Beiträge von Ati

    Hier meine Meinung:


    Spätestens seit dem Erfolg des Auftaktromans der Dawna-und-Indie-Tetralogie (Dark Angels‘ Summer – Das Versprechen) und der damit verbundenen Veröffentlichung des Folgebandes ist bekannt, wer sich hinter den Pseudonymen Kristy und Tabita Lee Spencer verbirgt. Das Schwesternpaar Beate Teresa und Susanne Hanika ist auf dem deutschen Buchmarkt nicht ganz unbekannt. Während die 1976 geborene Beate Teresa mit mehreren Preisen für ein Jugendbuch prämiert wurde, schaffte es die acht Jahre ältere Susanne, eine erfolgreiche Kriminalromanreihe um ihre Ermittlerin Lisa Wild zu platzieren. Anlässlich der aktuell laufenden Buchreihe, die ihr erstes gemeinsames Projekt ist, dachten sie sich jedenfalls neue Namen aus, die passend zum Handlungsort und den Figuren der Dark-Angels-Reihe amerikanisch angehaucht anmuten. Auch die Informationen, dass ein Traum zu dieser Reihe inspirierte, dass sie gemeinsam auf einem einsamen Anwesen leben und gerne gemeinsam am frühen Morgen ausreiten, passen dazu. Das Anwesen liegt jedoch in Europa, genauer gesagt bei Regensburg.


    Für die Buchreihe ist es im Grunde genommen auch nebensächlich. Viel wichtiger ist es, dass man vor Dark Angels‘ Fall – Die Versuchung bereits den Auftaktroman gelesen hat. Ansonsten fehlt einfach etwas.


    In diesem ersten Band entdecken die beiden Mädchen Indie und Dawna, dass sie nicht ganz so normal sind, wie sie bisher dachten. Und dass die Welt nicht so sicher ist, wie es scheint. Azrael, der Engel des Todes, soll erweckt werden und es ist an ihnen, diese Erweckung zu verhindern und quasi die Welt zu retten. Eine Grundidee also, die variierend immer wieder mal auf dem Buchmarkt auftaucht, dieses Mal mit Dunklen Engeln. Zwar ist es den beiden Teenagern gelungen, ihre Aufgabe bisher zu erfüllen, doch die Gefahr ist nicht gebannt.


    Nach der Schließung eines Engelstores sind einige dunkle Engel übrig geblieben, die ihr Unwesen in der Nähe der Mädchen und rund um Whistling Wing, der Farm die bisher ein sicherer Zufluchtsort war, treiben. Nach wie vor warten sie darauf, dass die Mädchen einen Fehler machen, der dafür sorgt, dass Azrael zurückkehren kann. Die dunklen Engel, die sich noch im ersten Teil eher als Vögel Schaden anrichten konnten, können nun zunehmend menschliche Gestalt annehmen. Ungefährlicher werden sie dadurch jedoch nicht.


    Während die beiden Schwestern noch im ersten Teil in den 33 Tagen, an denen sie gleich alt waren, über besondere Kräfte verfügten, fehlen ihnen diese Kräfte jetzt. Ausgerechnet jetzt, während die Dunklen Engel sich Whistling Wing immer mehr nähern. Ausgerechnet jetzt, wo Dawna über Mileys Verschwinden verzweifelt ist, der ebenfalls mehr ist, als er anfangs schien. Nebenbei kommt sie Dusk näher, der - es lebe das Fantasy-Genre - natürlich auch mehr als ein Hund beziehungsweise Wolf ist, während Indie gleichzeitig mehr oder weniger erfolgreich versucht, den Dunklen Engel Gabe auf Abstand zu halten, der dank den Gefühlen zu ihr menschliche Züge wie Mitgefühl und Liebe empfindet.


    Genau wie im Cover des Auftaktromans sieht man zwei junge Mädchen Rücken an Rücken stehen. Während dort passend zum Titel Sommerblumen zu sehen waren, sieht man auf dem Umschlag des zweiten Bandes herabfallendes Laub und Wind wirbelt die Haare der Mädchen auf. Dieses Motiv passt sehr gut, denn es deutet an, dass die Mädchen mehr oder weniger auf sich gestellt und aufeinander angewiesen sind.


    Auch in Dark Angels’ Fall – Die Versuchung wird abgesehen vom Prolog jeweils ein Kapitel von Indie und dann eines von Dawna erzählt. Da diese Kapitel in der Ich-Form geschrieben sind, erfährt man trotz ständiger Perspektivwechsel nur die Sicht der Schwestern, ihre Vermutungen, Wünsche, Ängste. Um das Erkennen wer was erzählt zu erleichtern, hat der Arena-Verlag Indies Kapitel jeweils am Anfang bzw. unten auf den Seiten mit einer pinkfarbenen und Dawnas Kapitel mit einer schwarzen Feder verziert und man findet darüber hinaus auch den entsprechenden Namen über dem jeweiligen Kapitel. Zusätzlich kann man am mal eher wütend und frustrierten und dann wieder hilflos und ängstlichen Tonfall erkennen, wer gerade zu Wort kommt.


    Im zweiten Teil kommen weitere Geheimnisse und Figuren hinzu und die Mädchen merken mehr und mehr, dass es kaum jemanden gibt, dem sie trauen können. Die, die ihnen vertrauenswürdig vorkommen, fallen nicht nur im ersten Band den dunklen Engeln zum Opfer. Die, die ihr Vertrauen nicht verdienen, scheinen zumindest zeitweise auf ihrer Seite zu stehen.


    Das klingt spannend. Doch bedauerlicherweise liegt genau in dem Versuch, dadurch weitere Spannung aufzubauen, ein Manko. Denn es werden so weder die noch offenen Fragen des ersten Bandes geklärt, noch werden neu aufkommende Fragen erschöpfend beantwortet. Was im Auftaktroman noch damit erklärt werden kann, dass die Leser an die Thematik herangeführt werden sollen, sorgt nun auch im zweiten Band für unnötige Längen. Die offenen Fragen aus dem ersten Band stören in Kombination mit weiteren Fragen, Andeutungen und Geheimnissen im zweiten Band den Lesefluss bzw. lassen diesen erst gar nicht so richtig aufkommen. Und so lässt auch die im ersten Band aufgebaute geheimnisumwitterte Atmosphäre im zweiten Band bedauerlicherweise deutlich nach. Die Wiederholung bestimmter Aussagen im Hinblick auf die Gefahr sorgt für keine Steigerung, sondern generiert die bereits angesprochenen Längen. Auf den 483 Seiten von Dark Angels’ Fall – Die Versuchung steht zwar vieles, aber im Grunde erfährt man nichts bahnbrechend Neues und die Geschichte entwickelt sich nicht wirklich weiter.


    Die beiden Figuren tun das dennoch mehr oder weniger. Dawna, die noch im ersten Band eher ruhig und eine Ja-Sagerin war, ist mittlerweile eigenwillig, fast trotzig-bockig, macht sich ständig Gedanken um die drohende Gefahr und die Abwendung derselben. Sie ist nicht mehr ganz so introvertiert wie im ersten Teil. Im Gegenzug dazu zeigt sich Indie mit ihrem lockeren Mundwerk in Dark Angels’ Fall - Die Versuchung zeitweise verletzlich und hilflos, nachdenklicher als im Vorgängerband. Bedauerlicherweise macht das die Sache für LeserInnen nicht zwingend spannender.


    Angesichts der Brisanz, die das Wissen um einen drohenden Untergang der bisherigen Welt mit sich bringen dürfte, denken sowohl Indie als auch Dawna sonderlich weit im Hinblick auf ihre Bestimmung. Das erklärt sich auch nicht dadurch, dass die beiden Mädchen quasi von niemandem wirklich eingeweiht mit dem Geschehen konfrontiert werden. Dawnas Gedanken drehen sich im zweiten Band der Reihe vorwiegend um den verschwundenen Miley. Doch ist ihre Suche nach ihm mutig gestaltet? Glaubwürdig? Wohl kaum, denn in diesem Zusammenhang übersieht sie nicht nur mehrfach drohende Gefahren, scheint sie fast zu negieren und benimmt sich eher wie ein typischer Teenager, der in mehr als blindem Aktionismus handelt. Zwar kann man jetzt einwenden, dass sie ja genau das ist, doch sollte man angesichts der ständig angedeuteten Gefahr, in der sie sich, Indie und überhaupt die Welt wähnt, doch irgendwie annehmen, dass sie besonnener reagiert. Dass sie Indie dadurch in unnötige Gefahrensituationen mit hineinzieht, scheint ihr übrigens vollkommen egal zu sein. Gleichzeitig wirkt es wenig einleuchtend und unpassend oberflächlich, wenn sie die ach so drängende Suche nach Miley und mehr noch die mehr oder weniger permanente Flucht vor den Dunklen Engeln unterbricht bzw. vergisst, weil mal eben ein paar Gäste für die Engelsseminare ihre Mutter vom Bahnhof abgeholt werden müssen. Auch Indie denkt beständig an die Gefahr an sich. Jedoch: Immer nur zu insistieren, wie gefährlich etwas ist, macht die Sache für LeserInnen nicht spannender oder manche der Gedankensprünge der Mädchen keineswegs nachvollziehbarer.


    Wenig überzeugend wirkt auch der Erzählstrang um ihre Mutter und deren Verdacht, schwanger zu sein. Überhaupt, das Engelsseminar oder allgemein das alltägliche Leben um die grundsätzlich doch eher wahnsinnig machenden und zumindest Besorgnis erregenden Vorkommnisse, scheint ganz normal weiterzulaufen. Es gibt zwar vieles, was uns selbst im Alltag entgeht und was durchaus gefährlich oder besorgniserregend ist, doch irgendwie fehlt spätestens in Dark Angels’ Fall - Die Versuchung ein glaubwürdig konstruiertes Umfeld. Und die Idee, die im Auftaktroman noch eher als Vögel dargestellten Dunklen Engel, im Folgeband zunehmend in Leder gehüllt auf Motorrädern zu präsentieren, rettet die Geschichte auch nicht unbedingt.


    Wie bereits im ersten Band ist auch Dark Angels’ Fall - Die Versuchung in einem einfachen Schreibstil abgefasst, der dieses Mal jedoch mit weitaus zahlreicheren Kraftausdrücken und Flüchen gespickt ist. Was im ersten Buch noch amüsant, ja spritzig wirkte, verliert in dieser Fülle eindeutig an Reiz. Auch scheint es überaus cool zu sein, mal eben ein Pumpgun geschenkt zu bekommen. Indie oder Dawna erhalten dieses Geschenk zwar nicht, aber die Art und Weise, wie sie über die Nutzung desselben denken, ist auch nicht besser. Mag sein, dass dies dem jugendlichen Zielpublikum geschuldet ist. Wirklich passend fand ich beides nicht, denn man kann ein spannendes Jugendbuch durchaus anders gestalten. Hinzu kommt, dass Indie und Dawna zwar in gewisser Weise durch ihre Sprunghaftigkeit und ihr Hin- und Herschwanken zwischen den Gefühlen für Miley und Dusk, Gabe oder eben nicht Gabe, durchaus authentisch als Teenager präsentiert werden, im gesamten Erzählkonstrukt dennoch nicht völlig überzeugen.


    Fazit:


    Vielleicht liegt es an meinem Alter, vielleicht daran, dass ich den Fehler gemacht habe, mit dem zweiten Band der Reihe zu beginnen und den ersten dann quasi erst nachzuholen. Doch weder dieser erste Band (Dark Angels’Summer - Das Versprechen) noch seine Fortsetzung Dark Angels‘ Fall - Die Versuchung konnten mich überzeugen. Die Handlungsstränge wirken teils zu mühsam konstruiert. Sie laufen nicht schlüssig zusammen, was sie angesichts des erst zweiten Bandes ja auch nicht zwingend müssen; andeutungsweise logisch nebeneinander her zu laufen, hätte der Geschichte jedoch keinen Abbruch getan. Diese strotzt zudem vor Klischees und Andeutungen, die die an sich gute Grundidee zu sehr in die Länge ziehen. Die eigentliche Aufgabe der Mädchen hätte schon ausreichend Stoff für eine gute Geschichte geboten. Dieser Teil verliert durch den ebenfalls beschriebenen Alltag eindeutig an Glaubwürdigkeit. In zwei Bänden sind unzählige Fragen aufgeworfen worden, deren Beantwortung größtenteils offenbleibt. Da ich ungern negative Bewertungen abgebe, weil ich weiß, wie viel Herzblut für gewöhnlich in einem Roman steckt, habe ich beide Bücher vor dieser Buchbesprechung zwei Mädchen gegeben, die alterstechnisch in die empfohlene Zielgruppe passen. Beide haben unabhängig voneinander meine Meinung bestätigt, weshalb ich Dark Angels‘ Fall - Die Versuchung (und im Grunde auch Dark Angels’Summer - Das Versprechen) nur zwei von fünf Punkten geben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Simon Mawer: Die Frau, die vom Himmel fiel


    Deutsche Verlags-Anstalt
    Originaltitel: The girl who fell from the sky
    Aus dem Englischen übersetzt von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel
    ISBN 13: 9783421045652
    ISBN 10: 3421045658
    1. Auflage 11/2012
    Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 384 Seiten
    [D] 19,99 €


    Verlagsseite
    Autorenseite (englisch)


    Mit dem von DVA herausgegebenen Titel Die Frau, die vom Himmel fiel von Simon Mawer kommt dessen erster ins Deutsche übersetzter Roman auf den hiesigen Buchmarkt. Mawer wurde 1948 in England geboren, wuchs in Zypern und Malta auf und lebt heute in Italien. Seit 1989 erschienen acht seiner Romane, die in über zwölf Sprachen übersetzt wurden. Es handelt sich um Chimera, A place in Italy, The bitter cross, A jealous god, The gospel of Judas, The Fall, Swimming to Ithaca, Gregor Mendel: Planting the seeds of genetics, und The girl who fell from the sky, der in seiner deutschen Übersetzung gerade vor mir liegt. Darüber hinaus gab es noch Mendel’s Dwarf und The Glass Room. Beide wurden für den Booker-Preis nominiert. Mawer schreibt, wie man bereits den Titeln entnehmen kann, also keine Liebeskomödien.


    In Die Frau, die vom Himmel fiel geht er auf ein Thema ein, das vielen eher unbekannt sein dürfte. Darauf, dass im Zweiten Weltkrieg in England junge Frauen zur Spionage ausgebildet wurden. Etwa fünfzig von ihnen wurden mit Fallschirmen über besetztem Gebiet abgesetzt, damit sie dort ihrer Tätigkeit nachgehen konnten. Benannt wurden diese SOE-Frauen nach ihrer nachrichtendienstlichen Spezialeinheit (Special Operations Executive). Fünfzig Jahre nach Entsendung des ersten SOE-Agenten wurde von der französischen Regierung das Vaelençay-SOE-Mahnmal enthüllt, welches einundneunzig Männer und dreizehn Frauen ehrt, die im Rahmen ihrer Spionagetätigkeit ihr Leben verloren. Zwölf dieser Frauen fielen den Deutschen zum Opfer, eine starb an einer Hirnhautentzündung.


    Marian Sutro ist einer dieser Frauen. Sie entstand in Erinnerung an Colette, der Mawer seine Geschichte widmet. Marian Sutro, alias Alice Thurrock, alias Anne-Marie Laroche. Als sie angeworben wird, ist sie schnell bereit zu tun, was man von ihr erwartet. Was ihr etwas Probleme bereitet ist, dass sie nicht in alles eingeweiht wird und das auch weiß. Sie muss blind vertrauen lernen. Nicht nur ihren Vorgesetzten und anderen Agenten, mehr noch sich selbst. Denn im Grunde darf sie gleichzeitig niemandem mehr trauen. Ihr Bauchgefühl, ihr Verstand, ihr inneres Radar muss funktionieren, wenn sie unentdeckt bleiben will. Sie muss ihre Vergangenheit als Tochter eines britischen Diplomaten und einer französischen Mutter vergessen, ihren Bruder. Eigentlich sollte sie auch Clément vergessen, den sie vor dem Krieg kannte, doch der rückt mit ihrer Mission plötzlich wieder zum Greifen nah, da er wie ihr Bruder Physiker ist. Sie muss von heute auf morgen eine Lüge leben, einfach weil sie die Fähigkeit besitzt, Französisch wie ihre Muttersprache zu sprechen. Sie wird im Töten ausgebildet, lernt Fallschirmspringen, zu morsen, sich zu verstellen. Das alles während des Krieges, also quasi im Schnelldurchgang.


    Speziell zu lernen, niemandem mehr zu trauen, ist überaus schwierig. Was man sein Leben lang gemacht hat, prägt schließlich das momentane Handeln. Situationsgebundene paranoide Denkweisen entstellen das Weltbild, das man für gewöhnlich hat. Als Marian gerade neunzehnjährig in Frankreich in ein Netzwerk von Spionen und ihren Helfern eintaucht, wird ihr bewusst, dass es keinen Plan B gibt. Dass im Notfall höchstens die Zyankali-Kapsel auf sie wartet, die ihr kurz vor Verlassen Englands überreicht wird. Da hilft es auch nichts, dass sie im Rahmen ihrer Ausbildung Benoit kennenlernt und eine Affaire mit ihm beginnt. In Frankreich ist sie auf sich allein gestellt. Der Großteil ihrer Tätigkeit ist Beobachten, Ausharren, auf den richtigen Moment warten. Doch sie wird auch als Kurier benutzt oder an der Ausschleusung relevanter Personen beteiligt. Clément ist als Physiker und im Wettlauf um die Bombe von überaus großem Interesse für die Engländer.


    Und genau wie andere Agenten muss sie bitter erfahren, dass die Deutschen ihre Augen und Ohren nicht selbst überall haben, sondern dass aus wegsehenden Zivilisten genau wie aus enttarnten Agenten Kollaborateure und Verräter werden können.


