Romantic Thrill Reihe. Auch für mich passen mitleidlose Serienkiller nicht mit Schmuseszenen zusammen - damit halten sich die Autoren der Reihe jedoch wirklich zurück.

    Victoria-Louise Seifried - Victorianisch
    periplaneta
    ISBN 9783940767615
    ISBN 3940767611
    Kurzgeschichten, Slam
    Originalausgabe 2010
    Broschiert, 90 Seiten mit CD
    [D] 12,50 €


    Verlagsseite


    Mundwerk …


    Hinter diesem Wort verbirgt sich so einiges. Gibt man es bei einem bekannten Internetsuchdienst ein, so erfährt man beispielsweise, dass es eine Vereinigung von Kieferorthopäden gibt, die sich so nennt, oder auch ein internationales Filmcatering für Kino - Fernsehen - Werbung - Musikproduktionen und Tourneeservice mit mobilem Aufenthaltsraum. Ein deutschsprachiges A-Cappella-Comedy-Ensemble findet sich ebenso wie ein Theater gleichen Namens.


    Kürzlich fand ich das Wort bei einem Titel aus dem Programm des Verlages periplaneta, der immer wieder für positive Überraschungen in meinem Bücherregal bzw. beim Lesen der Bücher, bevor sie in besagtes Regal wandern, sorgt. Das Buch aus der Edition Mundwerk (die sich mit Bühnentexten, Comedy, Kabarett und Slam beschäftigt) ist mit seinen 13,5 x 13,5 cm und 90 Seiten ein eher kleiner Vertreter seiner Sorte, doch kann es Victorianisch inhaltlich betrachtet durchaus mit den größeren aufnehmen. Ergänzend sind die Buchtexte mit einer CD versehen. Alles wurde von der Autorin Seifried verfasst und gesprochen. Einige Titel auf der CD kann man im Buch nachlesen, sie sind gegenüber denen, die sich nicht dort finden, bis auf die letzte Nummer mit der Musik von „Big Plaice in the Desert“ untermalt. Interessierte können übrigens Hörproben auf der periplaneta-Seite finden.


    Das Buch selbst ist – nicht nur auf dem Umschlag – mit Fotos versehen, die die Autorin zusammen mit dem Shar Pei Pucca harmonisch auf einem Sofa zeigen. Während außen Hochglanz und Farbe wirken, verblassen innen die Motive in ihrer Schwarz-Weiß-Optik keineswegs (allein die Schuhe würden mich nach dem Buch greifen lassen….).


    Seifrieds Seite bei myslam.net verrät, dass die junge Studentin der Psychologie, Philosophie und Politikwissenschaften sich seit 2007 im Bereich Poetry- oder Saal-Slam engagiert und gleich im ersten Jahr Berlinmeisterin wurde. Neben zahlreichen Auftritten bei Kulturprojekten, Wettbewerben und Lesungen kann man sie neben YouTube auch seit 2008 wöchentlich im Fernsehen bei Lettra TV finden. Und wer den Quatsch Commedy Club kennt, der weiß vielleicht auch, dass sie sich dort im Wettbewerb so gut durchgesetzt hat, dass sie diesen Monat im Finale für den Titel Quatsch Comedy Talent 2011 kämpft.


    2010 unterschrieb sie bei periplaneta und in diesem Zusammenhang kam Ende des vergangenen Jahres das Buch mit CD in der Edition Mundwerk heraus, das momentan vor mir liegt, bzw. gerade auch aus den Lautsprechern um mich herum schallt. In ihren kurzen Prosa-Texten und Gedichten widmet sich die junge, vielversprechende Autorin querbeet Themen in unserer Gesellschaft. Dingen, die ihr im Alltag begegnen. Ihren Namen zum Programm machend, nutzt sie dabei ihre Sprache – Viktorianisch. Das ist für sie nämlich nicht einfach nur ein Zeitalter oder eine Modeerscheinung, wie sie gleich eingangs erklärt. Gleichzeitig kann man aber auch erkennen, dass es nicht nur eine Sprache, sondern auch eine Lebenseinstellung ist.


    Wer mit offenen Augen, einer gesunden Portion Neugier und auch mit der Tendenz sich für gewisse Dinge mal in die Nesseln zu setzen, durchs Leben geht, der kann wie Seifried mit einem witzigen und selbstironischen Augenzwinkern und bisweilen auch mit biestiger Eloquenz in konzentrierten Pointen so profane Dinge wie Eiscreme und Schokolade, das seltsame Verhalten an Heiligabend oder gesperrte Kreditkarten thematisieren. Gleichzeitig aber auch Missstände (wie etwa in Viitourol începe), Ängste und andere Emotionen ansprechen und dabei den erhobenen Zeigefinger aufrüttelnd und nachdenklich machend, nicht aber hochmütig belehrend wirken lassen. Die von Seifried beschriebenen und/oder gesprochenen Episoden gehen bei aller Kürze unter die Haut. Sie fesseln durch Humor und Besinnung, durch Wortwahl wie durch Betonung.


    Fazit


    Buch und CD überzeugen, machen förmlich Lust auf mehr und bekommen fünf Punkte von fünf Punkten.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Sharon Ashwood: Dark Forgotten 02 - Vampirdämmerung
    Originaltitel: Scorched aus dem Amerikanischen übersetzt von Sabine Schilasky
    Knaur
    ISBN 9783426652442
    ISBN 3426652447
    Fantasy
    Deutsche Erstausgabe 2011
    Umschlaggestaltung ZERO Werbeagentur, München
    Breitklappenbroschur, 496 Seiten
    [D] 12,99 €


    Verlagsseite
    Autorenseite


    Bereits in ihrer Kindheit interessierte sich die in British Columbia lebende Autorin Sharon Ashwood für Märchen und Mythen. Ihre bis heute anhaltende Faszination für Seltsames, Unwirkliches, Unheimliches oder Fantastisches setzt die freie Autorin und Journalistin mit einem Universitätsabschluss in Englischer Literatur in Urban-Fantasy-Romane um. 2009 erschien der Auftaktroman ihrer Dark-Forgotten-Reihe unter dem Titel „Ravenous“, der bei uns in Deutschland 2010 von Knaur als „Hexenlicht“ veröffentlicht wurde. Der zweite Teil „Scorched“ erschien in den Staaten ebenfalls 2009, die deutsche Übersetzung „Vampirdämmerung“ folgte dann Anfang 2011. Auch die beiden Folgebände Seelenkuss und Höllenherz (Originaltitel „Unchained“ 2010 und „Frostbound“ 2011) sind bereits für den deutschen Buchmarkt avisiert.


    Zur Gestaltung der Cover der Reihe bediente sich der Verlag der derzeit gerne gebräuchlichen Darstellung eines hälftigen Männer- oder Frauengesichtes vor einer Großstadtkulisse, die sich auf den Innenseiten des Buchumschlags fortsetzt. Abwechselnd wechseln die Gesichter von links (Band 1 und 3) nach rechts (Band 2 und 4). Zusätzlich wird ein geflügeltes, mystisches Wesen gezeigt, welches bei den Bänden 1 und 2 auf von Menschen errichteten Gebäuden stehend, bei den Bänden 3 und 4 auf Felsen hockend zeigt. Ein dezenter Metalliclook und ein Lichtpunkt auf einem der Buchstaben des jeweiligen Buchtitels runden die Covergestaltung gelungen ab.


    Die Autorin lässt ihre Romanreihe teils in der realen Welt, teils in einer Fantasywelt spielen. In „Vampirdämmerung“ findet der größte Teil des Geschehens in der zur Fantasywelt gehörenden Burg statt – einem düster-bedrohlichen und gleichzeitig sicheren Gefängnis für übernatürliche Wesen, was die reale Welt sehr verblassen lässt. Umso deutlicher wird das geheimnisvolle, magische Labyrinth, in das Leserinnen wie Leser dank der in dritter Person erzählten Ereignisse eintauchen können.

    Während sich der erste Band um Holly Carver und den ihr zugedachten Partner dreht, geht es in „Vampirdämmerung“ um den zum Dämon mutierenden Ex-Cop Conall Macmillan und die Vampirin Constance. Macmillan ist bereits aus Hexenlicht bekannt, wo er von einer Dämonin geküsst wurde, was ihn selbst nach und nach in ein übernatürliches Wesen verwandelt. Zwar gelingt es Holly den auf Macmillan lastenden Fluch etwas zu lösen, aber eben nicht ganz – was zu seiner Inhaftierung in der Burg führt. Macmillan gelingt zwar die Flucht von dort, doch kaum draußen trifft er auf den Vampir Caravelli (ebenfalls ein Bekannter aus dem Auftaktroman). Also kehrt er gezwungenermaßen in die Burg zurück. Dort begegnet er Constance. Noch ist sie keine richtige Vampirin, ist auch aufs Bluttrinken nicht unbedingt versessen bzw. hat noch gar keins getrunken. Doch sie benötigt momentan die Kräfte, die ihr als richtige Vampirin zur Verfügung stünden. Und deshalb will sie an Macmillans Blut. Dabei merkt sie sehr schnell, dass der so appetitlich menschlich riechende Mann nur scheinbar menschlich und nicht sehr willig ist. In Anbetracht der Tatsache, wie Macmillan zu seinem neuen Dasein kam, ist er nicht allzu erpicht darauf, als Snack herzuhalten. Dass er ihr trotzdem helfen möchte ihren Ziehsohn zu retten, liegt daran, dass etwas an ihr seine ehemals rein menschliche Seite zum Klingen bringt und seine Beschützerinstinkte weckt. Hier scheint der dämonische Anteil in ihm dann tatsächlich eine positive Seite zu bekommen. Vor allem, weil Constances Ziehsohn eng mit der Burg und damit mit dem Schicksal aller Insassen verknüpft ist.


    Ein weiterer Nackenbeißerroman ohne Tiefgang? Der Auftaktroman, mit dem die Autorin sich angenehm von anderen Büchern abhebt, versprach schon mal das Gegenteil. In Hexenlicht bot sie nicht einfach nur eine gewöhnliche und nichtssagende Story und mit ihren fantastischen Elementen auch nicht nur eine platte Stilvorlage für eine bisweilen sinnlose Anhäufung erotischer Szenen. Ashwood setzte darin auf interessante Charaktere, auf ein eher düsteres Hintergrundszenario, sehr wohl auf etwas Romantik, eine softe Erotik, aber eben auch auf eine Geschichte, die geschickt verwobene Handlungsfäden zusammenlaufen lässt.


    Leider passiert dann aber in „Vampirdämmerung“ über einhundert Seiten anfangs erst einmal nicht viel. Obwohl Ashwood genau genommen direkt an Hexenlicht anknüpft, somit deutlich macht, dass auch ein abgeschlossener Roman ohne Weiteres zu einer Reihe zählen kann, sucht man zunächst leicht vergeblich den roten Faden der Geschichte zu erhaschen. Nur bedingt tröstend wirkt der Umstand, dass Holly und Caravelli in „Vampirdämmerung“ ein eigener Nebenhandlungsstrang gewidmet wird und nicht einfach nur ihre Namen eingestreut werden. Doch bedauerlicherweise fehlt hier Hollys Sarkasmus, ihr Humor. Humorlos ist „Vampirdämmerung“ damit jedoch noch lange nicht und je länger man liest, desto mehr besticht Ashwoods Mixtur aus Fantasy und erotisch angehauchter Liebesgeschichte. Desto mehr steigt die Spannung. Desto mehr reißt „Vampirdämmerung“ mit. Desto mehr wird die gelungene Verknüpfung des düsteren Erzählstrangs mit einer sinnlichen Liebesgeschichte deutlich. Gleichzeitig zeigt sich, dass man zwar die Bücher unabhängig voneinander lesen kann, dass aber Bezüge auf bereits Erzähltes hergestellt werden, die empfehlen, die Bände in der erschienenen Reihenfolge zu lesen.


    Die Autorin verwendet auch in „Vampirdämmerung“ viele Details zur Beschreibung des Aussehens aller Figuren, ihrer Charaktereigenschaften, aber auch der einzelnen Szenen. Sie arbeitet Motivationen heraus und bindet neue Gestalten geschickt ein. Während Constance und Macmillan um ihre Menschlichkeit ebenso wie um die Rettung von Constances Ziehsohn kämpfen, merkt man schnell, dass keiner der Nebencharaktere überflüssig ist und alle zusammen zu dem gelungen inszenierten Geschehen beitragen. Die sympathischen Hauptfiguren entwickeln sich zügig. Sie sind nicht einfach nur übermenschliche Helden, sie haben ihre Fehler und Schwächen. Doch auch ihre Kräfte und ihre Macht wachsen, was sich spätestens am Schluss des Buches als dringend notwendig erweist, da sie dabei Kreaturen und Problemen gegenüberstehen, denen sie zuvor hoffnungslos unterlegen gewesen wären. Doch ob nun mysteriös, rücksichtslos und oder einfach nur fehlgeleitet, ihre Widersacher ziehen zwar letztlich den Kürzeren, doch sie bringen auch Spannung in die Geschichte und sorgen mit für eine kurzweilige, interessante Handlung.


    Was auffällt ist, dass Constance und Macmillan flirten, was das Zeug hält, egal wie die Situation ist, in der sie sich gerade befinden. Die Gefühle der beiden keimen nicht erst behutsam im Verlauf der Geschichte, ersticken in ihrer Fülle den eigentlichen Handlungsverlauf aber nicht. Auch wirken bestimmte Textstellen fast zu flüssig. Nicht unbedingt problemlos, aber fast zu gekonnt umschiffen Constance und Macmillan Hindernis um Hindernis – was daran liegen könnte, dass an ihrer Seite unter anderem Holly und Caravelli kämpfen, wenn es hart auf hart kommt. Das könnte störend wirken, tut es aber tatsächlich nicht.


    Fazit
    Auch der zweite Band der Reihe zeichnet sich durch den originellen, flüssigen und klar verständlichen Stil der Autorin aus, was sich allerdings nicht von der ersten Seite an zeigt. Doch wer durchhält, wird mit einer spannenden Geschichte belohnt, die eindeutig Lust auf den dritten Band macht und für die ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Klausbernd Vollmar: Schlaf und Traum
    Königsfurt-Urania
    ISBN 9783868260830
    ISBN 3868260838
    Sachbuch Gesundheit, Wohlbefinden
    Neuausgabe 2011
    Umschlaggestaltung Antje Betken
    Broschiert, 224 Seiten
    [D] 14,99 €


    Bisher kannte ich Klausbernd Vollmar nur als Autor von Büchern über Farben, ihrer Wirkungsweise, Einsatzmöglichkeiten, etc. Da mir diese Bücher gefallen haben, konnte ich nicht widerstehen, weshalb momentan sein Buch Schlaf und Traum mit dem Untertitel Besser schlafen – gut träumen vor mir liegt.

