Zunächst vielen Dank für euer aufmerksames und kritisches Lesen. Ich weiß, ein paar von euch lesen vielleicht noch, aber ich möchte doch schon auf ein paar Punkte eingehen.
Da wäre zunächst der Mord an Elise. Manche von euch sind da herangegangen wie halt die versierten Krimileser an einen "Papierfall" herangehen. Die Geschichte interessiert weniger, man geht nach den Leseerfahrungen vor: "Wer scheint am wenigsten verdächtig?" zum Beispiel. Wenn das "Dunkle Netz" ein klassischer Whodonit wäre, dann wäre die Lösung über den Brief tatsächlich enttäuschend. Aber es ist kein Whodonit und der Mord an Elise ist eine kleine falsche Spur, ein "Red Herring", nicht mehr.
Andere gingen nach Sympathie und trauten Cornelius den Mord nicht zu. Ich habe auch ernsthaft überlegt, ob ich wenigstens ihn opfern sollte. In meiner Konzeption war er lange tatsächlich der Mörder und ich habe mich auch von meiner Sympathie hinreißen lassen. Möglicherweise wäre die andere Lösung besser gewesen.
Warum folgt Robert Zita in die Gänge? Er tut es unter Zeitmangel, aber nicht unüberlegt. Er nutzt die knappe Zeit, um sehr schnell die Bande zu fassen, vom Wasser her, dazu ist einiges zu organisieren (Zita sagt ihm ja, dass die Bande die Stadt verlässt). Zita tut das, worauf er lange gewartet hat: sie führt ihn zu der Bande und er will ihnen endlich das Handwerk legen. Und weder er noch seine Polizeidiener sind unbewaffnet, alle Polizisten trugen damals einen Säbel, er gehörte zur Uniform. Wir müssen uns vom Bild des Polizisten, der mit gezückter Schusswaffe in ein verdächtiges Haus geht, freimachen. Und damals wie heute ist es nicht ungewöhnlich, wenn die Verbrecher besser ausgerüstet sind.
Einer der Hauptkritikpunkte, nicht nur von einigen von euch, sondern auch von anderen Kritikern: Lina und Robert seien zu glatt, zu gut, alles sei zu kuschelig. Das ist ein Grundproblem bei Fortsetzungen, nachdem sich die Helden gefunden haben. Sie geben eigentlich nicht mehr viel her. Sie sind ein altes Ehepaar. Natürlich hätte ich sie mit Konflikten überfrachten können - die Kinderlosigkeit, Robert und Lina im Machtkampf, wer die Hosen an hat, Lina nimmt Robert die Verhaftung von Cornelius übel (was sie ja tatsächlich tut), Robert ist eifersüchtig auf Cornelius, weil der immer noch etwas von Lina will usw. Aber so sind die beiden nicht. Sie haben sich als reife Erwachsene gefunden und nehmen einander, wie sie sind, wobei Robert sicher das größere Päckchen zu tragen hat, wenn man bedenkt, was z.B. Simon zum Thema Hosen zu sagen hat.
Sie behandeln ihr Hauspersonal gut - das hat Lina schon immer getan und mehr noch jetzt, denn das ist praktisch ihre Familie. Die preussische Gesindeordnung, die ja auch beim städtischen Hauspersonal und nicht nur auf den ostelbischen Gütern griff, machte das Personal zu wenn auch (schlecht) bezahlten Leibeigenen. Dass Lina in allen, einschließlich der dicken Martha oder Kätt den Menschen sieht, ist einer ihrer grundlegendsten Charakterzüge. Den hatte sie schon im "Roten Licht", nur da hat sie selbst mehr gelitten.
Außerdem bin ich sicher, wenn ich böse Konflikte hineingeschrieben hätte oder Robert und Lina mehr getan hätten, als Kompetenzen zu überschreiten oder Simon hinauszuwerfen, hätte das sicher auch Leserprotest hervorgerufen. Eine Hauptfigur darf nur in einem gewissen Maße beschädigt werden.
Aber - es stimmt schon, es ist natürlich ein wenig langweilig. Und deshalb sind in diesem Buch Robert und Lina etwas in den Hintergrund gerückt und mit Hermann und vor allem Zita zwei Figuren anderen Kalibers hinzugekommen.
Im Falle von Minas Bestrafung kann man davon ausgehen, dass sie nicht für den versuchten Mord verurteilt wurde. Wie hätte die Familie Kaufmeister und vor allem ihre Söhne damit gelebt? 2 Jahre Zuchthaus (viel schlimmer als Gefängnis!) sind schon schwer genug für die Familienehre. Und dummerweise sind es auch noch Protestanten, sie können sie nicht einmal ins Kloster stecken, hinterher :-).
Übrigens noch ein Nachtrag zum Thema Robert umbringen: wenn ich gedurft hätte, wäre er nicht zum Showdown, sondern viel eher im Buch ums Leben gekommen. Lina als leidgeprüfte und auch rachedurstige Witwe wäre sicher auch spannend gewesen. Aber diese Variante habe ich nie wirklich durchgespielt.
Ich bin gespannt auf die weiteren Kommentare und die Rezis...
Nochmals vielen Dank!
Liebe Grüße
Silvia
P.S. @ Bonomania: Hermann hat Kellerer erschossen.