    Die Times schrieb zu Die Frau, die vom Himmel fiel: „Leidenschaft plus Gefahr – was könnte aufregender sein?“


    Mawers beginnt mit dem Kapitel Trapez. Überaus passend tituliert, denn was darin geschieht, weist eindrücklich darauf hin, dass es bei der Operation kein rettendes Netz gibt und eine einzige falsche Entscheidung zum Tod führen kann. Der Autor teilt danach seine Kapitel in die Zeit in England und Frankreich. Während die Zeit im ersten Teil im Präteritum abgefasst ist, sind die Kapitel in Frankreich im Präsens geschrieben. Diese Zeitform lese ich grundsätzlich nicht so gerne, allerdings unterstreicht sie in meinen Augen den Druck, unter dem Marian steht. Die einzelnen Kapitel sind relativ kurz und viele Details weben ein klares Bild der damaligen Zeit und Denkweisen. Marian wirkt erwachsen und abgeklärt, man sieht sie klar und doch in gewisser Weise gesichtslos vor sich. Ebenso die anderen Charaktere. Doch auch dies konveniert in meinen Augen mit ihrer Spionagetätigkeit.


    Störend wirkte auf mich die Fülle französischer Formulierungen. Nicht weil ich etwas gegen die Sprache habe. Genau genommen ginge es mir mit jeder anderen Sprache genauso. Wenn die Atmosphäre stimmt und Marian glaubwürdig keinen Unterschied zwischen ihren beiden Muttersprachen macht (beides habe ich so empfunden), stört der beständige Wechsel eher. Zumal nur einige Formulierungen zeitnah übersetzt oder erklärt werden, andere jedoch gar nicht.


    Der Autor erzählt die Geschichte aus Marians Sicht in dritter Person. Allerdings kommen auch Passagen vor, in denen man sich direkt vom Erzähler angesprochen fühlt. Speziell im Frankreichteil fiel mir dies auf. Manchmal wirkten diese fast wie Gedanken von Marian, dann wieder wie die des Erzählers. Einige wirkten jedoch auch etwas hölzern auf mich und störten meinen Lesefluss.


    Gut umgesetzt ist jedoch der Wechsel im Erzähltempo. Mehr als einmal bremst Mawer an genau der richtigen Stelle ab, um heikle Momente hervorzuheben. Mehr als einmal nimmt genau im exakten Augenblick erzähltechnisch wieder Fahrt auf.


    Obwohl ich so ziemlich alles lese, zählen Agentenromane eher zu den Büchern, die ich weniger gerne zur Hand nehme. Vielleicht weil ich durch einen Exfreund bedingt etwas Bond-geschädigt bin. Sobald das Wort Agentenroman fällt, habe ich erst einmal diesen Namen im Kopf, bevor ich mich dann an andere erinnere. Egal ob die Figuren darin fiktiv oder reflektiv dargestellt werden, er drängt sich gedanklich bei mir recht unschön in den Vordergrund. Irgendwie störte mich seine Lizenz zum Töten, der technische Schnickschnack, mit dem er gegen die Bösen kämpft. Oder die Art, wie er das alles übersteht, quasi wie Phoenix aus der Asche steigt. Warum ich das erwähne? Wegen des oben stehenden Zitats der Times. Natürlich gehen nicht alle Agentenromane in diese Richtung, doch wer angesichts der Times-Formulierung eventuell erwartet, James-Bond-ähnliche Sexszenen in Hotelzimmern, im Flugzeug oder im-am-unter-auf-dem-Wasser zu lesen, wird enttäuscht. Mawers Roman kommt auch ohne große Explosionen und technische Spielereien mit Crash-Boom-Bang-Effekt aus. Und zwar ohne, dass etwas fehlt.


    Die Figuren in Die Frau, die vom Himmel fiel sind keine unzerstörbaren Kämpfer für Gut und gegen Böse. Es sind Menschen wie wir, die in etwas hineingezogen wurden, was größer ist, als sie vielleicht jemals annahmen. Schachfigurartige Spieler in einer Realität, die sich verselbstständigt hat. In der nicht immer hundertprozentig klar ist, wer nun richtig oder falsch handelt. Die Feinde und Freunde oder zumindest wohlgesonnene Dritte nicht immer gleich auf Anhieb erkennen. Die Fehler und Schwächen haben.


    Die im Times-Zitat erwähnte Leidenschaft spiegelt sich für mich im Bezug auf die Tätigkeit der Agenten wieder. Zwar hat Marian ganz normale Bedürfnisse, doch die treten angesichts der Geschehnisse dezent in den Hintergrund. Stört das? Sicher nicht, zumal man die Gefahr, in der sie und ihre Mitstreiter schweben, gut nachvollziehen kann. Die latente, aber ständig vorhandene Angst wird greifbar.


    Fazit:


    Laut Verlaggseite handelt es sich um einen packenden Roman über eine starke junge Frau, die Mut in gefährlichen Zeiten beweist, und eine »Casablanca«-gleiche Liebesgeschichte vor der Kulisse des historischen Paris. Doch nicht nur Casablancafreunde werden sich mit Die Frau, die vom Himmel fiel unterhalten fühlen. Trotz der vorgenannten Punkte konnte ich das Buch nicht zur Seite legen, wollte wissen, wie es mit Marian weitergeht. Angesichts des historischen Kontextes blieb Mawers ja wenig Spielraum für den Ausgang der Geschichte im Bezug auf den Rest der Welt. Marians Schicksal jedoch konnte er bis zum letzten Kapitel ungewiss lassen. Im Gesamten betrachtet wirkte der Großteil der Geschichte eher abstrakt distanziert als wirklich aufwühlend auf mich. Sie macht dennoch nachdenklich und auf ganz eigene Art berührend fand ich Die Frau, die vom Himmel fiel allemal. Daher möchte ich für Mawers Roman vier von fünf Punkten dafür vergeben.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Dres. med. H. U. Hecker & Kay Liebchen:
    Aku-Taping


    TRIAS
    ISBN13: 9783830468646
    ISBN10: 3830468644
    Fachbuch, Ratgeber Gesundheit
    3, überarbeitete und Auflage 2012
    Softcover, 128 Seiten
    [D] 19,99 €


    Verlagsseite


    Die Autoren, Dres. med. Hecker und Liebchen, beschäftigen sich beide mit Akupunktur. Hecker zudem mit Chinesischer Medizin, wozu er schon zahlreiche Publikationen in mehreren Sprachen veröffentlichte, mit Homöopathie und Naturheilverfahren. Liebchen befasst sich in seiner orthopädischen Praxis auch mit Osteopathie und. Eine besondere Form der Schmerzbehandlung stellt dabei sicher das von ihm und Hecker gemeinsam entwickelte Aku-Taping dar. Sowohl Hecker als auch Liebchen geben ihr Wissen nicht nur in Form von entsprechenden Fachbüchern, sondern auch in Seminaren weiter.


    Was ist der Unterschied zwischen Kinesio-Taping und Aku-Taping? Letzteres ist, wie man dem Buch Aku-Taping gleich nach Inhaltsverzeichnis und Vorwort entnehmen kann, eine Weiterentwicklung von Ersterem. Eine perfekte Ergänzung also zu dem zuvor besprochenen Buch Das Taping-Selbsthilfe-Buch von John Langendoen und Karin Sertel. Beide Bücher lassen LeserInnen an einem gelebten Erfahrungsschatz teilnehmen, der sowohl für Laien als auch für diejenigen interessant ist, die sich beruflich mit der Materie beschäftigten. Laien dürfte kein wirklicher Unterschied auffallen, orientieren sich doch beide Taping-Formen an Meridianverläufen und Akupunkturpunkten, verwenden dehnfähige Klebebänder in unterschiedlichen Farben und sind beide Erfolg versprechend bei gleichzeitig gemeinsamen Kontraindikationen. Es scheinen einfach verschiedene Begriffe zu sein und doch gibt es natürlich entsprechende Unterschiede. Praktischerweise sind beide Taping-Formen in ihren Grundzügen leicht auch von absoluten Laien lernbar, die sich dafür interessieren.


    In Aku-Taping findet man fünfundzwanzig Basis-Tapes, die vom Aufbau her modernen kinesiologischen Tapes ähneln, und mit denen man erfolgreich gegen eine Reihe von Beschwerden und Schmerzen vorgehen kann. Der Grund, aus dem die Autoren sich auf diese Zahl beschränken, liegt darin, dass sie mit dem 128 Seiten umfassenden Buch allenfalls auch für Laien geeignetes Basiswissen vermitteln können. Und auch hier sollte man im übrigen mindestens zu zweit einen Blick in das Buch werfen und zwar aus genau denselben Gründen wie bei Das Taping-Selbsthilfe-Buch von John Langendoen und Karin Sertel. Es gibt einfach Bereiche, die man selbst nicht erreicht.


    Die Autoren bieten leicht verständliche, ausführliche Informationen zu dem Thema. Beschreiben, worum es sich bei Aku-Taping handelt, gehen auf Vor- und Nachteile ein, die Taping ratsam oder weniger ratsam scheinen lassen. Man erfährt wissenswerte Tipps und Hinweise über die Beschaffenheit und Farben der Bänder. Auch in Aku-Taping kommen Vorteile und Wirkweise von Cross-Taping nicht zu kurz. Und nach einer Rundreise durch den menschlichen Körper schließt der erste Teil des Buches ab.


    Nebenbei bemerkt, auch in diesem Buch ist die Gestaltung wie bei dem zuvor besprochenen Das Taping-Selbsthilfe-Buch gehalten. Ein ganzseitiges Foto und ein farbiges Trennblatt schaffen einen harmonischen Übergang vom einen zum anderen Teil.


    Nach fünfzig die theoretische Hälfte beschreibenden Seiten gelangt man dann zum eher praktischen Anleitungsteil. In Aku-Taping findet man ebenfalls nützliche Tabellen zum Nachschlagen mit Beschwerdebildern von A – Z und die dazugehörigen Taping-Empfehlungen. Praktischerweise wird hier auch gleich der Verweis auf die entsprechende Anleitungsseite gegeben.


    Jede der fünfundzwanzig Anleitungen umfasst eine Doppelseite. Auf den geraden Seiten findet sich die schriftliche Anleitung, auf den Ungeraden dazu passende, durchnummerierte Fotos (je nach Erklärungsbedarf zwischen zwei und acht Stück, wobei eines immer das fertige Tape zeigt). Die schriftliche Anleitung teilt sich in einen Info-Bereich. In diesem wird angeführt, bei welchen Beschwerden das Tape angewendet wird, wie viele Streifen man benötigt und wo diese angebracht werden. Die Beschreibung ist hier sehr knapp gehalten, wird jedoch durch die Fotos so gut ergänzt, dass nicht wirklich etwas fehlt. Zudem beschreiben die Autoren das Anbringen direkt neben dem Infofeld etwas mehr, gehen dabei aber auch eine weitere wichtige und unterstützende Maßnahme ein: das Vordehnen des entsprechenden Anwendungsgebietes vor Anbringen des Tapes. Auf den Fotos sieht man übrigens auch, wie dieses auszusehen hat.


    Mit einem ganzseitigen Foto und dem farbigen Trennblatt geht es dann in den dritten Teil zum Cross-Taping. Die einzelnen Punkte werden beschrieben und fotografisch dargestellt, was das Anbringen der kleinen, hilfreichen Pflaster für Laien enorm erleichtern dürfte.


    Im Anhang findet man dann noch Hinweise für die Suche nach dem richtigen Therapeuten (falls man sich nicht persönlich an die Sache traut oder einfach niemanden hat, der einem notfalls helfen kann), Bezugsquellen für das benötigte Material und eine Schlussbemerkung. Denn selbst wenn man die Grundzüge von und mit Aku-Taping leicht lernen kann, gilt auch hier der kritische Blick, der vor Fehlern infolge falscher Anwendung oder Nichtbeachtung von Gegenanzeigen schützt. Man sollte sich immer vor Augen halten, was bei richtiger Anwendung gut hilft, kann bei falscher Anwendung nicht nur nicht helfen, sondern auch schaden.


    Fazit


    Auch hier gilt natürlich, dass das Buch weder eine Diagnose noch - je nach Art und Dauer der Beschwerde - einen erfahrenen Behandler ersetzt. Aku-Taping ist für mich ein gelungenes und für Laien empfehlenswertes Praxisbuch. Die Autoren vermitteln ihr Wissen lebendig und nachvollziehbar. Aku-Taping stellt eine Bereicherung für meine Bibliothek dar, da ich damit mein Wissen auffrischen und etwas erweitern konnte und zudem ein kleines Nachschlagewerk habe, das es mir erleichtert, dieses Wissen anzuwenden. Also, wer interessiert ist, einfach kaufen und lesen. Und dann heißt es probieren, probieren, probieren. Und wer die Wirkung dieser Behandlung noch nicht kennt, wird gewiss eine mehr als positive und angenehme Überraschung erleben.


    Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

    John Langendoen & Karin Sertel:
    Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD


    TRIAS
    ISBN-13: 9783830439035
    ISBN-10: 3830439032
    Fachbuch, Ratgeber
    Flexcover, 250 Seiten mit DVD
    [D] 29,99 €


    Verlagsseite


    Mein persönliches Schmerzempfinden ist so, dass ich nicht augenblicklich zu Schmerztabletten oder entsprechenden Salben greifen muss und will. Allerdings plagt mich um diese Jahreszeit seit einem (Mehrfach-)Bruch ein eklatant schmerzhaftes Ziehen im Bereich der Achillessehne, welches trotz entsprechender Bewegungstherapie und/oder Akupunktur nicht wirklich nachlässt. Doch es gibt ja noch andere Behandlungsmöglichkeiten. 2004 verfolgte mein Arzt, nachdem ich eine Operation kategorisch abgelehnt hatte, zähneknirschend den Behandlungsverlauf besagten Bruches. Er belächelte meinen Enthusiasmus, mit dem ich auf den Vorschlag meines Physiotherapeuten einging, der mich tapen wollte. Dessen Chef, Thomas Metzger (Inhaber der physiotherapeutischen Praxis medVital in Schwäbisch Gmünd), hatte sich nicht nur bereits früh mit dieser Behandlungsform beschäftigt, sondern auch bei meinem Therapeuten ausbildungstechnisch ganze Arbeit geleistet. Der Behandlungserfolg verblüffte nicht nur meinen Arzt, sondern auch alle anderen, die über mein pink- und/oder türkisfarben beklebtes Bein samt Fuß gelacht hatten. Heute sieht man die Leute querbeet bunt beklebt herumlaufen. Vom einfachen Schüler, über Büroangestellte und Arbeiter, bis hin zum Leistungssportler. Von der Nase bis zum kleinen Zeh.


    Die Wirkung hat mich damals so verblüfft, dass ich, sobald es mir möglich war, einen Kurs belegt habe. Wirklich angewandt habe ich das Gelernte danach selten. Und deshalb tut eine Auffrischung dringend not. Nicht nur wegen meiner aktuellen ziehenden Schmerzen, auch weil man damit verschiedene Beschwerden quasi einfach wegkleben kann, indem man sich an Meridianverläufen und Akupunkturpunkten orientiert. Ich bestellte mir also entsprechende Tapes und bald darauf lagen sie vor mir, in den schönsten, leuchtendsten Farben. Ein paar Zentimeter breit, einige Meter lang. Das eher langweilige Schwarz und Beige einzelner Rollen unterstrich den leuchtenden Pinkton, das klare Blau, das giftige Grün, das appetitliche Brombeer oder das satte Rot der anderen. Allein angesichts der Farbenpracht der Aku-Tapes, auch Kinesio-Tapes oder einfach Tapes genannt, vergisst man schon fast das Zwicken und Zwacken, das einen laut Pharma-Werbung mit zunehmendem Alter zu plagen hat.


    Damit die schönen bunten Tapes jedoch nicht einfach nur schön waren, sondern auch ihre volle Wirkung entfalten konnten, bekamen meine Bücherregale zusätzlich Zuwachs in Form von zwei Büchern aus dem Hause TRIAS. Eins davon war Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD. In dem Gemeinschaftswerk von John Langendoen und seiner Frau Karin Sertel geht es um die Hilfe zur Selbsthilfe in Form von Taping. Die beiden Autoren sind unter anderem als Physiotherapeuten tätig und beide kamen 2002 erstmals mit kinesiologischem Taping in Kontakt. Langendoen wurde während der Fußball-WM durch die Behandler der koreanischen Nationalmannschaft damit infiziert, seine Frau wiederum von ihm. Zehn Jahre später wenden beide diese Behandlungsform nicht nur erfolgreich an, Langendoen unterrichtet sie darüber hinaus international in mehr als fünfzehn Ländern.


    Die beiden wissen also, wovon sie reden. In ihrem Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD lassen sie auch interessierte LeserInnen an ihrem Wissen teilhaben. Über 70 Anleitungen zum richtigen Anlegen von Tapes sollen nicht nur gegen Schmerzen grundsätzlich helfen, sondern auch bei über 160 Beschwerden (unter anderem etwa gegen Ödeme, Menstruations- oder Atemprobleme). Wobei sollen eindeutig die falsche Formulierung ist. Aus eigener Erfahrung weiß ich um die Wirksamkeit einer solchen Behandlung.


    Bevor man auf Seite 49 in zwei Tabellen jeweils von A bis Z etwas über Beschwerdebilder und die dafür geeigneten Tapes oder die in der Inhaltsangabe angekündigten 70 Tape-Anlagen, ihre Anwendungsgebiete und Kombinationsmöglichkeiten nachschlagen kann, sollte man sich durch die ausführlichen Informationen arbeiten.


    Die findet man im ersten Teil des Buches, von Inhaltsverzeichnis und Vorwort gut abgegrenzt durch ein ganzseitiges Foto und eine farbige Trennseite mit der Überschrift Was sie über Taping wissen sollten. Bereits die Lektüre dieser Informationen verweist auf das fundierte Wissen der Autoren. Hier erfährt man Grundsätzliches über die Einsatzmöglichkeiten und Kontraindikationen. Denn auch beim Taping gilt natürlich: Keine Wirkung ohne Gegenwirkung und so sollten beispielsweise Lernwillige mit Herzproblemen den Kontraindikationen Beachtung schenken, wenn sie ihren Lymphfluss anregen wollen, um im Do-it-yourself-Verfahren gegen Wassereinlagerungen vorzugehen. Beachtet man die Warnhinweise, hat man jedoch tatsächlich eine Behandlungsform ohne Nebenwirkungen für sich entdeckt (sofern man sie noch nicht persönlich kennt). Man erfährt etwas über die Wirkweise, die Funktion und die Entwicklungsgeschichte. Doch damit nicht genug. Das Autorenduo geht ebenso ausführlich auf die Materialien, die Herstellung, den Tragekomfort, vorherige Enthaarung, Tragedauer und Entfernung der Tapes ein. Oder auf die Wirkweise der Farben, wobei grundsätzlich fürs Tapen jede Farbe genutzt werden kann. Ab Seite 35 widmen sie sich der Vorbereitung der Tapes (etwa Abmessen und Zuschneiden), der Suche nach der Ausgangs- und Endstellung der Tapes oder geben Tipps zur Fehlervermeidung.


