Detective Meyer Landsman lebt in einer Welt, die es hätte geben können, wenn sich der Vorschlag des amerikanischen Staatssekretärs für Inneres Harold L. Ickes in den 1938 hätte durchsetzen können: Alaska ist zur Heimstatt der aus Europa emigrierenden Juden geworden, zur Hauptstadt ist in diesem Entwurf Sitka geworden, das Millionenstadt ist. Allerdings steht die Auflösung des jüdischen Staates unmittelbar bevor. Meyer Landsman wird noch für zwei Monate Polizist sein. Was danach kommt, ist ihm ohnehin egal, da sowohl seine Ehe zerrüttet ist als auch seine Karriere nicht mehr vorankommt. Er flüchtet sich in den Alkohol. In dieser Situation wird im Hotel "Zamenhof", in dem Landsman wohnt, ein junger Mann erschossen aufgefunden, der sich unter dem Namen eines berühmten Schachspielers - Emanuel Lasker - im Hotel eingeschrieben hatte. Bald wird jedoch die wahre Identität des Jungen klar: es handelt sich um Mendel Shpilman, einziger Sohn des fanatischen Rabbi Shpilman, der auf Verbov Island vor der Küste Alaskas einen mafiös-religiösen Parallelstaat aufgebaut hat. Als Meyer dieser Spur folgt, kommt ans Tageslicht, dass Mendel Shpilman viel mehr als nur ein begabter Schachspieler war, was die Ermittlungen alles andere als einfacher werden lässt.
Michael Chabon wurde zu diesem Roman inspiriert durch eine kuriose Begebenheit: Er kaufte sich 1993 eine Wiederauflage aus der Wörterbuch-Reihe "Say it in..." von Uriel und Beatrice Weinreich: "Say it in Yiddish". Die Existenz dieses Buches war für ihn ein derart absurdes Faktum, dass er sich in einem Artikel für Harper's Magazine eine Welt ausdachte, in der es Verwendung für solch ein Buch gäbe: Eine Welt, in der tatsächlich Jiddisch gesprochen würde, etwa ein Europa, in dem der Holocaust nicht stattgefunden hätte - oder eben ein Alaska nach dem Ickes-Plan. Tatsächlich gab es 1958 für "Say it in Yiddish" durchaus Verwendung, so wurde Chabon nach seinem Artikel mitgeteilt. Jiddisch wurde etwa im Israel der 50er durchaus noch verbreitet gesprochen. Es gab aber nicht nur informative, sondern auch böse Stimmen, die ihm vorwarfen, sich über das Verschwinden der Sprache lustig zu machen. Chabon gibt zu Protokoll, diese Kränkung zum Anlass genommen zu haben, einen gut recherchierten Roman zu schreiben: The Yiddish Policemen's Union.
Herausgekommen ist ein alternative history-Roman, der mit Dicks The man in the high castle nichts zu tun hat. Um den Ausgang des Zweiten Weltkriegs geht es hier nämlich nur sehr bedingt - wir erfahren darüber auch nichts Alternatives -, nur insofern er für die Besiedlungspläne Alaskas von Belang war. Der Krimiplot ist nicht immer ganz schlüssig, schwer zu verstehen fand ich ihn allerdings an keiner Stelle, die Erzählung schreitet recht linear fort. Die Beziehung Meyers zu seiner Chefin und Exfrau Bina stand mir phasenweise zu sehr im Vordergrund. Sie war weder besonders originell noch interessant gestaltet. Überhaupt ist Chabon nicht der brillanteste Schöpfer von Figuren. Die meisten Protagonisten wirken altbekannt und tausendmal gelesen. Ausnahme ist die Familie Shpilman, die mir, obwohl recht knapp beschrieben, bei weitem am interessantesten erschien.
Über die Hintergründe des Personals erfährt man wenig, nur häppchenweise, was für den Krimiplot notwendig ist. Dafür werden endlose Seiten auf sinnentleerte Nickligkeiten zwischen Berko und Meyer/Meyer und Bina/Berko und Willie usw. verwendet, die eigentlich nirgends hinführen. Das Buch hätte gut und gern 100 Seiten kürzer sein dürfen.
Alles in allem stört der Krimi an dem Buch. Ich weiß nun wieder, warum ich Krimis nicht lese, die meisten Krimiautoren konzentrieren sich so sehr auf den Fall, dass das Personal einfach nur langweilig wird. Bei den anderen fragt man sich meist, wozu der Fall eigentlich da ist. Bei Chabon ist das ganz ähnlich. Die alternative history ist für die Handlung dabei wichtig genug, um das Buch dennoch interessant werden zu lassen. Es geht um große Themen wie Messianismus und um Welpolitik, wobei vor allem ersteres zwar etwas kurz und ballastreich, aber dennoch nicht uninteressant behandelt wird.
Chabon schafft so einen Spagat, der sowohl Krimilesern als auch Interessierten an alternative history durchaus einiges bietet, der aber durch den Spagat auch ein bisschen länglich und an manchen Stellen instabil und überdehnt erscheint.
EDIT ISBN-10 eingefügt
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