Beiträge von Sonja1902

    Joanne Harris erzählt die Geschichte „Denk an mich in der Nacht“ aus zwei verschiedenen Perspektiven. Zum einen geht es um die Tagebucheinträge eines Daniel Holmes, die in den 40er Jahren verfasst wurden. Darin beschreibt Daniel, wie er 1947 eine junge Frau, Rosemary vor dem Ertrinken rettet. Er fühlt sich sofort von ihr magisch angezogen. Alle Kapitel dieser Sichtweise tragen die Überschrift „Eins“. In der anderen Perspektive geht es um die Malerin Alice, die immer noch in ihren Ex-Freund Joe verliebt ist. Die beiden sind jedoch schon seit ca. drei Jahren getrennt und Joe hat inzwischen eine andere Freundin, Ginny. Als die beiden Frauen sich kennen lernen, kommt Ginnys Verhalten Alice sehr merkwürdig vor. Eines Tages findet sie dann in Ginnys Zimmer Daniel Holmes´ Tagebuch. Schnell ist sie davon überzeugt, dass Rosemary und Ginny dieselbe Person sein müssen. Diese Kapitel sind mit „Zwei“ überschrieben.
    Die Einteilung der Kapitel ist am Anfang sicherlich etwas gewöhnungsbedürftig, aber man gewöhnt sich schnell daran. Letztendlich hilft sie dem Leser, sich zu orientieren, sodass man immer weiß, in welcher Zeitebene man sich gerade befindet.


    Die Idee, diesen Vampirroman aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu schreiben, gefällt mir gut. Es geht es um die zwei Frauen Rosemary und Ginny. Die beiden scheinen vom Wesen her sehr unterschiedlich zu sein, aber es handelt sich wohl um ein und dieselbe Frau. Daniel Holmes` Gefühle in Bezug auf Rosemary sind zwiespältig. Einerseits war sie für ihn wie eine Gestalt aus einem Märchen „eine weiße Ophelia“ (S. 51), andererseits spürte er ihren „Hass. Ihre höhnische Ironie.“ (S. 31). Auch Joe ist Ginny verfallen; Alices Warnungen, bezüglich seiner Freundin, schlägt er in den Wind. Joanne Harris baut gekonnt Spannung auf, indem sich beide Handlungsstränge immer mehr einander annähern.
    Die Autorin hat einen sehr schönen, detaillierten Schreibstil, der den Leser gut unterhält. Für meinen Geschmack zieht sich die Geschichte durch die ausführliche Beschreibung allerdings oftmals in die Länge. Dabei kommt die eigentliche Handlung zu kurz, so dass an einigen Stellen Durchhaltevermögen gefragt ist.
    Die Anmerkungen der Autorin über ihr Werk am Ende des Buches finde ich gelungen. Der Leser bekommt noch ein paar Hintergrundinformationen wie und wann das Buch entstanden ist. J. Harris erklärt u. a., warum sie die Überschriften der Kapitel so gewählt hat und wie es zu der Erzählung aus zwei unterschiedlichen Sichtweisen gekommen ist.


    Ich habe diesen Roman gerne gelesen, auch wenn es an einigen Stellen nicht so ausführlich hätte sein müssen. Die Mischung aus Leidenschaft und Vampirstory empfinde ich als gelungen. Auch die Gestaltung des Buchumschlages gefällt mir gut. Er ist schlicht gehalten, drückt aber sehr viel Leidenschaft und auch Mystik aus.

    Angelo Colagrossi stellt sein aktuelles Drehbuch "Amore und so´n Quatsch" einem Hamburger Film- und Fernsehproduzent vor. Dieser ist davon sehr angetan und lädt Colagrossi kurzerhand nach Hamburg ein, um das Drehbuch zu besprechen. Da der Termin schon in 48 Stunden ist, sitzt der Italiener 36 Stunden später im Zug, um die Fahrt von Düsseldorf aus anzutreten. Doch wie das so ist, wenn man mit der deutschen Bahn reist, muss man sich auf einiges gefasst machen. So auch bei dieser Fahrt. Es dauert nicht lange und der Zug bleibt irgendwo im Nirgendwo in einem heftigen Schneegestöber stehen und kann die Fahrt fürs erste nicht fortsetzen. Doch dank der Mitreisenden wird es nicht langweilig und es bleibt genug Zeit, um witzige Anekdoten zu erzählen und um einen kurzen Blick in verschiedene Drehbücher zu werfen.