    Dann beginnt der zweite Buchteil, wieder gut abgegrenzt durch ein ganzseitiges Foto sowie eine farbige Trennseite mit der Überschrift Alle Tape-Anlagen von Kopf bis Fuß. Es wird auf sechs Basis-Tapes, elf Fuß- und Unterschenkel-Tapes, dreizehn Knie- und Oberschenkel-Tapes, siebzehn Brust-, Bauch- und Rücken-Tapes, sieben Hand- und Finger-Tapes, sieben Ellbogen- und Unterarm-Tapes, acht Schultergürtel-Tapes, sieben Halswirbelsäulen-Tapes und vier Tapes am Kopf bzw. im Gesicht eingegangen. Bei einem der Hüftgelenks-Tapes umfasst die Anleitung vier Seiten, ansonsten widmen sich je zwei Seiten einem Tape.


    Auf den geraden Seiten findet man dabei die schriftliche Anleitung, auf den ungeraden entsprechende Fotos. Die Anzahl dieser Fotos variiert je nach Anleitung zwischen drei und sieben Stück. Die Größeren zeigen dabei jeweils das fertige Tape. Die Kleineren, zum besseren Verständnis unten links nummeriert, den Aufbau. Der schriftliche Teil daneben ist fast rezeptartig aufgebaut. Nach der jeweiligen Bezeichnung des Tapes, und dem Hinweis, warum man es wo einsetzt, folgt eine kleine Einleitung. Dann kommt linksseitig quasi die Zutat (wie viele Tape-Streifen, welche Zuschnittsform, Anwendungsdauer, wie viel Zug auf das Tape gebracht werden darf), sowie mögliche Kombi-Tape-Bezeichnungen. Überaus praktisch empfinde ich hier die kleinen Zeichnungen zu den benötigten Tapes/Tape-Zuschnitten. Rechtsseitig folgt dann die ausführliche Anleitung, die durch die nachfolgenden Bilder lehrreich unterstützt wird.


    Ein weiteres ganzseitiges Foto sowie eine farbige Trennseite schaffen die Abgrenzung oder den Übergang zum dritten Buchteil. Wie die Autoren von Aku-Taping beschäftigen sich auch Langendoen und Sertel mit Sonderpunkten, gehen auf Gitter-Tapes und ihre Anwendung sowie deren unterstützende Wirkung ein. Man erfährt, dass die Gitter-Tapes auch durch andere kleinere Pflaster ersetzt werden können, bzw. durch welche. Sodann widmet sich das Autorenduo auf vierzehn Seiten den dafür in Frage kommenden Punkten. Wer bis jetzt noch nichts darüber wusste, kennt nach der Lektüre den einen oder anderen Meridian- und Akupunkturpunkt oder relevante Nervenstellen.


    Abschließend enthält Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD auch Hinweise auf Tapemarken, ihre Erhältlichkeit, auf Kurse oder Therapeuten und etwaige Kosten. Eine Danksagung, eine Schlussbemerkung und ein Stichwortverzeichnis rundet alles ab.


    Alles? Nicht ganz. Denn ganz am Schluss, schon auf dem hinteren Vorsatzpapier des Buches findet man nochmals eine kleine Fotoserie mit den Top Ten von Selbsthilfe-Tapes und direkt gegenüber natürlich die in einer kleinen Plastikhülle steckende DVD, auf der man eben diese Top-Ten-Tapes vorgeführt bekommt.


    Allerspätestens beim Ansehen der DVD wird klar, dass man zwar vielleicht nicht alle Tapes im Alleingang für sich selbst anlegen kann. Selbsthilfe bedeutet jedoch nicht automatisch, dass man alles immer selbst an sich machen muss oder kann. Helfende Hände sind manchmal durchaus nötig. Doch nicht immer müssen diese zu perfekt ausgebildetem Fachpersonal gehören. Wadenwickel oder Verbände können schließlich auch nicht nur Krankenschwestern anlegen.


    Fazit


    Ein sehr gut gelungenes Lehr- und Praxisbuch, in dem fundiertes Wissen lebendig vermittelt wird. Einen Arzt ersetzt es natürlich nicht. Länger anhaltende und vor allem unklare Beschwerdebilder sollten zuvor fachmännisch abgeklärt werden. Dennoch hält man mit Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD eine wertvolle Hilfe zur Selbsthilfe in der Hand, die man mit Sorgfalt umsetzen sollte. Und wer einmal davon infiziert ist, wird vielleicht auch noch den einen oder anderen Kurs belegen. Notwendig ist das jedoch dank der bildhaften Darstellung wie auch anhand der leicht nachvollziehbaren Beschreibungen im Buch nicht zwingend. Das Buch zeigt, dass man die Grundzüge des Tapens relativ leicht lernen kann. In Das Taping-Selbsthilfe-Buch mit DVD wird gleichermaßen kompakt wie ausführlich elementares Wissen über diese Behandlungsform vermittelt, was das Buch nicht nur für Fachleute, sondern auch für interessierte Laien überaus aufschlussreich macht. Ein empfehlenswertes Buch und eine Bereicherung für mein Buchregal. Jetzt muss ich mir nur noch neue Tapes besorgen. Die sind nämlich schon alle aufgebraucht. Nicht nur weil ich mir durch das Tapen meines Unterschenkels und Fußes in Kombination mit Akupunktur selbst geholfen habe, sondern auch und vor allem weil mir die vielen Anleitungen so Spaß gemacht haben, dass ich mir alle möglichen Übungsopfer gesucht habe. Lesen allein hilft ja bekanntlich nicht, man muss üben, üben, üben. Und das geht mit diesem Lehr- und Praxisbuch sehr gut.


    Copyright © 2012 by Antje Jürgens (AJ)

    Danger Zone - Science Fiction Stories
    Werner Karl
    tredition
    ISBN13: 978-3842400917
    ISBN10: 3842400918
    Kurzgeschichten, Science Fiction
    1. Auflage 2011
    Taschenbuch, 188
    [D] 13,49 €


    Verlagsseite
    Autorenseite


    Obwohl ich an und für sich keinem Genre gänzlich abgeneigt bin, zählte und zählt Science Fiction nicht zu meinen Favoriten. Zu abgehoben sind mir viele der Geschichten, zu schleimig habe ich manchen Alien im Hinterkopf (warum das immer so zugehen muss, ist mir ein absolutes Rätsel). Von den für mich abstrus, weil nicht nachvollziehbar, wirkenden technischen Erklärungen, die man darin oft findet, ganz zu schweigen.


    Nichtsdestotrotz bin ich 2010 auf Werner Karl, den Verfasser der vor mir liegenden, in Buchform abgefassten Kurzgeschichten, gestoßen. Der in Nürnberg geborene Autor lebt heute in Bayern. Hauptberuflich in der Druckindustrie tätig, widmet er seine Freizeit seit fast einem Jahrzehnt der Liebe zum Schreiben. In seiner Funktion als Chefredakteur von buchrezicenter.de verfasst er Buchbesprechungen zu den Genres Fantasy und Science Fiction. Daneben schreibt er jedoch auch eigene Kurzgeschichten und Romane.


    Seine Liebe zu diesem Genre entstand in den 1970ern, als er sich die Folgen einer US-TV-Serie mit dem Namen „The Twilligt Zone“ im Fernsehen ansah. Die in Danger Zone - Science Fiction Stories enthaltenen Kurzgeschichten sind denn auch als Hommage an diese Serie zu sehen. Darauf wird sowohl im Vorwort als auch auf der Buchrückseite hingewiesen. Wie man dem Inhaltsverzeichnis entnehmen kann, enthält das Buch eine Auswahl von zwölf Geschichten, die in den Jahren 1997 bis 2010 entstanden sind. Vier von Ihnen wurden in SF-Fanzines (SOLAR-X bzw. SOLAR-TALES) veröffentlicht, ein Teil im Rahmen von Wettbewerben auf diversen Websites eingestellt. Drei von ihnen sind ausschließlich in Danger Zone - Science Fiction Stories zu lesen.


    Wer die Geschichten nicht mühsam im Netz zusammensuchen möchte, gleichzeitig aber keinen Wert auf ein gedrucktes Buch legt, kann die zwölf Geschichten auch in Form eines E-Books bei tredition erwerben (ISBN 9783868508048).


    Da ich um Sci-Fi jedoch im Allgemeinen einen Bogen mache, weil mir vor dem Kauf grundsätzlich entgeht, ob es sich um Hardcore-Sci-Fi handelt oder nicht, war mir keine der Geschichten bekannt, als der Autor mich im April 2010 fragte, ob ich nicht Interesse daran hätte, eine Illustration zu der einer oder anderen anzufertigen. Und da mein zweiter Vorname statt Kerstin eigentlich Neugier heißen müsste, vertiefte ich mich kurz darauf in die mir zu diesem Zweck überlassenen Leseproben.


    Gleich vorab: Ich wurde nicht enttäuscht. Angenehm überrascht trifft es da eher.


    Die erste Geschichte handelt vom ersten Menschen. In Anlehnung an die Bibel tritt er quasi im Paradies auf. Doch davon handelt die Geschichte nur bedingt, widmet sie sich doch eher der Entstehung seines Bewusstseins auf dem Weg ins Leben. Und, wieder in Anlehnung an die Akzeptanz einer göttlichen Macht, geht das Buch auch zu Ende; mit einer Geschichte, um einen kosmischen Neubeginn, dem zunächst einmal die Zerstörung von Bestehendem zugrunde liegt.


    Dazwischen geht es in B]Danger Zone - Science Fiction Stories[/B] natürlich auch um Raumsoldaten und Weltraumschlachten. Glücklicherweise (für mich) ergeht sich der Autor dabei jedoch nicht in zu ausführlichen Beschreibungen futuristischer Technologie oder wissenschaftlicher Annahmen. Und erfreulicherweise (ebenfalls für mich) handelt auch nur der kleinste Teil der zwölf Geschichten speziell davon.


    In dem ewigen Kampf zwischen Gut und Böse lässt er seine Figuren, ob nun der Menschheit oder anderen Spezies angehörend, eher über diverse Dinge philosophieren. Man findet Geschichten über Neubeginn und Rettung. Solche, die von Ängsten und Hoffnungen handeln, von geschenkter Unsterblichkeit und übernatürlichen Fähigkeiten. Natürlich kommen Außerirdische vor, nur nicht unbedingt so, wie ich sie mir bisher vorgestellt hatte. Es ist eher wie bei dem Spruch, dass man im Ausland eben auch zum Ausländer wird. Es wimmelt von Mutanten in Form von Emphaten und Gestaltwandlern, nicht zu vergessen sind die jene, die telepathische Fähigkeiten haben, die manipulieren oder sich mal eben kurz teleportieren könnten. Sie alle haben mehr oder weniger tiefe Gefühle, können Schmerz empfinden und Angst. Für viele von ihnen wird neben dem Raum auch die Zeit zu einem relativen Begriff.


    Kurzweilig, stellenweise humorvoll, beschreibt Karl Welten und Wesen, die trotz ihrer fantastischen Existenz authentisch wirken. Welten und Wesen, die sofort klare Bilder vor meinem inneren Auge entstehen ließen. Nicht für alle geht die jeweilige Geschichte gut aus. Es gibt Opfer, die nicht per se gut sind, und Täter, deren Motivation nicht immer aus dem Bösen heraus entsteht, manches geschieht aus Missverständnissen heraus. Endgültig ist das, was passiert, jedoch meistens und für die Menschheit sieht es schlecht aus.


    Wie man all dies sieht, überlässt der Autor einem selbst. Seine Geschichten haben einen durchaus nachdenklich machenden Touch. Irgendwie scheint der Wunsch darin verwoben, durch das Drücken einer Art Reset-Taste, den momentanen, realen Verlauf durchbrechen zu wollen. Die Einsicht, dass der Mensch das größte Problem darstellt. Dass Angriff die beste Verteidigung sein soll, wird in mehr als einer Geschichte klar, während gleichzeitig durchklingt, dass es auf die Betrachtungsweise ankommt, ob man das nun gut oder weniger gut empfindet.


    Es gibt den einen oder anderen kleinen Logikfehler, die eine oder andere Länge. So ergeht sich der Protagonist in der Geschichte Spring in fast zu ausführlichen Überlegungen. Diese wirken zudem etwas weit hergeholt. Andererseits: Wer weiß schon, wie wir uns tatsächlich in so einem Fall verhalten würden. Der Schreibstil von Werner Karl ist klar und flüssig, die Kapitel mehr oder weniger kurz gehalten. Fast durchweg alle haben sich recht schnell lesen lassen.


    Etwas störend hat in dem Buch der jeweilige Copyright-Vermerk am Ende der jeweiligen Geschichte auf mich gewirkt. Das hätte in meinen Augen nur notgetan, wenn mehrere Autoren ihre Beiträge in dem Buch veröffentlicht hätten.


    Fazit:


    Kurzweilige Lektüre für SiFi-Fans und solche, die es werden wollen. Und für LeserInnen wie mich: Die neugierig in alle Genres spähen und dabei immer wieder Lesenswertes finden - wie beispielsweise Werner Karls Danger Zone - Science Fiction Stories, denen ich trotz kleinerer Schwächen vier von fünf Punkten geben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Daniel Höra: Braune Erde
    bloomsbury
    ISBN 13: 9783833350993
    ISBN 10: 3833350997
    Jugendbuch (14 – 17 Jahre)
    1. Auflage 09/2012
    Taschenbuch, 302 Seiten
    [D] 8,99 €


    Verlagsseite


    Kennen Sie bloomsbury? Nein? Nun, dann sollten Sie vielleicht einen Blick auf deren Homepage werfen. Im Februar hat Piper den deutschen Zweig Berlin Verlag/Bloomsbury Berlin übernommen, doch bereits davor war er Lesern anspruchsvollerer Jugend- und Kinderliteratur ein Begriff.


    Im September 2012 kam dank bloomsbury der neue Roman von Daniel Höra mit dem Titel Braune Erde in den Verkauf. Damit verlegt bloomsbury bereits den dritten Roman des Autors, der 2009 für sein Debüt Gedisst Lob einheimste, 2011 mit seiner Dystopie Das Ende der Welt nachlegte und mit dem momentan aktuellen Roman Braune Erde erneut mehr als einen Leser erschüttern wird - und zwar nicht nur in der vom Verlag vorgeschlagenen Altersgruppe (14 - 17 Jahre). Wobei genau genommen sein wirklicher Debütroman bereits im Jahr 2001 unter dem Pseudonym Daniel Knüllmann und mit dem Titel Moya! erschien.


    Daniel Höra wurde 1965 in Hannover geboren, seine berufliche Laufbahn liest sich bewegt. Er war Möbelpacker und Altenpfleger, Taxifahrer und TV-Redakteur, bevor er als freier Autor tätig wurde. Dass er einen kritischen Weltblick hat, bewies er bereits mit seinem bloomsbury-Debüt Gedisst. Und so wundert es nicht, dass er nach den fragwürdigen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Zwickauer Trio das Thema Rechsextremismus aufgreift. Viele werden bei dem Thema automatisch Neo-Nazis vor Augen haben, die für ihre Gewaltbereitschaft bekannt sind. Doch die rechte Szene ist viel vielschichtiger. Der weitaus größere Teil von ihnen bleibt eher unauffällig.


    Besagtes Terrortrio und die Pannen der ermittelnden Behörden bleiben in Braune Erde komplett außen vor. Höra beschreibt darin die gewaltbereite rechte Szene, doch es kommen ebenso scheinbar nette, um Gemeinschaft und Freundschaft bemühte, sogenannte völkische Siedler darin vor, die nicht weniger gefährlich sind.


    Das muss Ben lernen. Der Fünfzehnjährige lebt nach dem Unfalltod seiner Eltern bei Verwandten in einem Dorf ohne Perspektiven in Mecklenburg. Immer mehr Anwohner ziehen weg. Vereine gibt es genauso wenig wie ein Lebensmittelgeschäft, eine Postagentur oder irgendetwas anderes, was die Dorfgemeinschaft fördern könnte. Fast jeder ist arbeitslos. Man bleibt für sich und auch Ben ist ein unscheinbarer Junge, der gerne liest und viel alleine ist. Einzig mit einem Künstler Georg pflegt er so etwas wie eine engere Freundschaft. Zumindest bis ein Ehepaar mit ihrer Tochter und ein Witwer mit zwei Söhnen nach Bütenow ziehen. Sie haben ein altes Herrenhaus gekauft, wollen sich als Biobauern selbst versorgen.


    Während die Neuankömmlinge anfangs von den wenigen Dorfbewohnern eher misstrauisch beäugt werden, schließt Ben schnell Freundschaft mit ihnen. Zum einen findet er Freya, die Tochter von Reinhold und Uta nicht nur hübsch, sondern auch nett. Zum anderen liest Reinhold offenbar genauso gern wie er. Der Witwer Hartmut kommt ihm zwar etwas seltsam vor und seine Zwillinge Konrad und Gunther sind auch etwas gewöhnungsbedürftig. Doch während Ben sich bei seinen Verwandten eher unwillkommen und lästig vorkommt, fühlt er sich bei den Neuen im Dorf an- und vor allem ernst genommen.


