Beiträge von Ati

    Auswanderergeschichten sind ja grundsätzlich nichts Neues, dennoch lese ich sie immer wieder gerne und mit den über 500 Seiten halte ich mit Peters Debütroman etwas in Händen, das mich sofort neugierig macht. Die Umschlaggestaltung (eine Küstenlandschaft in beruhigendem blaugrün, relativ dunkel gehalten, auf der Vorderseite der Bug eines Segelschiffes, das darauf hindeutet, bald anzulanden), die ausführliche Inhaltsangabe im Klappentext, dazu ergänzend auf Seite 6 eine Karte, die die Gegend, in der der Roman spielt, zeigt, all das lässt die Vorfreude auf das Buch wachsen und ich stellte mich auf eine lange Lesenacht ein.


    Gleich vorab: Sie wurde sehr lang – ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen und wurde dank Julie Peters in eine Zeit entführt, in der Freude und Leid, Abenteuer und die Sehnsucht nach Beständigkeit eng beieinanderliegen. Ihre anfangs eher schemenhaft gezeichneten Figuren gewinnen rasch und zunehmend an Kontur, an Tiefe und Farbe und verführen dazu, weiterzulesen, um am Traum eines Mannes teilzuhaben, für den ihm seine ganze Familie in ein neues Leben folgt. Dabei ist völlig nebensächlich, dass er gar nicht über die finanziellen Mittel verfügt, um seinen Traum zu realisieren. Vielmehr greift er dafür auf das Geld seiner Schwiegertochter zurück, die sich anfangs klaglos und ohne nachzudenken in ihr Schicksal fügt. In dieser einen Lesenacht durfte ich die Familie O’Brian über einen Zeitraum von mehreren Jahren begleiten, mitfiebern, mitleiden.


    Schon bald kristallisieren sich zwei Figuren im Vordergrund heraus. Da ist zum einen Siobhan – auf den ersten Blick glücklich verheiratet, jagt ihr dieser Aufbruch ins Ungewisse dennoch Angst ein. Das liegt nicht nur daran, dass ihr Mann, tagsüber zärtlich und zuvorkommend, sich in den Nächten bisweilen in etwas verwandelt, dass er selbst hasst. Es liegt auch daran, dass ihr weder das Land noch die Ureinwohner ganz geheuer sind. Doch genau einer dieser Ureinwohner ist es, der ihr Leben schon bald lebenswert macht. Und dann ist da Emily – ein träumender Wildfang. Büchervernarrt verfasst sie Gedichte und Geschichten und hegt den ihrer alten Heimat gänzlich unerfüllbaren Wunsch, eine Universität zu besuchen. Für sie kommt dieser Aufbruch gerade recht. Eine Ehemann passt eigentlich nicht so gut in ihr Weltbild, doch um dem Rollenverständnis ihrer Mutter gerecht zu werden, die ihr Siobhan immer wieder als leuchtendes Beispiel vor Augen führt, stürzt sie sich letztlich doch in eine Ehe. Die verändert schon bald auf sehr nachhaltige Weise ihr Leben.


    Beide Frauen müssen ihr neues Leben meistern und drohen daran zu zerbrechen. Erschwerend kommen die weltweite Wirtschaftskrise und der 1. Weltkrieg dazu, der Emilys Bruder beinahe das Leben kostet. Zusammen mit der eigensinnigen, patriarchischen Art des Familienoberhauptes sorgt all dies dafür, dass das anfangs blühende Unternehmen der Auswanderer in ernsthafte Schwierigkeiten gerät und der ursprüngliche Traum zu platzen droht. Lediglich der Kraft der Frauen ist es zu verdanken, dass die Familie nicht völlig zerbricht.


    Peters versteht es nicht nur das Leben der beiden Frauen ins Schlaglicht zu rücken, sie greift auch ihre Mitstreiter und Nebenfiguren erfreulich lebensecht und klar auf. Dass es in so einer Geschichte nicht nur gute Menschen geben kann, ist völlig klar. Dass sie für Turbulenzen und Verwirrungen sorgen, auch. Beide Seiten haben ihre Träume und Wünsche, Hoffnungen und Ängste, erleben Traumata, verspüren neben Glück auch Wut und Trauer. Die Dialoge, die sie führen, ihr Handeln – all das verleitet einen fast dazu, sie aufhalten zu wollen, wenn sie fast sehenden Auges in ihr Verderben laufen. Da man das nicht kann, hofft man darauf, dass sie mit einem blauen Auge davonkommen.


    Während aus der lebenslustigen, neugierigen Emily zunehmend ein lebensuntüchtiges Wrack zu werden droht, gewinnt Siobhan konsequent an Stärke und Mut, den sie im letzten Abschnitt des Romans auch zwingend braucht. Dank Peters Schreibstil geschieht dies keinen Moment langatmig oder unglaubwürdig, verkitscht oder auf Happy End getrimmt.


    Fazit


    Ein wundervoller Roman, für den es einfach nur fünf von fünf Punkten geben kann. Ein Roman, der auf eine Fortsetzung hoffen lässt und den ich garantiert ein weiteres Mal lese. Einfach, weil die darin vorkommenden Figuren, die enthaltene Dramatik und Leidenschaft, die Wünsche, Träume und Hoffnungen und das Unglück so authentisch und fein abgewogen sind, dass alles stimmig ist. Ich bin auf weitere Werke der Autorin gespannt.


    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Also mir hat das Buch ehrlich gesagt nicht so gut gefallen.


    Gleich vorab: Gut gelungen finde ich das Begreifen und Umdenken von Leonore, dass andere Religionen nicht besser oder schlechter als die eigene sind. Und vor allem gefällt mir, dass Leonore größtenteils verletzlich und nicht als Überfrau dargestellt wird.


    Zu Beginn des Buches stellt die Autorin in einer Auflistung alle mehr und minder maßgeblichen Figuren vor, was sich immer als hilfreich erweist. Am Schluss findet man neben einem Glossar auch Karten von Braunschweig und Jerusalem, beide sollen die Städte im 12. Jahrhundert darstellen. Die Geschichte selbst ist in drei Teile gesplittet. Teil eins befasst sich mit der Entführung, Teil zwei mit der Reise, Teil drei mit der Entscheidung.


    Dem gegenüber steht aber einiges was negativ auf mich gewirkt hat. Leonore und ihre Mitstreiter oder Gegenspieler haben mich trotz des eigentlich interessant klingenden Plots nicht in ihren Bann gezogen. Obwohl die Autorin einen flüssig-leichten und durchaus plakativen Schreibstil hat, stolpert man über zu viele Klischees, Ungereimtheiten, Oberflächlichkeiten und nicht zu Ende gesponnene Handlungsverläufe. Deshalb bekommt „Die Geliebte des Sarazenen“ nur vier von zehn Punkten, schon allein, weil die nach dem Titel vermutete Liebesgeschichte viel zu schwach beleuchtet wird.





    Die Entführung hat auf mich absolut nicht wie eine Entführung gewirkt. Vielmehr wirkte es so, als ob der Ehemann freiwillig mit den Fremden mitging und dabei seine Tochter mitgenommen hat. Zu diesem Zeitpunkt wendet sich Leonores Verhalten. Sie wird zwar keine taffe Heldin, genau genommen bleibt sie den gesamten Roman hindurch eher ängstlich und zögerlich, aber sie stellt sich ihren Ängsten. Sie setzt alles daran, jemanden zu mobilisieren, der Mann und Tochter zurückbringt – vergeblich. Was sie dazu bringt, sich selbst aufzumachen.


    Auf ihrer Suche nach einem Begleiter gerät sie in die Armenviertel der Stadt und ihr droht eine Vergewaltigung. Die arme Bevölkerung, respektive die Männer, werden als nichtsnutzige Säufer, brutal, gewalttätig und immer auf der Suche nach einem Opfer in Gestalt einer Frau dargestellt. Zwar mögen Frauen in dieser Zeit wenig Rechte gehabt haben und diesen Gefahren sehr real ausgesetzt gewesen sein, gleichwohl stach die Beschreibung dessen unangenehm für mich hervor. Ich kann nicht behaupten, dass andererseits die Ratsmitglieder wirklich edelmütig und gut dargestellt werden, aber insgesamt betrachtet, erscheint mir die Darstellung von Reich und Arm doch zu klischeehaft.


    Die drohende Vergewaltigung findet nicht statt, da sie von einem Ritter (mit dem sie, wie sich im Laufe der Geschichte herausstellt einiges verbindet, was aber nicht wirklich herausgearbeitet wird) gerettet wird. Genau den hat sie gesucht, weil ihr gesagt wurde, dass er ihr wohl als einziger helfen könnte. Was er auch macht, zusammen mit einer von Brandnarben entstellten Frau, die quasi als Anstandsdame fungiert. Beide umgibt ein Geheimnis (das leider zunehmend vorhersehbar am Ende der Geschichte gelüftet wird). Das Trio tarnt sich als Pilger auf dem Weg in die Heilige Stadt. Niemand darf ahnen, warum sie wirklich losziehen, denn dadurch könnte Leonores Tochter in Gefahr geraten, was sie eindeutig verhindern möchte. Hier stellte sich die Frage, wie jemand, der die Reise vor ihnen antritt, von ihrer Suche erfahren soll. Noch dazu jemand, der sich über Verfolger vermutlich keine Gedanken macht. Die Reise gestaltet sich etwas mühsam, dennoch kommen sie überraschend gut voran.


    Bei einem Sturm wird Leonore über Bord gespült. Glücklicherweise treibt die Strömung sie an die Küste, wo sie von einer Karawane – angeführt von Nadim – aufgefunden und mitgenommen wird. Obwohl Leonore beim Verschwinden ihrer Tochter automatisch den Schluss „Ungläubige rauben Christenkind für Sklavenmarkt“ gezogen hat, kommt Nadim natürlich nicht im Geringsten auf so einen Gedanken, sein Fundstück zu versklaven. Als Muslim ist ihm die Gastfreundschaft viel zu heilig. Dieser Teil der Geschichte fordert einiges an Durchhaltevermögen, da er nicht nur Längen, sondern auch die bereits erwähnten glücklichen Zufälle oder aus dem nichts konstruierte, wenig nachvollziehbare Gefahrensituationen aufweist. So kann ich zwar das langsame Annähern zwischen Leonore, den Mitgliedern der Karawane und im speziellen Nadim gut nachvollziehen, der als einziger ihre Sprache spricht. Abgesehen von der glücklichen Fügung, dass Leonore gerettet wird und sich überraschend schnell erholt, tauchen jedoch plötzlich Kreuzritter auf (teils edelmütig, teils gierig dargestellt), die die Karawane überfallen wollen und mit denen Nadim noch eine Rechnung aus seiner Vergangenheit offen hat. Die Mordlust der Kreuzritter wird allein durch …. soll ich Leonores Liebreiz oder lieber überraschend heldenmütigem Auftreten schreiben? Ach nein, es war ja auch die Erinnerung an ihre Tätigkeit als Gotteskrieger … verhindert wird, was ein weiteres Mal überaus klischeehaft auf mich wirkt. Ausgerechnet die zaghafte Leonore kann also Schlimmeres verhindern, schließt sich den Kreuzrittern an, und reist mit ihnen nach Akkon weiter.


    In Gegenwart der Kreuzritter hat Leonore seltsamerweise keine Angst mehr, dass herauskommen könnte, weshalb sie wirklich nach Jerusalem will. Bereits kurz nach ihrem Zusammentreffen vertraut sie sich einem von ihnen an, der ihr sofort und edelmütig seine Hilfe anbietet. Das ist aber gar nicht nötig, denn kaum treffen sie in Akkon ein, findet sie ihre ehemaligen Weggefährten wieder. Welch glückliche Fügung, dass egal ob man über Land oder den Seeweg reist, alle gleichzeitig ankommen und sich problemlos in einer Stadt wiederfinden, in der Pilger über Pilger eintreffen, welche – zumindest teilweise - von den Kreuzrittern begleitet nach Jerusalem weiterreisen sollen.


    Bevor es dahin geht, tritt erneut Nadim auf den Plan (der überhaupt des öfteren überraschend schnell aus dem Hintergrund auftaucht und wieder verschwindet), der Leonore für ihren Einsatz beim Zusammentreffen mit den Kreuzrittern ein kostbares Pferd schenkt, während die Mitglieder der Karawane sie ebenfalls mit Geschenken überhäufen. Ohne diese Geschenke, müssten Leonore und ihre Begleiter zu Fuß weiterziehen und sich völlig ohne Kreuzritter den Unbillen der Wüste und den Gefahren durch Ungläubige ausliefern. Nadim verschwindet dann erst einmal wieder. Zu groß ist die Gefahr, die eine weitere Begegnung mit den Kreuzrittern in sich birgt. Eine Gefahr, die sich kurz danach nicht gerade ins Nichts auflöst, aber doch nahezu zur Bedeutungslosigkeit verkommt. Warum? Weder das eine noch das andere wird genauer erläutert. Warum Leonore überhaupt Gefühle für ihn entwickelt übrigens auch nicht, es war einfach plötzlich die Rede (vielmehr der Gedanke) von Liebe. Nadim bleibt von Anfang bis Ende seltsam diffus, nebensächlich.


    Doch es geht noch weiter. Nehmen wir eine explizit beschriebene Begegnung mit Sybilla von Jerusalem, vor der Leonore eindringlich gewarnt wird, der sie aber trotzdem hilft. Ein neuer Handlungsstrang? Nicht wirklich, denn danach kommt nichts weiter darüber. Bald darauf erfolgt ein Überfall von Assassinen auf Leonore und den sie begleitenden Ritter – deren Auftauchen und die Beweggründe werden nicht näher erläutert. Sie werden in meinen Augen einfach benutzt um das Verhältnis von Gottfried und Leonore (welches lang vor ihrer ersten Begegnung in der Vergangenheit begann) auseinander zu dividieren. Natürlich erst, nachdem sein Geheimnis für die, die es bis dahin nicht schon ahnten, gelüftet ist.