    Die Homepage des Autors verrät, dass der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg in Nordrhein-Westfalen bei Köln geborene Vollmar breit gefächerte Interessen hat und auch reiselustig ist. So gibt er an, nach dem Abitur Germanistik, Linguistik, Geowissenschaften und Philosophie studiert und 1973 sein Staatsexamen an der Ruhr-Universität Bochum abgelegt zu haben. Er arbeitete als Lektor für das Goethe-Institut in Finnland, lehrte und forschte im Bereich Literaturwissenschaften in Montreal, und arbeitete für Zeitschriften und als beratender Regisseur beim Theater. Ein einjährige Tour durch amerikanische Landkommunen zog einen Bestseller, Radiosendungen und Vortragsreihen darüber nach sich, bevor Vollmar sich als geschäftsführender Gesellschafter einer Firma betätigte, die weite Landstriche der griechischen Insel Ithaka kaufte, um sie nach ökologischen Gesichtspunkten zu erschließen. Er beschäftigte sich beruflich an der Ruhr Universität Bochum mit autogenem Training und katathymen Bilderleben. Nach Abschluss eines Zweitstudiums in Psychologie führte er Jugendberatungsstellen in Amsterdam und Solingen, engagierte sich in der deutschen Männerbewegung und unterstützte ihre Emanzipationsversuche. Er reiste nach Nepal und blieb für zwei Jahre, bevor er ein Institut für Krisenintervention gründete, einen Verlag der Findhorngruppe mit aufbaute und leitete und zeitgleich Schüler von Dr. von Ungern-Sternberg, einer direkten Schülerin C.G. Jungs, und Mitglied einer englischen Gurdjieff-Gruppe wurde. Die von ihr vertretenen strengen psychologischen Ansätze führten zu einem von ihm entwickelten Persönlichkeitsmodell, was wiederum zu Buchveröffentlichungen, Radio- und Fernsehsendungen führte und unter anderem auch mit der intensiven Beschäftigung mit Träumen im Bezug auf Entwicklungsmöglichkeiten neuer Ideen und Problemlösungsprozessen einherging. Vollmar lebt heute an der englischen Ostküste, jedenfalls die meiste Zeit oder reist auch gerne in die Arktis, wenn er sich nicht um seinen Garten kümmern muss oder mit seinem Boot das Meer vor der englischen Küste erkundet. In dem Künstlerdorf Cley-Next-The-Sea hält er Seminare über kreative Arbeit mit Träumen und der Entwicklung der eigenen Potenziale und gründete und leitet zusammen mit dem Physiotherapeuten Konrad Lorenz auch die Internetfirma TraumOnline.


    Mit seinen in fünfzehn Sprachen übersetzten bisher erschienen Veröffentlichungen und diesem Einblick in seine Vita ist Vollmar also bestens gerüstet, um sich in Schlaf und Traum, Besser schlafen – gut träumen mit zur Volkskrankheit mutierten Schlafproblemen und beispielsweise auch mit dem Einsatz von Träumen für eine (postive) Veränderung der Lebensqualität zu beschäftigen. Gleichzeitig verspricht ein kurzer Text innen im Buch, dass es zeitgleich „eine informative und unterhaltsame Lektüre für Menschen darstellt, die an Themen wie Psychologie, Wohlbefinden, Kreativität und Erfolg interessiert sind“. Das Buch ist übrigens die überarbeitete, erweiterte und illustrierte Neuauflage des 2007 bei Königsfurt erschienenen „Besser schlafen – besser träumen“.


    Wie sowohl vom Königsfurt-Urania Verlag als auch dem Autor gewohnt, ist das Buch mit zahlreichen Abbildungen (klassische Gemälde ebenso wie moderne Fotografien) illustriert, liebevoll aufgemacht, mit diversen Zitaten versehen und in übersichtliche Kapitel gegliedert. Nach einer kurzen Einleitung geht es in jeweils mehreren Unterkapiteln zunächst um den Schlaf an sich (inklusive Schlafproblemen oder –Störungen), dann um Träume, bevor auf Seite 218 „Der Wandel der Nacht“-Beschluss beginnt, der zwei Seiten später in den Anhang übergeht. Der gerade eben genannte Beschluss hat übrigens nur etwas mit der Erfindung der Glühbirne und ihren Spätfolgen zu tun. Die Gewichtung liegt eindeutig beim Thema Schlaf, der mit 130 zu 76 Seiten gegenüber dem Thema Traum abgehandelt wurde.


    Vollmar spannt einen Bogen aus der griechischen und jüdischen Mythologie in die Gegenwart, lässt wissenschaftliche Informationen ebenso locker einfließen wie alte Hausmittelchen gegen den fehlenden Schlaf, nennt Konfliktlösungsmöglichkeiten für Nachteulen und Lerchen, wie er die Frühaufsteher nennt, oder auch Zähneknirschen. Daneben räumt er mit diversen Vorurteilen auf, bevor er sich aufmacht und etwa mit bewusst herbeigeführtem oder produktivem Träumen beschäftigt. Alles in gewohnt flüssig und leicht verständlicher Sprache. Doch obwohl der oben erwähnte kleine Text innen im Buch stimmt, obwohl es logisch aufgebaut und ebenso interessant wie informativ ist, muss ich gestehen, dass ich mich zunächst etwas schwer getan habe. Was mich stolpern ließ, waren kleinere Widersprüche. So schreibt er etwa auf Seite 46, dass eine Einschlafstörung vorliegt, wenn man nach zwanzig Minuten noch nicht in Hypnos Arme gesunken ist, während er auf Seite 18 guten Schlaf auch daran misst, dass man etwa 15 – 30 Minuten zum Einschlafen braucht. Dieser Widerspruch ist natürlich ausgehebelt, wenn man Einschlafen und Schlafen in gewisser Weise trennt. Ebenfalls eher störend empfand ich einige Wiederholungen, die es so nicht gebraucht hätte; die jedoch genau genommen auch nicht gravierend sind.


    Fazit


    Trotz der eben erwähnten Schwächen in Schlaf und Traum bzw. meiner anfänglichen Probleme mit dem Buch möchte ich mit etwas zeitlichem Abstand vier Punkte von fünf Punkten dafür vergeben, da es wie bereits erwähnt gleichermaßen informativ wie unterhaltsam ist und die darin vorgestellten Tipps wirken.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Patterson müsste man heißen…


    Das ist eine Standardantwort für eine Freundin, die sich hin und wieder nach meinen eigenen Verkaufszahlen erkundigt. Warum? Als ich 2010 den Artikel im Spiegel entdeckte, brannten sich mir die darin genannten Zahlen förmlich ein. Denn an dem 1949 geborenen, in New York aufgewachsenen und in Florida lebenden Autor James Patterson kommt in den USA seit Jahren vermutlich niemand in den Buchhandlungen vorbei. Und längst ist er nicht nur dort eine feste Größe auf dem Buchmarkt. In mehrere Sprachen übersetzt, finden seine Bücher weltweit reißenden Absatz. Laut Spiegel wurden mehr Patterson-Bücher verkauft als Brown, King und Grisham gemeinsam loswurden. Über 170 Millionen bedeuten umgerechnet, dass jeder siebzehnte verkaufte Roman in den Staaten von ihm stammt. Allein in Deutschland standen zwanzig seiner Bücher auf den Bestsellerlisten. Teilweise wurden sie bereits verfilmt, so etwa „Denn zum Küssen sind sie da“ und „Im Netz der Spinne“ in der Morgan Freeman den Polizeipsychologen und Profiler spielte.


    Patterson, ehemaliger Kreativdirektor einer Werbeagentur hat stets mehrere Projekte gleichzeitig laufen. So umgeht er Schreibblockaden. Er bevorzugt das Krimi- und Thrillergenre, verfasst aber auch Kinder- oder Sachbücher. 2009 unterschrieb er einen Vertrag für siebzehn Bücher. Dieser Deal brachte und bringt nicht nur ihm Millionen ein, auch die Verlage leben gut damit. So verdiente die Hachette-Gruppe – der Mutterkonzern von Litte, Brown & Co. (Pattersons Verlag) allein mit seinen Titeln in zwei Jahren 500 Millionen Dollar. Dort gilt er längst als Verfasser, Produzent, Lektor, Agent und Werbeagentur der Marke, zu der er sich und seine Bücher gemacht hat. Wie gesagt: Patterson müsste man heißen.


    Dabei stammt mittlerweile gar nicht mehr alles aus seiner eigenen Feder, wird teilweise nur von ihm abgehakt oder umgearbeitet, was von seinen Hilfsschreibern beigesteuert wird. Und Patterson war natürlich nicht immer Bestsellerautor. Anfangs plagten ihn die gleichen Probleme wie viele Autoren und er hatte Schwierigkeiten, seine Manuskripte unterzubringen. Sein 1976 entstandener Roman „The Thomas Berryman Number“ gewann den Edgar – einen Preis für Krimineulinge. Doch erst als er nach mehreren Einzelromanen die 1993 auf den Markt kommende Serie um Alex Cross begann, kam der Erfolg wirklich zu ihm und riss auch mit seiner zweiten Serie Women’s Murder Club nicht ab.


    Ursprünglich als Alexis Cross angelegt, merkte Patterson beim Schreiben des ersten Bandes schnell, dass er die farbige weibliche Hauptfigur nicht authentisch schreiben konnte und funktionierte sie kurzerhand zu einem Mann um. Alex Cross, der Vater dreier Kinder kam 2009 in Dead zum bereits dreizehnten Mal zum Einsatz, obwohl er eigentlich mittlerweile seine Tätigkeit bei der Polizei längst aufgegeben hat und sich um seine Privatpraxis kümmern möchte. Statt um psychopathische Killer bemüht er sich dort fortan lieber um Patienten mit Angst vor Bakterien, Kriegstraumata, Einsamkeitsproblemen, etc..


    Die einzelnen Bände um Alex Cross können – wie mir schnell klar wurde - separiert voneinander gelesen werden, da sie in sich abgeschlossen sind, selbst wenn man diverse Figuren in anderen Bänden wiederfindet. Der Nachteil dabei ist natürlich, dass bestimmte Figuren irgendwann blass und eher eindimensional daherkommen, wenn der Autor eingefleischte Fans nicht mit endlosen Wiederholungen ihrer Beschreibung langweilen will. Im Juli 2010 kam mit „Fire“ übrigens bereits der vierzehnte Band auf den deutschen Buchmarkt. Doch zurück zu Dead, zurück zu dem Buch, an das ich mit entsprechend großen Erwartungen herangegangen bin.


    Ein psychopathischer Serienmörder macht Cross in Washington D. C. einen Strich durch die Rechnung und würfelt ihn mit seiner Freundin, Detective Bree Stone, und ihren Kollegen zu einem Team zusammen, das eine grauenvolle Mordserie beenden muss, während ihnen die Zeit davon läuft. Der Killer inszeniert seine Taten als öffentliche Hinrichtungen vor einem unfreiwilligen Livepublikum, richtet dafür zudem eine eigene Website ein, verhöhnt die ermittelnden Beamten, spielt Katz und Maus mit ihnen.


    Parallel dazu taucht Kyle Craig, ein alter Bekannter von Cross (sein Vorgesetzter und Mentor - jedenfalls, bis ihm selbst einige Morde nachgewiesen wurden) wieder auf, der eigentlich in einer ausbruchsicheren Todeszelle auf seine Hinrichtung warten sollte. Ebenso parallel schwenkt Patterson zu der Beziehung zwischen Stone und Cross und zu den Sitzungen von Patienten, die Cross in seiner Privatpraxis behandelt.


    Patterson erzählt also in gewohnter Manier aus verschiedenen Perspektiven. Mal berichtet Cross selbst (in Ich-Form), mal erfährt man alles aus Sicht des DCPK genannten Killers, mal von Craig, der es geschafft hat, sich aus seiner Todeszelle zu befreien (jedoch nicht von ihnen, sondern in dritter Person). Meist kommen mehrere Kapitel aus einer Perspektive hintereinander, bevor Patterson die Blickrichtung wechselt. Seltsamerweise erschien es mir während des Lesens so, dass der bzw. die Killer im Vordergrund stehen. Tatsächlich widmet der Autor jedoch Cross und dem mit ihm arbeitenden Team bzw. seiner Beziehung zu Stone mehr Aufmerksamkeit als dem DCPK oder dem entflohenen, nicht weniger gefährlichen Craig.


    Bereits zu Anfang der Ermittlungen zeichnet sich ab, dass der DCPK will, dass Cross an dem Fall beteiligt wird und es ist auch relativ schnell klar, dass Craig etwas damit zu tun haben muss – was zweifelsohne an den erwähnten Perspektivwechseln liegt. Insoweit gibt es nicht wirklich überraschend, aber überraschend viel Vorhersehbarkeit in Dead, was unter anderem dazu führte, dass das Buch mich nicht wirklich gefesselt hat.


    Vorwiegend lag es aber an verschiedenen anderen Schwachpunkten. Nehmen wir zunächst einmal Craig. Im Prolog, der aus zwei von ihm handelnden Kapiteln besteht, wird er gleich zu Anfang dazu verurteilt, den Rest seines Lebens in einem Hochsicherheitstrakt zu verbringen – ohne normale zwischenmenschliche Kontakte. Im zweiten Kapitel wird erneut beschrieben, dass die Gefangenen dieses Traktes dreiundzwanzig Stunden täglich in ihrer Zelle verbringen und nur Kontakt zum Wachpersonal und ihren Anwälten haben. Trotzdem hat Craig nicht nur Kontakt zu seinem Anwalt, der ihm letztlich zur Flucht verhilft. Auch zum DCPK gibt es eine Verbindung, die nicht nur in Form einer fatalen Verehrung eines Serienkillers besteht (welche im Übrigen auch die Komplizin des DCPK oder etwa auch Craigs Anwalt für diesen empfinden). Grundsätzlich ist dies nachvollziehbar, denn fatalerweise haben Gewaltverbrecher auch in der Realität eine seltsame Anziehungskraft auf bestimmte Personen. Und so begeht der DCPK die Morde quasi für Craig, eifert ihm nach, will ihn letztlich übertrumpfen. Ob das erste Opfer des DCPK ihren Kontakt zu Craig vor oder nach seiner Verurteilung geknüpft hat, wird nicht ganz klar, aber die Verbindung Killer-Killer-Opfer gibt es.


    Statt jedoch gleich unmittelbar oder wenigstens später darauf oder auf die einzelnen Beweggründe dahinter näher einzugehen, schreibt Patterson lediglich, dass diese Verehrung besteht, und widmet sich lieber den wöchentlichen Anwaltsbesuchen von Craig. Wie er seinem Anwalt Woche für Woche, Jahr für Jahr acht gleiche Fragen stellt, ohne Antworten zu erwarten, bevor ein wenig Small Talk gemacht wird (der sich allerdings auch um Serienmörder drehen kann). Der Ausbruch ist perfekt geplant und verläuft ohne Probleme, sodass Craig - kaum draußen – natürlich gleich weitermorden kann, um seinem Serienkillerklischee zu entsprechen. Was hier wie oder warum wann von wem geplant wurde, steht in den Sternen – in Dead findet man es nicht, obwohl es der Geschichte gut getan hätte. Fast scheint es im Hinblick auf den letzten Satz im letzten Kapitel, dass dieser Handlungsstrang lediglich dazu dient, Craig in einem weiteren Alex-Cross-Band auftauchen zu lassen.


    Doch das war es nicht allein. Wie bereits erwähnt, ergibt sich – sofern man einzelne Bände einer Reihe unabhängig von den anderen liest - das Problem, dass etwa Alex Cross bei aller Präsenz etwas schemenhaft dargestellt wird. Im Zusammenhang mit dem Protagonisten der Serie erscheint das durchaus nachvollziehbar, doch leider gilt es auch für neu hinzugekommene Antagonisten, wie etwa den DCPK in Dead. Da der Autor den Fokus auf seine Taten und Verwandlungskünste, und weniger auf die Person dahinter lenkt, bleibt auch er zu farblos, zu unscharf.