    A. Colagrossi hat einen sehr locker-leichten und humorvollen Schreibstil. Damit kann er den Leser von der ersten Seite in seinen Bann ziehen. Seine Gedanken und Gefühle sind leicht nachzuvollziehen, besonders jene, die die deutsche Bahn betreffen , und man gewinnt schnell Sympathien für den in Deutschland gestrandeten Italiener. Sehr witzig werden die sprachlichen Barrieren beschrieben. Da wird einem richtig bewusst, wie gut man es hat, deutsch als Muttersprache zu haben und es nicht lernen zu müssen. In regelmäßigen Abständen gibt der Autor dem Leser die Möglichkeit, sich einen Einblick in verschiedene Drehbücher zu verschaffen. Hierbei fand ich es manchmal schwierig, mich direkt in die verschiedenen Szenen hinein zu versetzen.


    Alles in allem handelt es sich um eine leichte Lektüre, die sich sehr gut zum zwischendurch lesen eignet. Mit Witz und Charme schafft es der Autor gut zu unterhalten. Für meinen Geschmack hätten es etwas weniger Drehbuchszenen sein dürfen. Die fand ich zum Teil schwer zu verstehen und etwas langatmig. Aber ansonsten hat mir das Buch gut gefallen. Gelungen finde ich auch die Widmung des Buches der deutschen Bahn. Das macht das Ganze zu einer runden Sache.

    „Das München-Komplott“ von Wolfgang Schorlau ist der 5. Krimi einer Reihe. Die vier Vorgänger kenne ich nicht, aber das spielt für das Verständnis auch keine Rolle.


    Zum Inhalt: Am 29.09.1980 wurde auf das Münchner Oktoberfest ein verheerender Bombenanschlag ausgeübt. Dabei handelte es sich um das größte Attentat in der Geschichte der BRD: 13 Tote und 200 Verletzte, einige zum Teil sehr schwer. Damals wurde ein alleiniger Attentäter ausgemacht, der bei dem Anschlag selbst umgekommen sein soll. Doch an dieser Theorie hat das BKA Zweifel. Um dem Ganzen auf den Grund zu gehen, soll der Fall wieder aufgerollt werden. Dabei bittet der Präsident des BKA Georg Dengler um Hilfe. Nach kurzer Bedenkzeit sagt er zu und findet sich schon bald danach inmitten politischer Machtspiele und Intrigen wieder, die für ihn und die Menschen um ihn des öfteren gefährlich werden.


    Der Prolog hat mir sehr gut gefallen. Der Privatermittler Georg Dengler besucht an einem schönen, sonnigen Tag die Theresienwiese in München. Ein paar Passanten ziehen ihre Runden. Ansonsten ist alles ruhig. Dengler hat sich in der vergangenen Nacht intensiv mit der Akte und den Berichten, Zeitungsartikeln und Vernehmungsprotokollen beschäftigt, so dass er sich die grausigen Zeugenaussagen während des Spazierganges in Erinnerung ruft. Diese sind in kursiver Schrift eingeschoben und ermöglichen dem Leser, sich einen Überblick von den damaligen Geschehnissen zu machen.


    Wolfgang Schorlau versteht es, mit einer kurzen Sätzen und einer einfach strukturierten Sprache Spannung aufzubauen. Das ganze Buch ist in, mit Überschriften versehene, Kapitel aufgeteilt. Die kürzesten Kapitel sind dabei gerade mal ein paar Zeilen und die längsten sieben Seiten lang. Diese Untergliederung macht das Lesen sehr angenehm, da sehr häufig die Schauplätze wechseln und unterschiedliche Personen im Fokus stehen. Auch die – wenigen – Zeitsprünge können so, ohne den Leser zu irritieren, dargestellt werden. Die verschiedenen Hauptcharaktere werden gut in die Geschichte eingebracht, so dass man sich ein Bild von der jeweiligen Person machen kann und weiß, wofür sie kämpft und auf welcher Seite sie steht. Besonders gelungen finde ich die kritische Auseinandersetzung mit (aktuellen) politischen Geschehnissen. Auf S. 23 beschreibt Schorlau, aus welchen Gründen Dengler damals seinen Dienst beim BKA quittiert hat. Dies beschreibt sehr schön die Haltung des Autors in Bezug auf die Willkür des Staates.


    Mir hat das Buch gut gefallen und ich werde mir mit Sicherheit so nach und nach auch Denglers vorangegangene vier Fälle zulegen.