    Auch die Suche nach ihrer Tochter, die Leonore gleichzeitig zu ihrem Mann führt, gelingt zu einfach, zu schnell. Mein ursprünglicher Gedanke, dass er die Sarazenen freiwillig begleitet hat, bestätigte sich hierbei. Das Warum und Weshalb ist in wenigen Sätzen abgehandelt und etwas durchsichtig. Sein Verhalten wirkt auch hier einerseits beherrschend und andererseits nachgiebig und oberflächlich selbstsüchtig.


    Mit seinem Auffinden scheint sich Leonore sofort wieder in ihr anfängliches Verhaltensmuster zu ergeben. Eine Frau, die nicht lange davor Nadim Szenen für Sachen bereitet hat, die einen irritiert die Stirn runzeln lassen. Ihr Weg scheint wieder Richtung Braunschweig zu weisen. Obwohl, eigentlich verrät der Titel schon, was geschehen könnte.

    Zur Autorin

    Die in London lebende und aus Warwickshire stammende Autorin Isabel Wolff ist in der Bücherwelt nicht ganz unbekannt. Ihre Romane wurden bereits in 23 Sprachen übersetzt. Neben ihren schriftstellerischen Ambitionen ist sie als freie Journalistin für verschiedene britische Zeitschriften und die BBC tätig. Mit „Der Stoff aus dem die Liebe ist“ bringt die Bestsellerautorin ihr neuestes Buch auf den Markt.

    Zum Buch / Meine Meinung

    Zitat

    Inhaltsangabe:
    Jedes Kleid hat ein Geheimnis. Jede Frau auch …


    Endlich ist Phoebes großer Traum wahr geworden: Sie hat einen Laden für Vintage-Mode eröffnet. Jede der rauschenden Abendroben erzählt eine Geschichte. Und nichts macht Phoebe glücklicher, als das richtige Kleid für die richtige Frau zu finden. Doch noch immer überschattet ein schreckliches Ereignis ihr Leben. Damals hat sie nicht nur ihre große Liebe verloren, sondern auch die beste Freundin - für immer. Erst als Phoebe die Französin Thérèse kennenlernt, findet sie die Kraft, sich der Vergangenheit zu stellen. Denn die alte Dame weiß, was Schuld bedeutet …




    Das gibt eigentlich sehr gut wieder, worum es in dem Buch geht. Oder zumindest gehen sollte. Was es bedauerlicherweise nicht beschreibt, ist das, was mich bereits zu Anfang des Buches fast vom Lesen der eigentlich guten Idee abgehalten hat. Die einen begeistert es, bei mir führte es dazu, dass sich meine Nackenhaare sträubten. Die Darstellung des Vintage-Elements kam so plakativ und vor allem penetrant oft vor, dass es sich geradezu in den Vordergrund drängte und sowohl die eigentlichen Haupt-, wie auch diverse Randfiguren im Gegenzug beiseiteschob. Kleider erzählen – wie viele alte Dinge – Geschichten und können spannend sein. Doch für mein Dafürhalten war bereits die eigentliche Grundidee des Buches etwas, das genug Spannung bot.

    „Der Stoff aus dem die Liebe ist“ lernen wir dank Phoebe kennen, die die Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt. Phoebe, eine junge Frau im England der Gegenwart, die gerade aus ihrem bisherigen Leben ausgebrochen ist, ihre Stellung gekündigt und sich von dem Mann getrennt hat, den sie eigentlich heiraten wollte. Das alles geschieht, nachdem ihre beste Freundin aus Kindertagen gestorben ist, die in den Wochen vor ihrem Tod unendlich unglücklich war.



    Die Frage, wie tief Phoebes Trauma tatsächlich ist, wie nachvollziehbar ihre Entscheidungen sind, stellt sich sehr bald. Während sie einerseits nach Emmas Tod und ihrer Trennung von Guy (sie verliert ihn nicht, sie trennt sich bewusst von ihm) jeden Kontakt zu diesem meidet, lernt sie andererseits unmittelbar bei bzw. nach der Eröffnung ihres zwei Männer kennen, denen sie den Kopf verdreht und auf die sie sich mehr oder weniger ernsthaft einlässt. Der eine, Dan, scheint ein Habenichts und Überlebenskünstler zu sein. Der andere, Miles, ist älter als sie, allein erziehender Vater und nicht ganz unvermögend. Phoebes Tun wirkt oberflächlich in Anbetracht des Traumas, das sie erlebt hat. Da speziell dieses Trauma essenzieller Bestandteil des Plots ist, wirkt entweder die dargestellte Traumatisierung oder der Neustart nicht sehr glaubwürdig auf mich. Zum einen hat sie ihre seit Kindertagen bestehende Freundschaft mit Emma für die Liebe zu Guy geopfert und will sich - durchaus nachvollziehbar - aus purem Selbstschutz nicht mit der Thematik befassen. Zum anderen ist sie schon für etwas Neues offen, obwohl sie so traumatisiert.

    Eine wirkliche Aufarbeitung von Emmas Tod und damit eigentlich von Phoebes schmerzlichem Erleben findet nicht statt. Dafür hat Phoebe genau genommen auch keine Zeit. Abgesehen davon, dass dieser Handlungsstrang nur wenige Monate umfasst, beinhaltet er einfach zu viel. Nur Monate nach dem Tod ihrer Freundin hat sie völlig mit ihrem alten Leben gebrochen und startet neu durch, verliebt sich neu, wird beruflich aus dem Stehgreif erfolgreich. Sie laviert sich durch unzählige kleinere Nebenschauplätze – etwa dem Leben von Miles mitsamt seiner schwierigen Beziehung zu seiner Tochter im Teenageralter einschließlich eines Buches seines Weingutes. Die schwierige Beziehung ihrer Eltern gehört ebenso wie die einzelnen Facetten, die Dan ihr so bietet, dazu. Oder die Gedanken, die sie sich um ihre Kundinnen macht.

    Nicht zu vergessen natürlich ihre Begegnung mit Thérèse, durch die quasi von außen die Erkenntnis von Phoebes eigentlichen Schuldgefühlen gegenüber Emma wirklich deutlich wird. Thérèse, die sich am Ende ihres Lebens von vielen Dingen trennen muss. Der blaue Kindermantel, den Phoebe dabei entdeckt, gehört jedoch nicht dazu. Er hat eine viel zu persönliche Geschichte, in der es auch um Schuld oder vielmehr um naives und missbrauchtes Vertrauen geht. Phoebe bringt Thérèse nicht nur dazu, ihr genau diese Geschichte zu erzählen, sie öffnet sich selbst gegenüber der alten Frau bei diesen Treffen überraschend schnell und gelangt so zu der oben angesprochenen Erkenntnis. Es war ihre Entscheidung, Emmas Bitte um Hilfe zu ignorieren. Ihre Entscheidung sie auf später zu vertrösten. Dieses Eingeständnis hilft ihr zwar, die Welt wieder mit etwas anderen Augen zu sehen, ließ bei mir jedoch ein gewisses Gefühl von Betrogenheit zurück, da sie es sich nicht wirklich selbst erarbeitet hat. Hier fehlt einfach etwas.

    Dieser Part der Geschichte ist so lebensnah dargestellt, dass die Erlebnisse der jetzt todkranken, dahinsiechenden Thérèse im Europa des 2. Weltkriegs nicht spurlos vorbeiziehen, kann jedoch die oben erwähnten Mängel nicht aufheben.

    Und Phoebe? Die hat eindeutig eine neue Happy-End-Perspektive, diesem Handlungsstrang fehlt jedoch die Konsequenz.

    Fazit

    Wer mehr über Mode und Vintage erfahren möchte, oder auch über Wein, der wird von der Leidenschaftlichkeit, mit der das in diesem Roman thematisiert wird, angenehm überrascht sein. Bedauerlicherweise ist jedoch die eigentlich gute Grundidee nicht konsequent umgesetzt, seltsam offen und eher seicht abgefasst. Leider hat sich die Autorin in zu vielen Nebenschauplätzen verzettelt. Hier wäre weniger mehr gewesen, oder hätte alternativ mehr Seiten gebraucht. Auf einer Punkteskala von 1 bis 5 würde ich deshalb nur 2 Punkte vergeben – für den Part von Thérèse.

    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Zur Autorin:

    Die studierte Philosophin und Mitbegründerin einer 2005 aus der Taufe gehobenen, karitativen Umweltorganisation wurde 1975 in Kent geboren. Samantha Harvey reist sehr gerne und lebte in Irland, Japan und Neuseeland, bevor sie sich in Bath niederließ. Mit der Originalausgabe von „Tage der Verwilderung“ (The Wilderness) stellt Samantha Harvey ihren Debütroman vor. Von Harper’s Bazar wurde sie zur „Women to Watch in 2009“ gekürt.

    Zum Buch / Meine Meinung:

    Zitat

    Buchrücken: Ein Haus, ganz aus Glas, inmitten der Moorlandschaft von Lincolnshire, das war Jakes lebenslanger Traum. Doch es kam anders: Einzig für das örtliche Gefängnisgebäude ist der Architekt bekannt – und dort sitzt nun sein Sohn ein. Das bewegende Porträt eines Mannes, der darum kämpft seine Erinnerungen zu bewahren, gekleidet in wunderschöne, eindringliche Bilder voller Poesie.



    2005 habe ich einen Film gesehen, der sich – wie es nur wenige Filme schaffen – sofort in mein Unterbewusstsein einklinkte und mich bis heute nicht vergessen ließ. James Garner, Gena Rowlands und Nick Casavattes Umsetzung von „Wie ein einziger Tag“, schafften etwas aus einem Sparks-Roman zu schaffen, was mich berührte. Es ging um das Thema Demenz und dem hoffnungslos anmutenden, aber anhaltenden Versuch eines Mannes, seine Frau in ihrer Welt zu erreichen.

    Durch Zufall stolperte ich kürzlich über die Inhaltsangabe von Samantha Harveys „Tage der Verwilderung“ und abgesehen davon, dass sofort die Erinnerung an diesen leisen, aber sehr eindrücklichen Film da war, wollte ich unbedingt dieses Buch lesen. In dem geht es ebenfalls um die Thematik Alzheimer und Demenz. In Harveys Fall jedoch aus der Sicht des daran erkrankten Patienten selbst.

    Samantha Harvey Tage der Verwilderung – ihr Debütroman, in dem sie sich sofort an ein überaus schwieriges Thema heranwagte – heimste bereits kurz nach der Veröffentlichung Auszeichnungen ein. So etwa den Betty Trask Award 2009 oder den AMI-Literatur-Award 2009. Darüber hinaus wurde er unter anderem für den bedeutendsten Literaturpreis der englischsprachigen Welt, den „Booker-Preis“ nominiert. Er ist zwischenzeitlich in 12 Sprachen übersetzt worden und setzt seinen Siegeszug fort. Bei uns ist er traurigerweise trotz allem noch eher unbekannt. Warum? Nun, Harveys Schreibstil hat aus etwas, das schwer in Worte zu fassen ist, einen sehr bildhaften Tribut geschaffen. Mit klaren und ergreifenden Worten lässt sich die Autorin über die Verletzlichkeit dessen aus, was uns Menschen ausmacht – unseres Geistes. Mit ihrem Buch hat man eines von denen in Händen, die sich schwer beiseitelegen lassen, wenn man sich erst herangewagt hat. Und eins von denen, die man nicht so schnell vergisst.

    Tief berührend, schön und gleichzeitig erschreckend, schafft es die Autorin, zu fesseln. Vielleicht weil sie Tage der Verwilderung nach eigenen Angaben mit ihrem Herzen geschrieben hat. Klingt sentimental? Möglich, doch wer sich in ihren Roman vertieft, wird schnell merken, dass diese Worte nicht einfach nur so dahergesagt sind. Absolut unsentimental, dafür aber eindringlich und überaus emphatisch führt Harvey an ihre Figur Jake heran. Wer ist er, wer war er?

    Jemand der verzweifelt versucht, zu begreifen und zu verarbeiten, was mit ihm geschieht. Jemand, dessen Gegenwart bröckelt. Jemand dessen Leben im Nichts verschwindet. Jemand, der versucht, aus alten Erinnerungsfetzen, sein Leben zu rekonstruieren. Erinnerungsfetzen, die viel länger halten, als das, was beispielsweise gestern der Erinnerung hinzugefügt wurde. Und doch etwas, das auf Dauer keinen Bestand mehr hat. Ein Mann mit schwieriger Kindheit. Mit einer Mutter, die vom Holocaust traumatisiert wurde. Mit einer Frau, die in ihrem Glauben ruht und deren Tod unsinnig scheint. Mit einem Sohn, der im Gefängnis landet – warum, daran kann Jake sich nicht mehr erinnern.