    Und da gibt es auch die eigentlich sinnlose Aneinanderreihung grausam inszenierter Morde, die der Autor anschaulich beschreibt und für die der DCPK einen übertrieben wirkenden hohen Aufwand betreibt. Beides erscheint zwar grundsätzlich insofern logisch, dass Morde fatalerweise nicht zwangsläufig einen Sinn ergeben müssen und Täter bei weniger Aufwand vermutlich schneller gefasst würden bzw. sich der Wahnsinn passend darin spiegelt. Doch Dinge, wie das Bespielen und Löschen eines Videobandes, bevor ein Mord darauf festgehalten wird, damit die Ermittler nach einer Rekonstruktion der gelöschten Daten dadurch einen gewollten Hinweis auf den Mörder bekommen, erscheinen etwas übertrieben. Nachlässigkeit, weil der Täter Geld sparen und deshalb keine neue Videokassette verwenden wollte (ohne daran zu denken, dass ihm das zum Verhängnis werden könnte), hätte hier einen glaubwürdigeren Effekt erzielt.


    Genauso benutzt der DCPK für jeden Mord eine andere Identität, verkleidet sich so meisterhaft, dass man – insbesondere auch Cross - nicht so schnell erkennt, dass es sich immer um die gleiche Person handelt. Dieses Problem hat der Leser durch die Perspektivwechsel natürlich nicht. Er beobachtet ja, wie der Killer für die Ermittler und sein Publikum in diese Rollen schlüpft, dass er sich für sich selbst sogar anders nennt. Der DCPK verwendet dazu – genau wie der entflohene und untergetauchte Craig oder dessen Fluchthelfer auch – unter anderem Gesichtsprothesen. Die bekommt man nicht wirklich an jeder Straßenecke, sie müssen genau angepasst werden, damit sie nicht auf den ersten Blick auffallen, und kosten darüber hinaus auch nicht gerade wenig. Vom enormen Zeitaufwand, den so ein Tarn-und-Täuschen-Spiel schlicht und ergreifend bedarf um echt zu wirken, ganz zu schweigen. Doch all das scheint für die Antagonisten der Geschichte absolut kein Problem darzustellen.


    Hinzu kommt, dass Cross – genial, wie sich Profiler für gewöhnlich in TV-Serien, Filmen oder Romanen darstellen – rasend schnell Zusammenhänge erfasst, die für Otto-Normal-Verbraucher nicht erkennbar sind. So geht er bereits beim allerersten Hinrichtungsmord sofort von einem Serientäter aus. Immerhin sieht er Hinweise, die sonst niemand erkennt, kommt dafür aber erstaunlich langsam dahinter, was sie wirklich bedeuten, während der Leser wiederum paradoxerweise (ebenfalls dank der ständigen Perspektivwechsel) längst weiß, in welche Richtung es letztlich geht.


    Auch der Aufklärungsdruck, der auf dem Ermittlerteam lastet, wirkt nur bedingt glaubwürdig. Cross wird zwar durch den Killer dazu gezwungen und von seiner Freundin Bree auch dazu aufgefordert, sich des Falles anzunehmen – seine Praxis schließt er dafür jedoch nicht. Genauso abgeklärt, man könnte es allerdings genauso gut oberflächlich nennen, wie er sich der sich im Zuge der Ermittlungen ergebenden Bedrohungssituation seiner Person oder seiner Familie stellt, widmet er sich ganz nebenbei seinen Patienten und Patterson lässt den Leser munter an diesen Sitzungen teilhaben. Dass der Profiler und Psychologe dabei trotz seiner Genialität bis zuletzt absolut keinen Zusammenhang zwischen dem DCPK, seiner Komplizin und zweier Patienten sieht, wirkt weder stimmig noch authentisch. Auch dieser Zusammenhang wird im Übrigen einfach präsentiert, ohne wirklich auf die Bedeutung einzugehen. Natürlich könnte man ihn einfach in einer Laune des Killers begründet sehen, doch bei einem Bestsellerautor wie Patterson sollte man hier mehr erwarten können.


    Erschwerend kommt die Darstellung der Beziehung zwischen Stone und Cross hinzu. Die passt ebenfalls grundsätzlich in den Plot und so schwenkt der Autor (vermutlich mit einem Blick auf das schlagende Argument „sex sells“) auch immer wieder brav auf die Beiden. Überzeugen kann er allerdings auch damit nicht. Während im „realen“ Leben Ärzte, Ermittler und diverse andere Berufsgruppen eher Probleme mit ihrer Libido bekommen (sei es aus chronischer Überarbeitung oder einfach, weil das im Zusammenhang mit ihrer Arbeit stehende Geschehen um sie herum nicht sehr lustfördernd wirkt) merkt der Autor immer wieder an, wie scharf Cross auf seine Freundin ist oder wird. Die ihrer Ermittlungszeit mühsam abgeknapsten gemeinsamen Momente werden tatsächlich passend nicht explizit geschildert. Doch genau das, lässt die eben erwähnten ständigen Hinweise auf Cross Begehren, letztlich eher störend als unterhaltend wirken.


    Positiv anzumerken ist, dass Patterson seine Hauptfigur nur einmal in eine rasante Verfolgungsjagd per Auto verwickelt. Dass nicht ständig etwas in die Luft fliegt oder der Täter nicht im Alleingang ein Waffenarsenal verschwendet, das für eine ganze Armee reichen würde. Oder dass der Autor seine Leser nicht mit ermittlungstechnischen Details überfrachtet. Doch im Bezug auf Letzteres gibt es gleich wieder ein Aber, denn die Ermittlungen selbst können nicht wirklich überzeugen. Sie stochern bei allen Geistesblitzen von Cross zu viel im Dunklen, hinken dem bzw. den Tätern bis zuletzt zu sehr hinter, leben eher von Zufällen als von erarbeiteten Erkenntnissen. Wäre der Täter nicht so selbstverliebt, könnte er Washington vermutlich entvölkern, ohne dass Cross und seine Leute ihn je dingfest machen könnten.


    Fazit


    Geschmäcker sind verschieden. Für die einen hat Pattersons Alex-Cross-Reihe Kultcharakter, andere begeistert sie eher weniger. Obwohl Patterson einen flüssigen, leicht zu lesenden Schreibstil pflegt, ziehen sich die kurz gehaltenen Kapitel. Der Autor verzettelt sich in Nebenschauplätzen. Obwohl die Handlungsfäden alle zu einem gewissen Ende gesponnen werden, werden sie nur bedingt schlüssig verwoben. Ob es nun an der Übersetzung, an der Dauer der Reihe oder Pattersons Stil liegt, kann ich nicht beurteilen. Dead war mein erster Roman von ihm und konnte mich nicht überzeugen, weshalb ich nur zwei Punkte von fünf Punkten dafür vergeben möchte.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Leslie Parrish - Black Cats 01: Was kostet der Tod?


    Originaltitel Black Cats 01: Fade to Black aus dem Amerikanischen übersetzt von Heide Frank
    LYX
    ISBN 9783802583759
    ISBN 3802583752
    Romantic Thrill
    Deutsche Erstausgabe 2011
    Umschlaggestaltung büosüd°; München
    Breitklappenbroschur, 360 Seiten
    [D] 9,99 €


    Verlagsseite
    Autorenseite (deutsch)



    Leslie Parrish hat drei Töchter, zwei Hunde und lebt mit ihnen und ihrem Ehemann Bruce in Maryland. Unter dem Namen Leslie Kelly hat sie bereits mehrere Liebesromane geschrieben, von denen bereits Übersetzungen in Deutschland bei Cora in der Tiffany-Reihe erschienen sind. 2006 erhielt sie für ihre Arbeit den Romantic Times Award und wurde für weitere Preise nominiert. Ihr erstes Buch erschien 1999, seitdem hat sie mehr als dreißig Liebesgeschichten mit frechen Dialogen und sexy Handlung für Harlequin geschrieben.


    Mit „Was kostet der Tod?“ – dem Auftaktroman der Black-Cats-Reihe und einem der Titel aus der Romantic-Thrill-Reihe von LYX – beschreitet sie neue Wege, um ihre etwas dunklere Seite als Schriftstellerin auszuleben. Zur deutlicheren Abgrenzung ihrer bisherigen Veröffentlichungen hat sie sich für das Pseudonym Leslie Parrish entschieden. Wer den gewohnt rasanten, sexy-frechen Stil in „Was kostet der Tod?“ erwartet, den man aus Kellys bisherigen Romanen gewohnt ist, wird vielleicht enttäuscht. Denjenigen, die auf die von LYX gewohnte Erotik setzen, wird eventuell auch etwas fehlen.


    Dennoch lohnt es sich durchaus, das Buch zu lesen. Wie bereits in Susan Crandalls „Pitch Black” aus dem gleichen Verlagsprojekt, sind die romantischen Elemente in „Was kostet der Tod?“ eher dezent und weder mit erotischen Sequenzen überfrachtet, noch werden sie von gnadenloser Brutalität überdeckt, obwohl es durchaus um knallharte Verbrechen geht. Die sind übrigens härter als man unter Umständen bei einem romantischen Thriller erwartet, weshalb ausufernde Romantik bei dieser Thematik einfach unangebracht wäre. Doch kann man beides überhaupt in einen halbwegs harmonischen Einklang bringen?


    Dass es tatsächlich geht, zeigt unter anderem auch Parrish alias Kelly in ihrer Black-Cats-Reihe. Bereits im Auftaktroman zeichnet sich ab, dass die einzelnen Romane in sich abgeschlossen sind und unabhängig voneinander gelesen werden können, da sie jeweils andere Paare behandeln. Der Folgeband „Im Netz des Todes“, in dem zwei Figuren aus dem ersten Teil weiter behandelt werden, soll im September 2011 in Deutschland erscheinen. In den Staaten ist bereits der dritte Band mit dem Titel „Black at heart“ erhältlich.


    Die Geschichte selbst spielt in den Staaten der Gegenwart und wird in dritter Person erzählt. Das Cover der deutschen Ausgabe fällt durch seine Schlichtheit auf. LYX verzichtet auf einen, derzeit Verlag übergreifend gerne verwendeten muskelgestählten Oberkörper oder das ebenso gern verwendete ernste oder geheimnisvoll wirkende Frauen- oder Männergesicht und zeigt statt dessen eine verblühte, kopfüberhängende rosa Tulpe auf dunklem Hintergrund. Diese rosa Tulpe setzt sich übrigens Ton in Ton auf der Innenseite des Umschlages vorne wie hinten fort.


    Was rein vom Umschlag her auf ersten Blick so harmlos wirkt, versetzt einem gleich darauf einen kleinen Schock. Bereits im Prolog taucht man in den ersten Mordfall und damit in das Geschehen ein, bevor es im ersten Kapitel siebzehn Monate später mit Aufnahme der Ermittlungen durch die CAT-Abteilung des FBI, die sich mit Internetkriminalität auseinandersetzt, weitergeht. „Was kostet der Tod?“ handelt von einem brutalen Killer, der seine Opfer in immer kürzeren Zeitabständen maßlos quält und tötet und seine Werke per Video im Internet präsentiert. Unabhängig davon und gleichzeitig eng mit einem der Opfer verwoben, geht es aber auch um Missbrauch und häusliche Gewalt. Hierbei ist es der Autorin gelungen, die Unfassbarkeit der Morde durch geschicktes Weglassen zu detaillierter Beschreibungen so gekonnt subtil zu umschreiben, dass die Fantasie des Lesers zwar durchaus für Gänsehaut sorgt, ihn jedoch nicht zwanghaft alle Fenster und Türen kontrollieren lässt, sobald er das Buch zur Seite legt.


    Zugegebenermaßen: Ganz neu ist die Idee natürlich nicht – das muss sie aber auch nicht sein, solange die Umsetzung stimmt. Und während beispielsweise Katzenbach in „Der Professor“ als unterbrechende Nebenhandlung Halluzinationen und Gespräche seiner Hauptfigur mit verstorbenen Familienangehörigen einsetzt, baut Parrish die sich anbahnende Beziehung zwischen Stacey Rhodes, die als Sheriff der Kleinstadt Hope Valley tätig ist, und dem FBI-Agenten und Angehörigen der CAT-Einheit Dean Taggert ein. Beide haben eigentlich von großen und brutalen Verbrechen genug und sich bewusst für ihre momentane und bis zu diesem Zeitpunkt eher ruhigere Tätigkeit entschieden. Beide können jedoch nicht die Augen davor verschließen, dass es Verbrecher gibt, die unbedingt dingfest gemacht werden müssen, bevor noch mehr passiert, zumal Stacey eines der Opfer von klein auf kannte.


    Als eine Spur das FBI-Team nach Hope-Valley führt und Rhodes Taggert und seinen Kollegen helfen kann, zeigt sich gleichzeitig, dass Stacey und Dean auf einer Wellenlänge schwimmen. Unaufgeregt kommen sie einander näher. Stacey, selbstbewusst, autonom – eine Kleinstadtpflanze, die den Duft der Großstadt geschnuppert und sich wieder aufs Land zurückgezogen hat, geht offen auf Dean zu. Dean ist geschieden und durch seine Tätigkeit immer in Gefahr, das Umgangsrecht mit seinem Sohn zu verlieren. Dennoch stürzt er sich in seinen neuen Fall. Obwohl die Autorin hier fast in ihr bisheriges Genre abgerutscht wäre, tänzeln die Beiden letztlich nicht lange umeinander herum, gehen jedoch auch nicht wirklich zur Sache und ihre Liebesgeschichte ist, wie bereits erwähnt, eher dezent. Sie bildet den Hintergrund für die eigentliche Verbrecherjagd. Bietet sozusagen kleinere Entspannungsinseln, bevor es weitergeht bei der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen im Kampf gegen die Zeit. Geschickt lenkt die Autorin ihre Leser in verschiedene Richtungen, lässt Verdachtsmomente gegen mehrere der Figuren wachsen, bevor sie sie wieder auf die von ihr gelegte Spur zurücklotst. So bleibt bis zuletzt offen, wer der Täter ist.


    Die Hauptcharaktere sind gut gelungen. Die Autorin taucht erzählend in ihre Vergangenheit ein und bringt ihre Motivation passend zum Ausdruck. Die Nebencharaktere weisen insoweit eine kleine Schwäche auf, als ihre Beschreibung das eine oder andere Mal zu einfach ausfällt, zu klischeehaft böse und schlecht. Der flüssige, leicht zu lesende Schreibstil und die übrige stilistische Handhabung der Autorin, die Dialoge und Erzählungen in einem ausgewogenen Verhältnis mischt, macht dieses Manko größtenteils wieder wett. Einen richtigen Minuspunkt, der die Auflösung des Falls betrifft, gibt es jedoch. Dieser Teil des Romans wirkt zu schnell abgehandelt. Da nutzt es auch nur bedingt etwas, dass die Lösung so klar und stimmig beschrieben wird, wie man sie sich erhofft. Um den Roman gekonnt abzurunden, fehlt einfach eine ausführlichere Betrachtung der Motivation des Täters.