    Vielleicht hört und sieht er deshalb nur selektiv, was die so von sich geben. Im Herrenhaus ist zwar ständig die Rede von der Globalisierung und ihren Folgen für das deutsche Volk, dem Verfall deutscher Werte und Vergessen deutscher Tugenden, doch Uta kümmert sich mütterlich um Ben. Die Zwillinge Konrad und Gunther, nur unwesentlich älter als Ben, interessieren sich zwar extrem für Waffen, prophezeien das Ende des Staates, einen kommenden Krieg, eine Revolution. Aber sie beschützen ihn auch und sorgen mit ihren Aktionen dafür, dass die zuvor immerwährende Langeweile und Trostlosigkeit durchbrochen wird. Dass die vermeintlich vernünftigen Aussagen im Bezug auf Ausländer, Kriminelle oder auch Politiker sehr einseitig sind, verdrängt Ben großzügig, weil er es sich mit seinen neuen Freunden nicht verscherzen möchte. Immerhin vertreten sie doch auch Werte, die den meisten Leuten, die Ben kennt, völlig abhandengekommen sind. Auch ihm selbst, wenn er ehrlich zu sich ist. Dazu gehört unter anderem Nachbarschaftshilfe. Familie wird groß geschrieben. Die Neuen nehmen nicht nur ihn herzlich auf, sie sorgen auch im Dorf für frischen Wind. Sie kümmern sich um andere, organisieren die Reinigung und Restauration eines Gemeinschaftshauses, gründen eine Tanzgruppe, unterrichten die Frauen in alten Handarbeitstechniken, die Männer im alten Handwerk.


    Dass der frische Wind einen überaus fauligen Geruch in sich trägt, wird Ben erst so richtig bewusst, als er bereits viel zu tief in Dinge verstrickt ist, die sich zunehmend verselbstständigen. Und auch das gesamte Dorf scheint sich gegen den braunen Sog nicht wehren zu können, gründet mit den Herrenhausbewohnern eine Bürgerwehr und macht Jagd auf angebliche polnische Diebe. Georg, der Einzige, der laut seine Kritik an den Herrenhausbewohnern und allen Vorkommnissen äußert, wird ausgegrenzt und mit Lügen kaltgestellt. Alle fühlen sich dank Reinhold und seinen Herrenhausmitbewohnern stärker und sicherer. Das eine oder andere stößt ihnen zwar etwas sauer auf, doch warum etwas unternehmen, immerhin passiert ja nichts Schlimmes.


    Wie sehr sie sich damit irren, muss Ben eines Tages beobachten. Erst dadurch wird er wach. Doch an wen soll er sich jetzt noch wenden? Wer soll ihm glauben, was er beobachtet hat? Er flieht und die, die ihn anfangs herzlich in ihrer Mitte aufnahmen, jagen ihn gnadenlos.


    Das alles erfahren die LeserInnen aus der Sicht von Ben selbst. Er erzählt die Geschichte. In neun, mit passenden Überschriften versehenen Kapiteln, lässt er uns jeweils vorab an seinen Gedanken, seiner Angst teilnehmen, die er während seiner Flucht fühlt. Anschließend lässt er in jeweils mehreren Unterkapiteln eine ausführlichere, chronologische Schilderung der Geschehnisse folgen, die zu eben dieser Flucht führten. Auch die letztendlich daraus resultierenden Nachwehen lässt er nicht außen vor.


    Das langsame Begreifen Bens, aber auch der Dorfbewohner, ist von Höra überaus nachvollziehbar dargestellt. Wer keine Perspektiven zu haben scheint, wünscht sich irgendwo dazuzugehören. Wer in unserer Leistungsgesellschaft keine Bestätigung bekommt - und nicht nur den Arbeitslosen in Bütenow fehlt genau die - sucht sie sich anderswo. Wer gnadenlos im täglichen, persönlichen Hamsterrad steckt, will sich nicht permanent auch noch mit vermeintlichen Pseudoproblemen beschäftigen. Und obwohl man durchaus versteht, wie empfänglich (nicht nur) Ben für die rechte Verführung sein muss, möchte man ihn von dort wegziehen, an die Stirn fassen, ihn angesichts seiner Blindheit anschreien. Dass die Erwachsenen ebenso leichtgläubig und blauäugig reagieren, nicht merken, wie tatsächlich lebenswerte Ansätze pervertiert und sie selbst manipuliert werden, erschüttert.


    Undenkbar, dass man selbst in so eine oder eine vergleichbare Situation kommen könnte! Wirklich? Ist man selbst so stark, dass man den Mund aufmacht, wenn das Umfeld begeistert mitmacht? Kann man den Unterschied zwischen einer an sich guten Grundidee und der pervertierten Fortführung dieser Idee wirklich immer gleich erkennen? Merkt man immer gleich, wenn man manipuliert wird?


    Gleich anfangs nimmt Bens Geschichte gefangen. Und mit jeder Seite, die ich las, wuchs mein Unbehagen, steigerte sich mein Entsetzen. Nicht nur wegen dem, was Höra so nachdrücklich schildert, auch weil Erinnerungen an Erlebnisse wach wurden, die ich selbst an der Seite von ausländischen Freunden erleben musste. Sei es die mit „Ausländer raus“ beschmierte Hauswand, sei es eine Hetzjagd durch die Schorndorfer Innenstadt oder entlang der Neckartalstraße von Bad Cannstatt nach Stuttgart-Münster. Das Einzige, was meine Freunde gemacht hatten, war dort zu wohnen oder entlangzugehen, einen ausländischen Namen zu tragen (der an der Klingel zu lesen war) oder südländisch auszusehen. Einmal wurde eine Scheibe meiner Wohnung eingeworfen, weil ich die Polizei gerufen hatte, nachdem ich zufällig mitbekommen habe, wie einige Rechte eine junge Ausländerin bedrängten. Bei all diesen Gelegenheiten bin ich glimpflich davon gekommen, das unangenehme Gefühl und die Erinnerung an diejenigen, die damals weggesehen haben, habe ich jedoch bis heute nicht vergessen.


    Genau wie das unangenehme Gefühl, das aus dem Wissen resultiert, wer alles ganz im Allgemeinen rechtes Gedankengut für gut oder ganz akzeptabel befindet. Von außen sieht man diesen Leuten das nicht an. Egal, ob es die nette ältere Dame aus der Straße, die freundliche Angestellte der Krankenkasse, der engagierte Lehrer, der hilfsbereite Rechtsanwalt, der coole Automechaniker oder der kumpelhafte Arbeitskollege ist. Das wurde erst bei einigen ausführlicheren Unterhaltungen oder auch einem Blick auf Musik-CDs oder Büchersammlungen klar. Ich habe damals in keinem rechtsradikalen Brennpunkt gelebt. Es war eine Gegend, die durchaus über ein funktionierendes Gemeinwesen und Perspektiven verfügt. Tatsächlich bin ich trotz meiner negativen Erfahrungen weniger gewaltbereiten Skins als braun denkenden Normalos begegnet. Und noch mehr Leuten, die sahen und wegsahen – sei es (verständlicherweise) aus Angst oder weil sie dachten, dass das alles ja nicht so schlimm sein kann und weil ja vielleicht etwas Wahres an den Ansichten dran sein könnte.


    Auf welch fruchtbaren Boden bestimmte Ansichten fallen können, wenn sowohl das funktionierende Gemeinwesen wie auch Zukunftsperspektiven fehlen, zeigt Höra in seinem Roman Braune Erde. Es muss nicht zwangsläufig so laufen, dennoch besteht diese Gefahr sehr real. Nicht nur in Bütenow. Der Autor hebt nicht besserwisserisch den Zeigefinger. Dennoch stößt er LeserInnen mit der Nase darauf, wie wichtig Hinsehen ist. Dass man sich der Thematik stellen muss, wenn man nicht will, dass man selbst oder jemand der einem nahe steht in eine vergleichbare Situation abrutscht. Ob man es dann verhindern kann, steht auf einem anderen Blatt. Doch es ist wichtig, kritisch zu sein gegenüber einem Phänomen, das bedauerlicherweise nicht auf ein einzelnes Land beschränkt ist. Paradoxerweise arbeiten Rechtsradikale auch Nationen übergreifend zusammen, wenn sie gemeinsame Opfer auserkoren haben. Sei es, weil sie einer Minderheit angehören, die sie bekämpfen wollen. Oder weil sie einfach manipulierbar sind und quasi zu Werkzeugen einer perfiden Ideologie umfunktioniert werden können.


    Fazit:


    Ein empfehlens- und lesenswerter, erschütternder und bedrückender Roman, der am Ende trotz der Thematik einen kleinen Hoffnungsschimmer erkennen lässt und dem ich fünf von fünf Punkten geben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Wer klar strukturierte Handlungsverläufe braucht, wird mit Der Duft von Erde und Zitronen der Schriftstellerin Margherita Oggero keine Freude haben. Doch wer grundsätzlich denkt, dass anders keine Spannung in einer Geschichte entstehen kann, der irrt eindeutig. Einen Beweis dafür liefert die 1940 in Turin geborene und heute noch dort lebende Autorin des gerade vor mir liegenden Romans. Oggero arbeitete als Pädagogin und begann erst spät zu schreiben. Seit 2002 sind neben einem Bildband und einem Sachbuch auch fünf Kriminalromane entstanden, von denen wiederum zwei verfilmt wurden, und die in die italienischen Bestsellerlisten gelangten. An den Drehbüchern dazu wirkte die Autorin ebenfalls mit. Darüber hinaus wurde 2011 ein Kinderbuch von Oggero veröffentlicht.


    Der 2011 im Original herausgegebene Roman L’ora di pietra (übersetzt etwa Die steinerne Stunde), erschien in deutscher Übersetzung im Mai 2012 bei DVA unter dem Titel Der Duft von Erde und Zitronen. Das Cover zeigt eine Frauengestalt/Mädchengestalt, das halb mit dem Rücken zum Betrachter steht. Sie sieht, mit einem Kaffeebecher in der Hand aus dem Fenster. Auf dem Sims stehen ein paar Glasflaschen, die Sonne scheint. Das Bild wirkt in seiner Farbwahl mediterran und die Szene an sich sehr friedlich. Der Inhalt von Der Duft von Erde und Zitronen ist jedoch alles andere als das, obwohl der Roman im Ganzen leise und unaufgeregt daherkommt.


    Das Mädchen vor dem Fenster steht für Lucia, die eigentlich Imma heißt. Dass ihr Vater ihre Mutter ständig betrogen und dann verlassen hat, hat Immas Mutter kaputtgemacht. Sie schafft fortan den Alltag nur mit Beruhigungsmitteln und viel zu früh wird sie durch einen Unfall aus dem Leben gerissen. Die Unfallfahrer gehören zu einem Camorra-Clan, doch werden sie dafür nie zur Rechenschaft gezogen. Die Geschichte spielt in Italien, in der die Familie groß geschrieben wird. Deshalb kommt Imma als Halbwaise zu Ihren Großeltern und Onkeln und wird von diesen großgezogen. Der Schock über den Tod Melinas lässt Imma für lange Zeit verstummen. Zwar findet sie ihre Sprache wieder, doch gilt sie da bereits als sonderbar. Und so bleibt sie größtenteils alleine, geht stundenlang spazieren geht und lebt in einer eigenen Gedankenwelt lebt. Zufällig beobachtet sie auf einem ihrer Streifzüge eine Vergewaltigung und einen Mord. Täter ist der Sohn des Clanchefs der Camorra, der über ihrem Dorf herrscht. Völlig verstört vertraut sie sich niemandem an. Nur kurz danach wird sie selbst von dem gleichen Täter angegriffen und wehrt sich mit einem Stein. Als sie sich schließlich ihrer Familie anvertraut, sieht diese nur einen Ausweg in der Flucht. In einer Nacht- und Nebelaktion kommt Imma zu einer entfernten Tante, die selbst in gewisser Weise auf der Flucht vor ihrer eigenen Familie ist. Imma lebt fortan ein Leben im Verborgenen. Während ihrer Tante arbeitet, verfolgt sie das Leben durch ein Fenster. Sie darf nicht nach draußen, denn die Arme der Camorra reichen weit. Willkommen ist sie bei Tante Rosaria nicht wirklich, hat diese doch genug eigene Probleme. Erst nach und nach finden die beiden zusammen. Erfahren, was der andere durchgemacht hat. Was er sich erträumt und wünscht. Als Imma eines Tages aus ihrem Versteck ausbricht, und sei es jeweils auch nur für wenige Stunden und mithilfe eines gefundenen Ersatzschlüssels der Wohnungstür, tut sich eine neue Welt auf. Sie verliebt sich nicht nur in Paolo, er vermittelt ihr auch Schätze – Bücher, in denen es um Gefangene wie sie selbst geht. Doch mit jedem Ausflug zum Markt, auf dem Paolo für seinen Onkel diese Schätze anbietet, wird die Gefahr einer Entdeckung größer.


    Was jetzt so linear in Kurzform von mir wiedergegeben wurde, wird von Oggero allerdings ganz anders aufgebaut. Sie erzählt Der Duft von Erde und Zitronen aus verschiedenen Perspektiven, taucht von der Vergangenheit in die Gegenwart und wieder zurück. Mal kommt Imma selbst zu Wort, mal ein Erzähler, der die Geschichte von Rosaria und die zu ihrer Vergangenheit gehörenden Figuren beschreibt oder derer, die zu Imma gehören. Die Geschichte wirkt anfangs fast fragmentiert, die Figuren nicht wirklich zusammengehörend, deren Schicksale und Handlungen willkürlich niedergeschrieben. Das liegt daran, dass Der Duft von Erde und Zitronen von hinten nach vorne aufgerollt wird. Dennoch offenbart sich auch so sukzessive, warum Imma bei ihrer Tante lebt, warum sie sich verstecken muss und auch, wie Rosaria so geworden ist, wie sie sich Imma gegenüber verhält. Oggero verliert bei den ganzen Perspektiv- und Zeitwechseln nie den roten Handlungsfaden, webt darüber hinaus ein überaus authentisches Bild und verknüpft geschickt die fragmentierten Handlungssplitter und Figuren - und davon gibt es einige.


    Der Erzählstil Oggeros wirkt sachlich und distanziert. Kurze Sätze, knappe Formulierungen. Dabei fehlt jedoch nichts. Denn mit beidem schafft die Autorin ein klares Bild. Nicht nur im Bezug auf die Situationen, in der sich die beiden ungleichen Hauptfiguren Imma und Rosaria oder auch die tote Melina befinden. Auch im Bezug auf die Umgebung und Lebensweise. Die 13jährige Imma erscheint viel zu alt für ihr tatsächliches Alter, was angesichts ihrer Erlebnisse und Erfahrungen jedoch nicht unglaubwürdig wirkt. Rosaria verbittert und kalt. Melina verzweifelt und depressiv. Der Rest der Figuren teils fatalistisch. Der komprimiert wirkende Schreibstil der Autorin unterstreicht die unaufgeregte, zunehmend spannungsgeladene Dramatik und Traurigkeit, die den Roman Der Duft von Erde und Zitronen bestimmen. Ein Geruch den Imma früher geliebt und der sich mit dem Erlebten für immer mit diesen Ereignissen verbunden in ihr eingebrannt hat.


    Im Klappentext steht: „Ein Mädchen in einem Versteck - ein Fenster in die Welt - ein Buch, mit dem das Leben beginnt.“ Dies gibt sehr gut wieder, worum es in Der Duft von Erde und Zitronen geht. Wenngleich der letzte Satz eher auf den offen gestalteten Schluss der Geschichte ausgelegt ist. Immas Leben beginnt, als sie dank Paolo Das Tagebuch der Anne Frank bekommt. Und danach noch weitere Bücher, über Gefangene wie sie selbst. Und dank dieser Bücher wird ihr klar, dass sie handeln muss. An dem Punkt, an dem letztlich alle Handlungsfäden schlüssig von der Autorin verwoben werden, wird Imma eines klar: Sie selbst hält mit ihrem Schweigen und ihrer Angst vor den Racheaktionen des Camorra-Clans den Schlüssel zu ihrem Gefängnis in Händen. Und nur sie selbst kann sich aus ihrem Gefängnis befreien.


    Fazit:


    Ein lesenswerter, unaufgeregter und nachdenklich machender Roman. Trotz seiner Distanziertheit einfühlsam geschrieben, berührt er LeserInnen, die sich darauf einlassen, unwillkürlich. Eine Geschichte über Einsamkeit. Sehnsucht nach der Heimat, nach der Familie, aber vor allem nach Freiheit. Über verschiedene Leben, die eigentlich vordergründig keine Perspektiven haben. Und darüber, dass es diese eben doch gibt. Eine Geschichte, der ich fünf von fünf Punkten geben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Die Brigitte-Redaktion urteilte im Mai 2011 „Zum Lachen, Wundern und Dazulernen“. Damit hat sie eindeutig nicht ganz unrecht. Allerdings würde ich jetzt, nachdem ich das Buch gelesen habe, diese Aussage eher sarkastisch als begeisternd werten. Ich fand darin tatsächlich den einen oder anderen Anstoß, die Mundwinkel zu heben. Vielleicht auch mal lachend zu schnauben. Ansonsten kann ich mich jedoch tatsächlich nur wundern. Was ich dazugelernt habe, war jedenfalls, dass ich mich auf die Empfehlung meiner Bekannten (den Vorgänger zu lesen) hätte verlassen sollen. Auch andere Bekannte sprachen später die gleiche Empfehlung aus.


    Während es sich im Vorgängerbuch um eine Anekdotensammlung rund ums Flugzeugcockpit handelte, geht es in Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt um Urlaub bzw. Reisen im Allgemeinen. Erlebnisse in Flugzeugen oder aus dem Alltag von Flugbegleitern zählen auch darin wieder dazu, doch es geht auch um Touristen-Abzocke oder Anekdoten von (teilweise prominenten) Touristikprofis (egal ob Reisende oder Veranstalter). Um weltweites Bahnfahren und skurrile Reise-Neuigkeiten, kuriose Kreuzfahrten, um ein Penisrestaurant oder das Abenteuer Mitfahrzentrale, um Internet-Hotelbewertungen und Navigationspannen und letztlich ein Interview über Reisepannen. Bereits nach einem kurzen Blick war klar, dass wie bei so vielen Büchern auch bei diesem der Titel nicht wirklich zum Inhalt passt. Er bezieht sich auf eine Geschichte darin, aber damit hat sich auch schon. Auch die als Auftakt der einzelnen Kapitel verwendeten Comic-Zeichnungen passen teilweise nur bedingt zum dahinter abgedruckten Inhalt, peppen das Buch jedoch auf.