    In poetischer Bildhaftigkeit lässt die Autorin die Leser an seiner Welt teilhaben. Lässt seinen Schmerz, seine Verwirrung mitfühlen. Etwa in den Geschichten über Liebesbriefe an seine verstorbene Frau, die er nicht zuordnen kann. Über das fehlende E, die nicht greifbare Tochter oder den Kirschbaum, die Flucht. Sie fragen sich, was darin geschieht? Dann geht es Ihnen genauso wie Jake. Sein Leben wirkt ihm fremd, sein Er-Leben qualvoll. Ausgerechnet der Mann, dessen Name nicht mit der Realisierung großer Träume, sondern nur mit einem Gefängnisgebäude in Verbindung gebracht wird, ausgerechnet dieser Mann wird zu einem Gefangenen der Krankheit. Ausgerechnet der Mann, der zur Erschaffung von Neuem Altes demontieren ließ, erlebt die unaufhaltsame Demontage seines Selbst. Zunächst bewusst, dann zunehmend unbewusster. Immer dann, wenn sich Gegenwart und Vergangenheit überlappen. Realität oder Wahnvorstellung? Die Grenzen sind fließend. Seine Einsamkeit, die Trostlosigkeit seiner Zukunft - all das wird durch die plakative Darstellung von Jakes Situation wie auch seiner Umgebung verdeutlicht. Wie kann man sich mit jemandem unterhalten, Fragen stellen, wenn die Worte dazu fehlen? Wie kann man neue Eindrücke verarbeiten, wenn man hoffnungslos von ihnen überrollt wird. Hilflos, wie ein kleines Kind – das wird Jake; das ist Jake.

    Fazit:

    Kein Buch für zwischendurch, keine leichte Kost. Kein beruhigendes, aber auch kein Angst machendes Buch. Ein wundervoller, menschlicher Roman. Gleichermaßen schockierend wie faszinierend. Souverän meistert die Autorin die schwierige, oft ignorierte Thematik. Die Ernsthaftigkeit, mit der sie ihre Figur aufbaut und begleitet, den Zerfall beschreibt, ohne die Würde zu vernachlässigen, zog mich durch die Geschichte. Man kann dafür nur die volle Punktzahl geben und hoffen, dass noch weitere Romane von dieser Autorin folgen.

    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Zum Autor:


    Spencer Quinn ist ein Pseudonym des am 28.06.1947 in Boston geborenen Autors Peter Brian Abrahams. Bevor er zum Schreiben kam, arbeitete er bei Radio und Fernsehen. Für seine unter dem Namen Abrahams veröffentlichten Kriminalromanen erfolgten Nominierungen für den Edgar Award. 2005 gewann er für den ersten Teil der Echo-Falls-Serie den Agatha Award für das beste Kinder-/Jugendbuch. Abrahams war unter anderem am Drehbuch für den 1996 entstanden Film „The Fan“ beteiligt. Er mag die Musik von Louis Armstrong, den Film „China-Town“ und bezeichnet sich als glücklichen Menschen, dessen größte Herausforderung es war, vier glückliche Kinder zu erziehen. Mit diesen, seiner Frau und seiner Hündin, lebt der Autor auf Cape Cod. Auf die Idee zu dem Roman „Dog on It“ kam er durch seine Frau.

    Zum Buch / Meine Meinung

    Katzenkrimis sind mir schon einige untergekommen, Hundekrimis weniger. Mit Bernie & Chet liegt der Erste vor mir und ich kichere immer noch, wenn ich gedanklich die eine oder andere Passage rekapituliere. Worum geht’s?

    Zitat

    Inhaltsangabe: Bernie Little und sein Partner Chet sind die besten Privatdetektive der Stadt. Und das liegt vor allem an Chet, der immerhin beinahe mal ein Polizeihund geworden wäre. Zugegebenermaßen hat Chet all die typischen Schwächen eines Hundes: So verfügt er über einen unbezähmbaren Spieltrieb und ein äußerst lückenhaftes Erinnerungsvermögen. Doch das macht der smarte Vierbeiner mehr als wett mit seinem Jagdinstinkt und seiner untrüglichen Spürnase. Vor allem jedoch hat Chet ein großes, mutiges Herz, das ganz und gar für sein liebenswertes Herrchen Bernie schlägt – und für die hübsche Menschenfrau Suzie Sanchez, die nach Chets Ansicht das perfekte Weibchen für Bernie wäre. Aber was versteht ein Hund schon vom merkwürdigen Treiben der Menschen?



    Gleich vorab – das gibt es schon mal sehr gut wieder. Die über 100 Pfund schwere, muskelbepackte Promenadenmischung Chet, die uns die Geschichte erzählt - präsentiert sich nicht nur laut Inhaltsangabe als leicht vergesslicher, Fast-Polizeihund (dem bei der entscheidenden Prüfung dummerweise eine Katze in den Weg kam) mit einer Spürnase, die ihn sich schon mal selbst verfolgen lässt. Er ist darüber hinaus äußerst verfressen und verleibt sich alles ein, was irgendwie essbar aussieht, selbst wenn das schon lange vergessen unter irgendwelchen Möbeln liegt und er es hinterher wieder herauswürgen muss. Kann man ihm das übel nehmen? Nein, dazu kommt Chet viel zu sympathisch daher. Ach ja, und sein Spieltrieb ist auch nicht zu verachten. Doch meist genügt nur eine Kleinigkeit, um ihn sich auf seine Aufgabe besinnen zu lassen. Sein Partner Bernie, ein ehemaliger Polizist, betreibt eine mehr schlecht als recht gehende Detektei und ist dankbar für Chets Hilfe. Er kämpft noch mit den Folgen seiner Scheidung oder vielmehr mit den Folgen, die das für seine Beziehung zu seinem Sohn mit sich bringt. Er hat seine Prinzipien, die er eisern verfolgt, selbst wenn sich daraus Nachteile für ihn ergeben.

    Chet kennt seinen Platz und ist dankbar dafür, dass er nicht so wie der Nachbarhund leben muss. Bernie ist eindeutig der Rudelführer, aber der Rüde macht sich durchaus seine Gedanken über sein Herrchen. Über das Wasser, das bisweilen aus seinen Augen fließt und das seltsamerweise salziger schmeckt, als das Wasser, das er sonst so kennt. Über sein seltsames Verhalten, als die Journalistin Sanchez auftaucht. Ganz offensichtlich will Bernie die beeindrucken, selbst wenn er nicht gerade in Bestform ist. Zwar versteht Chet Bernie meistens sofort – umgekehrt gibt es da allerdings das eine oder andere Problem. Manchmal erscheint Bernie dem Hund ziemlich begriffsstutzig – jedenfalls so lange, bis er wieder einmal vergisst, was er gerade dachte, wollte oder sollte.

    Die beiden sind ein eingespieltes Team. Das ist aber mit Erteilung eines neuen Auftrags auch notwendig. Statt der üblichen Beschattung untreuer Ehepartner werden sie um Hilfe bei einer Entführung gebeten, bei der mehr und mehr seltsame Dinge ans Licht kommen. Sie werden sogar von dem Fall abgezogen, machen jedoch – da kommen Bernies Prinzipien ins Spiel, denen auch Chet treu, wie ein Hund es eben tut, folgt – machen unverdrossen weiter. In diesem Zusammenhang erlebt Chet selbst eine Entführung, ihm droht gar das endgültige Aus in einem Tierheim. Und auch Bernie gerät bei seinen Ermittlungen in größere Gefahr, als den beiden lieb sein kann.

    Die Geschichte bietet einige Wendungen und auch kleinere Perspektivwechsel, was die Hintergründe der Entführung relativ bald ans Licht bringt. Madison – das gesuchte Mädchen – weiß beispielsweise auch, wo sie ist und mit ihr erfahren es natürlich die Leser ebenfalls. Stört es? Nein, was mit Sicherheit an den sympathischen Figuren liegt. Die einfach gehaltene Sprache fällt ebenso wenig ins Gewicht, da die Geschichte über gute Strukturen verfügt. Der Plot ist durchgängig erfrischend umgesetzt. Chet wird nicht vermenschlicht, aber sehr überzeugend beschrieben. Ich habe mehrmals meine eigene Hündin angesehen und mich gefragt, ob der Autor vielleicht mal bei uns zu Gast war und ihr Verhalten beobachtet hat. Bernie und die übrigen Zweibeiner sind ebenfalls lebendig beschrieben und könnten gleich nebenan wohnen. Ob Wichtigtuer, Loser, Hysteriker, alter Mann oder Biker – um nur ein paar zu nennen. Sie kommen einem durchweg etwas bekannt vor.

    Fazit:

    Es ist kein Krimi, in dem Action und Spannung sich in rasanter Weise mit schockigen Aha-Effekten abwechseln. Der Krimianteil ist eher … sagen wir mal … gering gehalten, obwohl es am Ende durchaus noch abgeht. Wer mit seinen Lesevorlieben speziell darauf abzielt, sollte vielleicht die Finger von dem Buch lassen. Lesern, die Geschichten über Freundschaften mit einem Schuss Krimi in lockerem, entspannendem und humorigem Erzählstil mögen, kann ich Chet und sein Herrchen jedoch absolut empfehlen. Da ich Ersteres bei einem Hundekrimi nicht wirklich erwartet habe, hat mir das Buch sehr gut gefallen, es war flüssig zu lesen, sorgte für mehrere Lacher und ist für Kinder wie Erwachsene als Unterhaltungs- und Entspannungsbuch geeignet. Deshalb von mir die volle Punktzahl und die Hoffnung auf einen bereits angedeuteten Folgeband. Chet ist einfach unwiderstehlich.

    Copyright © 2011 by Antje Jürgens (AJ)

    Wilhelm Busch fand einmal schöne Worte für einen Neujahrswunsch.


    Will das Glück nach seinem Sinn dir etwas Gutes schenken, so sage Dank und nimm es hin ohne viel Bedenken.
    Jede Gabe sei begrüßt - doch vor allen Dingen: Das, worum du dich bemühst, möge dir gelingen.


    Gibt es da viel hinzuzufügen? Ich denke nicht. In diesem Sinne wünsche ich allen einen guten Rutsch und ein gutes, erfolgreiches und glückliches 2011.


    Liebe Grüße Ati

    Die große Kannibalenschau
    von CKLKH Fischer


    periplaneta
    ISBN 978-3940767608
    historischer Roman
    Originalausgabe 2010
    Umschlaggestaltung Marion Alexa Müller
    Taschenbuch, 240 Seiten
    € 13,00 [D]


    Verlagsseite
    Autorenseite



    Zum Autor


    Hinter dem auf dem Buchcover seltsam wirkenden Namen CKLKH Fischer verbirgt sich der Autor, Musik- und Kulturjournalist Christian Fischer. Neben seiner Tätigkeit für verschiedene Magazine wie etwa Melodie & Rhythmus oder auch Motor.de, war er Mitherausgeber der 2001 eingestellten Literaturzeitschrift Der kleine Dilettant. Doch damit nicht genug. Der Poet-2000-Stipendiat arbeitete in der Assistenz des Geschäftsführers des Maas-Verlages, lektorierte bei Heyne und Goldmann erschienene Bücher von Mark Pätzold und schrieb neben zwei Drehbüchern für Whiteport Film auch den hier vorgestellten Roman Große Kannibalenschau.


    Zum Buch


    Es ist abgesehen von Fischers Debütroman auch der 60. Roman aus dem Hause periplaneta. Gemäß der Inhaltsangabe entführt der Autor seine Leserschaft darin nach


    Zitat

    Hamburg im September 1899. In Europa ziehen Völkerschauen Millionen von Besuchern an. Sie bestaunen Eskimos, Beduinen oder Negerstämme, die im Zoo, Varieté und Zirkus zur Schau gestellt werden. Die Nachfrage nach den Wilden ist riesig. Und so sucht Agent Heinrich Hermann für die Spektakel im Tierpark Hagenbeck in den Kolonien nach den exotischsten Exemplaren. Eben zurückgekehrt von einer strapaziösen Reise nach Deutsch-Neuguinea, wo er einen Stamm Kopfjäger unter Vertrag genommen hat, genießt er die Zeit mit seiner Familie, die ihn viel zu selten sieht. Doch ihm ist nur wenig Ruhe vergönnt, denn eines Morgens, als er gerade beim Kaffee sitzt, meldet das Dienstmädchen aufgeregt: „Herr Hermann? Da ist jemand vom Tierpark. Er sagt, Sie sollen schnell mitkommen. Er sagt, es eilt. Er sagt auch, Ihre Wilden würden - streiken. Und sie hätten sich einen Anwalt genommen.“ CKLKH Fischers historischer Roman über die Zeit der Menschenzoos ist manchmal grotesk, oft auch etwas schräg und sehr kurzweilig. Tolle Unterhaltung für Wilde, Herrenmenschen und für deren Nachfahren.


    Treffender könnte sein Roman nicht beschrieben werden. Der Autor hat das Buch in drei Handlungsstränge geteilt. Der Erste umfasst eine Reise Hermanns nach Neuguinea zur Beschaffung neuer Objekte für Hagenbeck. Der Zweite sein Leben, seine Familie und die Ausstellungszeit in Hamburg. Der dritte in die beiden anderen geschickt verwobene Strang Hermanns Kampf mit sich selbst.


    Meine Meinung


    In seinem Debütroman führt der Autor den Leser in eine bizarre und skurrile Welt, die faszinierend kurzweilig unterhält und gleichsam ein Gedankenkarussell in Gang setzt, das nicht so einfach zu stoppen ist. Der Roman selbst mag zwar fiktiv sein, die der Geschichte zugrunde liegende Idee besitzt jedoch durchaus einen historischen Kontext, an den sich Fischer größtenteils hält.


    Es scheint einerseits schwer vorstellbar, was man zu lesen bekommt. Wer würde heute noch in einen Zoo gehen, um jemandem dabei zuzusehen, wie er kocht? Andererseits hat sich, auch wenn heute die sogenannten Wilden größtenteils zivilisiert sind und damit uninteressant geworden zu sein scheinen, doch ein ähnliches Phänomen bis in die heutige Zeit gerettet. Immerhin gibt es Menschen, die sich an irgendwelchen Orten zusammenpferchen lassen, um ihre Kunststückchen und verbalen Ergüsse für ihre Anhängerschaft vor laufender Kamera vorzuführen. Und noch immer finden sich weltweit seltsamerweise Zuschauer aus allen Bevölkerungsschichten, die mehr oder weniger gebannt zusehen.