    Fazit


    Gelungener Auftakt einer neuen Reihe trotz kleinerer Schwächen. Ich bin gespannt auf den Folgeband und vergebe vier Punkte von fünf Punkten.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Sarah Ockler - Die Sterne leuchten immer noch
    Originaltitel: Twenty Boy Summer aus dem Amerikanischen übersetzt von Bernadette Ott
    cbj
    ISBN 9783570137499
    ISBN 357013749X
    Roman Jugendbuch 12 – 13 Jahre
    1. Auflage 2011
    Umschlaggestaltung Zeichenpool, München
    Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 352 Seiten
    [D] 16,99 €

    Verlagsseite
    Autorenseite


    Was hat Steven Spielbergs „E.T.“ mit Sarah Ockler zu tun? Ganz einfach. Er brachte sie quasi zum Schreiben. Im zarten Alter von sechs Jahren schrieb und illustrierte sie ihr erstes Buch, das an eben diesen Film angelehnt war. Natürlich wurde es nie veröffentlicht. Ihre Eltern ermunterten sie stattdessen, eigene Ideen zu verwirklichen. Diesen Ratschlag hat Sarah Ockler beherzigt. Jahre später, genauer gesagt 2009, erschien ihr Debütroman „Twenty Boy Summer“, der von den Kritikern gefeiert und von cbj 2011 unter dem Titel Die Sterne leuchten immer noch auf den deutschen Buchmarkt gebracht wurde. Ende 2010 erschien in den USA ihr zweiter Roman unter dem Titel „Fixing Delilah“.


    Die Geschichten und Bücher der Autorin sind vorrangig für Jugendliche geschrieben. Ihre Passion für diese Zielgruppe und All-Age-Leser wurde bei ihrer Arbeit im Lighthouse Writers Workshop Denver verstärkt. Sie unterrichtet dort junge Autoren. Begründet dürfte sie jedoch darin liegen, dass Ockler sich noch gut an ihre Highschool-Zeit erinnern kann. An gute und schlechte, an aufregende und langweilige Tage auf dem Weg zum Erwachsenwerden. Die Autorin, die den Bachelor of Arts in Communication gemacht hat, verbringt neben dem Schreiben einen Teil ihrer freien Zeit in der Natur und fotografiert gerne diesbezügliche Motive oder Kinder oder geht mit ihrem Ehemann Bergsteigen.


    Der Buchumschlag in nachtblau zeigt einen Sandstrand, im Hintergrund etwas Meer, im Vordergrund eine junge Frau bzw. ein junges Mädchen, das in einem weißen Kleid vom Wind umspielt mit ausgebreiteten Armen unter einem sternenklaren Himmel steht. Der Originaltitel passt genauso gut wie die deutsche Übersetzung. Während „Twenty Boy Summer“ an eine Wette angelehnt ist, die die weibliche Hauptfigur Anna mit ihrer Freundin abschließt, deutet der deutsche Titel gleichermaßen auf die Hilflosigkeit wie Hoffnung hin, die Anna empfindet.


    Mit fünfzehn sollte man Kribbeln im Bauch spüren. Sich über Schulnoten und die Zukunft Gedanken machen, aber daneben auch über Mode, Make-up, Musik, etc. Sachen erleben, die einen zum Lachen bringen, beste Freunde haben, Träume ausmalen oder Schmetterlinge im Bauch spüren, die mit Verliebtsein oder gar der ersten Liebe einhergehen. Hormonell bedingt ist dieses Alter eine Zeit der emotionalen Tiefs und Hochs in rasanter Abfolge und genau genommen erlebt Anna all dies auch. Bis zu jenem Tag, an dem Trauer und Hilflosigkeit schlagartig überwiegen. Dass ausgerechnet Matt, ihr bester Freund, in den sie seit fünf Jahren verliebt ist, auch nicht erst seit Kurzem etwas für sie empfindet, lässt sie für eine kurze, wundervolle Zeit schweben - bis er völlig überraschend aus dem Leben gerissen wird. Bevor sie irgendjemand von ihrer ersten Liebe berichten kann, endet die zart aufkeimende Beziehung zu dem Jungen, mit dem sie schon ihr ganzes Leben verbracht hat. Noch nicht einmal ihrer besten Freundin, Matts Schwester Frankie, kann sie davon erzählen, denn Matt wollte es seiner Schwester schonend beibringen. Sowohl er als auch Anna hegten die Befürchtung, dass ihre Freundschaft dadurch belastet werden könnte. Deshalb hat er ihr in diesem Zusammenhang das Versprechen abgenommen, niemandem etwas zu sagen, bevor er selbst mit Frankie gesprochen hat. Auch über seinen Tod hinaus fühlt die mittlerweile sechzehnjährige Anna sich an dieses Versprechen gebunden und übernimmt seine Beschützerrolle für seine Schwester. Sie trauert still. Statt selbst Trost zu empfangen, ist sie für Frankie und ihre Eltern da und begleitet sie ein Jahr nach Matts Tod zum ersten Mal an den Ort, an dem die Familie ihre Sommerurlaube verbrachte.


    Ockler hat feinfühlig authentisch wirkende Charaktere geschaffen. Ob man nun selbst bereits einmal den Verlust einer nahestehender Person erlebt hat oder nicht - jeder dürfte sich relativ schnell und problemlos in Anna oder eine der anderen Figuren hineinversetzen können. Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und locker, ohne flapsig oder aufgesetzt zu wirken. Ihre Darstellung der Gefühle der einzelnen Personen ist nicht überladen, doch geht bisweilen hart an die Grenze. Manchmal möchte man sowohl Frankie als auch Anna fast schütteln, oftmals in die Arme nehmen und trösten.


    Die Sterne leuchten immer noch spielt in der Gegenwart und umfasst den Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr, enthält jedoch auch einige länger zurückliegende Erinnerungen. Ein Teil spielt an der Ostküste, der andere an der Westküste der Vereinigten Staaten. Der Raum dazwischen könnte synonym für die Entwicklung der Geschichte stehen, für den Abgrund, der sich nach Matts Tod für seine Familie und Anna zum Rest der Welt aber auch zwischen ihnen auftut. Alles könnte jedoch auch zu einer anderen Zeit an einem völlig anderen Ort stattfinden, denn die Handlung richtet den Blick auf die Emotionen, weniger auf Zeit und Umgebung. Gleichzeitig sind gewisse Passagen enthalten, die typisch amerikanisch gehalten sind, und genau dadurch etwas zu oberflächlich oder lang wirken können. Nach Matts Tod geht jede der Figuren anders mit ihrer Trauer um, wobei die Autorin den Fokus auf Anna richtet, die die Geschichte in Ich-Form erzählt.


    Frankie etwa wirkt in ihrem Schmerz egoistisch und oberflächlich, verstockt, kindisch und gleichermaßen verletzend wie verletzlich. Sie verfällt nach einer geschockten Starre in blinden Aktionismus. Zum einen lässt sie kaum jemanden an sich heran, zum anderen scheint ihr neues Leben aus Make-up, Partys und Jungs zu bestehen. In ihrem Schmerz bekommt sie gar nicht mit, dass die Ehe ihrer Eltern zu scheitern droht oder wie es Anna geht.


    Annas Welt wird klein, erstarrt eher, während sie Matt durch briefartige Einträge in ihrem Tagebuch am Leben erhält oder erdachte Zwiegespräche mit ihm führt. Durch ihre Erinnerungen lernt man Matt näher kennen. Ockler animiert auch damit zum Nachdenken, zum Schmunzeln, lässt den Leser mitfühlen. Trotz der emotionsgeladenen Thematik schafft es die Autorin, nicht melodramatisch abzurutschen. Sie verbindet geschickt die Gefühle der Trauer und des Schmerzes, der Wut und Hoffnungslosigkeit, aber auch der Verliebtheit, der Hoffnung, der Neugierde und des Verzeihens.


    Der gemeinsame Urlaub ist gleichermaßen eine Belastungsprobe für alle, wie auch der Versuch, ein normales Leben zu führen. In diesem Zusammenhang schließen Frankie und Anna vor ihrer Abreise einen Pakt. Die 20 Tage am Meer sollen zum A.B.S.A.Z (absolut bester Sommer aller Zeiten) werden und die Mädchen wollen sie nutzen, jeden Tag einen anderen Jungen kennenzulernen. Einer wird – nach Frankies Ansicht – schon dabei sein, der Anna um ihre Jungfräulichkeit bringt. Was sich keineswegs einfach gestaltet. Matt ist trotz seines Todes omnipräsent in den Erinnerungen und Gefühlen Annas. Sie trauert nach wie vor und hegt Schuldgefühle, weil sie ihrer Freundin nicht die Wahrheit sagen kann. Den Pakt ist sie nur halbherzig eingegangen, um Frankie aufzumuntern. An eine neue Liebe glaubt sie nicht wirklich; der Gedanke jagt ihr beklemmende Gefühle ein, weil sie glaubt, Matt dadurch zu verraten. Tatsächlich machen sich aber doch Schmetterlinge in ihrem Bauch bemerkbar, als sie Sam kennenlernt. Die Gefühle für ihn, erinnern natürlich an die für Matt, doch gleichzeitig wird deutlich, dass sie andersgeartet sind, weil ihnen eine gewisse Oberflächlichkeit innewohnt. Die Zeit, die sie mit ihm verbringt, und letztlich ihr Tagebuch sorgen jedoch auch dafür, dass ihre Freundschaft zu Frankie auf eine harte Probe gestellt wird.


    Gleichwohl ist Ocklers Debütroman jedoch auch voller Hoffnung und, ja … auch Kraft. Zeigt nicht nur die traurige Seite – etwa durch Annas Erinnerungen. Zeigt, wie wichtig es ist, in solchen Phasen jemanden neben bzw. bei sich zu haben. Dass Schweigen viel zerstören kann und andererseits oft nur wenige Worte vieles aufwiegen. Dass ein kleiner Schritt zur Seite den Betrachtungswinkel verändert. Zeigt, wie wichtig die einzelnen Phasen der Trauer sind. Wie unendlich kostbar Erinnerungen sind und dass man durch Loslassen auch gewinnen kann.


    Fazit


    Ein Roman über Freundschaft, Liebe, Trauer, Schmerz und das Erwachsenwerden. Hier passt der deutsche Titel perfekt. Die Sterne leuchten immer noch – manchmal muss man nur einfach den Kopf heben. Ein Debüt, das berührt und für das ich trotz kleinerer Längen fünf Punkte von fünf Punkten vergeben möchte.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Rebecca Stead - Du weißt, wo du mich findest
    Originaltitel: When you reach me
    aus dem Amerikanischen übersetzt von Alexandra Ernst
    cbj
    ISBN 9783570139066
    ISBN 3570139069
    Jugendbuch, 11 – 12 Jahre
    1. Auflage 2011
    Umschlaggestaltung zeichenpool, München
    Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 240 Seiten
    [D] 14,99 €


    Verlagsseite
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    Die 1968 in New York geborene und aufgewachsene US-Autorin, die zusammen mit ihrem Mann und zwei Söhnen in Manhattan lebt, schreibt für Kinder und Jugendliche. Nachdem sie bereits früh zum Schreiben an sich kam, nahm sie es erst nach einer Pause, in der sie als Anwältin tätig war, ernsthaft wieder auf. Und eigentlich auch nur, um sich davon abzulenken, dass ihr Sohn … sagen wir mal … ursächlich, am Ableben ihres Laptops beteiligt war, auf dem jahrelang gesammelte Ideen und Kurzgeschichten gespeichert waren. Um sich aufzuheitern, begann sie mit etwas Leichtem, dem dann 2007 ihr erster Roman „First Light“ folgte. Im Jahr 2010 wurde sie mit ihrem 2009 erschienenen zweiten Roman „When you reach me“ für die Newbery Medal – einen Literaturpreis für Jugendliteratur - nominiert. Ins Deutsche übersetzt brachte cbj diesen Roman 2011 unter dem Titel Du weißt, wo du mich findest auf den Markt.


    Der rot gestaltete Umschlag, der ein Paar karobesockte Füße in roten Lackschuhen, einen Origamifrosch auf gezeichneten Holzdielen mit Bleistiftzeichnungen von Schuhen, einem Brief, etc., zeigt, ist gut gelungen und macht das Buch zu einem von denen, die den Blick unweigerlich auf sich ziehen.


    Der Roman handelt von der 12jährigen Miranda, die Ende der 1970er Jahre in New York City lebt. Die Geschichte könnte jedoch auch an einem beliebig anderen Ort zu einer beliebigen anderen Zeit spielen, denn obwohl die Autorin beides erwähnt, liegt der Schwerpunkt von Du weißt, wo du mich findest eindeutig auf der Gefühls- und Gedankenwelt des Mädchens, die die Geschichte in Ich-Form in briefartigen Episoden erzählt. Bereits hier wird klar, dass das Buch kein reines Buch zur Entspannung ist und vermutlich eher Leser außerhalb der anvisierten Zielgruppe finden wird. Die briefartigen Episoden bewirken, dass die Geschichte gewissermaßen Zeitsprünge erlebt. Man kann nicht einfach lesen und abhaken, man muss dabeibleiben und überlegen, ob das Gelesene gerade im Jetzt, Davor oder Danach geschieht. Doch Miranda selbst könnte neben jedem von uns leben, könnte vielleicht mit uns verwandt sein oder den einen oder anderen Leser selbst darstellen. Das Mädchen wirkt echt, man kann sich in sie hineinfühlen, ja hineinversetzen. Dies gilt auch für die Nebencharaktere. Sie sind zwar nicht so detailliert gezeichnet, zeigen sich jedoch genauso authentisch wie die Hauptfigur.


    Das Mädchen lebt in einfachen Verhältnissen mit ihrer Mutter und deren Freund zusammen. Miranda hat nicht viele Freunde – genau genommen nur Sal. Doch der will von heute auf morgen nichts mehr von ihr wissen, ohne zunächst Gründe dafür zu liefern. Deshalb beginnt Miranda, zarte Kontakte mit anderen Kindern zu knüpfen. Kontakte, die pubertäre Streitereien genauso beinhalten wie jugendliche Neugier und Unbedarftheit. Oder auch Ängste und Unbehagen, etwa im Zusammenhang mit einem obdachlosen „lachenden Mann“, der vor Mirandas Haus seine Tage fristet.


    Es gibt auch einen mysteriösen Erzählteil, der auf kleinen Nachrichten fußt, die Miranda immer wieder findet. Etwa eine mit dem Inhalt „Ich komme, um das Leben deines Freundes zu retten. Und mein eigenes. Ich bitte dich um zwei Gefallen. Erstens: Du musst mir einen Brief schreiben. Zweitens: Ich bitte dich, diese Nachricht geheim zu halten." Nachrichten, von jemandem, der genau über Miranda Bescheid zu wissen scheint und sogar zukünftige Ereignisse voraussehen kann. Miranda kommt dieser Bitte nach, wie man unschwer daran erkennen kann, dass sie immer wieder eine stets präsente, aber nicht greifbare Person mit „du“ anspricht, auch wenn sie lange nicht begreift, was sie wirklich tun soll oder warum dies alles geschieht.