    Nachdem ich mich schon innerlich auf einen Angriff auf meine Lachmuskeln gefasst machte, konnten diese recht schnell Entwarnung geben. Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt liest sich sehr schnell. Womöglich sind mir deshalb die humorvollen Passagen entgangen? Wer weiß.


    Sorry, Ihr Hotel ist abgebrannt ist flüssig geschrieben, enthält durchaus gute Infos und sorgte tatsächlich das eine oder andere Mal für ein Lächeln. Allerdings führten Wiederholungen leicht abgewandelter Passagen dazu, dass sich meine Lachmuskeln nicht zu sehr anstrengen mussten. Das eine oder andere kam mir zusätzlich bekannt vor, wenn auch in einem anderen Zusammenhang - sprich nicht aus diesem Buch. Doch es waren bei Weitem nicht nur die Wiederholungen allein. Ich habe auch festgestellt, dass es sehr wenig zuträglich war, die Leseprobe zu diesem Buch zu lesen. In Kapitel zwei erfuhr ich deshalb nichts Neues oder sonderlich Amüsantes mehr. Das Beste war dadurch einfach schon vorweggenommen. Ein weiteres Manko: Es gibt ja bekanntlich nichts, was es nicht gibt. Dennoch erschien mir dann die eine oder andere vorgebrachte Frage oder Beschwerde von Touristen, die zudem das Mindestmaß an Manieren zu vergessen haben scheinen, nicht nur zu bizarr, sondern vielmehr wenig glaubwürdig. Ekelerregende Details blieben darüber hinaus nicht außen vor und die eingestreuten Erlebnisse der Promis wirkten eher platzfüllend wichtigtuerisch als amüsant.


    Wer das Buch also noch lesen möchte, sollte im Vorfeld keine zu hohen Ansprüche daran stellen. Es liest sich wie gesagt sehr schnell. Will man für sein Geld etwas haben, sollte man im Vorfeld dafür sorgen, hin und wieder gestört zu werden, da die letzte Seite ansonsten recht schnell kommt. Viel eher läuft man aber Gefahr, das Buch entnervt wegzulegen. Es kommt einfach alles zu schnell aufeinander, wirkt bisweilen willkürlich zusammengewürfelt, nicht immer authentisch und, wie bereits erwähnt, partiell wiederholt. Die durchaus sinnvollen, aber teilweise doch recht allgemeingültig bekannten Tipps reißen es dann auch nicht mehr heraus. Auch die von den Autoren selbst erlebten und beigesteuerten Begebenheiten boten mir persönlich keinen Mehrwert.


    Fazit


    Wer keine allzugroßen Ansprüche an das Buch stellt, gedanklich das zuvor erschienene Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt ausblendet (das meinte zumindest meine Bekannte), sich gerne ekelt und Spaß an Schadenfreude hat, wird mit Sorry, ihr Hotel ist abgebrannt durchaus seine Freude haben. Es liest sich sehr schnell, kurzweilig habe ich es dennoch nicht wirklich empfunden. Ein Lesequickie ohne Tiefgang. Praktischerweise erlauben die kurzen, nicht zusammenhängenden Kapitel das Buch nahezu überall zwischendurch zu lesen. Man kann es quasi willkürlich aufschlagen und loslegen.

    Mark Gartside: Zwei und Zwei


    Viel findet man nicht, wenn man sich hierzulande auf die Suche nach Informationen über Mark Gartside macht. Sein Autorenblog wird gerade erst aufgebaut. Laut Verlagsseite ist Gartside verheiratet, hat zwei Kinder und lebt mal in den USA, mal in seiner Geburtsheimat England. Dort, wo er in den 1970ern aufwuchs, spielt auch sein Debütroman Zwei und Zwei - in Warrington/Nordengland. Und auch seine Hauptfigur dürfte in seinem Alter sein.


    Es gibt den Spruch, dass das Leben die schönsten Geschichten schreibt. Eigene Erfahrungen werden den einen oder anderen an dieser Stelle denken lassen, dass schön relativ ist. Dass das nicht stimmt, weil das Leben ungerecht ist.


    Mark Gartside verwendet in seinem Debüt keine fantastischen Elemente. Er bemüht auch keine blutig-konstruierten Verbrechen, schockierende Horrorszenen oder reiht aufregende Sexszenen aneinander. Stattdessen verfasste er eine Geschichte, die auch das Leben geschrieben haben könnte. Berührend, erschütternd und aufwühlend ist sie jedoch allemal.


    Seine, Zwei und Zwei erzählende Hauptfigur Graham, hat das Glück, der Liebe seines Lebens bereits als Teenager zu begegnen. Jahre später bekommen sie einen Sohn, wollen heiraten. Dann allerdings wird Charlotte viel zu früh und vollkommen überraschend aus dem Leben gerissen. Graham trinkt danach zu viel, droht völlig abzustürzen und dadurch auch noch den kleinen Michael zu verlieren. Doch er schafft es, sich zu fangen. Michael wird älter, kommt in die Pubertät und bringt seine erste Freundin mit nach Hause. Gleichzeitig bemüht er sich darum, seinem Vater eine Freundin zu verschaffen. Was ihm mit List und Tücke auch gelingt, obwohl Graham eigentlich längst schon mit dem Kapitel Partnerschaft abgeschlossen hat. Zu verbunden fühlt er sich nach wie vor seiner verstorbenen Frau. Doch das Leben meint es gut mit Graham, findet er doch mit Pippa eine zweite Liebe. Allerdings muss er bald darauf erneut erleben, dass Glück überaus zerbrechlich ist. Das Schicksal droht ihm nicht nur Pippa, sondern auch Michael ein zweites Mal zu entreißen. Und er muss noch weitere Verluste hinnehmen.


    Klingt ein wenig melodramatisch? Keine Sorge. Dramatik findet man in Zwei und Zwei - Melodramatik jedoch nicht. Der Autor webt zwei Erzählstränge. Der eine umfasst die Zeit ab 2009, der andere den Zeitraum von 1985 bis 1999 bzw. mit einem großen Sprung noch bis 2008. Abwechselnd lässt Gartside seine LeserInnen einen Blick auf die jüngere und ältere Vergangenheit Grahams und Michaels werfen, bis sich die beiden Stränge dann gleichermaßen harmonisch wie dramatisch im 28. Kapitel im Jahr 2010 vereinen.


    Durchweg alle Kapitel lesen sich sehr angenehm. Der flüssige, plakative Schreibstil lässt die Handlungsorte authentisch wirken. An denen geht es um Liebe und Freude. Um Träume und Wünsche. Um Trauer und Verzweiflung. Um Versagen und Schwächen. Um Familie und Freundschaft. Um Hilfe und die Fähigkeit Hilfe anzunehmen. Der Humor kommt darüber ebenfalls nicht zu kurz. Nicht nur durch Grahams teils selbstironische Gedanken und den Passagen, die die glückliche Seite von Grahams und Michaels Leben beleuchten. Nicht nur, aber noch immer heben sich automatisch meine Mundwinkel, wenn ich an Michaels Dating-Aktion oder an Tommys Truthahneinkauf denke.


    Emphatisch lässt der Autor seine LeserInnen einen unverstellten Blick in das Empfindungsleben eines Menschen werfen, der die ganze Bandbreite an Gefühlen erleben darf aber auch muss. Dabei lässt Gartside unschöne Dinge, wie Alkoholismus, Gewalt und die Perspektivlosigkeit einer ganzen Generation ebenfalls nicht außer Acht. Die Art und Weise, wie er ohne Beschönigungen die hilflose Seite Grahams darstellt, sorgt dafür, dass man sich gut in ihn hineinversetzen kann. Genau wie in alle anderen Figuren, egal ob es sich um Charlotte oder Pippa, Grahams Schwager Richard oder seine Eltern und Schwiegereltern, um Michael, dessen Freundin Carly, deren Vater Billy oder Grahams Freund Tommy handelt. Sie alle machen Fehler und haben Schwächen. Demgegenüber stehen jedoch ihre liebenswerten, hilfsbereiten und starken Seiten. Sie alle sind nicht perfekt. Nicht jeder durchweg sympathisch. Allen gemeinsam ist jedoch, dass sie lebensnah und echt wirken.


    Der mattgriffig bedruckte Schutzumschlag zeigt übrigens einen Strand, an dem zwei im Gegenlicht dargestellte Personen laufen. Vater und Sohn. Dieses Bild spiegelt die Einsamkeit, die Graham über lange Zeit begleitet, treffend wieder. Der Orangeton, indem sowohl die Wolken als auch der Strand verwaschen übermalt, passt sowohl auf die Hilflosigkeit wie auch auf Kraft, die Gartsides Figuren innewohnt. Genauso lässt der blau angedeutete Himmel, trotz aller Wolken, auf Hoffnung schließen.


    Fazit:


    Die schönsten Geschichten schreibt das Leben? Darüber muss man, glaube ich, nicht streiten. Ebenso wenig darüber, dass es wohl auch die berührendsten Geschichten schreibt. Genau wie Gartside, denn Zwei und Zwei ist wie gesagt einer der Romane, der mitten aus dem Leben stammen könnte. In denen unsere Nachbarn, Freunde oder wir selbst eine Rolle spielen könnten. Einer der Romane, die ohne große Crash-Boom-Bang- oder Gruseleffekte unter die Haut gehen, weil das, was darin passiert, jedem von uns widerfahren könnte. Keinesfalls nur, aber doch auch Sparks-LeserInnen dürften an Gartsides Roman Gefallen finden. Ich möchte für Zwei und Zwei fünf von fünf Punkten vergeben, ist es doch ein gelungenes leises, nachdenkliches, gleichermaßen tragisches wie hoffnungsmachendes Debüt. Denn egal, was uns auch geschieht, laut der Seite 265 erwähnten Ringgravur König Salomons sollten wir nie vergessen: Auch das wird vorübergehen ...


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Nicht alle Lebensmittel sind gesund. Auch die pflanzlichen nicht, keine Frage. Schließlich kommt es auch dabei auf die Bodenverhältnisse und Anbaubedingungen an. Auch dort nimmt die Natur im ungünstigen Fall Schaden. Auch dort kommen (bei uns) unerlaubte Mittel zum Einsatz, je nachdem wo das Produkt herkommt. Auch dort heißt es, Augen auf beim Einkauf.


    Dennoch: Gute Gründe, sich vegetarisch oder gar vegan zu ernähren, gibt es viele. Dabei denke ich nicht nur an die Massentierhaltung, wo man Tiere nicht als fühlende Lebewesen, sondern lediglich als Produkte sieht, mit denen man Profit machen kann. Die Haltungsbedingungen erinnern oft an KZs, wobei die Tiere jedoch mehr zu fressen bekommen. Was ist natürlich fraglich, denn bedauerlicherweise werden heutzutage nicht nur unsere Lebensmitteln mit Zusatzstoffen und Geschmacksverstärkern versetzt, nein auch die Tiere bekommen Futter, das mit Geschmacksverstärkern aufgepeppt wird. Klingt seltsam, ist aber EU-seitig erlaubt, wie man u. a. im Internet auf efsa.europa.eu nachlesen kann. Die Schlachtbedingungen? Weder das geruchsneutral verpackte Fleisch im Supermarkt noch das appetitlich aussehende offen präsentierte Fleischstück beim Schlachter zeigt uns, was die Tiere auf dem Weg zum Schlachthof erleiden oder wie besagte Schlachtung aussieht. Oder denken wir an die Antibiotika und sonstigen Medikamente, die in der Massentierhaltung eingesetzt werden. Die wirken sich nicht nur auf das Fleisch, sondern auch auf die Milchprodukte, und damit auf uns aus. Oder daran, dass Fleisch in den Massen, in denen es hierzulande genossen wird, für eine stetig steigende Zahl an Zivilisationskrankheiten sorgt. Oder daran, dass die oft minderwertige Qualität von tierischen Produkten (rein haltungsbedingt entstanden) mit Zusatzstoffen aufgepeppt werden muss, die wiederum für Allergien und Ähnliches beim Verbraucher sorgen. Dass vieles (bedauerlicherweise auch pflanzliche Produkte) mit bisweilen betrügerischen Kennzeichnungen und Marketingtricks an den Mann gebracht wird. Erst vorgestern kam auf SWR eine NDR-Produktion genau darüber, in dem von Klebefleisch und Konsorten die Rede war. Nicht zu vergessen natürlich die Milliardensubventionen, die der Massentierhaltung zugutekommen. Auch dazu gab es erst kürzlich einen sehr interessanten Bericht. Gründe über Gründe also, bisherige Ernährungsweisen zu überdenken, nicht wahr?


    Ich hoffe, dass ich mit dem gerade Geschriebenen niemandem den Appetit verdorben habe. Das wäre schade. Obwohl ich mir durchaus hin und wieder etwas Fleisch gönne und auch tierischen Produkten wie Eiern, Milch oder Honig nicht zu 100% abgeneigt gegenüberstehe, habe ich nämlich gerade einen Titel aus dem Hause TRIAS vor mir liegen, der Ab jetzt vegan heißt. Das Autorenduo Gabriele Lendle und Dr. med. Ernst Walter Henrich präsentiert darin einiges, was sich nicht nur interessant, sondern auch sehr lecker liest oder ansieht.


    Lendle, die nach einer rheumatischen Erkrankung ihre Ernährung zunächst auf vegetarisch und dann vegan umstellte, merkte eine verblüffende gesundheitliche Veränderung. Kein Wunder also, dass sie begeistert herumexperimentiert, was man aus pflanzlichen Lebensmitteln so alles zaubern kann. Wer mehr über die in Stuttgart lebende Autorin erfahren möchte, sollte ihre Autorenseite aufsuchen (gabriele-lendle.de).


    Auch Henrich ist Veganer, ernährt sogar seinen Hund so. Da der mittlerweile 19 Jahre alt ist, kann diese Ernährungsform nicht so schädlich für ihn sein. Henrich, Mediziner und Naturheilkundler, engagiert sich im Bereich Gesundheitsvorsorge, Hautpflege und Ernährung, und vermittelt sein Wissen auch in Seminaren. Auch er hat eine Homepage, die einen Blick darauf wert ist (provegan.info).


    Das Duo präsentiert denn auch in Ab jetzt vegan über 140 Rezepte ohne tierische Produkte und Wissen über die vegane Ernährung, das es sich anzueignen lohnt. Von außen hätte ich jetzt (den Titel einmal außer Acht lassend) nicht sofort auf ein Kochbuch getippt. Es sieht gleichermaßen sachlich wie comicartig aus. Denn auf dunkelblauem Grund sieht man neben der in verschiedenen Grüntönen gehaltenen Schrift auf dem Cover ein Schweinchen. Oder jedenfalls seinen Kopf (von den Ohren bis zur Nase). Think pink scheint es zu denken, öffnet es doch hoffnungsfroh ein Auge und starrt den Betrachter des Covers an, während es ihm auf der Buchrückseite vertrauensvoll den Rücken zuwendet und sein Ringelschwänzchen zeigt. Dort kommt dann der Kochbuchgedanke schon näher, da man darauf auch drei Fotos von Rouladen, einer Maispizza oder eines Heidelbeer-Pancakes findet. Besagtes Schweinchen begegnet uns innen auf der Titelseite übrigens ein weiteres Mal. Gleich darauf erwartet LeserInnen auf Seite 4 und 5 das Foto einer Mais-Pizza, bevor die Aufmerksamkeit mit der Inhaltsangabe auf die einzelnen Kapitel des Buches gelenkt wird.


    Nach einem Vorwort Lendles geht es dann schon an die Basics veganer Ernährung, die unter anderem offenbart, dass sich unangenehmer Schweißgeruch verflüchtigt, wenn man auf tierische Produkte verzichtet. Den kann man natürlich auch mit Wasser und Seife sowie Deos bekämpfen, aber in dem Moment, als ich das las, fiel mir tatsächlich ein Bekannter (Veganer) ein, der trotz intensivem Sport (Triathlon und Klettern) auch schweißüberströmt nie unangenehm nach diesem riecht bzw. roch, obwohl ich nie ein Deo in seinem Bad gesehen habe. Und die Bemerkung einer serbischen Kollegin (muslimischen Glaubens), die ihren Freund (christlichen Glaubens und überzeugter Schweinefleischesser) immer mal wieder mit den Worten begrüßte „Boah, hast du wieder Schweineschnitzel gegessen? Du stinkst danach.“ Das bekommt in dem Zusammenhang eine ganz andere Bedeutung …


    Wie auch immer. Man bekommt Tipps wie man vegan unterwegs sein kann und erfährt, warum man vor makrobiotischen Zutaten keine Angst haben muss. Wird darüber informiert, wie man seine Ernährung erfolgreich umstellt, und bekommt Anregungen für eventuelle Antworten auf die typischen Fragen, die man im Zuge einer solchen Umstellung sicherlich zu hören bekommt.


    Dann folgen Lendles Rezepte, die von Frühstücksideen bis zu festlichen Menüs alles abdecken. Etliche halb oder ganzseitige, manchmal auch Seiten übergreifende Fotos machen eindeutig Appetit. Nicht jeder im Bekanntenkreis ist Veganer? Auch die kann man mit beruhigtem Gewissen nach den in Ab jetzt vegan kenntnisreich und liebevoll zusammengestellten Rezepten bekochen, ohne Angst haben zu müssen, dass jemand davonläuft. Es gibt ganze Jahreszeitenmenüs. Anregungen für Variationen und kleinere Tipps für besseres Gelingen runden alles gekonnt ab. Und mit der Suche nach den Zutaten dazu muss man heutzutage glücklicherweise auch auf dem Land keine Tage mehr verbringen. Sprich, man kann die gut beschriebenen Anleitungen (auch als Novize in der Küche oder grundsätzlich veganer Ernährung) leicht nachmachen. Bereits in diesem Rezeptteil erfährt man auch generell Wissenswertes. Etwa, dass Gerste sich positiv auf unser Nervensystem auswirkt und die Konzentrationsfähigkeit fördert, Gelenkschäden und Krampfadern vorbeugen und einen gereizten Darm beruhigen kann.