    Damals jedoch waren es Menschen, die – im Gegensatz zu den Figuren in Fischer Roman oder den Teilnehmern irgendwelcher Fernsehsendungen – vermutlich nicht freiwillig gekommen sind, um Hagenbeck-Besucher (oder die anderer Zoos, Zirkusse, Varietés) zu ergötzen. Menschen, die oftmals und allenfalls als Tiere bezeichnet und stellenweise weitaus schlimmer behandelt wurden. Aus ihrem natürlichen Umfeld und ihren Familien gerissen und zur Schau gestellt. Und, falls sie das Pech hatten hier einer der zahlreich auf sie einstürmenden Krankheiten zu erliegen, weit ab der Heimat und ihren Vorfahren nicht würdig beigesetzt, sondern eventuell seziert und für die Ewigkeit konserviert zu werden. Und das alles vielleicht, nachdem sie zuvor in ihrer Heimat bereits feststellen mussten, dass die seltsamen Fremden, die übers Meer zu ihnen gekommen waren, nicht so nett waren, wie sie anfangs schienen. Sie in bestimmten Situationen zwar als so menschlich betrachteten, dass sie für Mischlingsnachwuchs mit ihnen sorgten, ansonsten jedoch als amüsante Alternative zu sonstigen Haustieren oder als billige, beliebig austauschbare, arbeitende Kreaturen sahen.


    Klingt bitter und nach keinem Kapitel unserer Geschichte, auf das wir stolz sein können, kommt aber dank Fischers Idee, die Wilden den Spieß umdrehen zu lassen, sie als geschäftstüchtige, durchaus gewiefte Figuren und nicht als absolut hilf- und willenlose Kreaturen darzustellen, anders herüber.


    Exotische Länder und Lebewesen. Eine bei allem Mangel an Zivilisation lockende Freiheit. Eine gewisse Machtposition in der Fremde und die Chance auf Bewunderung, wenn er erfolgreich heimkehrt. All das steht seinem engen bürgerlichen, scheuklappenbehaftetem Dasein gegenüber. Mit all dem muss Fischers Protagonist fertig werden und zeigt die Tendenz, daran zu zerbrechen. Seine Erlebnisse, seine Ängste, seine Hoffnungen. Von all dem schreibt Fischer überaus lebendig und tiefgründig und schafft es gleichzeitig das Ganze dezent und unkompliziert zu gestalten. Sein humoriger Schreibstil und seine greifbaren Beschreibungen sowohl der einzelnen Handlungsschauplätze als auch der versnobten, ach so zivilisieren Bürgerschaft in Europa, respektive Hamburg, mit überaus bigotten Ansichten, machen seinen Debütroman zu einem Buch für mich, das ich mit Sicherheit nochmals lesen und gerne weiterempfehlen kann.


    Fazit


    Skurrile und kurzweilige Unterhaltung vor einer realen historischen Kulisse. Macht eindeutig Lust auf mehr.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

    Das Schwert der Druiden
    von Werner Diefenthal


    Acabus
    ISBN 978-3941404687
    Fantasy
    Originalausgabe 2010
    Taschenbuch, 233 Seiten
    € 13,90 [D]


    Verlagsseite
    Autorenseite


    Zum Autor


    Ein Besuch auf einem Trödelmarkt und damit verbunden der Anblick eines alten Schwertes brachte den 1963 geborenen Rheinländer, der heute mit seiner Familie in Oberfranken lebt, dazu, seinen ersten Roman zu schreiben. Nach einer Ausbildung zum Schlosser ist er heute hauptberuflich im Qualitätsmanagement tätig. Zwischen der Idee, dem ersten Manuskript und der Veröffentlichung im Acabus Verlag vergingen fast zwei Jahrzehnte.


    Zum Buch/Meine Meinung


    Das Angebot auf Trödelmärkten ist ein Stück gelebte Geschichte. Die Teile, die man dort betrachten oder kaufen kann, erzählen etwas. Mal größere, mal kleinere Geschichten. Oder sie regen, wie zum Beispiel bei Diefenthal geschehen, dazu an, eine Fantasygeschichte zu schreiben


    Die Inhaltsangabe umreißt ziemlich gut, worum es geht:


    Zitat

    Nach dem Tod seines Großvaters ist für den 17jährigen Michael nichts mehr, wie es einmal war. Im Zimmer seines Großvaters entdeckt er nämlich ein geheimnisvolles Schwert, und ehe er es sich versieht, findet er sich in einer fremden Welt wieder und dessen Bewohner heißen ihn als "Erlöser" willkommen, der in einer langen Reihe von Kriegern dazu auserkoren ist, eine alte Prophezeiung zu erfüllen...


    Nichts wirklich Neues also, aber das ist bei der Masse an erhältlichen Büchern auch gar nicht mehr machbar. Dennoch überraschen die Fantasien immer wieder, die sich um ein uraltes Thema ranken. Das Thema, welches vom Kampf gut gegen Böse berichtet, von alten Prophezeiungen, von einem Erlöser. Von Hoffnung.


    In Diefenthals Roman trifft es Michael. Gerade mal mit 17 und relativ unbedarft stolpert er in eine Welt, die es nach normalem Dafürhalten eigentlich nicht geben kann. Eine Welt, in der die Toten seiner Welt nicht unbedingt tot sein müssen. Eine Welt, in der Menschen aus seinem realen Umfeld vorkommen. Eine Welt, die akut bedroht und für immer verloren ist, wenn er versagt, denn er ist genau genommen der letzte Krieger einer uralten Prophezeiung.


    Wie so oft braucht es ein Portal, um diese magische Parallelwelt zu betreten, die irgendwo in der Vergangenheit festzustecken scheint und im Großen und Ganzen doch der unseren ähnelt. Das Portal ist im Falle von Diefenthals Roman ein magisches Schwert, welches Michael nach dem Tod seines Großvaters in einer Truhe findet – oder das genau genommen ihn findet. Und ihn bei genauerem Betrachten zu dieser Aufgabe zwingt, denn bei einer Weigerung droht ihm der Tod durch eben dieses Schwert.


    Das Problem bei magischen Portalen ist meist, dass sie die Protagonisten kalt erwischen. Michaels Vater etwa konnte Jahre vor ihm beispielsweise nicht reiten und war im Schwertkampf genauso wenig bewandert wie Michael das jetzt ist. Dabei bleibt wenig Zeit, solche Dinge zu lernen, und die Mitstreiter, die den prophezeiten Kriegern solche Kleinigkeiten beibringen sollten, verzweifeln fast, weil das eben nicht so schnell geht.


    Natürlich meistert auch Diefenthals Protagonist nach vielen Problemen seine Aufgabe, rettet die Parallelwelt und seine eigene, darf dorthin zurück und wird letztlich noch belohnt für seinen Tapferkeit und seinen Mut – so wie es den Protagonisten solcher Geschichten für gewöhnlich immer geht. Man fiebert gemeinhin trotz des an sich ja bekannten Plots immer wieder aufs Neue mit. Die Kunst bei dieser Thematik ist es einfach, die Erzählung immer wieder so zu gestalten, dass sie den Lesern/Leserinnen neu vorkommt. Dies ist Diefenthal jedoch leider nur bedingt gelungen, da vieles zu vorhersehbar war und sich die eine oder andere Schwierigkeit zu einfach quasi in Luft auflöste.


    Dadurch wird das Buch aber nicht wirklich schlecht. Der Autor versteht es durchaus, seine Figuren lebendig zu gestalten und entführt sein Publikum in eine Welt, die alte Werte heraufbeschwört. Mut und Vertrauen etwa. Durchhalten, auch wenn etwas fast unmöglich scheint. Durch die einfache Sprache des Autors wird das Hineinfinden in die von ihm geschaffene Fantasywelt erleichtert. Und der flüssige Schreibstil sorgt dafür, dass man verwundert feststellt, dass man bereits die letzte Seite aufgeschlagen hat.


    Fazit


    Ich würde das Buch als Jugendbuch (ab 14 Jahre) bewerten, habe mich jedoch durchaus kurzweilig unterhalten gefühlt, obwohl ich bereits weit älter bin.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

    Die Nacht von Granada
    von Brigitte Riebe


    cbj
    ISBN 978-3570136805
    historischer Roman, Thriller, Liebesgeschichte, Jugendbuch ab 12 Jahre
    Originalausgabe 2010
    Umschlaggestaltung Geviert – Büro für Kommunikationsdesign
    Gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag, 400 Seiten
    € 15,99 [D]


    Verlagsseite
    Autorenseite


    Zur Autorin


    Die 1953 in München geborene Brigitte Riebe studierte Geschichte, Germanistik und Kunstgeschichte, ist promovierte Historikerin und arbeitete als Museumspädagogin und später als Verlagslektorin bei Bertelsmann. Diese Stelle gab sie 1991 zugunsten einer Tätigkeit als freie Schriftstellerin auf. Genre übergreifend schrieb sie seither etwa 30 Romane. Sie ist über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt, da ihre Romane in über acht Sprachen übersetzt wurden.


    In den 1990er Jahren verfasste Griebe moderne Gesellschaftsromane. Darüber hinaus erschien bei Goldmann 1992 der erste Band einer letztlich achtbändigen Krimireihe um die Juristin und Antiheldin Sina Teufel. Diesen und die folgenden sieben Bände verfasste die Autorin jedoch unter dem Pseudonym Sara Stern. Im achten Roman der Krimireihe verabschiedete sich Riebe/Stern von ihrer Hauptfigur. Einer der Bände wurde Mitte der 1990er Jahre unter anderem mit Rufus Beck unter dem Titel Inzest filmisch in Szene gesetzt.


    Während in den 1990ern neben ihren modernen Gesellschaftsromanen nur zwei historische Romane erschienen, verlagerte sich der Schwerpunkt ihrer schriftstellerischen Tätigkeit ab 2000 eindeutig auf den historischen Roman. Seither erschienen 11 weitere Romane mit dieser Thematik, wovon zwei als Jugendbücher verlegt wurden. Eines davon möchte ich heute vorstellen.



    Zum Buch


    Geht man auf die Verlagsseite, erfährt man Folgendes über den Inhalt:


    Zitat

    Packender Thriller und mitreißende Liebesgeschichte Granada 1499: Die 16-jährige Lucia, Tochter des Goldschmieds Antonio, ist seit ihrer Kindheit eng befreundet mit Nuri, der Tochter des Steinschleifers Kamal. Und verliebt in Rashid, Nuris Bruder. Eine solche Verbindung wird jedoch undenkbar: Nach der Vertreibung der Juden richtet sich das spanische Königspaar nun gegen die Mauren, die in Granada jahrhundertelang friedlich mit Juden und Christen zusammengelebt haben. Kamal gerät in die Fänge der Inquisition, die ihre Fühler auch nach Antonio ausstreckt. Lucia ist verzweifelt. Da tritt Miguel auf den Plan, ein junger Steinschleifer, der Lucias Gefühle heftig durcheinanderbringt …


    Diese Geschichte ist auf 358 Seiten verteilt in Worte umgesetzt, gebunden und mit einem Schutzumschlag versehen worden, der durch das ruhige Gesicht vor der mondbeschienenen Kulisse Granadas schlicht aber schön wirkt. Das Buch soll für LeserInnen ab 12 Jahren sein. Ein Nachwort, in dem die Autorin auf die damalige Zeit und einen Bezug zum Dritten Reich eingeht, füllt zusammen mit einem Anhang aus alphabetisch sortierten Begriffserklärungen die restlichen Seiten.


    Meine Meinung


    Nicht zum ersten Mal streckte die Autorin also ihre Recherchefühler in die Vergangenheit aus. Dieses Mal entführt sie LeserInnen in die Zeit der erzwungenen Christianisierung Granadas. Einer Stadt, in der muslimische Mauren viele Jahrhunderte als Herrscher in friedvoller Gemeinschaft mit den beiden anderen großen Religionen (Christentum und Judentum) lebten. Ein Leben, in dem Kultur und Wissen einen hohen Stellenwert hatten. Ein Leben, in dem Freundschaften entstanden, die Familienverhältnissen glichen und in dem sich lange Zeit niemand an der Andersartigkeit der Glaubensrichtungen störte. Sie nicht nur tolerierte, sondern mit lebte.


    Doch all das hat ein Ende, als, kurz nachdem die Juden erfolgreich ausgegrenzt und gejagt wurden, auch die Mauren dazu gezwungen werden, den christlichen Glauben anzunehmen oder zu fliehen, wenn sie dem Tod entgehen wollen. Ein sehr düsteres Kapitel in der Kirchengeschichte, der Geschichte des spanischen Königshauses, der Menschheit überhaupt. Ein Kapitel, das deutlich vor Augen führt, was im Namen des Glaubens alles angerichtet wurde und bedauerlicherweise immer noch wird. Riebes Roman stimmt nachdenklich, wirft die Frage auf, wie das Verhältnis der Weltreligionen untereinander heute wohl sein könnte, wenn damals nicht aus Machtgier und künstlich heraufbeschworenem Hass unter dem Deckmantel des Glaubens so viel zerstört worden wäre.


    Diese gewaltsame Christianisierung, die mit verständlicher Gegengewalt vonseiten aufständischer Muslime beantwortet wird, ist einer der Themenstränge in Riebes Geschichte. Eng verbunden damit ist der Zweite, der die Aufklärung eines Diebstahls betrifft, und wiederum mit dem Dritten, einer religionsübergreifenden Liebesgeschichten verknüpft ist.


