Beiträge von pepperann

    "Aber ich bin sicher, dass das Geräusch nicht echt ist. Es ist Teil meiner Krankheit - nichts anderes als kaputte Synapsen und fehlgezündete chemische Reaktionen."


    Vor zwei Jahren hatte Miles seinen ersten schizophrenen Anfall. Währenddessen verschwand sein Bruder. Ein Ereignis, das sein Leben aufs drastischste veränderte. Seine Familie ist unglücklich und Miles noch viel mehr. Sein Alltag ist belastet von Krankheit und dem dringenden Wunsch alles zu tun, um seinen kleinen Bruder Teddy wiederzufinden.


    "'Also, ähm,' sage ich, 'was machst du hier? Du wirkst nicht so verrückt wie die anderen.'
    Er lächelt schüchtern. 'Ich f-f-funktioniere nicht in der e-e-echten Welt.'
    'Tja. Ich auch nicht.'"


    Miles bewegt sich zwischen Realität und Wahnvorstellungen, letztere werden für ihn zur Wirklichkeit. Typisch für die Krankheit der Schizophrenie, zu deren Krankheitsbild u.a. Störungen in Wahrnehmung und Denken gehören. Der Leser dringt so in Miles Geschichte ein, dass auch für ihn nicht wirklich differenzierbar ist, welches Erlebnis wo einzuordnen ist. Dadurch baut der Autor Nic Sheff, der eine Drogenvergangenheit hinter sich hat und selbst unter psychischen Erkrankungen im Teenageralter litt, eine extreme Spannung auf. Die wenigen Seiten des Romans habe ich geradezu verschlungen.


    "Meine ganze Familie ist in einer Art Dauerspannung gefangen."


    Mir hat am Roman besonders gut gefallen, dass Miles Schwierigkeiten mit der Krankheit im Alltag umzugehen, so eingängig dargestellt werden. Angst ist sein ständiger Begleiter. Angst davor, dass die Krankheit schlimmer wird, dass es zu akuten Ausbrüchen kommt, mit denen er sich vor seinen Alterskameraden blamiert, und die Sorge, dass die Krankheit die finanziellen Möglichkeiten der Familie zu sehr ausschöpft. Gerne möchte er sich wie ein normaler Teenager verhalten. Vor allem, seit Eliza, seine Freundin aus Kindertagen, seine Jugendliebe, zurückgekehrt ist. Doch das ist alles nicht so einfach, wenn man nicht einmal einschätzen kann, ob das, was man gerade erlebt, überhaupt real ist.


    "'Mein Therapeut', platze ich heraus, 'redet immer davon, dass Sensibilität wie eine Gaußsche Verteilungskurve ist - du weißt schon, was wir in Mathe gelernt haben. Auf der einen Seite ist jemand so sensibel, dass er auf der Welt nicht funktionieren kann. Auf der anderen Seite ist ein totaler Soziopath, Mörder, was auch immer, der gar nichts fühlt. Die meisten Leute sind in der Mitte - oder irgendwo in der Nähe davon. Aber ich war immer näher an der So-verdammt-sensibel-dass-ich-kaum-funktioniere-Seite. Und du...du machst dir auch viele Gedanken.'"


    "Nic Sheff möchte darlegen, was Schizophrenie im Teenageralter bedeutet, in dieser ohnehin schon fragilen Lebensphase." (Quelle: Fischer) Das ist ihm eindeutig gelungen. Ich denke, dass jeder Leser - egal, ob er schon mal in irgendeiner Form mit dem Thema psychische Erkrankungen konfrontiert wurde oder nicht - einen kleinen Einblick bekommt, was es bedeutet mit einer psychischen Krankheit zu leben. Verpackt in eine fesselnde Story, hat Nic Sheff einen Debütroman entworfen, der ganz viele eigene Erfahrung enthält und dem Leser damit auf teils brutal realistische Art und Weise eine bewegende Geschichte vor die Füße wirft, die definitiv zum Nachdenken anregt und im besten Falle für ein klein wenig mehr Verständnis sorgt.

    "Wie ein fernes Lied" ist eine der von mir am ungeduldigsten erwarteten Neuerscheinungen des Jahres 2015. Seit ich den Roman mit seinem wunderschönen Cover, das so viel Sehnsucht ausstrahlt, im Herbstprogramm des Piper Verlags entdeckt hatte, wartete ich auf dessen Erscheinungstermin. Am 10. August war es dann endlich so weit. Nach verschlingen des Romans in nur wenigen Lesestunden bleibt mir abschließend zu sagen: das warten hat sich für jede einzelne Seite des Buches gelohnt!


    Es ist das Jahr 1939 als Marga ihrer Jugendliebe Michael Friedländer am Bahnhof "Adieu" sagen muss. Michael, der begnadete Klarinettist, mit dem Marga nicht nur eine gemeinsame unbeschwerte Kindheit, sondern auch die Liebe zur Musik verbindet. Für Musiker, die sich wie Marga und Michael dem Swing verschrieben haben, Musik mit neuen Melodien und fremdsprachigen Texten, geht die Zeit der Unbeschwertheit verloren, denn die Nationalsozialisten gewinnen mehr und mehr an Macht, vergraben sich in ihrem eigenen Gedanken- und Liedgut und merzen alles für sie Unbekannte und Fremdartige aus. Für Michael, der zudem Halbjude ist, eine nicht zu unterschätzende Gefahr, vor der er ins Ausland flieht.


    "Marga sah ihm nach, durchbohrte mit ihren Blicken seinen schmalen Rücken und wünschte sein Herz zu treffen. [...] Und sie würde notfalls gegen alle Widrigkeiten des Schicksals, gegen Krieg und Politik um ihn kämpfen."


    Marga kann ihn nicht vergessen. Sehnt sich nach niemandem so sehr, wie dem vertrauten Freund, der ihr zum Abschied ihre Liebe gestanden hat. Um ihm näher zu kommen, unterbricht sie ihr Studium an der Musikhochschule und reist mit Harry Alsens Tanzkapelle in durch deutsche Soldaten besetzte Nachbarländer, um dort zur Truppenunterhaltung zu musizieren. Kein Vergleich zu der ehemals so sorglosen Zeit in der Swingjugend Hamburgs, denn der Krieg greift mit kalter Faust um sich und droht jeden zu verschlingen, der nicht mit Hitlers Gedankengängen konform geht.


    Wie liest man ein Buch, das so spannend und wundervoll zugleich ist, dass man unbedingt wissen möchte, wie es endet und sich gleichermaßen wünscht, dass man die finale Seite nie erreichen wird? Eine Zwickmühle, der mich Micaela Jary schonungslos ausgesetzt hat.


    "Lange verdrängte Bilder stiegen unerwartet in ihr auf. Von johlenden Männern in Uniformen, die alte Leute schlugen, vom Mob, der leichtfertig den Parolen irgendwelcher Politiker folgte und den eigenen Missmut an hilflosen Menschen ausließ. Ihr war es in ihrem bisherigen, bald einundzwanzigjährigen Leben immer gelungen, sich der Nähe der Partei und ihren willfährigen Handlungen zu entziehen. [...] Und auch, weil sie als Swinggirl andere Wertvorstellungen besaß, als die meisten Mitglieder der Hitlerjugend."


    Was man durch den Klappentext und auch meine Inhaltsangabe nicht erfährt: im Jahr 1999 gibt es eine junge Musikerin, die irgendwie in Verbindung mit den uns bekannten Musikern Marga, Michael und Harry Alsen steht. Aber in welcher? Ein Geheimnis, das Micaela Jary bis aufs Blut ausreizt und den Leser so mit jeder Faser ans Buch fesselt. Geschickt eingesetzte Wechsel der zeitlichen Ebenen und Spannungsbögen, die am Ende der Kapitel immer wieder in die Höhe schnellen, sind der Grund dafür, dass ich "Wie ein fernes Lied" verschlungen habe. Geschickt verpackt in geschichtliche Aspekte, die für mich Neuland waren und mich teils schockiert haben, denn mir waren wohl Hitlers Greueltaten bewusst, aber nicht auf welchem kulturellen bzw. musikalisch kulturellen Vormarsch sich Deutschland vor einsetzen des Zweiten Weltkriegs befand, der nicht nur viele Menschen zerstörte, sondern eben auch einen Wandel in Richtung Moderne blockierte und damit sicher auch Mauern um eine kulturell-musikalische Veränderung baute, die erst lange nach Kriegsende zum einstürzen gebracht werden konnten.


