Für mich sind das Leute, die essen können, was sie wollen und trotzdem mühelos ihr Gewicht halten. Ich habe so einige davon im Bekanntenkreis und es ist sehr frustrierend, mit denen Essen zu gehen!
Die sind aber nicht zu verwechseln mit denjenigen, die auch ihr Leben lang schlank sind, aber hart dafür arbeiten, viel Sport treiben und genau darauf achten, was und wieviel sie essen - denen geht's ja letztendlich nicht wirklich besser als uns, nur dass sie nicht zusätzlich noch abnehmen müssen/wollen.
Die "guten Futterverwerter" sind ein Märchen. Es ist mir ein Bedürfnis zu erklären, warum das so ist, weil ich das lange selbst geglaubt habe und sehr überrascht war, als ich mich genauer damit beschäftigt habe.
Erstmal eine Zusammenfassung, falls keiner Bock auf die Wall of Text hat
Die Leute, die "essen können, was sie wollen", sind keine Leute mit zu-mir-identischem Körperbau, die den ganzen Tag im Büro/auf dem Sofa sitzen und leckere kalorienreiche Dinge essen, während ich am Salatblatt nage. Sondern es sind entweder Leute, die größer/deutlich aktiver/männlich (hmpf) sind als ich. Oder Leute, die kein Bedürfnis nach viel kalorienreichem Essen/großen Mengen/ständiger Snackerei haben. Oder Leute, die ab und zu stattfindende Schlemmerei (in der Öffentlichkeit) mit reduziertem Essen (alleine zu Hause) ausgleichen.
Die Unterschiede in der Tagesbedarfsmenge von gleichgroßen Menschen gleichen Geschlechts gleichen Gewichts mit gleicher Bewegungsmenge sind gering. Wirklich, niemand, der so groß+schwer+ genauso viel/wenig aktiv ist wie ihr und das gleiche Geschlecht hat, kann 500 kcal mehr pro Tag essen als ihr (ohne zuzunehmen)!
Vorweg: Nein, ich bin selbst nicht "naturschlank" und kann leider nicht alles essen, was ich will (wenn ich könnte, würde ich mich wohl nur von Schokolade ernähren ...). Vorletztes Jahr habe ich 12 kg abgenommen, indem ich echt nicht mehr alles gegessen habe, was ich wollte.
Warum manche Menschen anscheinend (!) "essen können, was sie wollen":
- der Hauptgrund: seeehr oft vergleicht man sich selbst (ich z.B.: sehr kleine Frau) mit den falschen Leuten (z.B.: größeren Männern). Die haben einfach deshalb einen oft deutlich höhere Verbrauch, weil sie Männer sind (das ist ziemlich unfair) und weil sie groß sind (auch unfair). Männer haben mehr Muskelanteil als Frauen - Muskeln verbrennen mehr Energie als Fett. Oder man vergleicht sich mit Leuten, die sich mehr bewegen (ja, Menschen, die von klein auf Sport liebten, haben da auch wieder einen Vorteil - sie können mehr essen, weil sie das tun, was sie lieben! Wer von klein auf Lesen liebte, hat diesen Vorteil nicht :().
- wer "essen kann, was er will", kann i.d.R. nicht mehr essen als man selbst. Sondern er ist mit weniger Essen zufrieden und hat kein Bedürfnis nach mehr Essen. Sprich: Manche Leute haben mehr Appetit als andere (aber: Hunger und Appetit sind durchaus auch Gewohnheitssache, man kann sich z.B. zu große Portionen angewöhnen - ich hab mir wieder kleinere Portionen angewöhnt). Und ja, das ist genauso unfair wie die Männer-Frauen-Sache. Meine beste Freundin ist nach EINEM EINZIGEN Stück Schokolade zufrieden und packt den Rest danach weg, ihre Schokolade hält Wochen/Monate (vielleicht ist sie ein Alien) - ich würde 2 Tafeln wollen. Wenn sie mir sagt "Ich kann so viel Schokolade essen, wie ich will, und werde trotzdem nicht dick!", könnte ich leicht zu dem Missverständnis gelangen, dass sie zwei Tafeln Schokolade pro Tag essen kann, weil ich an mein Essensbedürfnis denke und nicht an ihres.
- man sieht nur eine Momentaufnahme dessen, was andere essen und wie sie leben: Siehe dieser Comic. Bitte nicht falsch verstehen - es geht nicht um die Behauptung, dass Dicke(re) sich den ganzen Tag mit Essen vollstopfen, sondern dass man oft unterschätzt, wie sehr sich lauter Kleinigkeiten zu "zuviel Kalorienaufnahme" summieren, wohingegen sich auch wenig Bewegung zu "mehr Verbrauch" summiert - und manche essen ständig, andere nur selten, sodass letztere dann jeweils mehr auf einmal essen können).
- zusammenhängend damit: Man schlussfolgert oft das Falsche aus dem, was man beobachtet - ich esse bei Restaurantbesuchen mit Freunden/Bekannten deutlich mehr als sonst, weil es besondere Gelegenheiten sind. Wenn das Freunde sind, die ich meist nur in Verbindung mit Essengehen sehe, glauben die dann, ich esse immer so viel - und das wäre ein Trugschluss. Wenn ich besonders viel gegessen habe, gleiche ich das oft aus, indem ich in den nächsten Tagen weniger esse, das sehen meine Freunde aber nicht. Andere Leute essen abends viel, lassen aber das Frühstück weg (das sehen die Freunde auch nicht) oder essen rein gar keine Snacks, Süßkram oder sonst irgendwas zwischendurch (meine vielleicht-Alien-Freundin zum Beispiel isst quasi nur die Hauptmahlzeiten).
Worauf man sich übrigens wirklich nicht verlassen kann, sind Berichte anderer Leute über ihr eigenes Essverhalten - viele Dünne überschätzen massiv ihren Kalorieninput (siehe "ich kann essen, was ich will!"), viele Dicke unterschätzen ihn - das heißt nicht, dass sie blöd wären! Es ist nur unheimlich schwierig, Kalorienmengen zu schätzen, z.B. weil etwa Öl sehr viele Kalorien auf sehr wenig Menge hat und man einem Gericht nicht ansieht, wieviel Öl drin ist. Selbst Profis können da extrem daneben liegen.
Leider beruhen so einige ernährungswissenschaftliche "Erkenntnisse" darauf, dass Leute einfach nur grob abschätzen und erzählen, was sie essen, statt es genau zu dokumentieren ...
Ich hoffe, ich stoße keinen damit vor den Kopf - vielleicht hilft es jemandem, sich weniger über "Naturschlanke" zu ärgern? Klar, viele Dinge sind trotzdem unfair (ich bin 1,54 m und möchte manchmal weinen, wenn ich anschaue, wieviel ein Freund von mir, 1,93 m, männlich, viel Sport, bei einem Hochzeitsbuffet essen kann. Und meine 1-Stück-Schokolade-Alien-Freundin beneide ich auch). Aber man kann sich vielleicht vor Augen halten, dass die schlanke Kollegin, die grad eine riesige Portion Nudeln isst, vielleicht dafür kein Frühstück hatte. Oder heute Morgen schon joggen war. Oder dass die Freundin, die grade im Restaurant so reinhaut, morgen nur Tomate-Mozzarella light zum Mittag essen wird.