    Diese Grundgedanken an sich haben mir gefallen, allerdings empfand ich sowohl die einzelnen Charaktere als auch die Handlungsstränge stellenweise zu flach. Es mag sein, dass das an meinem Alter liegt, das nicht mehr der Zielgruppe (ab 12 Jahren) entspricht. Allerdings habe ich mit der Freigabe für diese Zielgruppe auch so meine Probleme. Warum? Nun das Buch ist zum einen angenehme Alternative zu den derzeit auf den Markt befindlichen Fantasygeschichten für junge LeserInnen, vermittelt nachvollziehbar historische Begebenheiten und ergeht sich trotz der darin beschriebenen Brutalität nicht in Gewaltorgien. Auch die Sexualität wird nicht als verkaufsförderndes Element mit einbezogen. Dennoch würde ich persönlich es meinen Nichten in dem Alter noch nicht geben, wobei ich auch denke, dass diese ganz leichte Probleme mit dem Sprachgebrauch der Autorin hätten. Ihre Sprache ist einfach, wirkt aber bisweilen fast melodramatisch und lässt dann wiederum an Tiefe vermissen.


    Die, laut Klappentext, mitreißende Liebesgeschichte von Lucia und Rashid ist leider nicht wirklich tief gehend beschrieben. Sie enthält romantische Momente, geht aber genau genommen fast verloren. Fast gleichwertig scheint die Beziehung der muslimischen Haushälterin und Geliebten zu Lucias Vater. Auch die zarten, sich zwischen Nuri und Miguel anbahnenden Bande, verblassen in ihrer Andeutung und werden für mich nicht ausreichend beleuchtet, gehen fast unter gegenüber der Erwähnung der Gefühle, die ein befreundeter Priester für Lucias Tante empfindet. Selbst unter Berücksichtigung dessen, dass die Liebesgeschichte ja hauptsächlich um Lucia und Rashid gehen soll, wobei Lucias Gefühle wegen Miguel durcheinandergeraten, gewinnt dieser Strang nicht an Faszination. Daneben erscheint sowohl die Aufklärung des Diebstahls als auch der Part, der an dieser Stelle eingreifenden Inquisition, zu eindimensional und vorhersehbar dargestellt.


    Gelohnt hat es sich für mich trotzdem, das Buch zu lesen. Denn der erstgenannte Handlungsstrang rettet Riebes Geschichte. Die Nacht von Granada ist nicht nur der Titel des Buches, sondern auch der Gipfel dessen, was damals passierte. Die unnötige und berechnende Vernichtung von Wissen und Kulturschätzen durch den Erlass der Verbrennung aller arabischen Schriften, die damals zu wochenlangen Aufständen führte. Riebes Beschreibung des Vertrauensbruchs, den die Kirche und spanische Krone durch die Missachtung des Übergabevertrages der Stadt von den bisherigen an die neuen Machthaber begangen hat, ist sehr gut gelungen. Ebenso die Schilderung der erzwungenen Taufen und der Diskriminierungen, die die maurische Bevölkerung ertragen musste. Ihre den Umstand beschreibenden Worte, dass Angst vor einer ungewissen Zukunft Stimmungen weckt, die massenhysterische Züge annehmen können, sind nachvollziehbar echt gewählt. Da auch die Tatsache, dass es schon immer in allen Glaubensgemeinschaften Menschen gegeben hat, die ihren Glauben gelebt und nicht missbraucht haben, nicht zu kurz kommt, gefiel mir der für mich eigentliche Hauptstrang gut.


    Fazit


    Vielleicht ist es etwas weit hergeholt, aber historische Romane wie Die Nacht von Granada können mit dazu beitragen, dass es ein besseres Verständnis zwischen den Religionen geben kann. Das ist leider auch in der heutigen Zeit noch ein nach wie vor aktuelles Thema. Und damit wird das Buch, trotz anfänglicher Bedenken, dann doch wieder etwas für junge LeserInnen. Und ältere Fans historischer Romane kommen auch nicht zu kurz.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

    Lynsay Sands
    Vampire sind die beste Medizin


    Originaltitel Vampires Interrupted
    Lyx
    ISBN 978-3802583735
    Romantic-Fantasy, Vampire
    Dt. Erstausgabe 2010
    Aus dem Amerikanischen von Ralph Sander
    Taschenbuch, 364 Seiten
    € 9,95 [D]


    Verlagsseite
    Autorenseite


    Zur Autorin


    Die in der kanadischen Provinz Ontario geborene Autorin Lynsay Sands studierte Psychologie. Ihr erster Roman wurde nach Beendigung ihres Studiums veröffentlicht. Sie verfasste mehrere zeitgenössische und historische Romane und liest selbst gerne Horror- oder Liebesromane. Ihre Serie über die Familie Argeneau ist einer der erfolgreichsten Vampirserien der USA und erfreut sich auch bei uns großer Beliebtheit. Die Autorin lebt und arbeitet heute im Norden Englands.


    Zum Buch


    Für alle, die noch nie etwas von Sands oder den Argeneaus gelesen oder gehört haben sollten: Mit einem an Philipps oder McAlister erinnernden und doch auch ganz eigenen Schreibstil hat die Autorin die Welt einer Vampirfamilie geschaffen, die (zumindest teilweise) in Atlantis geboren wurde und durch nanotechnologische, medizinische Fortschritte vor dem Untergang dieser mystischen Welt zu (Fast-)Unsterblichen wurden. Zum Überleben brauchen sie Blut. Sie können sich durch Geburten vermehren und sie können Menschen durch Bisse wandeln. Doch die Vampire von Sands entsprechen dem modernen Vampirtyp. Was bedeutet, dass sie ihre Opfer nicht töten und Sonnenlicht ihnen zwar nicht unbedingt gut tut, sie aber auch nicht in Rauch aufgehen lässt. Sie gehen normalen Berufen nach, leben unter und teilweise mit Menschen, und haben im Laufe der Zeit die eine oder andere Eigenart angenommen und/oder (emotionale) Verletzung davon getragen. Die Vampire dürfen nur einen Menschen in ihrem Leben wandeln, wenn sie sich nicht von vornherein mit einem anderen Vampir zusammentun. Aufgrund ihrer langen Lebensdauer ist eine genaue Wahl des Partners sehr wichtig, allerdings gibt es eine Eigenheit unter Menschen wie Vampiren, die quasi von selbst für den richtigen Partner sorgt. Jedenfalls für denjenigen, der die Ausdauer besitzt, auf den richtigen zu warten. Die Überzeugung der Autorin, dass etwas Humor in allen Lebenslagen hilft, kommt in der Serie zum Tragen. Denn neben der Fantasy-Romance-Thematik kommen humorige Szenen nicht zu kurz.


    Marguerite Argeneau, die kuppelfreudige Mutter/Tante/demnächst-Oma der Argeneau-Familie, will eigentlich nur alle glücklich sehen. Nachdem sie in den vorangegangenen acht Bänden der Vampirserie für die Anbahnung der Beziehungen der einzelnen Familienmitglieder gesorgt hat, schwimmt sie sich 75 Jahre nach dem Tod ihres Mannes aus ihrer 700jährigen katastrophalen Ehe auch selbst langsam frei.


    Der neunte Band Vampire sind die beste Medizin ist ihr gewidmet. Sie arbeitet als Detektivin und ihr Job führt sie nach England, wo sie die Mutter eines Vampirs ausfindig machen soll. Dessen Vater sträubt sich allerdings mit aller Macht dagegen. Die Frau, auf die Marguerite und ihr Partner angesetzt sind, wollte vor mehreren Jahrhunderten genau den Sohn töten lassen, der sie jetzt suchen lässt. Zwischen Julius (dem Vater ihres Auftraggebers) und ihr funkt es quasi sofort, denn beide merken, dass sie besagte Eigenheit besitzen, die sie zum Seelengefährten des anderen machen könnte. Allerdings gestehen sie sich das erst einmal nicht ein und der Umstand, dass beide reichlich eingerostet sind, was zwischenmenschliche bzw. zwischenvampirische Beziehungen betrifft, reizt bisweilen zum Lachen. Die angeblich verschollene Mutter ist eigentlich zum Greifen nah und behindert gleichzeitig in gewisser Weise eine Annäherung der beiden. Es kommt zu einigen Verwicklungen und jemand trachtet Marguerite nach dem Leben. Ein Umstand, der Julius dazu bringt, sich auf ihre Seite zu schlagen und ihr dabei zu helfen, Licht in die vertrackte Familiengeschichte zu bringen. Und sie ganz nebenbei und wirklich für sich zu beginnen.


    Meine Meinung:


    Wie auch die übrigen Bände lässt sich die Geschichte Marguerites, obwohl alle miteinander verwoben sind, völlig für sich lesen. Auch hier wird auf die Lebensgefährtenthematik eingegangen und die Entstehungsgeschichte der Vampire mit wenigen Worten umrissen. Vielleicht liegt es daran, dass ich es in den vorangegangenen Büchern bereits zu oft gelesen habe. Doch obwohl es, liest man Marguerites Geschichte separiert, sicher ganz praktisch ist, alles nochmals in Vampire sind die beste Medizin nachlesen zu können, störte mich die Sache mit den Lebensgefährten dieses Mal etwas.


    Abgesehen davon führt die Autorin ihre Leser aber gewohnt kurzweilig an Marguerites Seite durch die Geschichte und lässt sie an dem Dilemma teilhaben, das sich aus einer Ehe mit jemandem ergibt, der einen völlig kontrollieren kann. Selbst wenn man über 700 Jahre alt ist, können sich da enorme Minderwertigkeitskomplexe halten, die in eine neue Beziehung hineinspielen. Vor allem, wenn sich herausstellt, dass besagter Ehemann sogar über den Tod hinaus noch Macht auf sie auszuüben scheint und womöglich gar nicht tot ist. Oder auch an Julius Problemen, die sich aus seinem Wissen um die Mutter seines Sohnes ergeben, als er feststellt, dass damals nicht alles so war, wie es den Anschein hatte. Dass diese Mutter eher Opfer als Täterin war. Und er sie weder vergessen kann noch wirklich will.


    Sands Vampire sind nach wie vor trotz ihrer körperlichen Besonderheiten menschlich. Machen Fehler oder begehen Dummheiten. Sie müssen nicht gegen etwas übernatürlich Böses kämpfen oder abgehobene Abenteuer bestehen. Vielmehr quälen sie sich mit den gleichen Problemen herum wie wir. Eifersüchteleien, Neid, Missachtung bis hin zu Hass. Ansonsten machen Marguerite und Julius einfach das, was Vampire in Fantasy-Romance-Romanen tun: Sie verlieben sich und müssen auf dem Weg zum Happy End einige Unwägbarkeiten meistern.


    Die Lösung des Rätsels kommt etwas zu kurz und war bereits beim ersten Gespräch zwischen Marguerite und der Person, die sie töten will, für mich vorhersehbar. Dieser Teil hätte mehr ausgebaut werden können, lässt er doch den Teil der Geschichte, der für Spannung sorgen sollte, zu flach ausklingen.


    Fazit:


    Fortsetzung mit kleinen Schwächen. Dank Sands Schreibstil jedoch gewohnt lustig und kurzweilig. Ein Buch zum Entspannen. Da die Reihe noch ein paar Bände weitergehen soll (zumindest die amerikanischen Originalausgaben, in Deutsch ist bislang nur ein Folgeband für nächstes Jahr angekündigt) bleibt die Hoffnung, dass die Autorin wieder die Spritzigkeit und Spannung der ersten Bände erreicht.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens

    Begegnungen mit dem Unfassbaren – Reiseführer zu fantastischen Phänomenen
    von Hartwig Hausdorf


    Heyne
    ISBN 978-3453701175
    Erstausgabe 2010
    Umschlaggestaltung Guter Punkt, München, Anke Koopmann
    Taschenbuch, 256 Seiten
    € 8,95 [D]


    Verlagsseite
    Autorenseite


    Zum Autor


    Der 1955 geborene Autor studierte an der FH München Touristik und leitet ein Reisebüro. 12jährig wurde seine Neugier auf Präastronautik durch ein Buch Erich von Dänikens geweckt, das er bis heute nicht verloren hat. Er zählt weltweit zu den bekanntesten Autoren und Forschern auf dem Gebiet der SETI-Forschung. Hausdorfs Erstlingswerk „Die weiße Pyramide, außerirdische Spuren in Ostasien“ wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Bis heute hat er etwa zwanzig Bücher geschrieben und war mehrmals in weltweiten Fernsehauftritten zu sehen. Hausdorf, der auch für mehrere internationale Filmproduktionen mit dem Themenschwerpunkt „Rätsel aus dem Reich der Mitte“ vor der Kamera stand, reist regelmäßig weltweit, um Phänomene zu ergründen, die die „normale“ Wissenschaft als Lügen oder Spinnerei abtut. Seine Ergebnisse macht er einem breiteren Publikum nicht nur in seinen Büchern, sondern auch in zahlreichen Publikationen und Vorträgen zugänglich.


    Zum Buch


    Begegnungen mit dem Unfassbaren ist für die Fans dieser Materie nichts grundsätzlich Neues. Nachdem zuerst im Jahr 1998 der Titel X-Reisen, Lokaltermine an den geheimnisvollen Stätten unserer Welt auf den Markt kam, legte 2008 der Herbig-Verlag eine überarbeitete, veränderte, umbenannte gebundene Ausgabe nach, die rein covermäßig schon ziemlich nahe an die jetzt dank Heyne erhältliche Taschenbuchversion herankam. Der Heyne-Verlag hat auch den Titel dieser gebundenen Ausgabe (Begegnungen mit dem Unfassbaren – Reiseführer zu fantastischen Phänomenen) übernommen.