    Warum konnte ich mich eben diesen spannenden und informativen Handlungen nicht einfach mitreißen lassen und das Buch in einem durchlesen? Schuld sind Micaela und Marga. Die Autorin, da sie - wie Leser des im letzten Jahr erschienen "Das Haus am Alsterufer" wissen - eine so wunderschöne Atmosphäre schaffen kann, dass der Leser mühelos für einige Lesestunden in die Vergangenheit reist und von dort kaum wieder zurückkehren kann, auch wenn diese von so schrecklichen Ereignissen wie dem Krieg belastet wird. In "Wie ein fernes Lied" ist es die Musik des Jahrzehnts, zu der Micaela Jary durch eigene Erlebnisse und familiäre Verbundenheit eine ganz besondere Beziehung hat, die den Leser durch Klänge von Freiheit und Widerstand, von Mut und dem Wunsch sich nicht unterkriegen zu lassen, ganz besonders einnimmt und nicht mehr gehen lässt.


    "'Swing heil, Girls!', rief der junge Soldat, der eben noch als Bassist auf der Bühne gestanden hatte.


    Ja und dann ist da noch Marga. Die wundervolle, manchmal etwas blauäugige, aber immer um ihre Ziele kämpfende Marga, die so voller lebendiger Sehnsucht ist, dass ich sie im eigenen Herz spüren konnte. Marga, mit der ich gehofft, gebangt und gekämpft habe und die ganz am Ende genau das bekommt, was ich mir während der viel zu schnell vorüberziehenden 544 Seiten, immer für sie gewünscht habe.

    "Doch ich hatte kein Glück. Zu überleben und übrig zu bleiben , was soll das für ein Glück sein?"


    Maik Kleine, einst Beleuchter im Zirkus Bellmonti, kehrt dorthin zurück, wo seine Karriere begann. Doch nichts ist mehr wie es war, denn sein Zusammentreffen mit den ehemaligen Kollegin, Kapellmeister Szymbo und Albina, der schwebenden Jungfrau, hat einen eher unerfreulichen Anlass. Die Beerdigung des großen Zirkusdirektors Alberto Bellmonti, der ihnen allen Zuflucht und Zuhause gewährte, wird für Maik Kleine unerwartet zu einer Reise in die eigene Vergangenheit, in der er, der Geschwister an ein Feuer und die Mutter an die Monster des Teufels verlor, ganz heimlich und ohne es zu merken, Opfer von Manipulation und Machtmissbrauchs seiner Heimat der Deutschen Demokratischen Republik wurde.


    "Vera lachte höhnisch. 'Die Staatssicherheit war immer schon Meisterschüler im Lügen, Tricksen und Täuschen. Höchst effizient. Mit dem Freikauf politischer Häftlinge fuhr die DDR eine doppelte Strategie. Sie wurde ihre unbequemsten Bürger los und kassierte gleichzeitig harte Devisen. Verkauft haben sie diesen Menschenhandel als humanitäre Maßnahme, finanziert jedoch wird damit ein teuflisches System.'"


    Die Spurensuche nach Bellmontis Stasi-Vergangenheit, von der im Klappentext des Romans die Rede ist, die mich überhaupt erst neugierig auf Bauerdicks neustes Werk gemacht hat, beginnt erst recht spät in der Geschichte. Meine Erwartung wird daher nicht erfüllt und dennoch bin ich alles andere als enttäuscht. Denn so bleibt Zeit Maik Kleine kennen zu lernen. Den Maik Kleine, der er jetzt ist, und den Maik Kleine, der er einst war. Sein Lebensweg, von Kindesbeinen an, bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt, fügt sich Kapitel für Kapitel zusammen. Ein interessanter Weg, auf dem Maik viel hinnehmen muss. Handlungsschritte, die dem Leser wie Schicksalsschläge erscheinen und doch in irgendeiner Form auf den Ränkespielen der Machtinhaber der deutschen demokratischen Republik basieren.


    "Ich begriff wie Ranke operierte. Um Menschen unter seine Kontrolle zu bringen, kippte er sie aus iher Balance. Er weckte in ihnen düstere Bilder. Mit seinem zersetzenden Mitgefühl."


    "Pakete an Frau Blech" ist für mich nicht nur eine sehr interessante Familiengeschichte voller Hohn und Tragik, die einen Menschen mit Charakter hervorgebracht hat, der auf seine Art und Weise immer wieder wie der Phönix aus der Asche entstiegen bzw. dieser im Gegensatz zu anderen Weggefährten gar gleich entkommen konnte, sondern ein spannender Einblick in Machtmissbrauch und Manipulation einer realsozialistischen Diktatur. Politische Machenschaften, die mir möglicherweise aufgrund meines Alters, in dieser Form nicht bewusst waren. Die Beschreibung, dass es sich in "Pakete an Frau Blech" um eine Ausführung historischer Begebenheit der Politik eines Deutschlands handelt, wie ich es nicht mehr kenne, lassen vielleicht stutzig werden, ob 416 Seiten zu diesem Thema nicht etliche zuviel sind, der Faden und das Interesse verloren gehen könnten. Dies ist überhaupt nicht der Fall, denn Bauerdick hat ein gut strukturiertes Konzept in dem sich die Familiengeschichte Maik Kleines als roter Faden durch die Informationen zum Zeitgeschehen ziehen und mit vielen überraschenden Wendungen und unvorhergesehenen Handlungen zu einem Roman zusammenfügen, der einem Spionagekrimi an Spannung definitiv das Wasser reichen kann.

    "Ist das jetzt hier wirklich mein Zuhause? Am meisten graut es mich davor, am Montag in meine neue Klasse zu kommen. Ich will gar keine neuen Freunde, ich habe schon genug alte Freunde. In meinem Herzen ist überhaupt kein Platz für irgendwelche Dorfjugendlichen."


    Laura, Stadtmädchen durch und durch, zieht aufs Land. Papa hat dort eine neue Stelle bekommen, und er und Mama freuen sich auf das neue Haus, das in einer ruhigen und idyllischen Gegend liegt. Zu ruhig nach Lauras Geschmack. Und sowieso und überhaupt, möchte sie weder woanders wohnen, noch neue Freunde finden. Denn ihre alten Freundschaften sind ihr wichtig und eben auch nicht so leicht zu ersetzen.


    Die neue Schule scheint ganz okay zu sein. Die Schüler sind nett zu ihr, haben aber ganz andere Hobbys und Interessen, als in ihrer Heimatstadt. Einzig Enzo, der süße Halbitaliener, und Irina, die etwas verrückt ist und sich von den anderen abgrenzt, scheinen mit ihr auf einer Wellenlänge zu liegen. Mit Irina entwickelt sich etwas, das eine gute Freundschaft werden könnte. Doch dann küsst Irina Laura in aller Öffentlichkeit. Das Gefühl, das sie damit bei Laura auslöst, ist eigentlich ein ganz schönes.


    " 'Ich meine, dass küssen so großartig ist ... In jedem Film ist der Kuss der absolute Höhepunkt, dieses sich in die Augen schauen, und die Lippen sind kurz davor, sich zu berühren, aber man hält noch inne, wartet auf den Augenblick, bevor die Bombe hochgeht, bevor es einen in Stücke reißt! Keine Ahnung, warum Leute so Ersatzzeug brauchen wie Bungeejumping oder Koks oder Paintball. Sie müssen einfach mehr küssen!"


    Patrycja Spychalski zählt zu meinen LieblingsautorenInnen, seit ich ihren Roman "Fern wie Sommerwind" gelesen habe. Aus dem Herzen spricht sie mir mit ihren Bücher "Ich würde dich so gerne küssen" und "Der eine Kuss von dir" und auch Kims und Jacobs Reise durch die Nacht ("Bevor die Nacht geht") habe ich sehr gerne begleitet. Lieblingsautorinnen sind aber nicht nur da, um deren Bücher bedingungslos anzuschmachten, sondern auch, um Diskussionsgrundlage zu bieten und beim Leser anzuregen, auch nach beenden des Buches noch ein wenig darüber nachzudenken. Das hat sie mit "Auf eine wie dich habe ich lange gewartet", das ich innerhalb weniger Stunden verschlungen habe, weil ich unbedingt wissen wollte, wie die Geschichte weiter verlaufen und enden wird, absolut geschafft.