    Warum die vegane Ernährung das Beste ist, was unserer Gesundheit, unserem Körper, passieren kann, darauf geht Henrich dann im Kapitel Vegan – was sagt die Medizin dazu? ausführlicher ein. Bevor es jedoch soweit ist, finden interessierte LeserInnen ein Interview mit dem Autor, da auch der Verlag mit dem Buch Neuland betritt.


    Übrigens: Obwohl man mit veganem Essen Gutes für die Gesundheit tun kann, habe ich darin ein Rezept gefunden, das tatsächlich den Untertitel Sehr ungesund, aber sündhaft lecker trägt. Und auch das Rezept für das Mousse au Chocolat zeugt davon, dass veganes Essen längst aus weit mehr als gekeimten Körnern und Rohkost besteht. Prompt habe ich das Tiramisu ausprobiert und muss sagen, ja, mhm, ich hätte gerne noch eine Portion. Und – Vorratsschrank sei Dank – die Zutaten für das auf Seite 56 beschriebene Couscous mit getrockneten Tomaten fanden sich auch sofort auf der Arbeitsplatte, besagter Couscous bald darauf noch vor dem Tiramisu in unseren Mägen. Sogar meine kleine Nichte, hauptamtlicher und absoluter echter Rührei-Fan, aß das Tofu-Rührei (ohne Ei natürlich) mit Hochgenuss, nachdem sie sich zunächst über Tomaten und Sprossen gewundert und ihr Näschen hochgezogen hatte. Den veganen Parmesan teste ich heute Abend. Und in den nächsten Tagen sukzessive weitere Rezepte. Übrigens, wer Kalorien zählt und es sich mit einem Blick auf Kalorienangaben leichter machen will, wird diese vergeblich suchen.


    Fazit:


    Ob man bei seiner Ernährung gänzlich auf tierische Lebensmittel verzichten möchte oder nicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ratgeber und Kochbücher wie das vor mir liegende Ab jetzt vegan erleichtern die Entscheidung eventuell. Aufschlagen, nachschlagen und vor allem nachkochen lohnt sich bei diesem Ab jetzt vegan auf jeden Fall und ich denke, sowohl die, die persönliches (Ernährungs-)Neuland betreten, wie auch jene, die sich schon in der veganen Küche auskennen, werden ihre Freude daran haben. Für diejenigen, die keinen Wert auf das haptische Vergnügen eines gedruckten Buches legen, gibt es übrigens auch die E-Book-Variante. Ob so oder so, man findet neben einer Fülle an Informationen leckere Rezepte darin. Diese lassen sich leicht nachkochen. Auch schnell. Was ja heute neben günstig ein wichtiger Aspekt für viele ist. Doch die bei den Rezepten angegebenen Zeitangaben erleichtern die Rezeptwahl eindeutig. Und dann bleibt nur noch auf den Tisch damit und genießen … Ab jetzt vegan bekommt die volle Punktzahl von mir.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Es gibt Dinge, die sollte man niemals vergessen, so schrecklich sie auch sind. Nicht weil man sie nicht verarbeiten und loslassen kann, sondern weil man sie einfach nicht vergessen darf. Weil sie wieder und wieder passieren sollen. Das klingt jetzt zugegebenermaßen auf den ersten Blick im Zusammenhang mit dem vor mir liegenden Jugendbuch nicht nur seltsam, sondern geradezu falsch. Allerdings nur, bis man sich vor Augen führt, was genau nicht vergessen werden darf und immer wieder passieren sollte.


    In Ein Flüstern in der Nacht geht es um die Geschichte von Rachel Schwarz. 1932 geboren, wächst die Tochter eines jüdischen Arztes zusammen mit ihrer sechs Jahre älteren Schwester Miri und ihrer Mutter in Leipzig direkt in eine Zeit hinein, die wohl das dunkelste Kapiteln der deutschen Geschichte ist. Von der zunehmenden Diskriminierung und Verfolgung, von Deportation und Mord an Unschuldigen, die einfach einem anderen Glauben oder einer Minderheit (wie etwa die Zigeuner) angehörten oder nicht ins Rassebild der Arier passten (neben Juden auch Behinderte und Kranke). Unzählige Filme und Bücher haben sich schon mit der Shoah beschäftigt, fiktiv und/oder reflektiv das damalige Geschehen wiedergebend. Spontan sind mir im Vorfeld Schrei nach Leben, Der Pianist, Schindlers Liste und natürlich Das Tagebuch der Anne Frank, Die Kinder von Blankenese, Die vergessenen Kinder von Strüth oder auch Heimat auf Zeit - Jüdische Kinder in Rosenheim 1946-47 eingefallen. Aus Letzterem ist mir ein Satz aus dem Vorwort von Lawrence Langer im Gedächtnis geblieben. „Sie hatten nicht überlebt, sie existierten einfach länger als die Konzentrationslager.“


    Wie kann man so ein Thema kindgerecht gestalten? Die Altersfreigabe ab 10 Jahren hat mir im Vorfeld doch einiges Kopfzerbrechen bereitet. Eine meiner Nichten ist in diesem Alter, teilweise noch sehr kindlich vom Denken her. Mit dem Thema 2. Weltkrieg oder gar Holocaust kam sie bislang allenfalls oberflächlich in Berührung.


    Moya Simons, bisher eher für lustigere Themen in ihren Kinder- und Jugendbüchern bekannt, wurde 1942 in Australien geboren. Sie beschreibt sich selbst als neugierig (was ich gut finde, denn Neugier bildet, noch dazu in der Regel umsonst, man muss nur immer wieder genau nachfragen) und trotz ihres Alters jung geblieben und mag diese Neugier an Kindern, ihre Art der Ehrlichkeit. Weshalb sie sich auf das Genre Kinder- und Jugendbuch spezialisiert hat. Sie selbst ist keine Jüdin, doch kam bereits früh selbst mit Kindern in Berührung, die den Holocaust überlebt und beispielsweise im Zuge einer Adoption nach Australien gekommen sind. Die Erzählungen dieser Kinder (sofern sie Worte dafür fanden), ihr Verhalten, all das hat die Autorin geprägt und mit zum Entstehen von Ein Flüstern in der Nacht beigetragen. Der Mutter ihrer besten Freundin, die im Konzentrationslager Bergen-Belsen starb, hat sie diesen Roman gewidmet, der so ganz anders ist als das, was sie sonst so schreibt. Aber auch anders als das, was man sonst so liest.


    Denn gleich vorab: Simons hat meine anfängliche Skepsis recht schnell niedergerungen. Ein Flüstern in der Nacht ist für die empfohlene Altersgruppe geeignet, hat mich tief berührt und ein weiteres Mal sehr nachdenklich über die darin enthaltene Grundthematik gemacht. Es geht darin weniger - obwohl natürlich omnipräsent vorhanden - um die entsetzlichen Vorgänge, um die Entmenschlichung und menschenverachtende Brutalität. Simons geht zwar sehr wohl auf die falschen Ideale, die beispielsweise Freddie, ein deutscher Junge, in sich aufgesogen hat, ein. Sie beschreibt auch anschaulich die Angst, die Rachel und ihre Familie befällt, die sukzessive Einschränkung ihres Lebens, die Verachtung, den Abtransport von Rachels Familie. Doch das ist es nicht alleine.


    Rachel erzählt ihre Geschichte selbst. Simons wählt dafür die Erzählweise großer Erzähler. Ein Satz geht fließend in den anderen über, große Zeitsprünge werden vermieden. Kleine Details weben eine dichte und lebensechte Atmosphäre, obwohl die Autorin über erschöpfende Schilderungen hinweggeht. Dies wirkt jedoch nicht flüchtig oder unvollkommen, sondern überaus passend angesichts der avisierten Zielgruppe. Leser/innen begleiten Rachel Jahr für Jahr von der Zeit vor dem Krieg bis hinüber nach Australien, wo sie letztlich einige Jahre nach dem Krieg landet. Einfühlsam baut die Autorin in die über 10 Jahre währende Geschichte ein, was sie von Opfern der damaligen Zeit hörte.


    Rachel selbst bleibt ein Konzentrationslager erspart. Sie kann den längsten Schal der Welt (von ihrer Mutter) und das Tagebuch ihrer Schwester über den Krieg hinweg retten. Anderen Kindern ist so ein Glück nicht vergönnt. Sie haben nichts mehr außer ihren Erinnerungen. Und viele davon werden von den grausamen Erlebnissen überdeckt, die sie durchmachen mussten. Ein Mädchen erfindet Geschichten, weil ihre eigenen Erfahrungen zu verstörend sind. Ein anderer schafft es lange nicht damit aufzuhören, Essen zu horten. Ein Junge will nicht mehr hören, weil er zu viel Schreckliches gehört hat. Und Rachel selbst kann lange Zeit nicht mehr sprechen. Nicht weil sie nichts zu sagen hat, sondern weil ihr Vater ihr im letzten Moment, bevor alle abgeholt wurden, nicht nur zuflüsterte, sie solle sich verstecken. Auch weil er dabei sagte, dass sie mucksmäuschenstill sein muss, keinen Ton von sich geben darf, um nicht entdeckt zu werden.


    Die Autorin lässt Rachel jedoch auch von dem Ehepaar erzählen, das sie schließlich findet und bei sich aufnimmt und versteckt. Oder von dem Soldaten, der Rachel bei der Hausdurchsuchung wissentlich übersieht. Sie berichtet auch von anderen Menschen, die ihren Verstand nicht abgegeben haben. Die Gefahr für das eigene Leben und das ihrer Familien riskierten, indem sie Verfolgten halfen. Sie alle waren nur kleine Inseln in einem tosenden Meer des Wahnsinns. Doch diese Inseln boten einen Platz zum Überleben. Einen Platz für Menschlichkeit. Für Hoffnung. Für das Gute. Für Zivilcourage. Das ist das, was ich eingangs meinte. Das sind die Dinge, die man nie vergessen darf, die sich wieder und wieder wiederholen sollen, egal in welchem Kontext. Dazu braucht es keinen Krieg, keinen Völkermord. Das geht auch auf dem Schulhof, wenn Mitschüler drangsaliert werden. In der Fußgängerzone, wenn man etwas Unrechtes sieht. Einfach überall dort, wo sich vermeintlich Stärkere über Schwächere hermachen.


    Die Geschichte führt schließlich über das Kriegsende hinaus nach England, wo die Kinder aufgepäppelt werden, während das Rote Kreuz überlebende Verwandte oder Adoptionsfamilien sucht. Und sie endet gut für Rachel, obwohl sie und die anderen Kinder Unsägliches erleben und schreckliche Verluste hinnehmen müssen. Trotzdem ist Platz für Hoffnung. Nicht nur, weil sie teilweise ihre Angehörigen wiederfindet, auch weil sie bestimmte Dinge nicht vergisst und weil die Freundschaft mit Freddie den Krieg überlebt.


    Das Kriegsgedicht, mit dem die Autorin Rachels Erzählung ausklingen lässt, soll ihrer Aussage nach der kindlichen Zielgruppe ihres Buches zwar verständlich machen, dass Krieg böse ist und neben Tod und Zerstörung noch viele negative Dinge mit sich bringt. Aber noch viel mehr, dass er einen Feind hat: Den, der nicht mitmacht, der Opfern hilft. Mir fiel spontan das Zitat „Selbst die größte Dunkelheit vermag das Licht einer einzelnen Kerze nicht zu löschen“ dazu ein, wobei ich nicht mehr weiß, wer das einmal in welchem Zusammenhang gesagt hat.


    Im Anschluss an das Gedicht folgt eine Zusammenfassung der zeitlichen Abläufe von 1919 bis zur Anerkennung des Staates Israel durch die Vereinten Nationen 1948, bevor das Buch mit einem Nachwort der Autorin endet.


    Fazit


    Ein schwieriges Thema gut und einfühlsam umgesetzt. Ohne die Opfer zu missachten und die damaligen Gräueltaten zu trivialisieren, kann man durchaus ein Buch schreiben, das nicht nur kindgerecht ist, sondern auch hoffnungsvoll endet. Simons hat es mit Ein Flüstern in der Nacht gerade gezeigt. Was die Autorin in ihrem Nachwort über den Holocaust, ihre Geschichte aus Wahrheit oder Fiktion aber auch über die Organisation Courage to Care schreibt, war das Einzige, was ich vorab und sofort als für 10jährige geeignet gehalten hätte. Doch jede sonstige Buchseite hat mich eindeutig eines Besseren belehrt. Ich werde es nochmals und gemeinsam mit meiner Nichte lesen. Nicht nur weil ich das in ihrem Sinn für wichtig halte. Auch weil Ein Flüstern in der Nacht uns Erwachsene an wichtige Werte wie Menschlichkeit erinnert. Eine gleichermaßen aufwühlende wie emphatische Geschichte, für die ich fünf von fünf Punkten vergeben möchte.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    @ arter


    Zitat

    der Anschlag wäre eine inszenierte Aktion gewesen und in letzter Konsequenz müssten das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Figur Osama bin Laden auch Erfindeungen gewesen sein


    Das sagt er in meinen Augen gerade nicht. Die Figur samt Organisation sind durchaus real. Die Terroranschläge sind real. Die getöteten Opfer sind real. Er zieht nicht den Rückschluss, dass das alles erfunden ist, sondern dass das ganze viel größere Dimensionen und wesentlich mehr Hintermänner hat, als man uns weis(ge)macht (hat). Dass andere Motive dahinter stecken.


    Aber - man muss natürlich weder ihn noch seine Bücher/Filme und daraus resultierenden Überlegungen mögen oder sich seinen provozierenden Aussagen oder Fragen anschließen. Das bleibt ja - wie in deinem Fall arter - jedem selbst überlassen. :grin


    Ähm, und was das materielle Interesse angeht, er verdient damit, vermutlich sogar gar nicht schlecht. Genau wie andere, die meinungsbildend unterwegs und egal für welche Seite sie nun tätig sind. Die wenigsten werden das aus Überzeugung für einen Apfel und ein Ei oder gar unentgeltlich machen.

    Der 1950 in Herten geborene Bernd Geisler unterrichtet kreatives Schreiben und arbeitet als freier Autor und Journalist. Schriftstellerisch bewegt er sich im Genre Krimi/Thriller. 2005 wurde sein Der Geldwurm für den Deutschen-Kurzkrimi-Preis nominiert. Geislers 2010 veröffentlichter Roman Der geschmackvolle Tod ist nicht nur sein Debütroman, sondern auch der Auftakt einer Trilogie. Dem vor mir liegenden zweiten Band Das Buch Deborah soll der dritte Band mit dem Titel Spitze folgen.


    Die Trilogie spielt in der Gegenwart. Hauptfiguren sind Kriminalkommissar Saupe und Deborah Goldmann, eine junge Frau, die gegen ihren Willen in das mordlastige Geschehen gezogen wird. Mit ihr mischt sich ein Hauch Mystery in die Geschichte, denn Deborah ist nicht ganz so gewöhnlich, wie man vielleicht glauben möchte. Sie kann das Ableben anderer im Voraus sehen. Es äußerst sich in einem Dröhnen in ihren Ohren, Schwindelgefühl und Blutstropfen auf der Stirn der betreffenden Person.


    Im zweiten Band Das Buch Deborah möchte Deborah eigentlich nur einen Neuanfang in Bergisch Gladbach machen. Einen ruhigen, lebenswerten Auftakt. Dieser zweite Band bildet im Übrigen die eigentliche Vorgeschichte zu Band 1. Insoweit muss dieser nicht zwangsläufig vorab gelesen werden.


    Im Zuge des Neuanfangs sucht die arbeitslose Brückeningenieurin auch eine neue Arbeitsstelle und eine Nachbarin möchte ihr bei der Suche helfen. Dazu kommt es allerdings nicht mehr, denn kurz darauf wird eben jene Nachbarin ermordet und zerstückelt. Deborah gerät prompt unter Mordverdacht, doch noch kann ihr niemand etwas beweisen und sie bleibt auf freiem Fuß.


    Das ist allerdings noch längst nicht alles, was schief läuft. Deborah wird in ihrer Wohnung überfallen und muss nach einem Unfall ins Krankenhaus und gerät so ganz nebenbei in den Bannkreis einer obskuren Sekte, die in ihr so etwas wie eine Anführerin sieht. Dass die in Das Buch Deborah vorkommenden Ermordeten allesamt zu eben dieser Sekte gehören, trägt nicht gerade zu Deborahs Entlastung bei.


    Das gezeichnete Cover mit seiner Hand, dem Buch und der gesichtslosen (statt Gesichtszügen findet sich dort eine Turmfassade) mit einem Kapuzenmantel verhüllten Gestalt, finde ich im übrigen gut gelungen. Es vermittelt allerdings nicht unbedingt den absolut stimmigen Hinweis auf den Buchinhalt.


    Saupe versucht Deborah zu überführen, konzentriert sich völlig auf sie. Doch damit ist er bei Deborah an der falschen Adresse. Ihre innere Überzeugung sorgt dafür, dass sie sich trotz aller Vorkommnisse nicht völlig aus der Bahn werfen lässt; ihr Mundwerk dafür, dass sich ihre Versuche für Geislers LeserInnen kurzweilig gestalten. Sie bildet einen relativ sympathischen Gegenpol zu der eher miesepetrig und eigenwillig gestalteten männlichen Hauptfigur Saupe. Trotz der an und für sich brutalen Thematik sorgt Geisler für den einen oder anderen Lacher oder zumindest hochgezogenen Mundwinkel. Der Schnellhefter mit Deborahs Bewerbungsunterlagen begleitet beispielsweise die LeserInnen quer durch die Geschichte, Deborah denkt auch in der unmöglichsten Situation an ihn. Auf glaubhafte Art, denn wer schon einmal eine brenzlige Situation erlebt hat, wird vielleicht wissen, dass einem die seltsamsten Gedanken durch den Kopf schießen (das zuhause noch das Frühstücksgeschirr steht etwa, oder dass man ein Loch im Socken hat, weil man ja eigentlich nur kurz vor die Tür wollte und dachte, dass das mit dem Socken damit gerade noch geht).