    Mit fast identischem Cover (lediglich die Farbgebung wurde verändert, das Auge und der Sternenhimmel blieben gleich) sind zuvor zwei weitere Bücher bei Heyne erschienen, in denen sich der Autor ebenfalls mit der Thematik befasst. (Bizarre Wirklichkeiten: Auf geheimen Wegen ins Unbekannte/2009 und Nicht von dieser Welt: Dinge, die es nicht geben dürfte/2009.)


    Doch zum jetzigen Buch und seinem Inhalt, in dem Hausdorf nach einem einleitenden Vorwort von seinen weltweiten Reisen berichtet oder vielmehr von dem, was (nicht nur) er dort vorgefunden hat. Und von seinen Deutungsmöglichkeiten. Er erzählt von Orten, die überraschend verlassen und nie wieder besiedelt wurden. Von unerklärlichen Bränden, die übernatürliche Hitze entwickelten. Von den Steinskulpturen der Osterinseln und Pyramiden in Ländern, von denen wir lange Zeit annahmen, dass es diese dort gar nicht gibt. Von steinernen Abbildern unseres Sonnensystems, die trotz ihres Alters etwas enthalten, was erst Jahrhunderte später entdeckt wurde. Auch Entführungen durch extraterrestrische Lebensformen oder Kontaktaufnahme zu ihnen werden beschrieben. Vorkommnisse mit Menschen, die plötzlich und unerklärlich auftauchen. Oder ein totes Kind, das wegen seiner Andersartigkeit kaum als Missgeburt bezeichnet werden darf, sondern als etwas, das eigentlich nicht existieren dürfte. Spuren, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen und die doch real zu besichtigen sind. Oder waren, denn viele der Reisen und Begebenheiten fanden bereits in den 1970erJahren oder gar in früheren Jahrhunderten statt und zwischenzeitlich hat sich das eine oder andere geändert. In der Mitte des Buches sind Farbfotos seiner Reisen eingefügt. Ab Seite 211 beginnt dann ein Reiseführer zu den geheimnisvollsten Plätzen, der Insider- und Geheimtipps enthält.


    Meine Meinung


    Wie bei allen Büchern oder sonstigen Publikationen zu diesem Thema wird es auch hier etliche Fachleute, Forscher und Skeptiker geben, die sofort und sehr laut Fälschung und Humbug schreien, wenn sie etwas davon lesen. Doch frage ich mich manchmal, warum sie glauben, dass ausgerechnet ihre Meinung der Weisheit letzter Schluss ist. Zumal sie in den seltensten Fällen selbst mit wirklich schlüssigen Erklärungen aufwarten können. Und immerhin gingen sogenannte Gelehrte ja auch einmal davon aus, dass die Erde eine Scheibe ist, um die sich sogar die Sonne dreht.


    Genau wie viele seiner Mitstreiter will Hausdorf mit diesem Buch niemand absolut von seiner Meinung überzeugen. Es ist kein Wissenschafts-, sondern eher ein Erlebnisbericht. Ersteres wäre, seien wir ehrlich, für den Taschenbuchpreis absolut nicht zu erhalten und darüber hinaus auch nicht so leicht zu lesen. Was er aber bietet, sind Denkanstöße zu Dingen und Vorgängen, die unerklärlich erscheinen, geheimnisumwittert sind und genau genommen nach regulärer Schulmeinung eben einfach nicht sein dürfen bzw. von dieser völlig anders dargestellt werden. Wirklichkeit ist etwas, das uns oftmals passend vorgesetzt wird. Verdreht kann sie in beide Richtungen werden. Ob sie real so richtig ist, steht dann auf einem anderen Blatt und jeder kann und sollte sich seinen eigenen Teil denken. Hausdorf bringt natürlich keine absoluten und unwiderlegbaren Beweise für seine Theorien, dennoch muss er mit seinen Schlussfolgerungen noch lange nicht falsch liegen.


    Die Berichte seiner Reisen sind so abgefasst, dass sie sowohl auf jüngere wie ältere Leser passen. Wer unvorbelastet oder bereits von Überlegungen dieser Art überzeugt an dieses Buch herangeht, springt leichtfüßig mit dem Autor in die einzelnen Länder und erfährt vielleicht, wenn er es denn noch nicht weiß, dass es oftmals nur eine Frage des Betrachterstandpunktes ist, wie die Wirklichkeit sich gestaltet. Anhänger der sogenannten regulären Wissenschaftstheorien werden mit dem Buch natürlich ihre Probleme haben, auch wenn die an sich kurzen Kapitel sich sehr leicht lesen lassen.


    Die Fotos, etwa von den angeblich mit Faustkeilen herausgehauenen und dafür erstaunlich ebenmäßigen, riesigen Figuren der Osterinseln, lassen einen zusammen mit den Deutungsversuchen Hausdorfs überlegen. Vielleicht sind unsere Vorfahren nicht so vorsintflutlich gewesen, wie wir gemeinhin annehmen. Womöglich verfügten sie über Wissen und technische Gerätschaften, die es zu der Zeit eigentlich noch gar nicht geben durfte. Oder hatten sie tatsächlich Hilfe von … außerhalb? Wie bereits erwähnt, kann Hausdorf natürlich keine unwiderlegbaren Beweise bringen. Dies würde bei der Fülle der vorgestellten Phänomene die Dimensionen eines Taschenbuches hoffnungslos sprengen.


    Seine Reiseberichte und Deutungsvarianten sind weder wissenschaftlich abgehoben noch mystisch verklärt und sprechen mich – als überzeugte Nonkonformistin – an. Ein kleines Manko gibt es allerdings. Einiges von dem, was man in diesem Buch findet, haben andere Autoren, wie etwa von Däniken, schon aufgegriffen.


    Fazit


    Für alle Fans des Unerklärlichen, und solche, die vielleicht zum ersten Mal einen Blick über den Tellerrand der Schulmeinung werfen möchten.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

    Zum Autor:


    Der 1953 in Weimar geborene und in Krefeld aufgewachsene Autor ist größtenteils im Horror-, SciFi- und Fantasygenre zuhause. 1982 erschien sein Roman Märchenmond, mit dem ihm der Durchbruch gelang. Seither wurden seine Bücher über 35 Millionen Mal verkauft, was ihn zu einem der erfolgreichsten Autoren in unserem Land macht.


    Zum Schreiben kam er, weil seine Tätigkeit als Nachtwächter ihn langweilte. Seine anfänglichen Kurzgeschichten wandelten sich bald in Romane. Hohlbein schreibt stellenweise unter verschiedenen Pseudonymen, mal allein und mal zusammen mit seiner Frau Heike, mit der er seit 1974 verheiratet ist und sechs Kinder hat. Von ihr stammte auch die Idee zu seinem Roman Märchenmond. Dieser wurde mehrfach ausgezeichnet und verbuchte nationale wie internationale Erfolge. Über 200 weitere Romane wurden seither veröffentlicht. Diese kamen nicht bei allen und überall gleich gut an. Zumal Hohlbein bisweilen vorgeworfen wird, bereits auf dem Markt befindliche Idee anderer Autoren zu übernehmen und in mittelmäßige bis schlechte Romane umzusetzen.


    Zum Buch


    Über Nacht ändert sich das Leben der fast 21jährigen Lena, das eindeutig die Tendenz hat, eine Schussfahrt in den Abgrund zu werden. Vorbestraft und auf Bewährung frei, wird sie von ihrem Bewährungshelfer erpresst. Da sie arbeitslos ist, stiehlt sie nicht nur das Geld für besagten Bewährungshelfer zusammen, sondern auch das für den Unterhalt ihrer alkoholabhängigen Mutter. Von ihrem eigenen ganz zu schweigen. Ansprüche hat sie schon lange keine mehr, vielleicht auch nie gehabt. Bei einem ihrer Taschendiebstähle ist sie zur falschen Zeit am falschen Ort und gerät ins Visier einer Verbrecherbande, die ein paar Nummern zu groß für die menschliche Seite in Lena wäre. Dabei lernt sie den Polizisten Tom kennen, von dem sie sich von Anfang an seltsam angezogen fühlt.


    Auf einer weiteren Diebestour kommt sie mit Louise in Kontakt, die ihr nicht nur vor Augen führt, dass sie von ihrer Tätigkeit weiß, sondern noch am gleichen Abend beißt. Dieser Biss ist Segen und Fluch zugleich, denn obwohl sie sich dadurch selbst in eine Blutsaugerin verwandelt, gibt er ihr andererseits die Kraft, sich gegen die Leute zu wehren, in deren Visier sie durch einen dummen Zufall geraten ist. Der Luxus, den ihre Bekanntschaft mit Louise und ihrer Clique mit sich bringt, ist auch nicht zu verachten. Abgesehen davon muss sie erfahren, dass Louise zwar letztlich mittels ihrer Fänge den Stein ins Rollen gebracht hat, dieser aber grundsätzlich bereits bei ihrer Geburt für genau diesen Fall mehr als bereit lag. Und Louise ist nicht allein, zwei weitere Vampirinnen sind bei ihr und helfen Lena mehr oder weniger durch ihre Wandlung. Doch obwohl sie nach einigen Bedenken den Luxus und ihr neues Leben anfänglich genießt, werden ihr die Mordlust und der Blutdurst ihrer Clique bald zu viel. Auch wegen ihrer mehr und mehr erwachenden Gefühle für den Polizisten Tom will sie die Vampirclique wieder verlassen, doch sie hat die Rechnung ohne Louise gemacht.



    Meine Meinung


    Der Schutzumschlag war das Erste, was mir ins Auge fiel. Dunkel, ein einzelnes Auge, darunter eine Art stilisiertes Fragezeichen aus durchscheinenden Flammen (so habe ich es jedenfalls gesehen). Das alles in meiner Lieblingsfarbe blau mit einem Schuss lila. Es brauchte nicht einmal mehr den Klappentext, um mir dieses Buch zu wünschen. Hat es sich gelohnt?


    Zunächst einmal: Wäre im Klappentext nicht explizit Berlin genannt worden, wo sich der Hauptteil der Geschichte abspielt, könnte sie auch in eine beliebig andere Stadt verlegt werden. Detailliertere Beschreibungen beziehen sich lediglich auf einzelne Gebäude bzw. Räume darin. Sie könnte sich auch, sieht man von Kleinigkeiten ab, die einen Bezug zum Jetzt herstellen, in einer beliebig anderen Zeit ereignen. Der Zeitraum wiederum, über den sich die Geschichte zieht, ist auf wenige Tage zusammengefasst, und diese Tage sind randvoll gespickt mit Lesegenuss.


    Doch allen Menschen recht getan, ist bekanntlich eine Kunst, die keiner kann. Und so hat Hohlbeins Vampirgeschichte bereits kurz nach Erscheinen die eine oder andere herbe Kritik einstecken müssen. Von dem Vorwurf noch kurz auf den Zug des momentanen Vampirhypes aufspringen zu wollen bis hin zu einer flachen Geschichte, einfallslos und vorhersehbar, war so einiges dabei. Jemand urteilte gar Zitat: Die Sprache ist platt, die Charaktere bleiben seltsam blass, auch die Protagonistin Lena gewinnt über die ganzen zähen 800 Seiten kein Profil. Das Ganze wirkt wie ein ellenlanger Fotoroman aus der BRAVO.


    Abgesehen davon, das Hohlbein bereits lange vor Twilight und Konsorten die Chroniken der Unsterblichen herausbrachte, in denen es ebenfalls um Vampire ging, weiß ich nicht, wann oder wie oft sich der Verfasser des eben erwähnten Zitats Fotoromane zu Gemüte führt oder welche Ausgabe von Hohlbeins Roman er in Händen hielt. Meine Harcoverausgabe umfasst keine 800 Seiten. Lässt man diese kleine Unstimmigkeit einmal völlig außer Acht, kann ich mich der schlechten Kritik trotzdem und definitiv nicht anschließen. Wobei ich ja zugeben muss, dass ich sowohl Hohlbein gerne lese, als auch ein geouteter Fan des Vampirgenres und in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz unvoreingenommen bin. Allerdings: Wer kann das schon von sich behaupten?


    Mit hat Wir sind die Nacht gefallen und ich konnte keine wirklich blassen Figuren entdecken. Es ist natürlich nichts bahnbrechend Neues, was Hohlbein auf den Markt gebracht hat. Zumal er das Buch nach dem Drehbuch von Jan Berger, welches wiederum auf einem Drehbuch von Dennis Gansel basierte, geschrieben hat. Aber man muss das Rad auch nicht jedes Mal neu erfinden, um eine Geschichte in Worte zu fassen, die gut zu unterhalten vermag. Der gleichnamige Film ist derzeit in den Kinos. Wie sehr das Buch nun dem Film entspricht, weiß ich nicht, denn ich sehe mir in den seltensten Fällen die Filme der Bücher an, die ich gelesen habe und umgekehrt.


    Armes Opfer der Gesellschaft in einer frauenfeindlichen Welt, in der alle Männer einfach nur schlecht zu sein scheinen, gelangt in eine (Vampir-)Welt von Frauen, die sich selbst zu helfen wissen und sich gegenseitig helfen (jedenfalls bis zu einem gewissen Grad). Ein kleiner Schuss Liebe, ein paar sexuelle Anspielungen, Gewalt. Das mag fast banal sein; stellenweise uraltbekannten Klischees entsprechen. Allerdings – und das ist das Gute an diesem Buch: Hohlbein setzt es spannend um. Er versteht es, diese Story so zu gestalten, dass sie doch wieder wie neu wirkt.