    Grund dafür sind zum einen das Thema Toleranz, zum anderen die Figur der Irina. Toleranz ist ja so eine Sache. Man spricht davon, erwartet sie von anderen, sollte aber auch immer darauf achten, dass man selbst nicht vergisst, tolerant zu sein. Ich fühle mich da selbst angesprochen, denn mich regt zwar auf mit welcher Skepsis die "Dorfjugendlichen" Laura entgegen stehen, vor allem nachdem sie und Irina sich geküsst haben, mit welchen Vorurteilen aber auch Laura ihnen entgegen tritt, bin aber selber wenig tolerant gegenüber Irina. Sie ist diejenige, von der die Aussage "Auf eine wie dich habe ich lange gewartet" getätigt wurde. Gemeint ist damit Laura, die einfach mehr zu Irina passt, als die anderen Mädchen im Ort. Ähnlicher Musikgeschmack, ähnliche Interessen und dann sind da auch noch die Schmetterlinge, die sich beim Anblick der jeweils anderen einstellen. Klingt zunächst positiv und dennoch habe ich das Gefühl, das Irina Laura für ihre Vorteile, zu ihren Gunsten nutzt und bin mir gar nicht so sicher, wie sie diese Aussage genau gemeint hat, was sie von Laura erwartet. Ich frage mich, ob mein Blick da zu verbohrt ist, ob ich mich für die "besondere Liebesgeschichte", die im Klappentext angepriesen wird, nicht öffnen kann, oder ob ich Irina da einfach falsch einschätze?


    Sie ist auf jeden Fall der Grund, warum ich dem Roman Punkte abziehe, denn ich muss einfach eine Harmonie zwischen mir und den Protagonisten spüren. Eben irgendwie passend zu dem Gedanken, dass es eigentlich egal ist, wo du lebst, Hauptsache du hast Menschen um dich herum, die dich mögen und die du magst.


    Mit Laura und Enzo und einigen der Nebendarstellern war das so. Die sehr echten Charaktere, die wunderbare Schreibe der Autorin, die sich auch in ihrer fünften Veröffentlichung im cbt Verlag wieder so fein um den Leser schmiegt, und der Gedanke, dass man eben manchmal etwas ausprobieren muss, um zu wissen, was man möchte, haben "Auf eine wie dich habe ich lange gewartet" zu dem herznahen Leseerlebnis gemacht, das ich von Pattys Romanen gewohnt bin.


    "Marlene löst einen ihrer Zöpfe und fängt an ihn neu zu flechten. 'Ich habe neulich in der Brigitte von meiner Mutter gelesen, dass Entscheidungen zu treffen, die schwierigste Aufgabe im Leben ist.' "


    Manchmal ist es erforderlich all seinen Mut aufzubringen neue Wege einzuschlagen. Wege, die ungewöhnlich und beängstigend sind, die aber dafür sorgen, dass man Erfahrungen sammelt und so die Entscheidung treffen kann, welcher nun der Richtige für einen ist. Wege, die dafür sorgen, sich selbst zu finden.

    Justin lebt mit seinen Eltern in einer eher ruhigen Wohngegend. Nur bei ihm Zuhause ist es meistens sehr laut, denn seine Eltern streiten. Momentan hat er das Gefühl, dass es keine Zeit mehr ohne Streit gibt. Seine Mom wirft seinem Dad vor, sie auf Geschäftsreise zu betrügen. Aber das stimmt mit Sicherheit nicht. Schließlich hat Dad immer plausible Ausreden, wenn Mom wieder mal etwas findet, was ihrer Meinung nach ein Indiz dafür ist, dass er ihr fremd geht.


    All der Streit zwischen den Eltern führt dazu, dass Justin Mutter in eine Depression abgerutscht ist. Sie liegt fast nur noch auf dem Sofa, meldet sich an der Arbeit krank, wäscht nicht, kocht nicht und sorgt auch nicht für ausreichend Nahrung im Haus. Hinzu kommt, dass Justin Bruder, der Soldat ist, in den Krieg ziehen muss. Eine belastende Situation für alle.


    "Mom kümmert sich wieder etwas mehr um den Haushalt. Sie bringt die Dinge nicht zu Ende, aber sie fängt sie zumindest schon mal an."


    Von all dem soll Jemmie, das Mädchen aus der Nachbarschaft nichts mitbekommen. Auf irgendeine Art mag Justin Jemmie. Wie genau kann er nicht so recht einschätzen. Nicht so, wie sein Freund Ben seine Freundin Cassie mag. Das was die zwei machen ist irgendwie nervig. Mit Jemmie ist es anders. Sie löst eine Melodie in Justin aus. Eine Melodie, die ihm immer im Kopf herum schwirrt und nicht vergessen kann.


    Ich mag die Kombination aus sehr ernster und bedrückender Geschichte und Justins sehr alltäglichen Teenie Problemen, wie Pickel, erstes Date oder wie gehe ich mit einem Mädchen um, damit es mich mag. Die Autorin holt ihn damit in ein Leben, wie es sich für Jungs seines Alters gehört. Zuhause hat er das nicht immer. Dort ist das Eltern-Kind-Gefüge durch die Erkrankung der Mutter verschoben und nicht selten erschreckt es mich, wie sehr die Mutter Justin vernachlässigt, ohne es zu merken.


    "Die Musik begleitet mich auf meinem Nachhauseweg. Es ist wie der Soundtrack meines Lebens als Film. Während ich gehe, verschiebt sich die Melodie wieder nach Moll. Ich mag der Star in dem Film sein, aber es ist ein trauriger Film."


    Schwierige Situationen helfen jedoch auch dabei zu wachsen. Wichtig ist dabei, zu sich selbst zu finden. Kraft zu schöpfen in dem Rahmen, den man hat, um diesen dann zu erweitern. Eine Erfahrung, die nicht nur Justin macht, sondern auch seine Mutter. Jeder auf seine eigene Art und Weise.


    "Ein Lied für Jemmie" ist ein echter Geheimtipp im Jugendbuchgenre. Gefühlvoll und so fein, wie die Melodien, die Justin im Kopf hat, schreibt Autorin Adrian Fogelin von der Zerbrechlichkeit von Familie und Glück und der zarten Gefühle der ersten Liebe.

    Heute erscheint eine neue Folge der super witzigen und frechen Ponyabenteuer "Die Haferhorde". Auch der dritte Band wird von Bürger Lars Dietrich gelesen, der mit seiner grandiosen Fähigkeit seiner Stimme vielerlei Facetten zu verleihen, das Hörbuch lebhaft gestaltet.


    Auch im neusten Abenteuer der verfressenen Ponys Schoko und Keks, geht es wieder turbulent her. Ein Ausritt sorgt für eine ganz unerwartete Überraschung und eine wirklich sonderbare Freundschaft, die Chefin plant ein Turnier, auf dem sogar Tony der Ehrgeiz packt und, und, und. Auf dem Blümchenhof ist eben immer was los. Und diesmal sozusagen multikulti.


    In "Die Haferhorde" kommen die kleinen ganz groß raus. Nicht nur die beiden Shetland Ponys, die zwar die kleinsten, aber auch die frechsten sind, sondern auch die Kinder in der Geschichte, sowie die, die gespannt den Ponyabenteuern lauschen. Denn auf genau die hat Suza Kolb ihre Kinderromane abgestimmt.


    Lustig und frech und zugleich lehrreich, denn Schoko, Keks und ihre vierbeinigen Freunde benehmen sich genau so, wie es "echte" Tiere auch tun (naja, außer, dass sie reden können...). Spielerisch erfahren so auch schon die jüngsten Ponyfreunde, was im Umgang mit Pferden zu beachten ist und welche Verhaltensmuster sie an den Tag legen.


    Zudem sind die Abenteuer auch noch pädagogisch wertvoll. Denn neben wissenswertem rund ums Thema Pferd, wird auch zwischenmenschlichen Problemen Beachtung geschenkt. Toleranz und Neid sind nur zwei der Themen, die im dritten Teil "Immer den Nüstern nach" ins Gespräch kommen.


    Trotz aller kindgerechten Story und Umsetzung, bleibt "Die Haferhorde" einfach ein Spaß für klein UND groß. Dies verdanken wir Suza Kolbs fabelhaften Ideen und Bürger Lars Dietrichs Können als - für mich - bester Hörbuchsprecher ever. Wenn er Haflinger Tonys bayerischen Akzent einstimmt ... ich könnt' mich scheckig lachen.

    Ella kehrt zurück in ihre Heimatstadt Stuttgart. Grund dafür ist das Abitreffen ihrer ehemaligen Klasse, dem sie mit einem eher mulmigen Gefühl entgegen sieht. Sie hat nichts vorzuweisen, ihre Karriere als Tänzerin in den Staaten ist gefloppt und ihre letzte Beziehung gescheitert. Und dennoch kann sie es nicht erwarten zur Feier zu kommen, denn es gibt zwei Menschen in ihrem Leben, die sie so tief in ihrem Herzen vermisst hat, dass es ihr Schmerzen bereitet hat. Ihren Ex-Freund Ben und ihren besten Freund Jasper.