    Die Geschichte, die laut Umschlagtext „atemberaubend spannend, brillant erzählt, voller Wärme und Klugheit“ sein soll und das Buch zu etwas macht, „das man nie vergisst“ lebt in Wirklichkeit jedoch nicht von atemberaubender Spannung. Damit hat der Verlag der Autorin vermutlich keinen Gefallen getan, denn Du weißt, wo du mich findest ist so ganz anders als das, was damit automatisch suggeriert wird. Abseits des Mainstreams entpuppt sich die Geschichte als etwas, dass von Ruhe, Emotionen und – trotz der eher einfachen Sprache - auch von Poesie getragen wird. Es ist kein ganz einfaches Buch und vermutlich dürften es einige Leser nach dieser vielversprechenden Verlagsankündigung zu früh gelangweilt oder enttäuscht beiseitelegen. Zumal auch ein Erzählstrang hinzukommt, der sich um die Teilnahme von Mirandas Mutter an eine Quizshow dreht, bereits relativ früh erwähnt und im Vergleich zur übrigen Handlung fast quälend, übermäßig betont wird.


    Dennoch lohnt es sich, das Buch zu lesen. Denn tatsächlich besticht Mirandas Geschichte in ihrem unaufgeregten Erzählstil. Du weißt, wo du mich findest verwirrt, regt jedoch auch zum Nachdenken an. Etwa über den Sinn des Lebens, über das Danach, über die Ewigkeit, über Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit, die Härten des Lebens. Unscheinbar wirkende Kleinigkeiten gewinnen zunehmend an Bedeutung. Man ahnt, worauf alles hinauslaufen wird, weiß es aber bis fast zum Ende nicht wirklich. Was zunächst einfach gestrickt wirkt, entpuppt sich als ein gelungenes Gespinst eines interessanten roten Fadens, der sich kontinuierlich durch den Roman zieht.


    Fazit


    Ein ungewöhnliches Buch abseits des Mainstreams, das trotz des gelungenen Covers die Meisten erst auf den zweiten Blick bestechen dürfte. Ich würde es eher unter All-Age als unter Jugendbuch einsortieren, den Fokus nicht auf „atemberaubende Spannung“ lenken, dafür aber auf einen leisen, emotionalen und bezaubernden Roman, für den ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Ich fand es auch nicht schlecht - hier meine Meinung dazu:


    Die 1964 im Saarland geborene, in Fulda aufgewachsene und mit Mann und Tochter in Wiesbaden lebende Autorin studierte Anglistik und war vor ihrer schriftstellerischen Karriere als Dramaturgin und Redakteurin bei verschiedenen Fernsehprojekten tätig. Dazu zählen nicht nur Lily-Schönauer-Verfilmungen oder Folgen des Traumhotels. In den vergangenen zehn Jahren wirkte sie an über 40 TV-Serien und -Filmen mit, bei dem Kurzfilm „Nebenan leben“ führte Ruppert selbst Regie. 2009 kam ihr erstes Buch „Obendrüber, da schneit es“ bei List heraus, welches 2010 vom ZDF verfilmt wurde.


    Der sommerlich gehaltene Buchumschlag in zartem grün mit glänzenden Blütenranken, rotem Klatschmohn, Herzen, die wie Blütenblätter aufgewirbelt werden, und einer Frau, die die Arme ausbreitet und die Hände Richtung Himmel erhebt, als wolle sie die Blätter fangen; innen orangefarbene Vorsatzseiten, auf denen sich die Blütenranken und Herzen Ton in Ton wiederholen – all das deutet auf das hin, was Astrid Ruppert mit Wenn nicht jetzt, wann dann? geschrieben hat: eine leichte, romantische Geschichte.


    Die handelt laut Text auf dem Umschlag von drei Frauen, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Annemie ist trotz gegenteiliger Erfahrungen und einem Ordnungs- und Regeltick der romantische Typ, was sich in ihren Kuchenkreationen zeigt. Die Witwe glaubt an die Liebe und ist als Älteste eher mütterlich-großmütterlich. Ihr Tagesablauf ist eingefahren, ihre Welt klein und Höhepunkte erlebt sie allenfalls beim Backen oder Lesen von Liebesromanen. Die leicht chaotische und quirlige und an Vorzeichen glaubende Liz ist nach einer einschneidenden Erfahrung kurz vor ihrer eigenen Hochzeit von Männern und besten Freundinnen geheilt. Sie versinkt jedoch nicht in Selbstmitleid. Stattdessen versteigert sie ihre eigene Hochzeitsfeier samt Brautkleid und gründet eine Hochzeitsplaneragentur – in der bald schon die Kuchen von Annemie reißenden Absatz finden. Die Agentur läuft so gut, dass die Juwelierstochter Nina darauf aufmerksam wird und ihre eigene Hochzeit von Liz organisiert haben möchte. Nina – die Jüngste der drei Frauen - weiß, was sie möchte, wusste es immer schon und die Hochzeit ist eigentlich nur ein kleiner Meilenstein in ihrer lange fest stehenden Lebensplanung.


    Die Idee passt ganz gut in die Projekte, an denen Ruppert bereits während ihrer Tätigkeit beim Fernsehen beteiligt war. Und ganz wie in diversen Filmen und Folgen läuft natürlich bei den drei Frauen nicht alles glatt. Ein Fahrradunfall von Liz, der sie mit gebrochenen Knochen für nahezu den Rest des Buches ins Krankenhaus befördert, stellt die eingefahrenen Weichen im Leben der Frauen um. In ihrer Not wendet Liz sich an ihre Nachbarin Annemie, damit die sich um die Agentur kümmert und ihre Kunden wenigstens rudimentär betreut oder sie vertröstet. In diesem Zusammenhang lernen sich auch Annemie und Nina kennen. Dabei wächst Annemie förmlich über sich hinaus.


    Allen drei Frauen ist gemeinsam, dass sie Schutzmauern um sich errichtet haben, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Die haben dazu geführt, dass jede von ihnen auf ihre Art einsam ist. Sie stellen fest, dass der Schritt aus ihrem kleinen, scheinbar sicheren, selbst errichteten Gefängnis zwar nicht unbedingt leicht, aber überraschend klein ist und das Leben durchaus noch mehr beinhalten kann, als sie bisher annahmen. Abgesehen davon muss jede für sich weitere Lektionen lernen. Dass es wichtig ist, Freunde zu haben. Dass Gefühle zwar unterdrückt und verleugnet, aber nicht einfach abgestellt werden können. Sie müssen lernen, dass es von Bedeutung ist, im richtigen Moment „nein“ sagen zu können. Und dass Veränderung wehtun kann, jedoch nicht zwingend negativ sein muss.


    Je weiter man liest, desto mehr kristallisiert sich heraus, dass Annemie, die Unscheinbarste, den Hauptpart in der Geschichte einnimmt. Um sie dreht und wendet sich alles, auch wenn Liz im Krankenhaus einen Arzt kennenlernt, der Interesse an ihr zeigt oder Nina plötzlich feststellt, wie sehr sie eine mütterliche Bezugsperson vermisst und sich fragt, ob ihr Verlobter tatsächlich der richtige für sie ist. Annemie entwickelt sich am meisten in diesem Buch, ihr Schritt zurück ins Leben ist der größte. Sie kann nicht nur auf die Erfahrungen aus sechs Jahrzehnten zurückblicken, sie kann trotz allem nach vorne sehen. Das können Liz und Nina natürlich auch, doch sie wirken, obwohl sie quasi omnipräsent sind, eher wie Nebencharaktere.


    Ruppert hat für Wenn nicht jetzt, wann dann? einen ruhigen Ton gewählt. Unaufdringlich verzichtet sie für ihre Liebesgeschichte auf erotisch angehauchte Sequenzen und lenkt damit den Fokus auf die turbulenten Gefühle, die die Frauen – allen voran Annemie - unverhofft durchleben. Durch geschickt verwobene Erinnerungen an Vergangenes hat die Autorin wunderbar lebendige und glaubwürdige Figuren geschaffen, die direkt neben uns leben könnten. Sie schlägt dabei jeweils einen Bogen aus der Kindheit ihrer Charaktere in die Gegenwart, ohne zu sehr in die eine oder andere Richtung zu driften. Nebenbei lässt Ruppert ihre Leser gleichsam emphatisch an der Gefühls- und Gedankenwelt der männlichen Nebencharaktere teilnehmen. Lässt Freundschaften wachsen, alte Zwistigkeiten aufarbeiten, Hoffnung und Lebensmut sprießen und bisher standhaft verteidigte Verhaltensmuster verblassen.


    Tatsächlich ist die eine oder andere Passage vorhersehbar und schrammt an Sentimentalitätsgrenzen vorbei. Dies wird jedoch durch den lockeren, flüssigen, stellenweise humorigen Stil der Autorin wettgemacht, zumal die von ihr beschriebenen Charaktere, trotz ihrer Eigenheiten und Schwächen, durchweg sympathisch sind. Bei aller Leichtigkeit bewegt die Geschichte, man leidet vor allem mit Annemie – sei es als Kind, als junge Frau oder als unvorhergesehene Hochzeitsplanerin.


    Fazit


    Liebe ist für jedes Alter etwas, genau wie Hoffnung und das Verlassen eingefahrener Wege. Genau das bringt Ruppert in ihrem zweiten Roman zum Ausdruck. Wenn nicht jetzt, wann dann? ist ein unterhaltsamer, romantischer, aufheiternder Roman, der Lust auf mehr macht. Dafür gibt es vier Punkte von fünf Punkten.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Ich fand das Buch ebenfalls nicht schlecht - hier meine Meinung:


    Mit 35 Jahren begann der 1955 geborene und heute in St. Augustine, Florida, lebende Anwalt Steve Berry mit Schreiben. Sein bevorzugtes Genre sind Thriller. Zehn bzw. elf Jahre danach wurde er Sieger des „Georgia State bar Fiction Writing Contest“, wiederum zwei Jahre darauf wurde sein erster Roman „The Amber Room“ veröffentlicht. Neben seiner anwaltlichen und schriftstellerischen Tätigkeit engagiert sich der verheiratete Autor und Vater einer Tochter auch auf lokalpolitischer Ebene. Er mag das Meer und Golf und reist sehr gerne, immer auf der Suche nach neuen Ideen für seine Geschichten. Zusammen mit seiner Frau hat er die Stiftung „History Matters“ gegründet.


    Sieben Bücher später ist der in den Staaten als Bestsellerautor bekannte Berry natürlich auch in Deutschland längst kein Unbekannter mehr. Publishers Weekly bezeichnete ihn als „den wahren Meister unter den Thrillerautoren“. Und sieht man sich seine Verkaufszahlen an, darf man getrost davon ausgehen, dass durchaus etwas an dieser Lobeshymne dran ist. Seine Bücher (über 12 Millionen gedruckte Exemplare) werden, in 40 Sprachen übersetzt, in 51 Ländern vertrieben. Berrys Schreibstil wurde und wird öfter mit dem von Dan Brown verglichen, was allerdings nicht immer durchweg positive Reaktionen hervorruft.


    Nach "Alpha et Omega", "Patria" und "Der Pandora-Pakt" schickt Berry mit Antarctica erneut den ehemaligen Agenten Cotton Malone ins Rennen, wobei die Bücher unabhängig voneinander gelesen werden können, da sie in sich abgeschlossen sind. Und wie schon zuvor, hat auch der Fall, mit dem er es im aktuell vorliegenden Roman zu tun bekommt, etwas mit seiner Familie zu tun. Im vierten Buch der Malone-Reihe wird ein Bezug zu seinem verstorbenem Vater hergestellt, der bei einem U-Boot-Unglück ums Leben kam. Erst Jahrzehnte später, als Malone längst seinen Dienst bei der Regierung der Vereinigten Staaten beendet hat, bekommt er Einsicht in die Akte seines Vaters. Die wirft allerdings mehr Fragen auf, als sie Antworten bietet, und rückt ihn ins Visier skrupelloser Mörder.


    Wie in seinen anderen Malone-Romanen lenkt Berry auch in Antarctica den Fokus
    eher auf die Handlungsebene als auf seine Charaktere, womit sie allesamt eher eindimensional bleiben. Und wie zuvor zieht er auch in diesem Roman die Handlungsorte weit auseinander; lässt Malone vom Südpol bis nach Aachen und zurück in die Antarktis nach der Wahrheit und mit ihm etliche andere Charaktere nach einem großen Geheimnis suchen. Auch in Antarctica kommt Geschichte nicht zu kurz, versteht Berry es doch, einen Bogen von Karl dem Großen im achten Jahrhundert nach Christus über das Dritte Reich bis in die Gegenwart zu schlagen. Aktuelles wird mit Historischem vermischt, geschichtlich reales Wissen mit fiktiven Einschlüssen. Seine Interpretationen geschichtlicher Begebenheiten sind durchaus nachvollziehbar und er lenkt seine Figuren geschickt und abwechslungsreich durch das spannende Geschehen. Hinzu kommt ein Hauch Mystery, denn das U-Boot mit Malones Vater ist an einem Ort gesunken, der mysteriöse Zeichen birgt und auf eine untergegangene, geheimnisvolle Kultur verweist. Alles gemeinsam führt letztlich zu einem großen Showdown in der Antarktis.


    Obwohl die Hauptcharaktere, wie bereits erwähnt und aus früheren Büchern bekannt, nicht im Vordergrund stehen, tut das der Spannung keinen wirklichen Abbruch. Dies gilt auch für die Detailverliebtheit, die Berry hin und wieder an den Tag legt. Er wird damit nicht bei allen Lesern Jubel hervorrufen, dennoch kann beides nicht überdecken, dass er eine flüssige und interessante Geschichte geschrieben hat. Und das, obwohl er sowohl zeitlich aus auch örtlich einige Sprünge absolviert, die eher das Gegenteil vermuten lassen. Doch Berry schafft es, den roten Faden der Geschichte konsequent zu Ende zu spinnen und ermöglicht es dem Leser, in eine dicht gewobene Atmosphäre eintauchen zu lassen.


    Fazit


    Spannend, flüssig, unterhaltsam und nebenbei kann man noch geschichtliches Wissen auffrischen oder lernen. Dafür gibt es vier Punkte von insgesamt fünf Punkten.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Der Meinung kann ich mich nicht ganz anschließen. Ich fand das Buch gar nicht schlecht.


    Seit Herbst 2010 erscheinen in Zusammenarbeit der Verlage Juhr und gardez! Geschichten aus dem Bergischen Land und dem Rheinland. Eine davon ist der Endzeitroman Der Finder von Michael Schreckenberg. Der in Leverkusen lebende PR-Berater, freie Journalist und Autor schreibt Genre übergreifende fantastische Geschichten zwischen Horror, Science-Fiction, Thriller und Urbanfantasy. Was bereits 1999 entstand und damals eher noch kurz gehalten war, erschien um einiges ausgebaut im November 2010 als Debütroman im Rahmen des eben erwähnten Gemeinschaftsprojekts der oben genannten Verlage.


    Passend zum Thema ist das Cover des Buches schlicht in schwarz-weiß gehalten. Die Zeichnung zeigt einen altertümlich wirkenden Reiter vor einem kahlen Baum, einigen Felsen und Turmspitzen im Hintergrund. Der Finder hat übrigens nichts mit dem zentralen Bestandteil der grafischen Benutzeroberfläche eines Mac OS-Betriebssystems zu tun. Im Fall von Schreckenbergs Roman handelt es sich dabei um einen Menschen. Der Handlungsort ergibt sich aus dem Verlagsprojekt – es ist das Bergische Land, jedenfalls hauptsächlich. Der Roman spielt über einen Zeitraum von mehreren Monaten in der Gegenwart. Die Figuren sind Otto-Normal-Verbraucher: Keine Helden, keine Überflieger, nur einige Menschen Ende 20, mit normalen Ängsten und Nöten, jedenfalls bis zu einem bestimmten Tag.


