Ein kleines Dorf in der Oberpfalz. Hier leben der 8-jährige Karl und sein Bruder Lorenz, 13 Jahre alt, deren Mutter Selbstmord beging. “Für manche Menschen scheint die Erde einfach nicht der rechte Ort zu sein, und meine Mutter Hanna war so ein Mensch” (S. 7). Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Karl. In dem kleinen Dorf ist nicht viel los und die Kinder spielen eigentlich immer draußen. Der Vater ertränkt seine Trauer in Wermut und überlässt die Kinder in der Obhut der “Kratzlerin”, die als Haushälterin in dem Haus lebt. Das Haus, ein “Fast-Hotel”, beherbergt nur einen einzigen Gast: Herrn Murmelstein, den alle nur Murmeltier nennen. Er ist der stille Held der Geschichte: liebevoll, ist er für die Kinder da, erzählt ihnen Gutenachtgeschichte, die eigentlich nicht für ihre Ohren bestimmt sein sollten und ist stets mit einer helfenden Hand oder mit einem Rat an ihrer Seite. Er ist Vater und großer Bruder zugleich.
Eines Tages kommt Elsa in das kleine beschauliche Dorf und wirbelt dort alles Durcheinander. Elsa ist 11 Jahre alt und eine gehörige Zicke. Widerborstig und garstig, doch manchmal auch nur verletzlich und Kind. Ihre Mutter lädt sie bei dem Onkel ab, um kurzerhand eine Weltreise mit ihrem neuen Freund zu unternehmen. Als Karl Elsa zum ersten mal zu Gesicht bekommt, ist es um ihn geschehen. Danach ist für ihn nichts mehr so, wie es war. Doch Elsa macht es ihm nicht leicht und stellt ihre Freundschaft immer wieder auf eine harte Probe, die Karl tapfer erduldet. Er liebt Elsa und ist ihr gleichzeitig hörig. Doch Karl will noch mehr: Er will, dass sein Bruder sich nicht immer mit Elsa streitet. Lorenz und Elsa sind wie Feuer und Wasser. Oftmals unternehmen sie zu dritt etwas und genauso oft, endet der Auflug im Streit zwischen den beiden. Bald gehört Elsa gänzlich dazu. Auch sie bekommt die Gutenachtgeschichten vom Murmeltier zu hören. In den wenigen Stunden, die Elsa mit ihren Freunden und dem Murmeltier zusammen ist, erfährt sie, was es heißt Freunde und Familie zu haben.
Doch das Kindheitsidyll bekommt Risse. Zunächst stirbt der Freund, das Murmeltier. Dann, eines Tages, Elsa ist bereits 15, verkündet sie, dass sie nach Texas und geht und dort den “Schweine-Willi” heiratet, der dort mittlerweile Rinder züchtet. Ebenso schnell wie Elsa damals in Karls Leben trat, ist sie verschwunden und zurück bleibt nur ein kleiner Junge, der sein Herz an die Falsche verloren hat. “Man kann über die Liebe eines kleinen, dicken Jungen lachen. Aber man sollte nicht” (S. 159).
Jahre später und durch Umwege, wird Lorenz zum gefeierten Star der Kunstszene. Er versucht in einem Mammut Experiment die Ewigkeit auf eine Leinwand zu bannen. Immer tiefer rutschen Karl und Lorenz in die Tiefen der Szene hinab. Sex, Drogen und Macht bestimmen ihren Alltag. Ich konnte mir zunächst schwer vorstellen, wie diese Kindheitserlebnisse übergehen in die heutige Kunstszene, in denen der zweite Teil des Romans spielt. Doch Astrid Rosenfeld spannt geradezu mühelos den Bogen, gerade so, als wäre eine andere Wendung nahezu lachhaft gewesen.
Als sich Karl jedoch eines Tages auf den Weg nach Texas macht, ahnt er nicht, dass diese neue Begegnung mit Elsa sein Innerstes erschüttern wird. “Sechsundzwanzig Jahre, drei Monate und neunzehn Tage alt. Unverändert und doch so anders. Elsa – vollkommen” (S. 247).
Dieser Roman ist der Hammer. Ich habe ihn vor zwei Tagen beendet und er lässt mich noch immer nicht los. Die kleine Elsa, kratzbürstig und liebenswert hat mit ihren Krawattenbandagen mein Herz erobert. Sie ist die eigentliche Protagonistin und stellt selbst das Murmeltier in den Schatten. Doch auch der kleine Karl, den Elsa stets nur Fetti nennt, hat mich verzaubert. Er hat seine ganz eigene Sicht auf die Dinge, manchmal ein bisschen naiv, doch stets an das Gute glaubend. Dass er so in seinem Leben enttäuscht wird, hat mir sehr weh getan.
Mir ist eine Rezension noch nie so schwer gefallen, wenn mir ein Buch gut gefallen hat. Eigentlich merke ich auch gerade erst jetzt, beim Schreiben, wie SEHR es mir gefallen hat. Astrid Rosenfeld hat eine Art den Leser mit einfacher, poetischer Sprache in seinen Bann zu ziehen. Geradezu lebensklug erzählt Karl von seiner großen Liebe, von der er nie wieder loskam. Doch auch Lorenz hat einiges zu bieten und hat am Ende meine Sympathiepunkte deutlich erhöht, auch wenn ich seine Reaktionen nicht nachvollziehen kann.
“Ich sah Elsa mit einem Hund, der vielleicht ein Wolf war, und dem Murmeltier durch die Prärie wandern, gegen sprechende Rinder kämpfen und Mimosen pflücken. Es war, als hätte es dieses Mädchen nie gegeben, außer in meiner Phantasie. Sie war eine Märchengestalt, deren Geschichte längst geschrieben stand” (S. 203).
Elsa ungeheuer ist für mich tatsächlich bis jetzt das Jahreshighlight 2013.
Von mir gibt es 9,5 von 10 Punkten (einen halben Punkt Abzug, weil mich diese Geschichte aus der Kunstszene etwas aus der ganzen bezaubernden Geschichte herausgezogen hat)