    Erleichterung überkommt sie, als beide tatsächlich und ein bisschen unerwartet auf dem Klassentreffen auftauchen. Und dennoch ist sie von Angst erfüllt. Kontakt hat zwischen ihnen in den letzten Jahren nicht bestanden. Um sich selbst zu schützen, hat Ella beiden Jungs sehr weh getan. Es kann einfach nicht mehr so sein wie früher. Doch dann hat Jasper eine Idee, mit der sie ein klein wenig die Zeit zurückdrehen und doch viel mehr in der Gegenwart ankommen, als sie es je erwartet hätten.


    "Ich werfe einen Blick zwischen den beiden Jungs hin und her. So unterschiedlich sie sind, so haben doch beide eins gemeinsam: mein Herz."


    Adriana Popescu ist schon lange ein Begriff in der unterhaltenden Literatur und doch ist "Ewig und eins" der erste Roman, den ich aus ihrer Feder lese. Es ist, als ob ich genau auf diesen Roman hätte warten müssen, um mir ihrer großartigen Erzählfähigkeit bewusst zu werden, denn ich habe wohl mit einer netten Geschichte gerechnet, aber nie und nimmer mit einem Roman, der mich so sehr fesselt, so sehr in meinem eigenen Herzen trifft und mir das Gefühl gibt, mittendrin zu sein. Sprachlich ganz fein, zusammengesetzt aus Worten, die mit bedacht gewählt wurden.


    Ella ist mir sofort ans Herz gewachsen. Ihre Wünsche, Pläne und vor allem ihre Sehnsüchte und Ängste kann ich so gut nachvollziehen. Aber auch Ben und Jasper sind so wundervolle Menschen, das man sich wünscht, sie wären real und keine fiktiven Figuren einer Geschichte, die ich innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe.


    "Mit einem Lächeln auf den Lippen zieht er mich an sich, und ich lege wie bei der Aufforderung zu einem Tanz meine Arme um seinen Nacken. Hier - unter Wasser, mit leichtem Auftrieb - spüre ich sein Herz schlagen. Zu gerne würde ich diesen Zeitsplitter festhalten."


    Ich glaube am meisten berührt mich, dass es in "Ewig und eins" nicht nur darum geht, sich für die Liebe zu öffnen, sondern auch darum, dass es im Leben manchmal so ist, dass man verschiedene Lebensstationen einfach durchlaufen muss, um festzustellen, was einen glücklich macht und was nicht. Auch wenn es bedeutet mal nicht glücklich, der Verzweiflung nahe zu sein oder an sich selbst zu hadern. Jeder einzelne Abschnitt unseres Lebens prägt uns und macht uns zu dem, der wir sind. Und auch wenn man sich wünscht eine Freundschaft oder Liebe fürs Leben zu finden, ist es doch so, dass man durch die Veränderungen des Lebens auch der eigene Charakter Veränderungen durchläuft. Dass man sich nicht nur zueinander entwickelt, sondern auch voneinander weg oder eben in einem anderen Status zueinander steht. Ein ganz normaler Verlauf des Lebens. Halte nicht verzweifelt an der Vergangenheit fest, denn sonst sind deine Augen verschlossen für Gegenwart und Zukunft.


    "Ewig und eins" ist ein ganz wundervolles, ein unterhaltsames aber auch wertvolles Buch über Freundschaft, Liebe, Mut, Hoffnung und die Geschichte, die einem das Leben auf den Leib schreibt. Ein Roman, der uns zeigt wie wichtig es ist sich dem Leben zu öffnen und Veränderungen zu zulassen. "Ewig und eins" hat mich wirklich begeistert und bekommt einen besonderen Platz in meinem Leserherz.

    Rabbit Hayes ist krank. Todkrank. Ihr bleiben nur noch neun Tage, bis der Krebs sie endgültig besiegt hat. Neun Tage, um sich von Familie und Freunden zu verabschieden. Neun Tage, um ein letztes Mal die Hand ihrer Tochter zu halten.


    Rabbit ist nicht allein. Sie schart eine große Familie um sich, hat eine allerbeste Freundin. Menschen, die ihr zugetan sind. Die ihre letzten Stunden mit der Kranken genießen. Menschen, die ihr eigenes Leben führen und doch für Rabbit da sind.


    Die Irin Anna McPartlin trifft mit ihrer Geschichte den literarischen Zeitgeist. Geschichten um und mit todkranken Menschen sind "in". Klingt für mich immer ein bisschen verrückt, aber hier und da ist es doch nachvollziehbar. Denn es ist nicht die Krankheit und der nahende Tod, weswegen diese Geschichten so gern gelesen werden. Sondern das Schöne von dem die Protagonisten trotz allem begleitet werden. Von der Liebe, die ihnen entgegen gebracht wird, und den wunderbaren Erinnerungen, mit denen sie ihre Freunde und Familie zurück lassen.


    "Die letzten Tage der Rabbit Hayes" hebt sich dennoch ein klein wenig von vielen dieser derzeit auf dem Markt erscheinenden Geschichten ab, denn hier steht nicht die Krankheit im Vordergrund sondern Rabbit, ihr Umfeld und deren Geschichten. Denn trotz all der Trauer und Schmerz, die der Verlust mit sich bringt, geht das Leben weiter. In Rabbits Familie gibt es einiges, was geklärt werden muss. Zu wem zieht ihre Tochter Juliet? Wie schafft es die Familie die beiden Brüder wieder enger in den Familienkreis einzubinden? Wie geht man damit um, dass Rabbits Neffe Ryan zum ersten Mal einem Mädchen ins Höschen gefasst hat? Und wer kontrolliert demnächst die Wutausbrüche von Großmutter Molly? Geschichten, die zu Herzen gehen und so nah am echten Leben sind, dass der Leser sich sehr mit all den Charakteren verbunden fühlt.


    Gelesen wird dieser berührende Roman von Nina Petri, die für ihre Leistungen als Schauspielerin schon vielfach ausgezeichnet wurde. Mit ihrer warmen und sanften Stimme bringt sie genau die Herzlichkeit auf den Punkt, die dem Roman inne wohnt. Gerne habe ich ihr gelauscht, gemeinsam mit ihr, Rabbit, ihrer Familie, ihren Freunden, Rabbits letzte Tage verlebt, in denen man still und leise Abscheid nimmt von Rabbit, die wie ein Blatt im Herbst ganz sanft verschwindet und die Hoffnung hinterlässt, dass immer wieder die Sonne scheinen wird.

    Amanda ist Schülerin der Peel Academy. Hartes Training und tagelange Prüfung unter schwersten Bedingungen filtern nur die Besten aus allen Schülern heraus. Ihnen sind Plätze beim CIA, FBI oder anderen geheimen Organisationen der Regierung sicher. Amanda möchte gemeinsam mit ihrem Freund Abe, der ebenfalls seine Ausbildung an der Peel macht, beim CIA unterkommen. Doch dann bestätigt sich ihr ungutes Gefühl und sie wird noch bei der Bekanntgabe der Testergebnisse entführt.




    Annum Guard nennt sich die Organisation, die so streng geheim ist, dass Amanda einen neuen Namen bekommt und im Falle ihres Ausscheidens - egal ob freiwillig oder unfreiwillig - sofort im Gefängnis unter Arrest gestellt würde. Und als ob das nicht schon hart genug wäre, handelt es sich bei den Annum Guards um Zeitreisende, die nach eigenen Aussagen in die Vergangenheit reisen, um diese zu optimieren. Klingt unfassbar und doch findet sich Amanda schon bald mitten im 19. Jahrhundert im amerikanischen Bürgerkrieg wieder.




    Meine Kritik am Roman: Das Cover finde ich unglaublich hässlich! Das war's dann auch schon, denn weiter habe ich nichts am Buch auszusetzen. Unfassbar, denn ich habe mir wirklich Mühe gegeben etwas zu finden. Amanda schießt aber nicht nur ihren Vorgesetzten in die Quere, sondern auch mir, denn ich finde inhaltlich, wie sprachlich nichts, was ich bekriteln könnte.




    Der Einstieg ins Buch gelingt dem Leser rasch. Der locker Schreibstil ist sehr gefällig und verschafft schnell einen Überblick über die Situation. Amanda ist eine Protagonistin, die man sofort mag. Eigensinnig, mutig, mit kleinen Ecken und Kanten. Ihre geheimnisvolle Vergangenheit, sowie ihre ungewisse Gegenwart, machen sie zu einer interessanten Person, die so unberechenbar ist, dass sie immer wieder für neue Überraschungen sorgt.