    Die Geschichte lässt sich leicht lesen. Geisler knüpft eine Szene an die andere, das Tempo ist relativ hoch. Das eigentlich grausame Geschehen kommt durch den, sagen wir mal, dunkel angehauchten Humor jedoch gar nicht so brutal heraus. Der Spannungsbogen wirkt manchmal allerdings etwas überdehnt. Das liegt auch daran, dass Deborah selbst ermittelt. Angesichts Saupes Verbohrtheit klingt das zwar zunächst durchaus logisch – irgendjemand muss sie ja entlasten. Doch wirklich schlüssig fand ich nicht alle Handlungsansätze und Überlegungen. Es geschieht einfach fast zu viel und vor allem zu schnell. Hier hätten ein paar Kapitel mehr oder der eine oder andere Ansatz weniger notgetan, um das Ganze ausführlicher zu gestalten.


    Allerdings, wer den ersten Teil gelesen hat, wird sich daran erinnern, dass Deborah dort an Saupes Seite ermittelt. In ganz normalen Kriminalfällen, ohne Sektenhintergrund. Der im zweiten Band versuchte Neuanfang gelingt also letztlich doch, wenn auch anders als geplant.


    Fazit:


    Wer einen knallharten Thriller sucht, ist mit Das Buch Deborah eher schlechter bedient. Geisler spinnt eher scheinbar mühelos sein Garn als Erzähler für lange Winterabende, in denen es eben auch um Mord geht. Die sind deshalb allerdings noch lange nicht langweilig oder wenig lesenswert. Ich habe mich trotz der kleinen Schwächen gut und kurzweilig unterhalten gefühlt und möchte für Das Buch Deborah vier von fünf Punkten vergeben.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Danke für Eure Antworten.


    @ arter: Ich stimme dir zu, man kann mit Sicherheit verschiedener Meinung sein, wer wen manipuliert. Aber ganz so, dass der Autor sich alles aus der Nase zieht oder nur Indizien vorlegt, ist es ja auch nicht.


    Fakt ist jedoch bedauerlicherweise, dass bei welterschütternden Vorfällen - zu denen der 11.09. - mit Sicherheit zählt, die öffentliche Meinung gelenkt wird (aus mehr oder weniger nachvollziehbaren Gründen). Nicht nur indem man beispielsweise recht unauffällig durchs ganz normale Filmprogramm auf etwas getrimmt wird. Die offzielle Berichterstattung war wie bereits vorab erwähnt eher emotional als kritisch. Um es hart zu formulieren: Auf Show ausgerichtet. Je mehr Emotionen hochkochten, desto besser. Eine "gerechte" Wut rechtfertigt schließlich vieles und überdeckt noch mehr.


    Eine vollständige Aufklärung werden wir hier genau wie bei vielen anderen Dingen nie erfahren. Aber Zweifel sind mit Sicherheit angebracht, allein schon aus Respekt gegenüber den Toten. Und nicht nur, weil nicht zum ersten Mal Kriegsgründe erfunden wurden (da braucht man gar nicht in die USA zu sehen, denken wir doch nur mal an unsere eigene Geschichte).


    Bedauerlicherweise wurden und werden Leute, die kritischer (vielleicht auch verbissen) an bestimmte Dinge herangehen gerne als spinnerte Verschwörungstheoretiker gesehen und behandelt. Mit einiger Sicherheit sind manche so gepolt und erfinden ihrerseits Vorkommnisse oder Indizien. Aber glücklicherweise nicht alle.



    @ Luckynils
    Oh ja, daran erinnere ich mich auch noch. Ein Freund von mir war unter den Feuerwehrleuten und hat - nur so nebenbei erwähnt - sobald wir wieder Kontakt hatten von seltsamen Widersprüchen berichtet. Aber wie gesagt, bis wir ihn erreichten, das war schlimm. Obwohl es - wie schon von dir erwähnt - angesichts des Chaos, das da herrschte durchaus verständlich war, nicht durchzukommen.

    Es gibt Dinge im Leben, die prägen sich unauslöschlich in uns ein. Bilder, Gerüche, Worte, Töne, Gefühle. So auch am 11.09.2001. Damals unterstützte ich gerade meinen Bruder als Aufpasserin und Animateurin bei der Geburtstagsfeier meiner Nichte mit ihren Kindergartenfreunden. Irgendwann, während ich Topfschlagen mit den Kindern spielte, flüsterte mir mein Bruder ins Ohr, dass ein Turm des WTC eingestürzt war. Mein Bruder hat zugegebenermaßen einen manchmal bizarren, pechschwarzen Humor und im ersten Moment fragte ich mich, was mich im Folgenden wohl noch erwarten würde. Leider meinte er es todernst und so feierten wir zwar mit den Kleinen, allerdings mit einem überaus schlechten Gefühl. Die Folgetage schürten dieses schlechte Gefühl.


    Nicht nur, weil die Worte Krieg und Terror plötzlich in aller Munde waren. Auch weil hier allzu schnell ein Schuldiger benannt und der Krieg erklärt wurde, während im Zuge anderer terroristischer Aktivitäten oft jahrelang erfolglos ermittelt wird. Ich bin keine Verschwörungstheoretikerin, doch das kam mir mehr als spanisch vor. Eine objektive Berichterstattung vermissten wohl die meisten nicht sofort, dafür war das Geschehen zu aufwühlend.


    Der 1959 in Krumbach geborene Gerhard Wisnewski, der es nach eigener Aussage als seinen Auftrag ansieht, ein unbequemer Journalist zu sein, produzierte zusammen mit Willy Brunner die Sendung Aktenzeichen 11.9. ungelöst für den WDR. Im Gegensatz zu den emotionsüberfrachteten Dokumentationen, die man sonst zu sehen bekam, verfolgte er dabei einen überaus kritischen Ansatz. Während meiner (Aushilfs-)Tätigkeit in den Redaktionen Fernsehen In- und Ausland beim (damals noch) SDR, merkte einmal einer der dort arbeitenden Redakteure bitter und desillusioniert an, dass der Zuschauer keine Meinung zu haben hat, weil Meinung gemacht wird. Diese Worte waren und sind nicht völlig aus der Luft gegriffen, denn nach einer fragwürdigen Kampagne des Spiegels und anderer Kritiker gegen ihn endete nicht nur Wisnewskis Tätigkeit für den WDR. Zudem folgte sein halboffizieller Ausschluss aus dem Journalistenverband. Warum? Weil er etwas aussprach, was man nicht aussprechen durfte? Es gab und gibt unzählige Journalisten, die alle möglichen schlecht recherchierten und aus Halbwahrheiten gesponnenen Beiträge produzieren und überraschenderweise dennoch weitaus weniger Folgen fürchten müssen.


    Wisnewski brauchte länger als die Ermittler der Anschläge, um diverse Dinge zu präsentieren. Doch 2003 erschien bei Knaur sein Buch Operation 9/11 Angriff auf den Globus, welches ich mir gleich nach Erscheinen besorgte und geradezu verschlang. Wie gesagt: Ich bin keine Anhängerin von abstrusen Verschwörungstheorien. Doch ich lebe in einer Welt, in der alles zusammenhängt. Was mich deshalb interessiert, ist eine Beleuchtung des Weltgeschehens aus verschiedenen Blickwinkeln. Und dies wurde mir vom Autor durch seine Recherchen geliefert. Sie betrafen nicht nur Überlegungen zu den schnellen Ermittlungserfolgen, den Filmbeiträgen (mit denen wir überschwemmt wurden) und Zeugenaussagen von ansonsten eher totgeschwiegenen Zeugen. Er zeigte logische Widersprüche auf und ging möglichen Motiven auf den Grund. Wisnewski lenkte den Blick auf relevante Fragen, allerdings deuteten die von ihm angesprochenen Kausalitäten und Folgerungen sehr schnell in Richtung einer Verschwörung. Dieses unschöne Ergebnis brachte ihm dann prompt (und nicht zum ersten Mal) den Vorwurf eines Verschwörungstheoretikers ein.


    Unglaubwürdig wirkten seine Fragen und Mutmaßungen jedoch nicht zwingend, denn die Vergangenheit hat gezeigt, dass Verschwörungen nicht nur theoretisch existieren. Zu viele Zufälle, zu viele Ungereimtheiten, zu schnelle Verlautbarungen sorgten zunehmend für Stirnrunzeln. Und die Folgen für die Welt (der schnell ausgerufene Krieg, die Aushebelung von Gesetzen) wie für ihn selbst (Kündigung, Rufschädigung, etc.) untermauerten für mich seine Aussagen. Sie lassen mich ihn weiterhin als das sehen, was er ist: ein investigativer Journalist, der sich glücklicherweise nicht so schnell unterkriegen lässt.


    10 Jahre nach den Anschlägen erinnerten sowohl die Printmedien als auch Film und Fernsehen an die damaligen Geschehnisse. Und wieder konnte man feststellen, dass im Gros der Blick eher auf emotionsgeschüttelte, tränenüberströmte Angehörige oder Beteiligte geschwenkt wurde, als auf tatsächlich nach wie vor nicht zufriedenstellend aufgeklärte Widersprüche. Dass die Ereignisse damals schrecklich waren, steht außer Frage. Dass Emotionen mit ihnen verbunden sind ebenfalls. Doch gerade deshalb tut Aufklärung not.


    KNAUR veröffentlichte dankenswerterweise 2011 eine völlig überarbeitete Fassung von Operation 9/11 mit dem Untertitel Der Wahrheit auf der Spur. Genau wie das erste Buch sorgte auch dieses neben einigem Lob und Anerkennung für Aufruhr und Vorwürfe. Und für Magendrücken, weil die bereits früher gezogenen Rückschlüsse sich nicht nur bestätigen, sondern nach wie vor nichts von ihrer bestürzenden Aussagekraft verloren haben.


    Die Überarbeitung bietet keinen flachen Aufguss, sondern abermals viele gut ermittelte Fakten und daraus resultierende Überlegungen. So geht Wisnewski etwa darauf ein, dass die oft vorgespielten Telefonmitschnitte von Bordtelefonen Lügen gestraft wurden, weil es in dem Flugzeugtyp der betreffenden Maschine gar keine gab. Oder fragt nach, warum der offizielle Schuldige Bin Laden sich trotz der Anschläge anscheinend seltsamerweise nicht auf der offiziellen Liste der Top-Terroristen der amerikanischen Regierung befunden hat. Er setzt fragmentierte Erkenntnisse puzzlegleich zusammen und verfestigt seine damals gefundenen, teils harsch angeprangerten, logischen Widersprüche. Ein weiteres Mal konfrontiert er die tatsächlichen Ungereimtheiten mit den offiziellen Wahrheiten und lässt Letztere schlecht aussehen. Ein weiteres Mal streitet er nicht den terroristischen Angriff an sich ab, sondern hinterfragt differenziert die damit verbundene Suggestion bezüglich vermeintlicher Hintermänner und Hintergründe. Oder die Verschleierung der tatsächlichen Strippenzieher und ihre Motive.


    Seine Überlegungen sind abermals flüssig leicht zu lesen. Seine Argumentationskette reißt nicht ab. Wisnewski langweilt nicht mit dem, was er herausgefunden hat, sondern verursacht erneut Schluckbeschwerden. Die Flut der zusätzlichen Informationen und die daraus resultierenden Fragen und Schlüsse regen zum Nachdenken an. Sie erschüttern das Weltbild noch ein wenig mehr – zumindest all derer, die kritische Fragen zulassen.


    Fazit:


    Wie sagte mein Kollege damals so bitter und desillusioniert? „Der Zuschauer hat keine Meinung zu haben, weil Meinung gemacht wird“. Wer die Berichterstattung bestimmter Ereignisse aufmerksam verfolgt (nicht nur die vom 11. September) merkt sehr schnell, dass da etwas daran ist. Wir leben in einer globalen Welt. Es soll uns interessieren, was etwa in Afghanistan passiert. Gleichzeitig sollen wir anscheinend die Augen vor allzu kritischen Fragen verschließen. Wer sich dieser Denkweise anpassen kann und möchte, sollte die Finger von dem Buch lassen. Alle anderen, die über den Tellerrand hinausschauen und differenzierte Zweifel erlauben, kann ich es jedoch empfehlen. Es bleibt jedem selbst überlassen wie er die daraus gewonnenen Ansichten bewertet. Operation 9/11, egal ob die 2003er-Ausgabe mit dem Untertitel Angriff auf den Globus oder die 2011er-Ausgabe mit dem Untertitel Der Wahrheit auf der Spur, erschüttert. Macht Angst und wütend. Nicht nur weil es deutlich macht, wie leicht man manipuliert werden kann, sondern auch angesichts des Umstandes, dass die Manipulatoren keine allzugroßen Strafen befürchten müssen.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ

    Hallo Fritzi,


    danke für deine Antwort auf meine Rezi. Da du Faulstich erwähnst - in seinem Film Das Geheimnis der Heilung wird ebenfalls auf die Maly Meditation eingegangen.


    Ich selbst wurde mit 20 krank und hab sozusagen eine steile Krankheitskarriere hinter mir, in deren Verlauf sich der eine oder andere Arzt zu der Aussage verstieg, dass ich mir noch einige schöne Wochen machen und meine Angelegenheiten regeln sollte. Lange Zeit habe ich mich nur auf die Schulmedizin verlassen und ohne den einen oder anderen Mediziner wäre ich auch heute mit Sicherheit nicht mehr hier. Lebensqualität und Gesundheit sah allerdings anders aus. Bis ich dann meinen Weg aus der Krankheit gefunden habe. Dabei habe ich alles Mögliche ausprobiert, einige Fehlschläge einstecken müssen - allerdings, da ich demnächst 45 werde, kann ich so viel nicht falsch gemacht haben :chen. - aber diesbezüglich melde ich mich doch besser und gerne per pn bei dir.


    Ich kann nur jedem - wie gesagt nicht nur denen mit furchteinflößenden Diagnosen und Infaust-Prognosen - raten, sich umzusehen und zu probieren, probieren, probieren. Es gibt Möglichkeiten aktiv mitzuarbeiten, sich selbst und anderen zu helfen, die weit über das hinausgehen, was allgemein als möglich angenommen wird.


    Wie sagen sie im Bayrischen Rundfunk doch jede Woche? Es gibt viele Krankheiten aber nur eine Gesundheit - und für die kann man (das ist meine Meinung) viel tun, packen wir es an!


    In diesem Sinne
    sonnige Grüße aus Dithmarschen
    Ati

    Eine schwerwiegende Erkrankung, in deren Verlauf ihm der Rollstuhl drohte, sorgte für eine gravierende Änderung im Leben des Autors Wolfgang Maly. Diese Änderung bewahrte ihn nicht nur vor diesem Schicksal, sie sorgte auch dafür, dass sich seine beruflichen Ziele veränderten. Vom Betreiber dreier Zahnlabors wurde er zum diplomierten Krankenpfleger und psychologischen Berater und absolvierte eine Ausbildung in Tiefenpsychologie und Hypnosetherapie. Zusammen mit seiner Frau Antje Maly-Samiralow, die als freie Journalistin, Moderatorin des Bayrischen Rundfunks und Autorin schwerpunktmäßig u. a. im Bereich Medizin tätig ist, realisierte er das vor mir liegende Buch. Seit 2011 hat er eine eigene Praxis, in der er unter anderem seine in diesem Buch vorgestellte und von ihm entwickelte Behandlungsmethode anbietet.


    Wer sich etwas abseits der Schulmedizin bewegt, hat auch heute noch oft damit zu kämpfen, als Spinner angesehen zu werden. Esoterisch abgehoben. Das sind noch die schmeichelhafteren Bezeichnungen, die man in diesem Zusammenhang zu hören bekommt. Oftmals liegt es an scheinbar sagenhaften Erfolgen, die man mit seltsam klingenden Behandlungsmethoden erreichen soll, öfter noch an den Behandlern, die diese seltsamen Erfolge für sich beanspruchen. Viele von ihnen sind ohne Zweifel Scharlatane. Andere nicht. Vielen gemeinsam ist, dass sie zunächst von einer eigenen schwerwiegenden gesundheitlichen Störung bzw. lebensbedrohlichen Erkrankung berichten.


    Im Vergleich zu anderen Ländern – etwa der Schweiz oder Österreich – arbeiten hierzulande Schulmediziner und Alternativbehandler seltener zusammen. Maly ist jedoch einer der Behandler, die auch Schulmediziner überzeugen. Nicht nur mit seiner eigenen Gesundung. Er arbeitet bereits seit einiger Zeit Hand in Hand mit Ärzten und Kliniken, unter anderem dem St. Josef Hospital in Bochum. Der Leiter der dortigen Chirurgie, Prof. Dr. med. Waldemar Uhl, hat das Vorwort zu diesem Buch geschrieben. Auch Placeboforscher haben sich mit der Wirkungsweise seiner Behandlungsmethode beschäftigt.


    In seinem Buch Die Maly Meditation – Wie Zuwendung heilen kann erläutert Maly die von ihm entwickelte Gebetsmeditation in Kombination mit Handauflegen und Visualisierung, ihre Wirkungsweise und gibt eine entsprechende Anleitung dazu. Anleitung wie Erläuterungen sind in einfacher, leicht lesbarer und genauso leicht nachvollziehbarer Art gehalten. Dies gilt sowohl für die Eigenbehandlung als auch für die Anwendung bei anderen. Maly, selbst gläubiger Christ, betont dabei, dass man für eine erfolgreiche Behandlung nicht an Gott glauben oder dem christlichen Glauben angehören muss. Dass zu seinem Klientenkreis neben Muslimen und Juden auch Atheisten gehören, unterstreicht diese Aussage.


    Ferner finden sich Niederschriften von Interviews behandelter Klienten wie dazugehörigen Familienangehörigen im Buch, ebenso Dankesschreiben. Dieser Teil hat ein seltsam unbefriedigendes Gefühl in mir geweckt, dass ich fatalerweise jedoch nicht näher erläutern kann. Was allerdings seine Glaubwürdigkeit in meinen Augen unterstreicht, ist der Umstand, dass dabei klar wird, dass nicht alle Behandlungen zu einer vollständigen körperlichen Heilung führen. Dass Heilung auf anderer Ebene erfolgen kann, die jedoch nicht weniger positiv zu bewerten ist. Fakt ist einfach, dass jedes Leben endlich ist. Dass Heilung unter Umständen darin besteht, inneren Frieden zu finden. Dass Lebensqualität vor Lebensverlängerung kommt.