    Die Erzählung von Lenas bisherigem Leben; das Gefühlsdilemma, welches die Wandlung in einen Blutsauger für sie so mit sich bringt; ihre Weigerung sich vollständig zu wandeln; die Beschreibung ihres Hungers, aber auch das Verhalten der Vampire an sich ist glaubwürdig und – trotz des Fantasyelements Vampir - lebensnah gelungen. Mir gefällt, dass die Vampire in ihrer eigenen Welt und doch mitten unter den Menschen quasi direkt Tür an Tür leben. Auch die Verknüpfung einer zunächst perfekt scheinenden, aber brutalen Welt mit Lenas anfänglich aussichtslosem Kleinkriminellendasein passt. Die Geschichte hebt sich mehr als angenehm aus der Masse an Vampirbüchern hervor, die es gerade auf dem Markt gibt, weil die Vampire darin nicht mystisch verklärt werden. Weil die Grenzen gut und böse wieder neu abgesteckt werden. Weil die Liebesgeschichte zwischen Tom und Lena nur angedeutet ist und sich nicht in den Vordergrund drängt. Weil die Vampire als stark und rücksichtslos beschrieben werden. Das macht sie aber nicht automatisch gefühllos oder in allen Situationen unmenschlich. Ihre Andersartigkeit und ihr langes Dasein machen sie zu dem, was sie sind. Dennoch steckt etwas in ihnen, was sich Lena selten zeigt, das sie aber gleichzeitig zutiefst er- bzw. abschreckt.


    Einen kleinen Abzug gibt es allerdings, denn das Ende hat mir – obwohl es trotzdem passt – nicht hundertprozentig gefallen. Es war tatsächlich nicht wirklich überraschend. Das schmälert aber den Gesamteindruck der Geschichte nur minimalst.


    Fazit:


    Wer Hohlbein liest, weiß, dass sein Schreibstil Schwankungen unterworfen ist. Genau deshalb lese beispielsweise ich seine Romane ja so gerne. Wer Vampire mag, sollte auf alle einen Blick in das Buch werfen. Für mich hat es sich gelohnt und ich werde es, nach einer kleinen Pause, garantiert nochmals lesen. Wir sind die Nacht ist nicht nur der Titel des Clubs bzw. der Disco, in der sich Lenas Leben für immer zu ändern beginnt. Es ist auch ein spannendes Buch zum Entspannen. Von mir gibt es deshalb 4,5 von 5 Punkten.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens

    Sigrid Früh (Hg.)
    Märchen vom Tod und neuem Leben


    Königsfurt-Urania Verlag GmbH
    ISBN 978-3868260120
    Kinderbuch, Märchen
    Sonderausgabe 2009
    Umschlaggestaltung Stefan Hose, Götheby-Holm
    Gebundene Ausgabe, 192 Seiten
    € 4,95 [D]


    Zur Autorin:


    Die 1935 geborene, studierte Germanistin und Volkskundlerin Sigrid Früh zählt zu den bekanntesten Märchenforscherinnen bzw. –Erzählerinnen in unserem Land. Sie lebt und arbeitet in der Nähe von Stuttgart und bringt ihre Arbeit unter anderem in Seminaren und Vorträgen einer breiteren Öffentlichkeit dar.


    Zum Buch/Meine Meinung:


    Der Inhalt einer Traueranzeige (Zu früh, zu spät, tragisch, grausam, schmerzvoll, sinnlos, mitverschuldet, plötzlich. Immer unerwünscht, immer sinnlos darüber zu diskutieren, immer schmerzhaft, immer ungewollt, aber immer und schon von Geburt an vorbestimmt.), den ich kürzlich gelesen und aus unerfindlichen Gründen nicht mehr aus dem Kopf bekommen habe, hat mich mehr oder weniger dazu veranlasst, zu diesem Buch zu greifen.
    Es ist Teil einer Märchenreihe, die der Königsfurt-Urania Verlag in den letzten Jahren thematisch getrennt auf den Markt gebracht hat. Es gibt Märchen von Hexen und Weisen Frauen, von Wünschen, von Müttern und Töchtern ebenso wie Indianische Märchen, keltische oder türkische und – neben etlichen anderen – auch solche vom Tod und neuem Leben. Die teils überlieferten, teils schriftlich niedergelegten Geschichten im vorliegenden Buch wurden von Sigrid Früh in ganz Europa zusammengesucht, übersetzt und herausgegeben.


    In diesem Buch wird der Tod als Freund und Gefährte dargestellt oder als Wegweiser. Als unabdingbarer Bestandteil des Lebens. Als Tor in eine andere Welt. Er tritt in vielerlei Gestalt auf. Mal strahlend faszinierend schön und jung, mal hässlich und alt. Wandelbar. Mal übermächtig und mal so, dass er gar überlistet werden kann. Jedenfalls zunächst, denn irgendwann heißt man ihn dann doch willkommen.


    Anders also, als wir ihn gemeinhin sehen. In unserer realen Welt ist er oftmals zu etwas stilisiert, das Angst macht, wird mit Verderben und Hoffnungslosigkeit gleichgesetzt, ausgeklammert. Von vielen als Endpunkt betrachtet und gefürchtet. Unbekannt, durch das, was wir viele von uns aus ihm gemacht haben: ein Tabu. Dennoch gehört er bereits bei der Geburt zum Leben dazu.


    Die in Märchen von Tod und neuem Leben enthaltenen 29 Geschichten sind in drei Bereiche gegliedert. Im ersten Teil handeln sie von der Gestalt des Todes, im Zweiten von Jenseitsvorstellungen, der Dritte geht auf die Punkte Tod und Wiederkehr ein – womit klar wird, dass er nicht als das Ende des Lebens verstanden werden soll. Teils sind sie bekannter (etwa von den Gebrüdern Grimm), teils sind sie (zumindest mir) eher unbekannt.


    Einige der Geschichten sind sich trotz unterschiedlicher Herkunft sehr ähnlich. Das fällt besonders auf, da sie unmittelbar nacheinander kommen. Manche sind nur wenige Sätze lang, andere mehrere Seiten. In manchen müssen die Figuren symbolische Todeserfahrungen und Jenseitserlebnisse durchleben, über das Irdische hinausgehen, mutig ihre Furcht überwinden. Auch bei der dem Buch zugrunde liegenden Thematik spielen Demut, Aufopferung, Vertrauen und Liebe eine wichtige Rolle. Sie stehen für den Aufruf das Leben zu leben und dafür, dass es Dinge gibt, die über den physischen Tod hinausgehen. Für Hoffnung, durch Überwindung von Aufgaben und Ängsten weiterzukommen, beisammenzubleiben mit denen die wir lieben. Aber auch für die Hoffnung, nicht vergessen zu werden, Spuren zu hinterlassen.


    Denn wie sagte schon Friedrich von Logau? Wenn wir aus dieser Welt durch Sterben uns begeben, so lassen wir den Ort. Wir lassen nicht das Leben.


    Fazit:


    Traurig und hoffnungsvoll zugleich. Da der Tod märchenhaft abstrakt dargestellt wird, eigenen sie sich zum Vorlesen und Erzählen genauso wie zum einfach so darin Lesen.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens

    Sigrid Früh und Ulrike Krawczyk (Hg.)
    Märchen von Müttern und Töchtern


    Königsfurt-Urania Verlag GmbH
    ISBN 978-3-86826-010-6
    Kinderbuch, Märchen
    Sonderausgabe 2009
    Umschlaggestaltung Stefan Hose, Götheby-Holm
    Gebundene Ausgabe, 192 Seiten


    Verlagsseite
    Autorinnenseite


    Zu den Autorinnen/Herausgeberinnen:


    Die 1935 geborene, studierte Germanistin und Volkskundlerin Sigrid Früh zählt zu den bekanntesten Märchenforscherinnen bzw. –Erzählerinnen in unserem Land. Sie lebt und arbeitet in der Nähe von Stuttgart und bringt ihre Arbeit unter anderem in Seminaren und Vorträgen einer breiteren Öffentlichkeit dar. Die Vorliebe für das Märchengenre teilt sie mit ihrer Tochter Ulrike Krawczyk, die, 1953 geboren, ebenfalls Germanistik studierte. Ferner absolvierte sie ein Studium in Linguistik und zusätzliche Ausbildungen in Sprecherziehung und Stimmbildung. Auch sie hält Seminare zum Thema Märchen und veröffentlichte, unter anderem in Zusammenarbeit mit ihrer Mutter, ihre Arbeiten bei verschiedenen Verlagen.


    Zum Buch/Meine Meinung:


    Nicht zum ersten Mal haben sich Mutter und Tochter zusammengetan, um das zu tun, was sie leidenschaftlich gerne tun. Mündlich überlieferte wie schriftlich aufgezeichnete Geschichten in ganz Europa sammeln, übersetzen und, zu einem Buch zusammengefasst, veröffentlichen. Der Verlag hat eine Reihe Märchenbücher veröffentlicht, in denen jeweils andere Themen aufgegriffen wurden.


    In vorliegenden Buch geht es um Märchen in denen, wie der Titel schon verrät, Mütter und Töchter die Hauptrolle spielen. Das Schöne an diesem Buch ist, dass es eine Sammlung an 29 Märchen beinhaltet, wie es sie nicht überall gibt. Bekannte Gestalten, wie etwa Frau Holle, kommen zwar vor; allerdings in einem weniger bekannten Zusammenhang. Auch die in Märchen selten beliebte Stiefmutter wird hier etwas anders gezeichnet und muss sich beispielsweise nicht in glühenden Schuhen zu Tode tanzen.


    Alles Friede, Freude, Eierkuchen? Mitnichten. Die Beziehungen von Müttern zu ihren Kindern, Mädchen wie Jungen, können vielfach gestaltet sein. Nicht immer und zu jeder Zeit sind Mütter ihren Töchtern gegenüber (oder umgekehrt) hilfreich und, sogar über den Tod hinaus, beschützend. Es gibt auch eifersüchtige und bedrohliche Mutter-Töchter-Verhältnisse. Oder mystisch und magisch angehauchte, in denen eine ganze Bandbreite an Gefühlen zum Ausdruck kommt. Neid und Missgunst treiben manche der Mütter im Hinblick auf ihre eigenes (vertanes) Leben und der Schönheit und dem damit verbundenen Erfolg ihrer Töchter zu Handlungen, die deren Vernichtung dienen sollen. Doch, obwohl bedrohliche Situationen vorkommen, werden diese meines Erachtens nach nicht zu gewalttätig, wie es bisweilen in den eher bekannten Märchen vorkommt.


    Es gibt Märchen, in denen die innige Beziehung der Mütter und ihrer Töchter beschrieben wird, während andere von Neid und Missgunst bestimmt sind. Und solche, die von Trauer, Krieg, Tod und Melancholie berichten. Problematisch-konfliktbeladene Situationen wiegen sich mit innig-verbundenen auf. Die Symbolik in den Märchen spiegelt das wider, was im Leben passiert. Und das, was den Menschen antreibt – Hoffnung. Auf das Erreichen von Liebe und Glück, aber auch Selbstständigkeit, Zufriedenheit. Bis das soweit ist, durchlaufen die Hauptfiguren der Märchen diverse Prozesse. Abnabelung, der Weg von der Unselbstständigkeit in ein selbst behauptetes Leben, der Moment des Loslassens. Situationen, in denen der Schutz der Kinder oberste Priorität hat und solche, in denen ohne nachzudenken willkürlichen Befehlen Folge geleistet wird, Situationen, in denen das beschrieben wird, was jahrhundertelang real praktiziert wurde und stellenweise nach wie vor praktiziert wird: die Vormachtstellung des Patriarchats. Augenblicke des Verlustes und solche der Wiederkehr.


    Durch die liebevoll zusammengetragenen und umgesetzten Geschichten ist dieses Buch nicht nur zum Vorlesen geeignet, sondern – für Märchenfans, wie beispielsweise mich – auch einfach so zum darin schmökern. Geschichten, die zum Nachdenken anregen. Die an Werte erinnern, die heute oft viel zu flüchtig verkommen; durch das Bewahren dieser Geschichten jedoch erhalten und weitergegeben werden können.


    Fazit:


    Empfehlenswert. Für Märchenfans und solche, die es werden wollen. Und diejenigen, die einfach mal etwas andere Märchen kennenlernen möchten.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens

    Zur Autorin


    Seit mehr als 20 Jahren befasst sich die Autorin und Diplomübersetzerin Daniela Schenker mit asiatischen Traditionen. Sie lehrt und berät in der Thematik der ganzheitlichen Lebensführung und unternahm zahlreiche Weltreisen und Pilgerfahrten, um ihr eigenes Wissen zu vervollkommnen.


    Zum Buch/Meine Meinung


    Wasser: Es kann zerstörerisch und lebensspendend sein. Aufwühlend oder beruhigend. Der Einsatz von Wasser im privaten Lebensbereich erfolgt heute in unseren Breitengraden viel zu oft gedankenlos. Sei es im Verbrauch oder als Gestaltungselement. Will man es in den Wohnbereich oder das persönliche Lebensumfeld integrieren, merkt man schnell, dass das frei zugängliche Wissen uralt und/oder fernöstlich und oftmals ein Kapitel für sich ist. Falsch eingesetzt kann Wasser krankmachen. Im Umkehrschluss kann es natürlich auch unendlich guttun.


    Wasser ist bzw. Zimmerbrunnen sind nicht nur ein gerne eingesetztes Element im Feng-Shui, doch die Informationen in Sprudelnde Heilkraft gehen in diesen Bereich. Nach einem Vorwort von Dr. Jes T. Y. Lim – Feng-Shui- und Tao-Geomantie-Großmeister – in dem er auf die Bedeutung des Wassers eingeht, meldet sich die Autorin selbst zu Wort und beschreibt ihr Verhältnis zum Wasser und wie dieses Verhältnis zu dem geworden ist, was es heute ist.