    Damit kennt sich Autorin Meredith McCardle aus. Denn kaum etwas gelingt ihr mehr, als den Leser zu überraschen und in die Irre zu führen. Immer dann, wenn ich dachte, ich weiß wie die Geschichte weiter verläuft, nimmt sie eine neue Wendung. Trauen kannst du niemandem. Irgendwann weißt du nicht mehr, wer Freund, wer Feind ist, du weißt nur, dass du Amanda unbedingt begleiten möchtest. Seite um Seite, bis das Buch plötzlich zu Ende ist. Innerhalb kürzester Zeit, denn aus der Hand legen ist einfach nicht möglich. Man weiß ja auch nie, was in der Zwischenzeit passiert. Nicht, dass jemand währenddessen die Geschichte ebenso wie die Vergangenheit verändert ... Ihr seht, ich bin mehr als begeistert, kann das Buch nur jedem, der Spannung, Intrigen, Überraschungen und Geheimnisse mag, ans Herz legen und kann kaum erwarten den zweiten Band, der im November, ebenfalls im Piper Verlag, erscheint, in der Hand zu halten und weiter zu lesen.

    Benjamins Vater trotz der Geburtenkontrolle und erfüllt seinen Wunsch, eine große Kinderschar um sich zu haben. Ikenna, Boja, Obembe, Ben, David und Nkeme. Für sie alle erträumt er sich eine großartige Zukunft. Einer von ihnen soll Lehrer werden, ein anderer Anwalt, Arzt usw. Berufe, deren erlangen in ihrem Heimatland viel Disziplin, Geld und auch Glück erfordert.


    "Mutter war eine Falknerin.
    Die, die auf dem Hügel stand und aufpasste und versuchte, alles Schlechte von ihren Kindern abzuwehren. Sie hatte Kopien unserer Gedanken in ihrem Kopf und roch daher Ärger schon von weitem, so wie Seeleute die ersten Anzeichen eines herannahenden Sturms erkennen."


    Bisher sieht es ganz gut aus für die Jungs - Nkeme wird gut verheiratet und muss keinen Beruf erlernen. Die strenge Aufsicht des Vaters sorgt für Ordnung und einen guten Geist im Haushalt. Doch die von ihm angestrebten Ziele kosten viel Geld und so muss er seinen Arbeitsplatz in die Stadt verlegen. Weg von seinem Zuhause und seinen Kindern. Und als ob dadurch nicht nur die gestrenge Ordnung des Vaters, sondern die des ganzen Weltensystems durcheinander geraten ist, nimmt das Schicksal der Familie eine böse Wendung, die auch die Mutter, die versucht hat ihre Kinder mit ihrem ganzen löwenstarken Herz zu verteidigen, nicht wieder ins Gefüge bringen kann.


    "Das war auch der Grund, warum er als Teenager bereits einige schlimme Erfahrungen und persönliche Tragödien hinter sich hatte, denn er war nur ein kleiner Spatz in einer Welt dunkler Stürme."


    Eine Kindheit in Afrika unterscheidet sich in vielerlei Hinsicht von einer Kindheit in Europa explizit in Deutschland. Zur Schule zu gehen ist keine Selbstverständlichkeit, eine gute Ausbildung zu machen erst recht nicht und beim spielen ist Fantasie gefragt. Ich glaube nicht, dass letzteres unglücklicher macht. Wie in Benjamins Familie zu erkennen ist, ist der Zusammenhalt in Armut und Not ein größerer. Und doch gelingt es einem bösen Geist Unruhe zwischen den Brüdern zu stiften. Einen kleinen Keim aus Angst, Ungewissheit und Ärger zu pflanzen, der zu einem großen Baum des Bösen heranwächst. Der mit seinen dunklen Wurzeln jeden umschlingt, den er zu fassen kriegt. Hass und Wahnsinn verwachsen, bis der einzelne entweder für seine eigenen Bedürfnisse und die der Familie erblindet oder vor Verzweiflung zerfällt.


    "Hass ist ein Blutegel.
    Das Ding, das sich an der Haut festsaugt, sich von den Menschen ernährt und ihnen die Lebenskraft raubt. Er verändert einen und verschwindet erst, wenn er einem den letzten Tropfen Frieden ausgesaugt hat."


    Chigozie Obioma, dessen Debüt schon in Kürze in vielerlei Ländern großen Anklang fand, hat in seinem Roman eine Familie erschaffen, die ein Porträt des Glaubens an Schicksal in seinem Heimatland darstellt. Die so sehr damit verwachsen ist, sich so sehr darin verfängt, dass eine Prophezeiung mühelos einen selbsterfüllenden Weg beschreitet.


    "Sein Schicksal war für ihn bestimmt. Sein Chi, der persönliche Gott, den bei Ibo jeder hat, war schwach."


    Sprachlich hat Obiome sein Land, seine Landsleute großartig dargestellt. Ich habe, trotz der Minimalistik mit der Bens Familie auskommen muss, einen üppigen Einblick bekommen, in Kultur, Religion, Politik, Möglichkeiten und Grenzen. Obiome konnte mich mit dem Weg, den seine Handlung einschlägt wirklich überraschen, zumal ich anderes erwartet hatte. Mehr von dem, was man sonst in Romanen über Afrika liest. Geschichten, die vom Land an sich erzählen. Obiome hingegen blickt tiefer hinein, kratzt an der Oberfläche, präsentiert uns eine Familie, die so real ist, dass es sie bestimmt irgendwo in Nigeria gibt. Eine dramatische Familiengeschichte, die auf den Leser einschlägt. Für mich sehr schockierend und befremdlich und doch so faszinierend, dass ich hoffe, dass der noch recht junge Autor seinen schriftstellerischen Weg weiter verfolgen kann.

    Die 16-jährige Jessica kommt bei einem Autounfall ums Leben. Tragisch für sie und ihre Familie, Glück für Misty, Samuel, Vivian und Leif, denn sie alle vier sind auf Spenderorgane angewiesen, um weiter zu leben.


    "Er betete für ein Wunder, aber er würde nicht dafür beten, dass jemand starb, um ihn zu retten. Wie konnte er ein langes Leben mehr verdient haben als jemand anders?"


    Am Anfang benutzt Amber Kizer von allem zu viel. Die Beschreibung von Jessicas Leben ist etwas überladen von Drama und Kitsch, so dass ich wirklich unsicher war, ob mir das Buch wohl gefallen wird. Doch nach Jessicas Tod zeigt entfaltete die Autorin ihr wahres Können und fesselte mich so sehr an den Roman, der von einem nicht nur emotional belasteten, sondern auch ethnisch schwierigen Thema berichtet, dass ich das Buch nicht aus der Hand legen konnte und innerhalb weniger Stunden durchlas.


    "Es ist wirklich erstaunlich, wie Zeit an Bedeutung verliert, wenn es in einem riesigen Meer aus Schmerz nur eine einzige gute Sache gibt."


    Mit viel Gefühl und sensiblen Antennen geht sie auf die Probleme ihrer Figuren ein. Sowohl Samuel, als auch Vivian haben nicht nur mit der Krankheit an sich zu kämpfen, sondern auch deren Auswirkung auf ihr Sozialleben. Mistys Eltern sind arm, wissen nicht wie sie die Arzt Rechnungen bezahlen sollen, weshalb Misty permanent Schuldgefühle mit sich herum trägt. Leif war vor seinem Unfall ein erfolgreicher Sportler, ist diesen Weg jedoch nicht selbstständig gegangen, sondern von seinen sehr ehrgeizigen Eltern dazu getrieben worden. Vier Jugendliche, die auf den ersten Blick sehr unterschiedlich wirken und doch von etwas verbunden werden: Jessica.


    "Sie schaut nicht nach vorne, weil es zu sehr weh tut."


    Amber Kizer hat mich sehr berührt mit ihrem tiefgründigen Blick auf das Thema Organspende, auf das sie sich wie es scheint , sehr gut vorbereitet hat. Deutlich wird, wie schwer ein Leben mit Spenderorgan ist. Wie sehr die Patienten einen Spagat vollbringen müssen, zwischen dem Wunsch weiter zu leben und auch einem gewissen Schuldgefühl, dass sie ihr Leben auf dem Tod eines anderen aufbauen. Eine Schuld, die niemand von außen so sieht, die sich aber sicherlich einige auflasten. Leben und sterben liegen so dicht zusammen. Vor allem dann, wenn man an so schweren Erkrankungen leidet wie die Protagonisten in "Mein Leben für deins". Die kaum Zeit haben ein normales Teenagerleben zu führen, die mit Angst leben und wissen, dass es auch mit Spenderorgan noch schwierig ist, denn der Körper kann sich dagegen wehren.