    Die dem Buch beigelegte CD enthält drei Meditationsvarianten. Sie beinhalten das einleitende Gebet, die Meditation in der Stille, die Meditation mit Musik und die Meditation mit Musik und affirmativer Begleitung.


    Während ich beim ersten Versuch von Malys Methode schrecklich unruhig wurde, erreichte ich mit dem zweiten und dritten Versuch überraschend schnell eine sehr tiefe Entspannung, die ich trotz mehrjähriger Meditationspraxis so noch nicht kannte.


    Bahnbrechend neu sind weder Malys Gebetsmeditation, noch Visualisierungen oder Berührungen (wobei er selbst Hände über dem Körper hält und nicht direkt auflegt) zugegebenermaßen nicht. Sie sind einfach eine weitere Variante der Selbstbehandlung oder Behandlung anderer. Er/man kann damit sicherlich nicht jeden erreichen. Doch das ist egal, denn grundsätzlich gilt: Wer heilt, hat recht!


    Fazit


    Aus eigener Erfahrung weiß ich, was man alternativ alles in Kombination oder völlig abseits der Schulmedizin erreichen kann. Aus diesem Grund kann ich jedem – nicht nur Schwerstkranken und nahezu hoffnungslosen Patienten – diesen Titel aus dem Hause MensSana bei KNAUR empfehlen. Einfach, weil er eine für den einen sicher mehr und den anderen eher weniger wirkungsvolle Methode enthält, mit der man selbst tätig werden kann. Sei es als Angehöriger oder Betroffener. Weil man damit bei einer schlimmen Diagnose nicht hilflos auf der Strecke bleibt, sondern aktiv werden kann. Es gibt Dinge, die man nicht immer und jedem einfach so erklären kann, die jenseits unseres Verständnisses liegen. Die Maly Meditation ist sicherlich eines diese Dinge. Es lohnt sich, sie auszuprobieren.



    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Eine Geschichte beginnt immer mit einer Figur, sagt Renate Ahrens. Die Geschichte ihres Lebens begann mit ihrer Geburt 1955 in Herford. Die Autorin studierte Englische Philologie und Romanistik und arbeitete vor ihrer Tätigkeit als freie Autorin als Lehrerin. Ihr Leben teilt sie nach Aufenthalten in Italien, Südafrika, Frankreich und Irland heute zwischen Dublin und Hamburg auf. Sie bezeichnet sich selbst als neugierigen Menschen, der gerne neue Welten – bei Auslandsaufenthalten – entdeckt.


    Die Figur, um die es im neuesten Roman von Renate Ahrens geht, heißt jedoch Judith. Judith ist Restauratorin, lebt in Italien und hütet sehr erfolgreich ein Geheimnis aus ihrer Vergangenheit. Am 28. September diesen Jahres war ich zur Buchpremiere von Ferne Tochter im Speicherstadtmuseum Hamburg eingeladen. Leider konnte ich nicht hingehen. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich dann das Buch in Händen hielt.


    Niemand kann vor seiner Vergangenheit auf Dauer davonlaufen


    Rom, seit nahezu vierzig Jahren die Lieblingsstadt der Autorin, ist einer der Schauplätze, an dem die Geschichte der Hauptfigur Judith spielt. Judiths sorgsam aufgebautes Lügenkonstrukt bezüglich ihrer Vergangenheit samt bis dahin gut funktionierender Verdrängungstaktik droht ihre glückliche, aber kinderlose Ehe mit Francesco von heute auf morgen zu zerbrechen, als eine ehemalige Freundin aus ihrer alten Heimat sich meldet. Er weiß, dass sie alle Brücken hinter sich abgebrochen hat, kennt jedoch nicht den wahren Grund. Er ahnt nicht, dass sie eine mittlerweile erwachsene Tochter hat, die sie gleich nach der Geburt zur Adoption freigab. Er weiß nicht, die wahren Gründe für Judiths Flucht aus Deutschland. Und sie weiß nicht, wie sie ihm erklären soll, warum sie sich alleine um ihre Mutter kümmern muss, die nach einem Schlaganfall im Krankenhaus gelandet ist. Oder wie sie ihm gar von ihrer Tochter erzählen könnte, die den Kontakt zu ihr sucht. Bei ihrem anfangs widerwilligen Versuch, sich um ihre Mutter zu kümmern bzw. die Dinge zu klären, muss sich Judith nicht nur ihrer Vergangenheit stellen. Sie lernt auch ihre Mutter in gewisser Weise neu kennen und bekommt zumindest die Chance die Folgen ihrer aus Verzweiflung getroffenen Entscheidung abzumildern.


    Der Titel passt in meinen Augen sehr gut, spiegelt er doch nicht nur Judiths Verhältnis zu ihrer Mutter, sondern auch zu ihrer Tochter wieder, das anfangs nicht distanzierter hätte sein können. Ferne Tochter ist aus Judiths Sicht geschrieben. Die kurzen Sätze spiegeln nicht nur die innere Zerrissenheit von Ahrens Romanfiguren wieder, sie unterstreichen die aufwühlenden Emotionen der Grundthematik geradezu. Gefühlvoll und emphatisch führt die Autorin ihre LeserInnen wie ihre Figuren durch den Roman. Unfassbar, aber keinesfalls unmöglich, scheint dabei die Denkweise der Eltern Judiths anlässlich der Zeit, in der sie ihr uneheliches Kind bekommt. Die Geschehnisse der Vergangenheit sind gut proportioniert und gezielt in das aktuelle Geschehen eingestreut. Obwohl der Fokus eindeutig auf Judith liegt, bleiben auch Francesco und andere Figuren nicht flach und schon gar nicht nebensächlich.


    Ohne überfrachtete Beschreibungen oder gar melodramatische Auswüchse erzählt Ahrens Judiths Geschichte und regt zum Nachdenken an. Nicht nur, wie gefährlich noch so kleine Lügen sein können, sondern auch welchen Stellenwert die Familie hat oder zumindest haben sollte. Darüber, wie wichtig es ist, seine Wurzeln zu kennen. Darüber, wie blind man gegenüber Hilfsangeboten sein kann, oder wie schwer manche Dinge wieder gutzumachen sind. Erzählt von etwas, das direkt um uns passieren könnte. Authentisch, lebensnah, glaubhaft.


    Fazit


    Ein sehr berührendes Buch, das ich nur empfehlen kann. Ein Roman über Schuld und Vergebung, über Enttäuschung, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Keine heitere Geschichte, aber trotz allem ganz und gar nicht hoffnungslos. Ferne Tochter hat mir Appetit auf weitere Romane der Autorin gemacht. Wie gut, dass es da schon welche gibt.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)

    Der 1946 geborene und in Amsterdam lebende Carel Donck war Kennern der Szene bisher eher durch Drehbücher für Film und Fernsehen ein Begriff. Mit seinem ersten Roman „Nur noch ein einziges Mal“ betritt er also quasi nicht nur Neuland, sondern wagt sich auch gleichzeitig an ein Thema heran, dass viele Menschen seit ewigen Zeiten beschäftigt und wohl auch noch einige Zeit beschäftigen wird.


    Was passiert, wenn wir sterben? Mit denen die wir zurücklassen, aber auch mit uns? Lösen wir uns einfach auf, verpufft unsere Existenz ohne Nachhall? Oder betreten wir eine andere Ebene? Wenn ja, werden wir die, die wir zurücklassen wiedersehen? Wenn es mehr als unser irdisches Leben gibt, wäre es dann nicht wundervoll, wenn wir unsere Lieben wenigstens ab und an etwas lenken könnten? Oder würde es für zu viel Chaos sorgen? Aber beobachten wäre doch auch schon etwas, oder?


    In Doncks Debütroman bekommt die Protagonistin Laura diese Chance. Als sie bei einem Unfall getötet wird, findet sie sich nach ihrem Wiedererwachen in einer Art Zwischenwelt wieder. Lange Flure, kleine Zimmerchen und riesige Säle in unendlicher Fortsetzung. Die Einrichtung im Gesamten eher spartanisch.


    Wer jetzt glaubt, dass Laura als eine Art Engel oder in anderer Gestalt wieder auf die Erde darf, weil sie etwa zu früh gestorben ist, irrt. An ihrem Tod oder am Zeitpunkt ihres Todes besteht kein Zweifel. Und Doncks Vorstellung vom Jenseits ist dann nicht nur räumlich betrachtet ganz anders, als man es gemeinhin zu lesen bekommt.


    Laura ist zum einen zunächst zum puren Zusehen verdammt. Erst nach einiger Zeit gelingt es Laura, über Träume Kontakt mit ihrem Sohn und später auch zu ihrer Tochter aufzunehmen. Bis dahin verfolgt sie in einem kleinen Zimmerchen, das ihr zugewiesen wird, geradezu süchtig, was die „Mitarbeiter“ der Zwischenwelt seit ihrem Tod akribisch aufgezeichnet haben. Doch sie kann auch live den Alltag ihrer zurückgebliebenen Familie am Bildschirm verfolgen. Sie kann beobachten, wie schwer sich ihr Sohn Mark mit ihrem Tod tut. Findet heraus, dass ihr Mann sie vor ihrem Tod betrogen hat und mittlerweile mit ihrer gemeinsamen Freundin lebt. Und weil mit dem Tod nicht alle Emotionen verpuffen, freut sich Laura zunächst einmal, als sie begreift, dass Silvia mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, bei dem Versuch von den Kindern akzeptiert zu werden. Spätestens als sie über die Träume Einfluss auf ihre Kinder nehmen kann, setzt Laura alles daran, Silvia das Leben so schwer wie möglich zu machen, ohne zunächst zu begreifen, was sie ihren Kindern damit antut.


    Daneben gibt es aber auch noch Lauras Dasein in der Zwischenwelt. Donck zeichnet wie bereits erwähnt ein etwas anderes Bild. Es ist sehr still dort, obwohl ganze Säle voller Menschen sind. Monotonie bestimmt den Alltag. Keine bekannten Gesichter begegnen Laura, eine Unterhaltung ist nur den wenigsten möglich. Mit ihr spricht allenfalls der für sie zuständige Mitarbeiter der Zwischenwelt. Die Blicke der Menschen sind leer und niemand – außer einem Mädchen - scheint Laura wirklich wahrzunehmen. Sie fühlt sich einsam, verraten und ohnmächtig. Vor allem, nachdem ausgerechnet das eben erwähnte Mädchen ihr einen Ort zeigt, der in die Unendlichkeit zu führen scheint und sich dann fast unmittelbar danach zu diesem Ort aufmacht.


    Doncks in Gegenwartsform geschriebener Debütroman lässt sich leicht lesen. Man taucht bereits anfangs in eine sehr dramatische und emotionsgeladene Atmosphäre ein. Die Wechsel zwischen den Erlebnissen in der Zwischenwelt und Lauras Beobachtungen ihrer Familie sind sehr fließend und überaus gut gelungen. Und obwohl Donck den Hauptteil der Geschichte von Laura selbst erzählen lässt und ihr Tod eindeutig das Hauptthema ist, bleibt dem Leser doch das nahezu zum Scheitern verurteilte Bemühen Silvias nicht verborgen, die verzweifelt versucht, den Kindern eine gute Mutter und dem Ehemann eine gute Frau zu sein. Ebenfalls sehr ausführlich geht Donck auf Lauras Sohn Mark ein, der sehr unter dem Tod seiner Mutter leidet. Die Elemente des Schmerzes und der Trauer werden sehr einfühlsam übertragen.


    Ohne sich in ausführlichen Charakterbeschreibungen zu ergehen, schafft es Donck, die Welt der Lebenden und ihre Handlungsweise nachvollziehbar lebensecht darzustellen. Demgegenüber stehen die Figuren der Zwischenwelt, die zwar ebenfalls klar gezeichnet, aber durch ihr Verhalten eher vage verschwommen daherkommen und – bis auf das Mädchen - keine große Rolle in dem Geschehen zu spielen scheinen.


    Die eigentliche Grundthematik, die in vielen Büchern verkitscht herüberkommt, wird von dem niederländischen Autor rührend aber nicht rührselig dargestellt. Kleine dramatische Szenen reihen sich aneinander, ohne durch melodramatische Elemente verdorben zu werden. Donck lässt seine Leser an einem kurzweilig zu lesenden aber keinesfalls flüchtigen Entwicklungsprozess seiner Hauptfigur teilnehmen. Lässt ihn miterleben, wie Laura Akzeptanz und Abschied lernen muss. Aber auch Liebe erkennen kann und dass eine vermeintliche Feindin auch zu einer Verbündeten werden kann, wenn es um die Kinder geht. Dass die Figuren in der Zwischenwelt dann doch eine größere Rolle spielen, als zunächst angenommen, zeigt sich spätestens an Lauras Entwicklungsprozess gegen Ende des Buches.


    Was zunächst tröstlich erscheint – nach dem Tod den Kontakt zu denen, die wir lieben, nicht völlig zu verlieren – offenbart sich in Doncks Version vom Leben danach als zunehmend trostloser, da er Laura größtenteils zur stillen und unsichtbaren Beobachterin verdammt. Dennoch erlebt Laura Glücksmomente und das hebt – obwohl das Buch nicht fröhlich ist – die Grundstimmung deutlich. Dazu gehören die Begegnungen mit dem jungen Mädchen ebenso wie die Momente, in denen sie mit ihren Kindern Kontakt aufnehmen kann. Trotz des traurigen Schlusses fühlt man sich versöhnt und in gewisser Weise auch getröstet.


    Fazit:


    Doncks Debütroman fesselt unweigerlich. Er ist für mich kein Buch, dass man mal eben so nebenbei liest und dann einfach und schnell wieder vergisst. Zum einen, weil seine Vorstellung vom Leben danach etwas erschreckend trostloses beinhaltet. Zum anderen und vor allem aber, weil er emotional fesselt. Kein Mainstreambuch, aber eines, das man lesen sollte und für das ich fünf von fünf Punkten vergeben möchte.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Brächte ich so etwas über mich? Etwas wie die Suche nach dem Partner oder das Leben mit Selbigem in Form eines Blogs und/oder Buches zu veröffentlichen? Vermutlich eher nicht. Die Autorin Juli Rautenberg, die nach ihrem Studium als freie Lektorin arbeitet, hat es jedenfalls getan. Sie gerät nach eigenen Angaben schon mal bei warmem Schokoladenpudding in Versuchung und ist vom inzwischen leider verstorbenen Loriot fasziniert. Persönlich steht sie eher auf Krimis und Thriller.


    Darum handelt es sich bei Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil allerdings nicht. Um einen Direktangriff auf diverse Lachmuskeln allerdings schon. Es ist die Fortsetzung von Zwölf Monate, siebzehn Kerle und ein Happy End: Das Single-Experiment (2011 erschienen über Eichborn Verlag). Der Titel verrät es schon, darin beschäftigt sie sich mit der Suche nach dem Traummann. Bereits damit hatte die Autorin die Lacher auf ihrer Seite. Aber all das war vollkommen nebensächlich und es ist mir, während die diverse Lachsalven mein Zwerchfell erschütterten, nicht einmal andeutungsweise aufgefallen.


    Möglich, dass Rautenberg nicht alle Leser querbeet zum Lachen animieren kann. Aber wer kann das schon von sich behaupten. Bei den Leuten, mit denen ich zwischenzeitlich über Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil gesprochen habe, ist ihr das jedoch durchweg und spielend gelungen.


    Das Buch liest sich sehr leicht. Man kann es in einem Rutsch durchlesen oder es in Häppchen genießen, da es in handliche Kapitel die wiederum zu einem von zwölf Monaten zusammengefasst sind, geschrieben ist. Jedes der Kapitel ist auch mit überaus passenden Überschriften versehen.


    Man merkt schnell, das Juli, die sich manchmal wie der berühmte Elefant im Prozellanladen verhält, absolut nicht perfekt und selbstsicher ist, dafür aber sehr authentisch. Spritzig und freimütig, mit einer mehr als guten Prise Selbstironie, berichtet die Autorin von allem, was in einer neuen Beziehung so alles passieren kann. Was Verdauung und Verliebtsein über das V am Wortanfang hinaus miteinander zu tun haben, etwa. Von Eifersüchteleien und Minderwertigkeitsgefühlen. Von Fettnäpfchen und ersten Gewitterwölkchen. Bösen Schwiegermonstern und peinlichen Eltern. Von im ungünstigsten Moment auftauchenden Expartnern, von falschen Verdächtigungen und infantil-anmutenden Folgeaktionen bis hin zur Angst vor der vermeintlichen Endgültigkeit. Von inneren Schweinehunden und der eigenen anderen bösen, teils missgünstigen Seite. Von Verletzen und Verletztsein. Von allen Gefühlen, die es so zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt eben so gibt.


    Nicht immer hat es Konrad, ihre bessere Hälfte, einfach mit ihr und man kann ihm getrost Sinn für Humor und vor allem Durchhaltevermögen attestieren, weil er mit so ziemlich allem fertig wird. Nicht immer erfüllt er alle Erwartungen, die Juli an ihn stellt und doch begreift sie sukzessive, dass es manchmal besser ist, etwas zurückzustecken, um nicht alles kaputtzumachen. Und nicht alles, was Rautenberg so mitzuteilen hat, ist bei all der spielerischen Leichtigkeit, mit der sie davon berichtet, auch wirklich nur humorig, sie macht sich durchaus auch ernsthafte Gedanken darüber, dass sie sich selbst am meisten im Weg steht.


    Fazit:


    Genauso leicht und locker zu lesen, wie es geschrieben ist. Für alle die mal wieder lachen wollen und auch über sich selbst lachen können. Denn so sehr man sich manchmal an den Kopf fassen möchte, das Buch wirkt stellenweise wie ein Spiegel. Herrlich lebendig und mitten aus dem Leben bekommt es fünf von fünf Punkten von mir.


    Copyright © 2012, Antje Jürgens (AJ)