    Kennen Sie das? Lärm macht verrückt, man sehnt sich nach Stille. Der Fotograf Daniel braucht das manchmal. Wenn auch anders, als er es letztlich mehr oder weniger bekommt. Er ist Der Finder, damit die Hauptfigur des Romans und der Erzähler. Daniel fotografiert gerne Friedhöfe und genießt die Stille dort. Zehn Jahre nach seinem Abitur nimmt er an einer Feier teil und verliebt sich Hals über Kopf in Esther, die seine Gefühle prompt erwidert. Sie sucht ihn schneller auf, als er nüchtern werden kann und nicht nur Daniel schwebt im siebten Himmel. Allerdings einem sehr stillen und einsamen Himmel, wie sie bald darauf feststellen. Während sie sich näher gekommen sind, während weniger Stunden nur, sind fast alle Menschen verschwunden. Einfach weg. Nur ein paar ehemalige Schulkameraden, die auf der Abifeier waren, finden sich wieder. Geschockt, entsetzt, verzweifelt, ge-quält von der Frage nach dem Warum.


    Man landet schon im Prolog quasi ohne Vorwarnung mitten im Geschehen. Die Lektüre des Romanabschnitts, der sich gleich darauf mit dem Entstehen der Situation und den Überlegungen der Überlebenden hinsichtlich ihrer Zukunft beschäftigt, gestaltet sich nicht schwierig, hat aber eine Schwäche: das Tempo. Er wirkt dadurch etwas konstruiert und die getroffenen Entscheidungen nicht unbedingt nachvollziehbar. Genauso schnell wie die Liebe zwischen Esther und Daniel aufflammt, genauso schnell geht es nach der Katastrophe weiter. Keiner rechnet damit, dass von außerhalb Rettungskräfte kommen. So trennt sich die kleine Gruppe. Die einen machen sich auf die Suche nach weiteren Überlebenden, die anderen entscheiden sich, die Stadt zu verlassen, sich ein Domizil auf dem Land zu suchen und einen Neustart zu wagen. Es erscheint wenig nachvollziehbar, dass angesichts des erlittenen Schocks speziell die letzte Entscheidung so schnell getroffen wird. Auch dann nicht, wenn sie von einem ehemaligen Afghanistansoldaten angeregt wird. Andererseits – wer weiß schon, wie man sich in so einer Situation tatsächlich verhalten würde …. Daniel und Esther gehören zu den „Siedlern“. Was überraschend gefasst geplant wird, wird ebenso ruhig und sicher umgesetzt. Die Gruppe findet einen Hof und beginnt sich einzurichten. Sie verharren nicht, handeln überlegt und nehmen im Handumdrehen alles in Angriff. Aus Notgemeinschaften werden bald Beziehungen. Wie bereits erwähnt, wirkt dieser Teil der Geschichte zwar in seinem fatalistisch anmutenden Pragmatismus etwas schwer nachvollziehbar; langweilig oder gar völlig aberwitzig ist er aber nicht.


    Und der Neuanfang hat durchaus seine Tücken. Berufliches Wissen nützt bei den wenigsten etwas. Hobbys sind nur bedingt von Nutzen. Vorräte sind nur begrenzt haltbar. Was tun ohne Strom, ohne all das, was man als Selbstverständlichkeit voraussetzt, weil es bisher immer da war? Wie produziert man Lebensmittel? Jeder der Überlebenden hat eine oder mehrere Aufgaben zu erfüllen. Es braucht Jäger und Sammler, Köche, Handwerker und Ähnliches. Fotografen wie Daniel braucht niemand mehr. Auf diese Weise wird Daniel Der Finder. Er sucht Dinge, die die Gruppe zum Überleben braucht oder einfach möchte. Und nebenbei (ohne große Hoffnung, aber nie ganz ohne) auch noch Menschen.


    Schreckenberg hat sich abgesehen von einer nuklearen Katastrophe mit so ziemlich allem beschäftigt, was beim und nach dem Verschwinden fast aller Menschen so passieren könnte. Das wird dem Leser mit Daniel beim Durchstreifen seiner klein gewordenen Welt klar. Spätestens hier gewinnt die Geschichte zunehmend. Kleine Blicke auf das Leben nach der Katastrophe machen immer wieder deutlich, wie sehr der Mensch auf Gewohntes angewiesen ist. Kleine Rückblicke auf die Katastrophe selbst wiederum fokussieren darauf, wie sehr der Mensch seine Umwelt beeinflusst. Wer und was alles von ihm in der von ihm geschaffenen Welt abhängig ist oder was durch den technischen Fortschritt in einer solchen Situation alles geschehen kann. Dabei setzt der Autor nicht auf Schockeffekte wie etwa ein führerloses, abstürzendes Flugzeug, sondern auf den nachträglichen Blick auf eine bereits abgestürzte Maschine. Die Lautlosigkeit, mit der die Menschheit verschwindet, die Leere die sie hinterlässt, wirkt umso mehr durch das Weglassen falscher Dramatikeffekte. Das fantastische Horrorelement ist trotz der omnipräsenten Bedrohung für die Romanfiguren recht dezent im Hintergrund, hier wirkt eher der Horror der abrupten Veränderung der Lebensumstände. Gleichzeitig lässt der Autor Platz für eigene Interpretationen und lenkt teilweise in die Irre, bevor er den Leser wieder auf die Spur führt, auf die er ihn haben will. Bereits dadurch hat er eine düstere und dichte Atmosphäre geschaffen, in die der Leser nach wenigen Kapiteln ganz eintauchen kann; in der er mit den Charakteren mitleidet, hofft und bangt. Er zeigt nicht nur durch Daniels Beobachtungen das unheimliche Glück, das die Siedler hatten. Er zeigt auch, dass Extremsituationen Menschen nicht zwingend positiv ändern; dass sie latente Verhaltensweisen, Gewaltbereitschaft und Machtgehabe herauskitzeln können. Das wird spätestens dann klar, als Daniel tatsächlich andere Überlebende findet.


    Doch es ist nicht der hart gewordene Alltag, der die schwach keimenden Hoffnungen auf eine Zukunft mehr und mehr zunichtemacht und den anfänglichen trotz aller Widrigkeiten energiegeladenen Pragmatismus in einen kräftezehrenden Determinismus verwandelt. Daran ist auch nicht Erkenntnis schuld, dass nicht jede Gruppe Überlebender ein demokratisches Verhalten wie die Siedler pflegt. Es ist das Wissen, dass die überlebenden Menschen nicht allein sind. Es gibt unheimliche, nicht greifbare Wesen, die sie jagen – bald Nacht für Nacht. Und die Wesen lernen schnell dazu. Hier kommt die Vorliebe des Autors für Romane von Stephen King zum Vorschein und er ist seiner – wenn auch auf andere Art - durchaus würdig. Sukzessive steigert Schreckenberg die Horrorvision, ohne sie wirklich in den Vordergrund zu stellen, und lässt die Möglichkeiten der Menschen mehr und mehr schwinden.


    Die Erklärung für die Wesen, ebenso wie für das Verschwinden der Menschheit, klärt schlussendlich nicht wirklich das Überleben einzelner, kleiner Gruppen. Das muss es überraschenderweise auch gar nicht und es kann schlicht mit schriftstellerischer Freiheit begründet werden. Doch wie der Anfang des Romans ist auch die Erklärung und mit ihr der Schluss etwas kurz abgehandelt. Dennoch: Der rote Faden wird weder anfangs noch gegen Ende abgerissen, sondern von Schreckenberg zwar schnell, doch konsequent zu Ende gesponnen.


    Fazit


    Anfang und Ende werden etwas zu kurz abgehandelt und stehen in keinem wirklich ausgewogenen Verhältnis zur Mitte. Doch das stört nur bedingt, denn gerade der Mittelteil macht einiges wett. Die Tatsache, dass die Geschichte in Deutschland spielt, die Figuren so „normal“ sind und Schreckenberg auf falsche Dramatik und große horrormäßige Schockeffekte verzichtet hat, ohne das Kribbeln im Nacken zu vergessen, lässt seinen Debütroman zu etwas werden, was sich relativ leicht liest. Doch der Roman regt dem ungeachtet auch zum Nachdenken an – über das Menschsein, über die Menschheit. Und abgesehen davon, dass er die Hoffnung darauf weckt, dass etwas Vergleichbares nie eintritt, macht Der Finder eindeutig Lust auf mehr und bekommt vier von fünf Punkten.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Christine Brendle (Hg.) - Unsere Welt 2050
    C. M. Brendle Verlag
    ISBN 9783981249750
    ISBN 3981249755
    Zeitgenössische Literatur, Anthologie
    Erste Auflage 2011
    Umschlaggestaltung Gute Aussicht Kommunikations GmbH
    Taschenbuch, 165 Seiten
    [D] 12,50 €


    http://www.brendle-verlag.de]Verlagsseite[/URL]


    War es das Cover, das mich neugierig machte, oder eher die Zeile „Ein Verlag macht Schule – Schüler machen ein Buch“? Ich weiß es nicht. Vielleicht war es auch die Mischung aus beidem. Manchmal genügen Kleinigkeiten um meine Neugier zu wecken. Bei Unsere Welt 2050 wurde sie geweckt und das, obwohl das matt glänzend gehaltene Cover in dunkelblau mit der gewählten (überwiegend) grünen Schrift etwas trocken und fachbuchartig wirkt. Das Motiv vorne zeigt eine Weltkugel, deren Ozeane und Länder mit Worten ausgefüllt ist, die bereits einen ersten kleinen Einblick auf das bieten, was im Buch kommt.


    Zusammen mit der Verlegerin Christine Brendle haben der Lehrer Bertram Weber und vierzehn Schülerinnen und Schüler der Walther-Groz-Schule in Ebingen die Idee zu diesem Buchprojekt verwirklicht. Was 2010 begann, liegt nun vor und kann im Buchhandel bezogen werden. Bücher sind nicht nur etwas Kostbares und Wundervolles, sie verlangen auch einiges an Herzblut und innerer Überzeugung, wenn sie je fertig werden sollen. Die Schüler und Schülerinnen haben beides bewiesen. Sie haben das Projekt mit geplant, aktiv daran gearbeitet und alles umgesetzt. Sie dürften heute neben einer entsprechend erhaltenen positiven Bewertung für ihr Abitur ein Buch auch mit anderen Augen als noch vor ein paar Monaten betrachten. Es finden sich kleinere Anfängerfehler (eine Geschichte wird etwa wiederholt, was vermutlich kein Stilmittel des Autors ist) darin, doch angesichts der Tatsache, dass vorwiegend Laien beteiligt waren, ist die Umsetzung gut gelungen; vor allem, wenn man den Zeitrahmen betrachtet, in dem das Projekt verwirklicht wurde.


    Aber zum Inhalt. Mit seinen 175 Seiten im A5-Format hält man ein Buch, dass schnell gelesen sein müsste, zumal die Kapitel nur wenige Seiten, einmal gar nur zwei Absätze umfassen. Doch die gewählte Thematik macht es zu einem Buch, das man zwischendurch immer wieder weglegt, um nachzudenken.


    Schülerinnen und Schüler haben nicht nur zur Veröffentlichung der achtundzwanzig darin enthaltenen Geschichten und eines Gedichtes beigetragen – ein Teil wurde auch von Schülern geschrieben. Neben ihnen kommen auch andere, bekannte oder weniger bekannte Autoren zu Wort. Dazu gehören, außer Politikern und einer Bankerin, beispielsweise auch eine Hotelfachfrau oder ein Pfarrer a. D, Neulinge wie solche, die schon Veröffentlichungen vorweisen können.


    Doch ob nun Frischling oder Profi, ob nun sechzehn oder sechsundachtzig – alle Autoren beschäftigt ein Thema: Unsere Welt 2050. Nicht einmal mehr ganze neununddreißig Jahre trennen uns momentan noch davon. Und in Anbetracht der Tatsache, wie rasant sich die Welt innerhalb der letzten 40 Jahre verändert hat, stellt sich berechtigterweise die Frage, wie die Welt 2050 gestaltet sein wird. Bunt oder farblos, trostlos oder hoffnungsvoll, brutal oder friedlich?


    Die Art und Weise wie etwa der 1991 geborene Keith Petri darüber denkt, dürfte dem einen oder anderen älteren Leser kleinere Schluckbeschwerden verursachen. Seine Vision sieht düster und dystopisch aus; ist eine kleine Ohrfeige für die ignorante Gesellschaft im Hier und Jetzt; artikuliert eher eine Zukunftsangst, als eine Vision. Es gibt Science-Fiction, weitere Dystopien und fantastische Geschichten, wie die von Kristina Kesselring, in der die Menschen der Zukunft ihre Natur anderen Wesen angleichen können. Es gibt trotz der bedenklichen Vision eher Ironisch-Heiteres, wie das Gespräch zwischen einer Großmutter und ihrer Enkelin von Simone Föhl. Dagegen wirkt die Geschichte der 17jährigen Jasmin Loose, die ihre Protagonistin gegen die Unsterblichkeit kämpfen lässt, durchweg kritisch. Und Kimmelmann macht mit Leuten, die nichts können, kurzen Prozess. Er zeigt mit dem ausgestreckten Zeigefinger im Ausklang seiner Agenda 2050 trotz der deutlich gemachten Gefahr auf die mangelnde Fähigkeit zur Veränderung – stellvertretend für all das, was man tagtäglich ändern könnte.


    Das sind nur ein paar der Beiträge der Anthologie. Alle daraus auch nur kurz anzuschneiden, würde den Rahmen einer Buchbesprechung sprengen. Alle zu lesen, empfiehlt sich jedoch eindeutig. Die Geschichten zeigen, dass die Autoren sich ihrer Aufgabe mit Ideenreichtum gestellt und sie teilweise komplex umgesetzt haben. Einige Ideen bieten Raum für einen Roman. Manche Beiträge sind eher philosophisch, manche wirken hoffnungsvoll geträumt, andere kritisch und bestürzend. Es geht um das Leben nach einem Nuklearkrieg, um Reisen in die Zukunft; um Unsterblichkeit, Ressourcenverschwendung und Ressourcenknappheit; um Mangel und Überfluss; um perfekte Menschen und solche, wie die Natur sie geschaffen hat; um Überlebenstaktiken und Exodus; um Bildung, Freizeitgestaltung, Ängste und Nöte, kleine Freuden und Liebe. Mal blickt der Leser zurück in die Gegenwart, mal wirft er einen Blick in die Zukunft. Mal wirkt diese Zukunft real, mal wie ein schwer realisierbarer aber erstrebenswerter Wunsch, mal fiktiv. Die damit hervorgerufenen Emotionen sind genauso vielfältig, wie die Ansätze, die die Autoren verfolgen. Die aktuellen Bezüge zu einigen Beiträgen genauso erschreckend wie der stete Hinweis auf durchaus bekanntes, doch gern verleugnetes oder ignoriertes Wissen, weil bis jetzt immer alles doch irgendwie funktioniert hat.