    " 'Ganz egal, was passiert, an diesem Tag werden wir Jessica von all dem Mehr in unserem Leben berichten. [...]'
    'Mehr Atemzüge.'
    'Mehr Geburtstage', fügte Sam hinzu.
    Leif lächelte. 'Mehr Küsse.'
    'Mehr Gekicher.'
    [...]"


    Wer jetzt glaubt, dass "Mein Leben für deins" aufgrund der Thematik nicht nur sehr bewegend, sondern auch sehr drückend ist, der hat sich geirrt. Ich habe ganz sicher einige Tränchen verdrückt, aber dank Amber Kizers Geschick das Thema in eine wirklich gute Story zu verpassen, war das Lesen des Romans auch ein Vergnügen. Denn die Jugendlichen im Roman zeigen, dass sie all ihre Stärke auffahren und ihren Erkrankungen trotzen können, dass sie durchaus in der Lage sind, sich zwischen all den Krankenhaus besuchen ein Teenagerleben zu ergaunern, sich zu verlieben und Zukunftspläne zu schmieden. Und so ist "Mein Leben für deins" nicht nur ein Roman, der berührt und traurig macht, sondern vor allem einer, der Hoffnung weckt, der Mut macht und Freude bringt.

    Yarvi hat eine Ausbildung zum Gelehrten durchlaufen und steht kurz vor seiner Prüfung. Ein Ziel, auf das er sich sehr freut, denn denken und lernen ist genau das, was er kann. Anders, als man es vom Sohn eines Königs erwartet, ist er kein Kämpfer. Eine seiner Hände ist verkrüppelt, Schwert oder Schild zu halten erfordern von viel Kraft und Geschick, wovon er weder das eine noch das andere besitzt. Den Weg zum Thron hat er sich deshalb aus dem Kopf geschlagen.


    Doch dann ändert sich plötzlich alles. König Uthrik,von Gettland, sein Vater, und sein Bruder werden in eine Falle gelockt und ermordet. Das Königreich sinnt nach Rache. Der einzige Rächer, der vorhanden ist, ist Yarvi, blass, schmächtig und ein Krüppel.


    Man braucht zwei Hände, um gegen jemanden zu kämpfen, aber für den Stich in den Rücken genügt wohl eine einzige.


    Fast 10 Jahre ist es her, dass ich Abercrombies Roman "Kriegsklingen" gelesen und für so gut befunden habe, dass ich weitere Bücher des britischen Autors lesen wollte. Bis heute hat es angedauert. Und nun bin ich so begeistert vom ersten Band seiner neuen "Shattered Sea"- Trilogie, dass ich dem Roman die volle Punktzahl vergebe und ihn zum Lesehighlight meines Monats Juni gewählt habe.


    Warum? Mit Yarvi, seinen Gefährten und Königin Laithlin, hat er Figuren geschaffen, die sich durch Charakter und gut durchdachte Wesenszüge auszeichnen. Figuren, die trotz ihrer teils abstoßenden oder absonderlichen Art, sofort die Sympathien des Lesers erwirken und ihn so mitnehmen in eine extrem spannende Geschichte. Allen voran Yarvi, der leicht aus der Haut fährt, einen teils falschen Kampfgeist besitzt und nicht im entferntesten das ist, was allgemein unter einem sympathischen Protagonisten versteht.


    Und dennoch konnte er mich vom ersten Moment an fesseln. Ich bin ihm bereitwillig in jeden Kampf, jedes Abenteuer gefolgt, entsetzt, gerührt und vielfach überrascht von Wendungen, die ich so nicht erwartet hätte. "Kriegsklingen" ist für mich ein perfekter Auftakt für eine vielversprechende Trilogie, die - glücklicherweise!! - schon im August in der deutschen Übersetzung fortgesetzt wird.

    "Von Geist und Geistern" ist autobiografisch. Die Geschichte der Geschichtenerzählerin.


    Ich zäume das Pferd von hinten auf. Schon lange will ich Bekanntschaft schließen mit den historischen Romanen der englischen Autorin, und lerne nun doch zuerst die Frau kennen, die so viel mehr ist, als nur eine Autorin, die sich für Geschichte interessiert. Eine Geschichtenerzählerin, die hinter Fassaden blickt, die von eigenen Geistern getrieben, offen ist für die anderer.


    Hilary Mantel glaubt, dass es nicht einfach ist, ihre eigene Geschichte niederzuschreiben, dass sie nicht so genau weiß, wo sie beginnen soll und welche Sprache sie dafür wählen soll. Ich finde, dass sie ihre Zweifel ruhig zur Seite schieben kann, denn es ist ihr absolut gelungen, den richtigen Ton zu treffen. Ein bisschen verspielt, ein bisschen poetisch, immer so, dass sie dem Leser eine Wahrheit darlegt, ohne ihr innerstes völlig nackt und ungeschützt darzulegen. Von intensiver Schreibe muss es auch vom Leser intensiv und genau gelesen werden, um hinter die Fassade der Autorin blicken und sie wirklich verstehen zu können.


    Geister sind es, die Hilary zu dem machen, was sie ist. Verschiedene Geister verschiedener Arten, ihr eigener umtriebiger Geist, der sich schon früher gerne in Fantasien geflüchtet und nicht gern begrenzen lassen hat, aber auch Geister des erlebten, besonders im Rahmen familiärer Geschehnisse.


    Ich habe einen Einblick bekommen in das Leben Hilary Mantels, habe ihre Geschichte aufgesogen und doch immer wieder weglegen müssen, weil ihr Leben zu umfangreich und intensiv ist, für so wenige Seiten und deshalb von ihr mit viel Macht und Druck in den kleinen Roman gepresst wurde, der viel Konzentration vom Leser erfordert. Mich konnte sie für sich gewinnen, konnte mich neugierig darauf machen, wie sie mit ihren Geistern umgeht und sie so gezähmt hat, dass erfolgreiche historische Romane daraus wurden, auf deren Lektüre ich mich schon sehr freue.

    Lea ist Außenseiterin. Sie ist nicht besonders hübsch, hat Asthma und eine Hauterkrankung. Ihre Mutter kümmert sich nicht um sie, ist selbst viel zu beschäftigt mit ihren eigenen Problemen, um Leas zu erkennen. Lea ist viel mehr eine Stütze für sie. Dabei ist der Weg zum Erwachsen werden doch eh schon steinig genug. Nur noch 790 Tage, dann ist sie achtzehn. 790 Tage in denen sie gegen Atemnot, Anfeindungen und Liebeskummer kämpfen muss.


    "Ja, ich wünsche mir einen vollen, warmen Bauch, Haut, die nie rot wird. Und Luft, die immer ausreicht, selbst für einen Marathonlauf oder Tauchgang. So viel Luft, wie man für einen langen, langen Kuss benötigt."


    Lea fehlt der Atem Dinge anzusprechen. Ihre Probleme in Worte zu fassen fällt ihr schwer, was den Kampf dagegen verhärtet. Ihre Gedanken hingegen haben ausreichend Luft zu fliegen.Loopings zu drehen und in die Ferne zu sehen. Dies spiegelt sich in der wundervollen metaphorischen Sprache der Autorin Sabine Raml wieder, die ein Debüt aufs Parkett legt, das sich gewaschen hat.


    "Ich hasse es, wenn ich etwas tun muss, das ich nicht will. Meine Luft wird ganz dünn davon und schwebt langsam davon. Wie ein Vogel."


    Die reale Welt ihrer Protagonistin Lea hat dem Mädchen so wenig zu bieten, dass sie sich immer wieder in eine Traumwelt rettet und eigene Vorstellungen ihres Lebens ausmalt. Und obwohl sie sich so häufig wünscht der Realität entfliehen zu können, fasst sie den Mut zu kämpfen. Heldenmut ist dafür von Nöten, denn ihre Gegner sind stark und zäh.


    "Ich spüre ihren Atem in meinem Nacken.
    Mutter kriegt mich nicht klein (sie kriegt mich ja nicht mal gescheit groß)."