    Danach erfährt der interessierte Leser von der Bedeutung des Wassers in verschiedenen Kulturen, von seiner Natur, seiner Aufgabe und Wirkung. Die Autorin gleitet fließend über in eine Kurzbeschreibung der fünf Elemente, bevor sie auf einen Spaziergang durch die Welt der Brunnen einlädt, der uns auch etwas über Brunnenalternativen, wie etwa Nebler oder auch Trockenbrunnen beziehungsweise Trockenwasser verrät.


    Weder die Brunnentypen, noch die Symbolik der Gestaltungselemente, des Lichts oder die Effekte der Wasserverteilung kommen zu kurz. Auf die Möglichkeiten der Wasseraromatisierung wird ebenso eingegangen, bevor es zu Anleitungen für den Bau eines Brunnens geht. Im fünften Kapitel lässt uns die Autorin auf über 50 Seiten einen Einblick in die Grundlagen der Raumharmonie und des Feng-Shui erhaschen, bevor sie über die Möglichkeit schreibt, Wasser auf Reisen zu nutzen und das Buch mit einem Ausblick und einem Literatur- und Bildnachweis ausklingen lässt.


    Alle Beschreibungen sind kompakt und leicht verständlich. Fotos in Schwarz-weiß und Farbe sowie Skizzen lockern den Text immer wieder auf. Wichtiges ist in grauen Feldern hervorgehoben.


    Man merkt, dass die Autorin Wasser als das sieht, was es ist. Ein lebendiges Element, das zu uns sprechen kann, wenn wir zuhören. Das können wir deshalb, weil wir selbst zu einem großen Teil daraus bestehen.


    Wasser kann uns tatsächlich helfen, etwas für unsere Gesundheit zu tun. Genau dasselbe Wasser, das den meisten von uns vielleicht eher durch Horrornachrichten von Überschwemmungen oder sintflutartigen Regenfällen oder durch das Ausbleiben von Regenfällen ein Begriff ist. Für die meisten von uns ist es darüber hinaus ein absolut selbstverständliches Gut, das viel zu gedankenlos verwendet wird. Es hat aber grundsätzlich eine überaus kraftvolle und sanfte Seite, die wir für uns nutzen können. Schenkers Buch, in dem sie unter anderem (wenn auch nur kurz) auf die Wiederbelebung von Wasser eingeht, ist ein kompaktes Handbuch, das uns hilft Wasser als lebendiges, heilendes Element auf einfache Weise in unser Leben zu integrieren.


    Fazit


    Gelungenes Handbuch. Die Gliederung ermöglicht ein leichtes Nachschlagen. Das Buch könnte ausführlicher sein, muss es aber nicht, da alles grundsätzlich relevante erwähnt wird und es sonst in ein Praxisbuch ausarten würde. Sprudelnde Heilkraft bietet auch Laien, die völlig unvorbelastet an die Thematik herangehen, einen guten Einstieg in die Materie.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens

    Hohes Gras
    Von Marbel Becker


    Medu-Verlag
    ISBN 978-3938926864
    Roman, Krimi
    Originalausgabe 2009
    Umschlaggestaltung Vanya Kostadinova (Verlag)
    Softcover, 372 Seiten
    € 9,95 [D]


    www.medu-verlag.de


    Zur Autorin


    Die 1958 geborene Autorin lebt mit ihrer Familie im Frankfurter Raum. Aus ihrer Feder stammt auch das demnächst erscheinende Kinderbuch „Paunile und ihre Freunde“ und der Roman "Tennlos".


    Zum Buch/Meine Meinung


    Zitat

    Als Alexander Bach eine Kanzlei beauftragt, seinen Lebenspartner zu finden, wird offenkundig, dass ein Mann namens Rolf Winter nie existiert hat! Dass dies allerdings über Jahre hinweg an einem Banker wie ihm hat vorbeigehen können, ist ihm völlig schleierhaft. Aber Liebe blendet ja bekanntlich, und in diesem Fall hat die Liebe ganze Arbeit geleistet Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint in diesem Verwirrspiel um Liebe und Schuld, in dem Wasser dicker als Blut ist und Liebe Mittel zum Zweck. Hinter der hochglanzpolierten Fassade ereignen sich Inzest, Affären und Mord, schlummern Habgier, Sadismus und Hass und werden Doppelleben gelebt: Renommierte Professoren werden zu masochistischen Sklaven, langjährige Freunde zu erbitterten Feinden, Söhne zu Mördern, Familien entzweit. Über Jahrzehnte bewegen sich die Protagonisten dieses vielschichtigen Romans über Ländergrenzen hinweg und an Abgründen vorbei auf ein Ende zu, das an Dramatik nichts zu wünschen lässt.


    Zusammen mit dem Coverfoto (Dunkelheit etwas Gras, etwas Nebel, mit einer Kette gefesselte Hände) weckte diese Inhaltsangabe meine Neugier. Das las sich doch schon mal spannend.


    Es gibt ja Bücher, die nimmt man in die Hand und sie fesseln einen von der ersten bis zur letzten Seite. Dann gibt es welche, die man mit einigen Unterbrechungen liest, weil der Spannungsbogen nicht allzu hoch ist. Und abgesehen von denen, die man nie anrühren würde, gibt es noch solche, die man mehrmals in die Hand nimmt und versucht sie zu Ende zu lesen, in der Hoffnung, dass noch irgendetwas passiert, was die Geschichte rettet.


    Leider muss ich gestehen, dass „Hohes Gras“ für mich persönlich in die letzte Kategorie fällt. Die Idee an sich ist spannend, allerdings ist die Umsetzung abgesehen von mir vermutlich auch für andere Leser etwas gewöhnungsbedürftig. Auch fünf Versuche an unterschiedlichen Tagen (da ich davon ausgehe, dass Geschmack auch tagesabhängig ist), lösten keine Meinungsänderung bei mir aus.


    Nach dem ersten Teil der Inhaltsangabe ging ich davon aus, dass besagter Alex Bach die Hauptfigur dieser Geschichte ist. Er ist zwar Bestandteil, aber die Annahme an sich war schon mal falsch. Vielmehr ist es seine (platonische) Freundin Emilia, die in den Vordergrund rückt und aufgrund des Erzählstils abwechselnd stark vor und zurück weicht. Die Geschichte springt wild zwischen den Jahren 1965 und 2007 hin und her und hüpft darüber hinaus auch zwischen den einzelnen Charakteren (letztlich 20 an der Zahl) genauso ungestüm herum. Leider wird der Geschichte damit die Spannung genommen, die allein vom Grundgedanken her da sein müsste. Kleinigkeiten verraten dem Leser Dinge, die ihn den Handlungsverlauf vorhersehen lassen.


    Sehr ausführliche Beschreibungen der Personen, die zwar in die Geschichte verwickelt sind, aber eher doch nur Randfiguren darstellen, erinnerten mich phasenweise an den Stil amerikanischer Autoren von True-Crime-Stories. Die Verknüpfungen der einzelnen Figuren erscheinen, obwohl recht eng, abenteuerlich und stellenweise fast zwanghaft zusammengefügt. Der am Ende eingebrachte fantastische Touch (eine der Figuren hat Visionen, die letztlich eine der Hauptfiguren retten), wirkt sehr bemüht und unglaubwürdig – wie überhaupt die eine oder andere Handlungsweise der Charaktere. Und obwohl eigentlich alles vorkommt, was in der Inhaltsangabe erwähnt wird – Inzest (aus Unwissenheit), Affären, Mord (der sogar mehrfach), Habgier, Sadismus, Hass, Doppelleben, Schuld (eher künstlich stilisierte Schuldgefühle einzelner Figuren) – dümpelt die Geschichte vor sich hin. Die ebenfalls erwähnte Liebe zeigt sich nur sehr zart angedeutet. Das Ende spitzt sich nicht dramatisch zu, obwohl der Tod einer Figur eingebaut wird – deren Part dann aber jemand anderes, fix, wie ein Kastenteufelchen, zu übernehmen scheint. Vielmehr flacht es ab und verpufft dann völlig unspektakulär.


    Erschwerend kommt hinzu, dass obwohl so viele Personen vorkommen, keine lebendige Unterhaltung zustande kommt. Einzelne Sätze, die unbeantwortet bleiben. Gedanken. Selbstgespräche. Nichts davon reißt einen aus dem …. Ich habe gerade unweigerlich einen träge dahinfließenden Strom vor Augen. Und das, obwohl eigentlich Wirbel in Form der Handlungs- und Zeitsprünge da sein müssten. Was vielleicht daran liegt, dass ich angedeutete Wiederholungen in der Geschichte fand, die das Ganze unnötig hinzogen? Ich weiß es ehrlich gesagt wirklich nicht. Aber ich gehe davon aus, dass die Geschichte ohne Weiteres auch mit 100 Seiten weniger ausgekommen wäre. Der gleichförmige Schreibstil – unaufgeregt passt hier nicht – tötete leider in meinen Augen ansatzweise aufkommende Spannung fast augenblicklich wieder ab.


    Fazit


    Es gibt sicher Leser, die diesen Stil mögen. Für mich war das Buch leider gar nichts. Auf einer Skala von 1 – 5 würde ich 1,5 Punkte vergeben. Aber nur, weil ich weiß, wie viel Arbeit und Herzblut in einen Roman einfließt und weil die Aufmachung des Buches qualitativ sehr gut ist.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens (AJ)

    Das große Buch der Farben
    Von Klausbernd Vollmar


    Königsfurt-Urania Verlag GmbH
    ISBN 978-3868261097
    Sachbuch
    2. Auflage 2010
    Umschlaggestaltung Antje Betken
    Illustrationen Monika Obser
    Softcover 288 Seiten
    € 28,50 [D]


    www.koenigsfurt-urania.com


    Zum Autor


    Der 1946 bei Köln geborene Autor und Dipolompsychologe reiste zunächst einmal lernend und arbeitend durch die Welt (Finnland, Kannada) bevor er sein Zweitstudium in Psychologie begann. Er lebte und arbeitete in Holland und Nepal, ist Mitbegründer der Internetfirma TraumOnline und lebt heute in England. Seit Jahren hält er Seminare und Vorträge, führt Beratungen und Team-Coachings und schreibt. Seine Bücher wurden in mehr als 15 Sprachen übersetzt. (Weitere Infos unter www.kbvollmar.de oder auch www.traumonline.eu)


    Zum Buch/Meine Meinung


    Gleich vorab – ich bin von diesem Buch begeistert. Worum es geht? Nun wie der Titel schon sagt, um Farben. Farben, die immer um uns herum sind. Künstlich hergestellt oder natürlichen Ursprungs können sie uns genauso heilen wie gesund machen. Unsere Tagesform lässt uns bestimmte Farben bevorzugen oder ablehnen, während die Farben gleichzeitig unsere Launen beeinflussen. Das Problem unserer „farbigen Welt“ ist, dass vieles in einem Einheitsbrei an Farben zu versinken droht und nicht wenige von uns das meiste nur noch schmutzig-braun, grau oder gar schwarz wahrnehmen. Was tun?


    Die aufmerksame Lektüre von Vollmars Buch könnte einen Schritt in die richtige Richtung weisen. Sein Wissen aus über 30 Jahren über der Wirkung der Farben auf unser Leben ist sehr umfangreich. Herausgekommen ist dabei unter anderem das gerade vor mir liegende Buch. Es enthält ein breites Informationsspektrum zu:


    - Psychologie und Symbolik der Farben,
    - Einrichtungstipps,
    - Farbtypen, Kleidung und Make-up,
    - Wirkung verschiedener Farben aufeinander,
    - Farbenlehren von Newton, Goethe bis zur Moderne,
    - Volkswissen und Mythologie,
    - Herkunft der Farbbezeichnungen und Pigmente,
    - Wichtige Tipps für Kunstmaler und Handwerker,
    - Heilen mit Pflanzen, Steinen und ihren Farben,
    - Farbmeditationen und Wahrnehmungsübungen.


    Hört sich umfangreich an, ist aber so anschaulich beschrieben, dass tatsächlich jeder einiges daraus sofort problemlos auf sich beziehen und für sich nutzen kann. Kein trockenes Fachsimpeln, sondern ein lebendiges Lehrbuch erwartet einen, wenn man die erste Seite aufschlägt. Nach einer Einführung wird auf 110 Seiten zunächst auf die Primärfarben (Gelb, Blau und Rot) eingegangen. Danach folgen 61 Seiten zu den Sekundärfarben (Violett, Orange und Grün), 3 Seiten Lichtfarben (entstehen durch selbstleuchtende Körper, fluoreszierende Zifferblätter oder gefärbte Glühbirnen), 18 Seiten Tertiärfarben (Braun, Olive oder buntes Grau), 18 Seiten Metallfarben (etwa Gold oder Silber) und 51 Seiten „unbunte“ Farben (etwa schwarz oder weiß, auch wenn das oft nicht als Farbe betrachtet wird), bevor das Buch mit Anmerkungen ausklingt. Sukzessive, logisch und anschaulich werden die Farben abgearbeitet, so dass eigentlich keine Fragen übrig bleiben.


    Fazit:


    Auch hier würde ich sagen, dass das Buch in die Kategorie „gelebtes Wissen“ gehört. Wer es aufmerksam liest, wird vielleicht künftig nicht nur erkennen, was sein Gegenüber durch die Wahl der von ihm gewählten Farben ausdrückt, sondern sich vielleicht selbst mit den richtigen Farben in der einen oder anderen Situation helfen können.


    Empfehlenswert? Auf alle Fälle. Ich habe, obwohl ich mich schon lange für Farben interessiere, einiges darin gefunden, was ich noch nicht wusste.


    Copyright © 2010 by Antje Jürgens