    Damit ist den Autoren zusammen mit den an der Verwirklichung des Projekts arbeitenden Schülerinnen und Schülern, ihrem Projektleiter und der Herausgeberin eine Mischung gelungen, die einerseits tatsächlich überraschend kurzweilig unterhält, andererseits zum Nachdenken anregt. Es ist eines der Bücher gelungen, die man durchaus schnell lesen kann, das aber mit Sicherheit wert ist, öfter in die Hand genommen und auch weitergereicht zu werden. Eines der Bücher, die man nicht einfach schnell wieder vergisst. Was vielleicht am meisten betroffen macht, sind die Geschichten der jüngsten Autoren. Der Umstand, wie viel Hoffnung die Welt im Heute ihnen offenkundig schon genommen zu haben scheint. Eine Welt, mit der die Menschheit nicht nur heute viel zu sorglos umgeht.


    Tatsache ist, dass unser Verhalten sich ändern muss und Unsere Welt 2050 zeigt sehr deutlich warum. Nicht nur, um die darin angedeuteten Horrorszenarien noch irgendwie abzuwenden, sondern um Hoffnung in unseren Kindern zu erhalten, zu schüren oder gar wiederzuerwecken. Veränderung kann und muss im Kleinen beginnen. Vielleicht mit einer Geschichte aus diesem Buch.


    Fazit


    Ein schwieriges Thema sehr gut umgesetzt. Geschichten/Gedichte, die den Leser in eigenen Gedankengängen bestätigen und unterstützen, Widerworte hervorrufen und – das ist das Wichtigste – nachdenklich stimmen. Die gelungene Verwirklichung dieser Idee lässt auf weitere Projekte dieser Art hoffen. Für Unsere Welt 2050 möchte ich trotz der kleinen Anfängerfehler, die volle Punktzahl vergeben, da diese hier nicht ins Gewicht fallen (und selbst bei Vollprofis vorkommen können).


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Im Jahr 2009 begann der in Schleswig-Holstein lebende Informatiker mit der Arbeit an Der rote Ozean. 1 Jahr später stand die Rohfassung des von periplaneta veröffentlichten Romans. Da Klapschus der westlichen Wertegesellschaft nach eig. Aussage kritisch gegenübersteht, handelt das Buch von einem Glaubenskrieg, der zu einem Endzeitszenario führt. Er spielt im Jahr 2027 und umfasst einen Zeitrahmen bis Anfang 2030, bevor der Autor im letzten Kapitel einige Jahre springt. Handlungsorte sind der Nahe Osten, mit Israel und dem Libanon, sowie die Ostküste der Vereinigten Staaten. Die Orte könnten getauscht werden, die Geschichte selbst ohne Weiteres auch im hier und jetzt spielen, da keine technischen Fortschritte oder Neuerungen vorkommen.


    Die Dystopie mit fantastischen Elementen handelt von Brian. Einem jungen Amerikaner mit libanesischen Wurzeln, der mit seinen Eltern aus den USA in den Nahen Osten gezogen ist. In der Familie gibt es Muslime wie Christen und Klapschus streift kurz das, was die Menschen in dieser Region tatsächlich teilweise leben – religionsübergreifende Beziehungen trotz aller politischen und religiösen Schwierigkeiten. Doch all das endet, als ein seltsames Wesen einen gewaltsamen Tod findet, das von beiden Seiten als göttlich anerkannt und für sich beansprucht wird. Schuldzuweisungen führen zu einem unerbittlichen Krieg. Was in der Realität bereits seit Jahrhunderten immer wieder im Kleineren aufflammt, wird hier bis zur bitteren Neige ausgetragen und bekommt noch eine neue Dimension. Denn zeitgleich beginnt sich der Ozean blutrot zu verfärben. Der Regen ist genauso gefärbt. Wasser schmeckt nicht mehr wie Wasser und ganze Kontinente versinken unaufhörlich in der nicht aufzuhaltenden roten Flut. Das Covermotiv passt mit der eher minimalistischen Art sehr gut. Es zeigt auf einem Felsen in einem blutroten Meer einen zusammengekauerten Engel, dessen erhobene Flügel (genau wie die Schrift) von einem blutigen Regen durchnässt werden.


    Obwohl Klapschus einen einfachen Schreibstil erkennen lässt und seinen Roman in kurze Kapitel teilt, was dazu führt, dass man die Geschichte in einem Rutsch durchlesen kann, macht er es dem Leser gleichzeitig nicht ganz einfach, an dran zu bleiben. Er bedient sich einiger Klischees und bleibt in seinen Beschreibungen nicht wirklich durchgehend logisch oder konsequent. Passend zur Dystopie sind seine Figuren blass. Einzig sein Hauptcharakter Brian (Christ), mit dem er wenig zartfühlend umgeht und aus dessen Sicht (wenn auch nicht von ihm) alles erzählt wird, wird etwas klarer herausgearbeitet. Doch wirkt er wenig sympathisch, oft mürrisch, feige und stellenweise geradezu fatalistisch stupide. Er ist neben der jungen Muslima Khayra anscheinend der Einzige, der einen nuklearen Angriff auf Beirut unverletzt überstanden hat und gilt als eine Art Erlöser der Menschheit, ist aber definitiv kein Held.


    Das Buch ist nicht ganz schlecht, dafür ist allein die Grundidee viel zu gut. Auch der Engel der Brian ab dem Angriff auf Beirut immer wieder besucht, hat mir gefallen. Dasselbe gilt für das Ende, das sich im Kapitel 62 auf etwas mehr als 1 Seite findet. Ich würde zu viel verraten, wenn ich explizit darauf eingehe, was dort vorkommt. Es scheint mir jedoch der einzig logische und vor allem richtige Schluss für viele Probleme, die die Erde derzeit hat. Ebenfalls passend fand ich, dass der Autor trotz des Religionskrieges keine missionarisch wirkende Partei für Muslime oder Christen ergreift, sondern den Fokus hier eindeutig auf den zerstörerischen Fanatismus richtet.


    Doch es gibt zu vieles, mit dem man einfach ohne Erklärung konfrontiert wird, was jedoch dringend einer solchen bedurft hätte. Es gibt zu viele Wenn und Aber. Zu viele glückliche Zufälle, die Brian betreffen. Vieles mag mit künstlerischer Freiheit begründet sein, alles lässt sich damit jedoch nicht begründen. Obwohl Klapschus es geschafft hat, die geringe Lernfähigkeit der Menschheit bzw. deren religionsübergreifende Verbohrtheit zu vermitteln, gibt es zu viel Störendes, als dass mich Der rote Ozean wirklich begeistert hätte. Möglicherweise wäre es sinnvoll gewesen, aus dem Roman eine allenfalls 100seitige Novelle zu machen oder ihn um mindestens 400 Seiten auszubauen. Dann hätte evtl. die Chance bestanden, so packend zu formulieren, wie die Idee es verdient.



    Kurz darauf findet ein Attentat statt. Für dieses soll laut Regierung der christlichen Welt – die sich fortan Christliche Föderation nennt – Khayras Vater verantwortlich sein. Der soll eine Hochzeitsgesellschaft samt Gebäude in die Luft gesprengt haben und damit für Brian, der mit seiner Familie eben neben Khayra und ihrer Familie dort anwesend war, der Mann sein, der den Tod seiner Familie verschuldet hat. Beirut wird im gleichen Augenblick mit Nuklearwaffen verwüstet und atomar verseucht. Oder war es doch Khayras Vater, der eine Atombombe gezündet hat? Hätte er mitten drin so etwas überlebt? Wenn es ein militärischer Gegenschlag zu dem angeblich von Muslimen verübten Mord an dem Wesen war, scheint ein Überleben des Mannes genauso fraglich. Das soll er aber laut Aussage der Christlichen Föderation. Brian wird nach seiner Ausbildung auf ihn angesetzt und soll ihn töten. Ein Selbstmordattentat wäre tatsächlich nachvollziehbar gewesen, denn so etwas ist genau wie Fanatiker im Allgemeinen leider viel zu oft traurige Realität. Doch auf den Gedanken, dass Brians Familie auch durch den nuklearen Angriff ums Leben gekommen wäre und Brian auch gar nicht unterscheiden konnte, was denn nun zuerst erfolgte, kommt der Junge nach seiner Ausbildung nicht.


    Es könnte natürlich daran liegen, dass die Geschichte ins Jahr 2027 spielt und der Autor davon ausgeht, dass dort sogar in absoluten Katastrophenszenarien alles bis ins Kleinste weltweit überwacht wird. Die Herscharen von dazu benötigten Geheimdienstmitarbeiten könnten durchaus im schriftstellerisch möglichen Bereich liegen. Ob die Vermutung stimmt oder nicht bleibt offen, denn leider bringt Klapschus das dem Leser zuvor nicht nahe. So scheint es wenig glaubwürdig, dass die Armee der Vereinigten Staaten Brian in dem radioaktiv verstrahlten, völlig verwüsteten Stück Land nur kurz nach dem Angriff findet, in die Staaten bringt und ihn als Soldat für den Glaubenskrieg ausbildet. Das alles übrigens, während zeitgleich die komplette Westküste der Vereinigten Staaten untergeht und dort Millionen von Menschen ein blutrot-nasses Grab finden.


    Ähnlich schwer Nachvollziehbares häuft sich. Liegt es gestrichenen Textpassagen, die der Überarbeitung zum Opfer fielen, das so vieles einfach als hinzunehmende Tatsache präsentiert wird? Dinge wie der Verlust von Brians Unterschenkels gegen Ende der Geschichte deuten darauf hin. Mit dieser Tatsache wird man genau wie mit vielen anderen einfach konfrontiert, während anderes ausgeschmückt wird, das wenig aussagekräftig scheint. Brian kämpft damit übrigens tapfer weiter, denn viel Zeit hat er ja nicht bis 2030.


    Oder nehmen wir Khayra. Ihre durchaus logische Wandlung vom unschuldigen Teenager in eine Attentäterin bekommt man kaum mit. Was jedoch wenig authentisch wirkt, ist ihre Vorgehensweise bei Attentaten. Zwei finden im Hoheitsgebiet der Christlichen Föderation statt. Bei dem, was Khayra vorhat, sollte man meinen, dass sie so lange wie möglich unsichtbar und angepasst an ihre Umgebung vorgeht, um ihre Mission zu erfüllen. Das tut sie aber nicht. Statt dessen hüllt sie sich in einem Land, das unerbittlich gegen Muslime vorgeht, in einen Tschador. Zieht das eine Mal zwar anscheinend feindselige Blicke auf sich, schafft es beide Male aber problemlos nicht nur den Sprengstoff, sondern auch sich selbst durch sämtliche Reihen und Sperren zu manövrieren. Diese Sache lässt sich nicht nur mit den Strukturen erklären, die zwangsläufig kollabiert sein müssen, sondern wirkt einfach nur wie ein Klischee.


    Völlig unabhängig davon ist da noch die alles verschlingende blutrote Flut. 2012-gleich schaffen beide Seiten es im Geheimen Archen zu bauen, die einen kleinen Teil der Bevölkerung retten können. Was weniger logisch ist, ist die Frage, wie das geklappt haben soll. Innerhalb weniger Monate geht Klapschus Erde sprichwörtlich unter. Abgesehen von Hunderten von Millionen Toten durch die Flut dürften auch die Zerstörungen und Toten durch die kriegerische Auseinandersetzung dazu führen, dass jegliche Infrastruktur weltweit komplett zusammenbricht. Trotzdem werden die Archen pünktlich fertig. Trotzdem kommen Briefe (von Khayra an Brian und umgekehrt, wenn auch mit einiger Zeitverzögerung) an, was wiederum dem aus Verständnisgründen angenommenen Überwachungsszenario widerspricht. Trotzdem findet sich genügend Benzin und Kerosin, dass Khayra mal eben vom Nahen Osten nach Amerika fliegen und Brian mal eben mit einem Auto zu einem Café kommen können, wo sie, tief verhüllt, alles in Schutt und Asche legt – bis auf Brian und sich selbst.


    Weil sie ihn liebt? Hasst? Das in der Inhaltsangabe stehende „In diesem Chaos begegnen sich Brian und Khayra, die sich lieben und hassen lernen….“ kann nicht überzeugen, sondern ist einfach eine weiterere Behauptung. Sie können sich kaum lieben lernen, da sie sich nur kurz und überaus selten begegnen. Sie sprechen kaum miteinander und für Liebe auf den ersten Blick ist der angebliche Hass zu krass. Der wiederum ist hauptsächlich durch ein paar Sätze von Leuten begründet, die ihnen einreden, dass die jeweils andere Religion an allem schuld und deren Vernichtung der einzige Weg ist, vor der roten Flut gerettet zu werden. Selbst Jugendliche – sie ist anfangs 15, er ein Jahr älter - lassen mehr eigenständiges Denken erwarten, als die beiden erkennen lassen. Gleichwohl ist der angebliche Hass zwischen den beiden gar nicht vorhanden. Sie tötet ihn nicht, trotz passender Gelegenheit, rettet ihn quasi sogar mehrmals. Und auch er trägt mehr oder weniger einmal dazu bei, dass sie überlebt.


    Das Wie und Warum, die Motivation für bestimmte Handlungen aller wird nicht erklärt und erscheint zum Teil mühsam konstruiert. Außerdem scheinen der Libanon und der Rest der Vereinigten Staaten plötzlich sehr nah beisammen. Immerhin starten die Kampfjets an der Ostküste problemlos in ihren Einsatz im Nahen Osten. Direkt über einen Trupp in Ausbildung befindlicher Soldaten samt Brian, der gerade einen 3-Meter-Schutzwall gegen eine Flut stapelt. Eine Flut übrigens, die jeglichen physikalischen Grundsätzen zum Trotz die Rockys völlig überschwemmt, den gerade gestapelten Schutzwall und die dahinter stehenden Häuser jedoch nur bedingt, bevor sie sich wieder zurückzieht. Nicht nur hier zeigt sich etwas von der eingangs angesprochenen Feigheit Brians. Er und seine Kameraden bekommen den Befehl, sich zurückzuziehen, als die Flut immer näher kommt. Sie fliehen (warum andere jedoch vor Ort bleiben oder bleiben müssen und fleißig weiter Sandsäcke wuchten, bleibt offen). Brian regt sich im dem Zusammenhang über Kameraden auf, denen es scheinbar nichts ausmacht, einen weiteren Kameraden zurückzulassen und diesen dadurch zu verlieren. Macht er selbst etwas? Denkt er daran, ihn zu retten? Dreht er um? Sucht er ihn? Nein. Stattdessen beobachtet er wenig später aus einem Hochhaus andere Soldaten, die immer noch fleißig stapeln und seinen verletzten Kameraden, der verzweifelt versucht, sich noch zu retten, bevor die Flut ihn einholt.