    Mir gefallen die Themen, die Sabine Raml anspricht. Das verschobene Mutter-Kind-Gefüge, mit dem Lea zu kämpfen hat, und ihr unnötig Steine in den Weg legt. Unnötig, da es auch anders sein könnte, wenn ihre Mutter eben das machen würde, wofür sie da ist: sich um ihre kranke Tochter kümmern. Lea ist ziemlich auf sich allein gestellt. Nicht nur im Kampf gegen ihre Krankheit, gegen ihren Kummer, sondern auch darin zu erkennen, was wirklich im Leben zählt. Zum Glück hat sie eine wirklich gute beste Freundin, die ihr treu zur Seite steht. Mehr und mehr nimmt die Handlung, die anfangs ein bisschen ins plätschern gerät, an Fahrt auf. Lea erkennt, dass innere Werte zählen, und der Leser, dass manchmal mehr in einem Menschen steckt, als auf den ersten Blick ersichtlich.

    Marie war Rocksängerin. Jetzt ist sie durch einen Schlaganfall an einen Rollstuhl gefesselt und mürrischer denn je. Die Nachbarn haben nichts zu lachen, wenn die gerade mal 42-jährige, einstige Karrierefrau, mit Kommentaren um sich schießt. Was diese so treiben, weiß sie ganz genau, denn wie Hitchocks Mann am Fenster, sitzt sie auf ihrem Beobachtungsposten und schaut in fremde Fenster. Kein Wunder, dass sie die erste ist, die mitbekommt, wie in der Nachbarschaft eingebrochen wird. Dass ihr ausgerechnet ein türkische Bodybuilder zur Seite steht, in Begleitung von zwei rumänischen Waisenkindern, das hätte Marie nicht gedacht. Und doch hat sie sich schon lange nicht mehr so gut gefühlt.


    Ich habe Gaby Köster als Komikerin immer sehr gemocht. Ihr loses Mundwerk und ihre taffe, vorwitzige Art, haben mich immer sehr zum Lachen gebracht. Umso schockierter war ich, als ich von ihrem Schlaganfall hörte. Eine Krankheit, die einen heimtückisch überfällt und nur von denen besiegt werden kann, die wirklich harte Kämpfer sind. Gaby Köster ist so eine Kämpferin. Sie hat sich nicht unterkriegen lassen, ist wieder auf die Bühne gestiegen, hat ihren Beeinträchtigungen getrotzt, einen Roman geschrieben und diesen sogar selbst als Hörbuch eingelesen. Dafür verdient sie vollsten Respekt und Hochachtung.


    In "Die Chefin" spiegelt sich ein wenig ihr eigenes Schicksal wieder. Doch anders als die Autorin selbst, lässt Protagonistin Marie sich hängen und hadert so sehr mit ihrem eigenen Leben, dass sie zur unausstehlichsten Person wird, mit denen ihre Nachbarn zu tun haben. Doch irgendwie öffnet sich irgendwo immer eine Tür, so auch für Marie.


    Im Roman findet sich ganz viel Gaby Köster wieder, so dass Freunde ihres Humors definitiv auf ihre Kosten kommen. Ein paar der Sprüche, die wir zu hören bekommen, haben sicher schon einen Bart, aber Köster bleibt sich in ihrer Art treu und das finde ich gut so. Was die Handlung angeht, dachte ich zunächst auf eine ebenfalls schon etwas abgehalfterte Geschichte zu stoßen, doch dem ist nicht so. Mehr und mehr nimmt der Roman, der eine Mischung aus Road Trip und Gaunerkomödie, mit einer sättigenden Prise Herz ist, an Fahrt auf. Gaby Köster nimmt Leser und Hörer mit in Maries Leben und bereitet ihnen dabei jede Menge Freude.


    Ich finde es bewundernswert, dass Gaby Köster ihren Roman selbst liest. Die Spuren des Schlaganfalls sind ihr noch deutlich anzuhören und hier und da kommt der Fluss der Geschichte dadurch an einigen Stellen zum Stocken. Dennoch habe ich ihr gerne zugehört und mich bei jedem Satz gefreut, dass sie und ihr toller Humor wieder zurück in der Öffentlichkeit sind. Ein Humor, der sich nicht unterkriegen lässt und jede Menge Lebensmut vermittelt. Toll!!

    Höre ich den Autorennamen Sarah Dessen, denke ich sofort an Strand, Sommer, Meer und Gefühle. Auch an lesenswerte Unterhaltung und Themen, die jugendliche Leser bewegen. Für mich eine der Autorinnen, die zu einem guten Lesesommer einfach dazu gehören.


    In ihrem neusten Roman lernen wir Emaline kennen, die ihren letzten Sommer in der kindlichen Geborgenheit ihrer Familie verbringt. Nach den Ferien wird sie das College besuchen, dort wohnen und mit "dem Ernst des Lebens" konfrontiert werden. Eigentlich würde sie im letzten Sommer in ihrem idyllischen Heimatstädtchen Colby gern noch mal so richtig was erleben. Den Sommer genießen, bevor sich der Weg gabelt, den sie bisher gemeinsam mit ihren Freunden und ihrer Familie gegangen ist.


    Doch ihr Plan scheint nicht aufzugehen. Die Streitigkeiten mit ihrer langjährigen Beziehung Luke nehmen immer mehr zu und ihr leiblicher Vater, von dem sie seit langer Zeit nichts mehr gehört hat, tritt plötzlich wieder aus dem Nichts hervor. Zudem arbeitet sie härter denn je im Familieneigenen Betrieb, der für die Vermietung der Ferienhäuser an Sommergäste zuständig ist. Ein nicht ganz einfaches Unterfangen wenn fünf Frauen aus drei Generationen miteinander klar kommen müssen. Zumindest ein kleiner Sommerflirt müsste für Emaline doch drin sein. Während sie noch das Gefühl hat, dass alles aus dem Ruder und in die falsche Bahn läuft, macht sie Erkenntnisse, die auf dem Weg ins Erwachsenleben sehr wertvoll sind.


    "Familie oder das Fehlen derselben ist von größerer Bedeutung, als man denkt."


    "The Moon and more" reiht sich in eine Reihe gut geschriebener Jugendromane der beliebten amerikanischen Autorin ein, die auch mich immer wieder von ihren Geschichten überzeugen kann, obwohl ich dem Alter des Zielpublikums längst entwachsen bin. Schlägt man einen ihrer Romane auf, kann man sicher sein, dass man neben guter Unterhaltung, die sich locker und leicht lesen lässt, immer auch eine tiefgründige Handlung geboten bekommt. Genau das macht ihre Bücher so absolut lesenswert.


    Sie schreibt Geschichten von jungen Menschen, die aus der Realität gegriffen sind. Die dem eigenen Freundeskreis entspringen könnten oder dem Leser selbst sogar ein wenig ähnlich sind. Damit schafft sie Sympathien und ein Umfeld, in dem man sich vom ersten Moment an wohlfühlt. Meine einzigen beiden Kritikpunkte am Roman sind die teils etwas dahin plätschernde Handlung und ein Erzählstrang, mit dem ich nicht ganz übereinstimme, dessen Ende mich aber dann doch wieder aussöhnt und "The Moon and more" als ebenso gute Sommerlektüre in meinem Gedächtnis verbleiben lässt, wie Sarah Dessens vorige Romane auch.

    Michaels Goßvater kommt nur selten zu Besuch. Michael ist ganz froh darüber, denn die Besuche des alten Mannes machen ihm Angst. Er ist verstümmelt, sein Gesicht verbrannt. Warum weiß Michael nicht. Mutter verbietet schon Großvater anzuschauen, nachfragen ist erst recht nicht erlaubt. Doch dann verbringen beide gemeinsam Zeit im Cottage des Großvaters. Und Michael beginnt zu verstehen.


    Michael Morpurgo, der für seine Bücher bereits vielfach ausgezeichnet wurde, und Illustratorin Gemma O'Callaghan, haben mit "Nur Meer und Himmel" ein kleines Meisterwerk erschaffen, das mich zu Tränen rührte. Mit wenigen Worten und einfachen Bildern, die vor allem durch ihre Farben sprechen, reden sie nicht drumherum, sondern sprechen offen an, was ihnen auf dem Herzen liegt.


    "Ich glaube, ich war in erster Linie fasziniert und zugleich entsetzt, weil man mir ja erzählt hatte, was mit Großvater im Krieg passiert war. Ich sah in seinen dunkelblauen Augen das Leid, das er durchgemacht hatte - Augen, die, wie ich merkte, so gut wie niemals blinzelten."


    Die Greueltaten vergangener (und anhaltender) Kriege kann man nicht tot schweigen. Nichts wird ungeschehen, indem man nicht darüber spricht. Im Gegenteil, die Situation wird eher verschlimmert. So wie in Michaels Familie, in der Schweigen dafür sorgt, dass alles zerbricht. Erst ein offenes Gespräch sorgt dafür, dass die Familie wieder zusammen kommt, dass Verständnis aufgebracht wird und man ins Reine miteinander kommt.


    Ich habe das Gefühl bei der Versöhnung der Familienmitglieder mitgenommen zu werden. Im Laufe der Handlung den Schrecken von Großvaters Vergangenheit zu spüren und am Ende doch "weicher" zu werden. "Nur Meer und Himmel" löst durch seine wenigen, aber ehrlichen Worte, ein intensives Gefühl bei mir aus, das mich letztendlich unter mithilfe der sehr eindringlichen Illustrationen, zu Tränen rührt und den Stellenwert des besonderen Buches zu Recht verdient.

    Eve steckt in einer Identitätskrise. Zu gerne möchte sie wissen, wer ihr Vater ist. Doch ihre Mutter möchte einfach nicht darüber sprechen. Eve fühlt sich allein gelassen und von Mama nicht richtig verstanden. Schließlich geht es ihr nicht darum alte Wunden aufzureißen, sondern ihren Vater und damit auch etwas über ihre eigenen Genen zu erfahren. Ihre einzigen Anhaltspunkte sind Mamas Aufenthalt in der Türkei während ihres Studiums. Das allein reicht Eve nicht aus. Zum Glück wird ihre Mutter endlich einsichtig. Gemeinsam machen sie sich auf die Reise nach Istanbul.


    Deniz Selek ist für mich ein Garant für gute Unterhaltung. Leichte Sommerromane gehen ihr problemlos von der Hand und sorgen für Lesestunden, in denen man für kurze Zeit in die türkische Kultur eintauchen kann. Mit "Aprikosensommer" hat sie wieder einen solcher Romane geschrieben, die zudem immer ein Thema behandeln, das für Kinder- oder Jugendliche präsent ist. Aktuell beschäftigt sie sich mit dem Thema Herkunft.


    Deniz Selek hat dieses Thema eingängig dargestellt. Der Konflikt zwischen Mutter und Tochter wird deutlich. Einerseits gibt es Eve, die unbedingt wissen möchte, wo ihre Wurzeln sind, welche Eigenschaften sie von ihrem Vater hat, auf der anderen Seite steht ihre Mutter, die von der Situation allein die Schwangerschaft und Kindheit ihrer Tochter, meistern zu müssen, sowie der Trennung vom Vater noch stark belastet ist und eigentlich alles gern vergessen möchte.


    Deniz Selek schreibt mit einer Leichtigkeit, könnte meiner Meinung aber gerne etwas tiefer in die Situation eindringen. Zudem ging es mir so, dass ich durch den Klappentext eine Geschichte erwartet habe, die noch mehr in der schillernden Welt Istanbuls spielt und dieses Flair mit in meine heimischen Gefilde bringt. Da dieser Teil des Romans aber erst sehr spät eintritt, war ich davon etwas enttäuscht. Nichts desto trotz hat Deniz Selek das Thema Herkunft sehr gut und auch für jüngere Leser einfach nachvollziehbar dargestellt. Ich freue mich auf weitere Romane deutsch-türkischen Autorin. Beim nächsten Mal hoffentlich wieder mit etwas mehr türkischem Zauber.

    Georgia traut ihren Augen nicht, als sie ihren Zukünftigen mit einer anderen Frau UND einem kleinen Mädchen an der Hand sieht. Als dieses Mädchen Ben auch noch Papa nennt, weiß Georgia nicht mehr was sie tun soll, und rennt davon. Etwas problematisch ist, dass sie sich gerade bei der Anprobe ihres Hochzeitskleids befindet und dieses auch noch trägt, als sie dort ankommt, wo sie Ruhe, Geborgenheit und Trost zu finden gedenkt: auf dem Weingut ihrer Eltern.


    Doch auch da läuft alles anders als erwartet, denn bei ihrer Ankunft findet sie ihre Mutter in Begleitung eines anderen Mannes vor. Beide lediglich mit einem Badetuch bekleidet. Plötzlich scheint jeder in ihrer Familie ein Geheimnis zu haben, von dem sie nichts weiß. Ihre heile Welt ist aus den Fugen geraten und Georgia weiß nicht, wie es ihr gelingen kann, dies zu ändern. Doch so einfach gibt sie nicht auf. Das Weingut und ihre Familie liegen ihr am Herzen. Und dafür wird sie kämpfen!


    "Ein wunderbares Jahr" ist das perfekte Sommerlesebuch. Laura Dave sorgt mit ihrer leichtfüßigen Schreibweise dafür, dass der Leser schnell in die Geschichte hinein findet und sich darin wohl fühlt. Trotzdem dass sich das Buch flott lesen lässt, kratzt man nicht nur an der Oberfläche, sondern wird tief mit hinein genommen in die Geheimnisse der Familie Ford, die sowohl für die Familie, als auch den Leser sehr überraschend zutage treten.


    Nicht nur die recht spannende Handlung sorgt dafür, dass man den Roman gerne liest. Es ist vor allem die Familie Ford, in deren Gesellschaft ich mich wohlgefühlt habe. Ihre Geheimnisse, ihre Ecken und Kanten, ihre Menschlichkeit mit all den Fehlern, die sie gemacht haben und sicher noch machen werden, sorgen für Lebendigkeit zwischen den Buchsaiten. Die Gestaltung des Romans passt zu dessen Innenleben. Wärme und Herzlichkeit werden vom Familienbund genauso ausgestrahlt wie vom sommerlichen Cover. Ein Roman, der ein wohliges Lesegefühl vermittelt.

    In "Die Königin der Orchard Street" begegnet der Leser Lilliane, der "Eiskönigin von Amerika". Ihr ganzes Leben bestand daraus, sich nicht unterkriegen zu lassen. Eine Eigenschaft, die Lilliane mitgenommen hat ins hohe Alter. Von ihrem Kampfgeist ist nichts verloren gegangen. Nun blickt sie auf ihr Leben zurück und lässt uns alle teilhaben an einer Geschichte, die so faszinierend ist, dass man sich kaum davon abwenden kann.


    1913 gelangt Lilliane, die damals noch Malka hieß und Tochter jüdischer Flüchtlinge war, nach New York. Anders als erhofft, erwarteten sie dort nicht Milch- und Honigflüsse, denn New York war ebenso arm, wie der Osten Europas, aus dem Malkas Familie stammte. Krankheiten und Armut, sorgten für den Verfall ihrer Familie und sie selbst wurde durch einen Unfall zu einem Krüppel. Nutzlos bei der Beschaffung von Geld und Lebensmittel. Malka hatte jedoch Glück im Unglück und landete bei Mr. Dinello, einem der wenigen Kaufleute, die im Besitz von Kühltechnik waren. Der Grundstein für einen ebenso erfolgreichen wie beschwerlichen Weg war gelegt.


    "Die Königin der Orchard Street" ist einer jener Romane, die man immer wieder liebevoll in die Hand nimmt, um sich an den Inhalt zu erinnern, der so lebendig ist, als sei man selbst Teil der Geschichte. Einer Geschichte, die so fesselnd ist, dass man das Buch kaum aus der Hand legen kann.


    Susan J. Gilman beweist in ihrem Debüt, dass sie eine großartige Erzählerin ist. Umfangreich ist das Leben von Malka, die später zur großartigen Persönlichkeit Lilliane wird. Einer Protagonistin, die so eine Präsenz hat, dass sie nicht nur die gewichtige Rolle im Roman einnimmt, sondern noch lange im Leser nachhallt. Man bringt ihr Bewunderung entgegen, leidet und hofft mit ihr und begleitet sie gern auf ihrem Weg, ist dieser auch noch so hart.


    Gilman zeichnet ein anschauliches Bild des New Yorks, der Umgebung drum herum, wie es in den Anfängen des 20. Jahrhunderts gewesen sein muss. Sprachlich hochwertig, gleichzeitig flüssig und ungemein fesselnd. Sie erzählt von Menschen, die dort einfach untergehen, Schicksale, die verrauchen, ohne einen Rest Asche zu hinterlassen. Ein Leben, das auch Malka drohte. Doch sie ist eine Kämpferin, hat alles gegeben um ihre Ziele zu erreichen und hat es geschafft. Mit viel Willen, aber auch Dreistigkeit. Es ist nicht alles vertretbar, was sie getan hat und dennoch verständlich. Sie ist eine der ganz großen Figuren der literarischen Welt. Ich bin froh ihr Bekanntschaft gemacht zu haben.