    Ein Beispiel für die fatalistisch stupid wirkende Haltung Brians? Fast gegen Ende der Geschichte wird er von der Gegenseite gefangen genommen. Nach einem Flugzeugabsturz landen er und ein Muslim auf einer Insel im Meer, wo er … sagen wir mal die Erkenntnis gewinnt, dass die Motivation für diesen Krieg auf beiden Seiten nicht stimmen kann. Kurz darauf wird er von der eigenen Armee gefunden und quasi gerettet, wobei ihm nochmals vor Augen geführt wird, die dumm die Menschen sich verhalten. Ändert Brian nach dem eigentlich sehr klärenden Vorfall sein Verhalten? Hält er inne? Denkt er nach? Nein, warum auch? Kaum bekommt er den Befehl, nimmt er die ihm in die Hand gedrückte Waffe und schießt auf alles, was muslimisch sein könnte. Auch seine Rettung ist – nebenbei bemerkt – kaum zu rechtfertigen. Der Marine egal welcher Armee dürfte es äußerst schwer fallen, sich ohne Karten und Kenntnisse über neu entstandene Untiefen, bzw. auf dem eigentlich doch ziemlich bewegten Ozean, zielgerichtet auf eine bis dahin unbekannte Insel zuzubewegen, um einen einzigen Mann zu retten. Vom Sinn oder Unsinn dieser Rettungsmaßnahme ganz zu schweigen, denn der gleichen Militärführung macht es ja nichts aus, ihn als angeblichen Erlöser in diesem Krieg kämpfen zu lassen.


    Der Autor möchte – wie er im Nachwort anmerkt – bewusst keine Antworten liefern. Wie er auf Seite 222 schreibt, möchte er den Leser dazu bringen, nach einem Besuch in einer fantastischen Welt, die Dinge aus dem Alltag mit einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Es ist zweifellos eine schriftstellerische Kunst, die Gedankenwelt der Leser anzustoßen, mitzureißen, mitdenken zu lassen und letztlich doch dorthin zu führen, wohin der Autor sie haben möchte. Eine noch größere ist es, wenn Leser die so gewonnenen neuen Gedanken in ihren Alltag mitnehmen und gar integrieren, keine Frage. Das Fatale an Klapschus Umsetzung des wirklich guten Grundgedankens ist jedoch, dass sich mir automatisch unzählige Fragen zu fehlender Logik und Konsequenz (wobei ich das Ende selbst hiervon abgrenzen möchte) seiner Geschichte aufdrängen, jedoch kaum eine zu der problematischen Thematik selbst.


    Fazit


    Zu viele Denk- und Logikfehler verderben hier leider eine sehr gute Grundidee und einen tatsächlich logisch-konsequenten Schluss. Wirklich schade, denn das passende Cover und die Inhaltsangabe haben auf etwas anderes hoffen lassen. Die von mir hier vergebenen zwei (von fünf) Punkte gibt es für die Idee und die Ausarbeitung des Covermotivs und nicht wirklich für den Inhalt. Das Buch könnte als Jugendbuch durchgehen, wobei ich anmerken möchte, dass der 14jährige Sohn einer Bekannten, der das Buch nur eine Stunde, nachdem ich es aus der Hand legte, in Angriff nahm, sich ebenfalls bereits nach wenigen Kapiteln über die fehlende Logik bestimmter Passagen ausließ.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Sebastian Fleming - Die Kuppel des Himmels
    Bastei Lübbe
    ISBN 9783404164905
    ISBN 3404164903
    Historischer Roman
    Originalausgabe 2010
    Umschlaggestaltung HildenDesign, München
    Taschenbuch 672 Seiten
    [D] 9,99 €


    Verlagsseite


    Zum Autor


    Sebastian Fleming ist, genau wie Nicholas Lessing, eines der Pseudonyme, unter denen der Autor Klaus-Rüdiger Mai seine Romane auf den Markt bringt. Er stammt aus Sachsen-Anhalt, studierte in Halle Germanistik, Geschichte und Philosophie. Er ging zum Theater und schaffte es unter dem als Kommissar Ehrlicher bekannten Peter Sodann zum Dramaturgen. Seine Veröffentlichungen reichen von Sachbüchern, wie etwa der Biografie von Michail Gorbatschow oder auch der von Papst Benedikt XVI. – beide aus dem Jahr 2005 auch zu historischen Romanen. Diese erscheinen als Abgrenzung zu seinen Sachbüchern unter einem der beiden Pseudonyme. 2009 kam sein erster diesbezüglicher Roman, der sich mit der Varusschlacht am Teutoburger Wald neun Jahre nach Beginn der christlichen Zeitrechnung beschäftigt, auf den Markt. Doch Mai ist nicht nur der Buchwelt ein Begriff. Er war als Autor und Produzent beim Fernsehen tätig. Von ihm stammt etwa die Idee der Kindersendung Schloss Einstein oder er machte beispielsweise auch eine 3teilige Dokumentation über die Zeit der Inquisition. 2005 kehrte er dem Fernsehen jedoch den Rücken und wandte sich ganz dem Schreiben zu. Der Autor verbindet dabei Dichtung und Wahrheit, flicht gut recherchierte Ergebnisse in seine Sachbücher und Romane ein.


    Zum Buch / Meine Meinung


    Das Cover von Die Kuppel des Himmels gibt den ersten, recht genauen Hinweis, worum es im Buch geht. Es zeigt die Kuppel des Petersdoms und ein paar auffliegende Vögel, die genau wie der Name des Autors und der Titel des Buches glänzend und leicht erhaben gedruckt sind.


    Fleming macht es einem anfangs etwas schwer, ihn ins Rom der Renaissance zu begleiten. Er lässt den Leser bereits in den ersten Kapiteln unzählige Figuren begegnen, ja führt quasi fast kaleidoskopartig ein. Alle sind an dem beteiligt, was seinen Lauf nimmt, weil der alte Petersdom zusehends verfällt und einer der damaligen Päpste, Julius II., den Auftrag für eine neue Basilika erteilt, in der er seine letzte Ruhe finden will. Diese Basilika soll gewaltiger werden, als alles, was jemals im Abendland erbaut wurde. Nicht nur, dass es im Rom des Abendländischen Schismas mit seiner geteilten Kirche und mehreren gewählten luxus- wie herrschsüchtigen Päpsten Gegner gibt, die den Bau um jeden Preis verhindern wollen. Der von Julius II. beauftragte Baumeister Bramante hat auch einen handwerklichen Konkurrenten, der ihm gefährlich werden kann: Michelangelo. Er ist jünger als Bramante und eigentlich nur Bildhauer, trotzdem fällt es schwer, ihn zu übersehen oder es wäre fatal, ihn zu unterschätzen. Sein Entwurf hat eine Kuppel, so weit wie der Himmel – womit der Buchtitel einen weiteren Hinweis liefert.


    Wie gesagt, der Anfang ist etwas schwer, zieht sich und verwirrt. Doch wer durchhält, wird durchaus belohnt, denn die Geschichte gewinnt mit zunehmendem Verlauf. Der Autor versucht nicht zwingend, den über ein Jahrhundert währenden Dombau in seiner Geschichte in den Vordergrund zu stellen. Doch auch wenn die Geschehnisse um und mit Julius II., Bramante und Michelangelo den Großteil der Geschichte ausmachen (die es als Hauptakteure zu den vielen Nebenfiguren gibt, welche zusätzlich auf Nebenschauplätzen in Nebenhandlungen agieren) - sie sind nur Träger und Vermittler des roten Fadens zum eigentlichen Hauptcharakter: Der omnipräsenten Kuppel des neuen Petersdoms. Dies wird schon durch die in der Geschichte enthaltenen Zeitsprünge klar. Die Figuren hauchen dem an sich nicht lebendigen Bau nur so etwas wie Leben ein.


    Das Handeln der trotz ihrer Vielfalt relativ klar gearbeiteten Figuren zeichnet ein gut nachvollziehbares Bild der damaligen Zeit. Intrigen, politischen Verwirr- und Ränkespiele, die Plünderung Roms, schemenhaften Geheimbünde, die Beschreibung des Handwerks und der mit dem Bau verbundenen Schwierigkeiten – alles trägt zu der atmosphärischen Dichte bei, die Fleming in seinem Roman webt. Die Seiten sind gefüllt mit vielen kleinen Handlungssträngen, die von ihm zu einem großen geflochten werden.


    Fazit


    Nicht ganz flüssig zu lesen, obwohl der Autor durchaus eine flüssige Sprache wählt. Kein Buch zur reinen Entspannung, da es viele Charaktere und Nebenschauplätze darin gibt. Wer sich für Geschichte interessiert, wird hier gut bedient, zumal Fleming die eine oder andere eher unbekannte Begebenheit wiedergibt. Alles in allem ein spannendes Buch, wenn man durchhält, für das ich vier von fünf Punkten vergeben möchte.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Karen Chance - Dämonisch verführt
    Originaltitel: Midnight’s Daughter
    aus dem Amerikanischen übersetzt von Andreas Brandhorst Piper
    ISBN 9783492291989
    ISBN 3492291988
    Fantasy
    Deutsche Erstausgabe 2010
    Umschlaggestaltung Guter Punkt, München
    Taschenbuch, 400 Seiten


    Verlagsseite
    Autorenseite



    Wenn man ihren Lebenslauf so liest, könnte man die US-amerikanische Urban-Fantasy-Schriftstellerin Karen Chance fast als Nomadin betrachten – immerhin lebte und arbeitete die Autorin in der Vergangenheit auf drei Kontinenten (in den Staaten, Europa und Asien). Doch es zieht sie immer wieder in ihre Heimat Florida zurück. Aus ihrer Feder stammen neben vier bekannteren Beiträgen zu Anthologien auch die Cassie-Palmer-Reihe sowie die mit Dämonisch verführt beginnende Dorina-Basarab-Reihe.


    Dorina ist eine Dhampirin – Vater Vampir, Mutter Mensch. Sie ist mit ihren 500 Jahren nicht mehr die Allerjüngste, aber vermutlich eine der ältesten Dhampire, die laut Karen Chance für ihr aufbrausendes Temperament und ihre berserkerhafte Wut bekannt sind, was sie nicht allzu lange leben lässt. Ihre Verwandtschaft ist illuster, zählt dazu doch ihr allseits berüchtigter und gefürchteter Onkel Dracula. Normalerweise geht Dorina den Vampiren aus dem Weg oder sie jagt sie als Kopfgeldjägerin schon mal gnadenlos, weil sie es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Menschheit vor den Dämonen zu schützen. Ihr Verhältnis zu ihrem Vater ist sehr gespalten, zumal er ein führende Position bei den Vampiren einnimmt.


    Vampire und Dhampire sind in Chances neuer Reihe nicht die einzigen übernatürlichen Wesen. Es gibt auch Elfen und Trolle und noch eine Reihe anderer Kreaturen. Als ihre beste Freundin Claire eines Tages spurlos verschwindet, verbündet Dorina sich zähneknirschend mit den Vampiren, um deren Unterstützung bei der Suche nach Claire zu erhalten. Im Gegenzug soll sie den Vampiren wiederum helfen, ihren Onkel Dracula zur Strecke zu bringen, der zu bösartig für die Welt ist. Statt wie sonst alleine ihre Arbeit zu machen, bekommt sie den Vampir Louis-Cesar zur Seite gestellt. Der sorgt mit seinem guten Aussehen und seiner Art dafür, dass Dorina etwas anders über ihre Verwandtschaft zu denken beginnt und dafür, dass hin und wieder eine Horde Schmetterlinge in ihrem Bauch zu flattern beginnt.


    Bücher dieser Art überschwemmen ja seit einiger Zeit den Markt. Bei einigen muss man den Kopf schütteln, weil sie oft nur aus einer Aneinanderreihung mehr oder weniger prickelnd-erotischer Szenen um ein paar Fänge herum bestehen, die kaum einen verfolgenswerten Handlungsfaden enthalten. Und nach Lektüre der Inhaltsangabe oder diverser Bewertungen könnte man fast versucht sein, Chances Auftaktroman in diese Schublade zu stecken. Doch damit täte man ihr Unrecht. Man kann ihren Auftaktroman zwar schwerlich als sonderlich tiefsinnig bezeichnen. Unterhaltend ist er jedoch allemal. Durch die Geschichte zieht sich ein roter Faden, der Jagden und Kämpfe rasant abwechselnd mit magischen Elementen und einem Hauch Romantik bzw. Erotik verbindet. Chance hält die Liaison zwischen dem etwas undurchsichtigen Louis-Cesar und der hin und wieder zickig wirkenden Dorina in einem ausgewogenen Verhältnis zum Rest der Geschichte.


    All das ist, wie von Chance gewohnt, flüssig und spielerisch leicht geschrieben, mit amüsanten, leicht prickelnden und spannenden Passagen. Blut fließt, es wird viel gekämpft – wobei sich die Beschreibung davon in einem erträglichen Rahmen hält. Übernimmt die Berserkerin in Dorina die Führung, ist sie quasi nicht bei Bewusstsein und kann – da sie die Geschichte erzählt – logischerweise nichts davon berichten.


    Ein kleiner Minuspunkt ist, dass manche der Figuren etwas diffus bleiben und dass ein Anfreunden mit ihnen dem einen oder anderen zu Beginn vielleicht sogar schwer fallen könnte. So ist Dorina kein hyperempfindliches Frauchen, sie vertritt eher die erst-zuschlagen-dann-fragen-Fraktion. Das ergibt sich natürlich logischerweise aus ihrem bisherigen Dasein, das sie ausgegrenzt und angefeindet verbracht hat und zeigt sich auch schon im Covermotiv, welches eine bewaffnete junge Frau in schwarzem, eng anliegendem Lederoutfit zeigt. Dessen ungeachtet kann die Zickigkeit, die sie dabei an den Tag legt fast nerven. Doch bald schon lernt der Leser, dass Langlebigkeit und Beinaheunsterblichkeit auch so ihre Tücken haben. Dass Vampire und Dhampire nicht unbedingt in glücklichen Familien leben und beide leiden, wenn man sie permanent missachtet oder verleugnet, wenn man ihre Angehörigen quält und tötet. Dass, egal wie tough sie wirken also jemand dahinter steckt, der durchaus verletzlich ist. Das gilt auch für Trolle, die treue Partner sein, und für Elfen, die jede beliebige Gestalt annehmen können. Und man lernt auch, dass eine verschwundene Freundin nicht immer das Schlimmste bedeuten muss.


    Es gibt noch einen zweiten Minuspunkt, der die Auflösung von Dorinas und Mirceas (ihr Vater) Vergangenheit, ihr Verhältnis zueinander und damit im Besonderen den Tod ihrer Mutter betrifft. Dieser Teil der Geschichte wirkt im Vergleich zu den übrigen Handlungssträngen eher langweilig und etwas überhastet niedergeschrieben. Da er jedoch relativ kurz gehalten ist, fällt er gleichzeitig nicht weiter ins Gewicht und geht fast in dem rasant gehaltenen Auftaktroman der Dorina-Basarab-Reihe unter. Im Juni soll übrigens der zweite Band folgen.


    Fazit


    Ein leicht zu lesender, amüsant-rasanter Auftakt zu einer neuen Reihe, mit der einen oder anderen bereits aus der Cassie-Palmer-Reihe bekannten Figur. Der Erzählstil ist ebenfalls wie in dieser Reihe gehalten. Trotz aller Ähnlichkeiten setzt Chance aber doch neu an. Dass es nicht die volle Punktzahl gibt, liegt an den eben erwähnten Schwachstellen, die die Ausarbeitung der Figuren und die Auflösung, bezüglich Mirceas und Dorinas Verhältnis zueinander, betreffen.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)