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Original von JosefaMittelalterliche Archäologie gibt es meines Wissens noch gar nicht so lange, da sind vielleicht noch etliche interessante Beobachtungen zu machen. - Und an ein gewisses Maß von ... historischen Fragwürdigkeiten gewöhnt man sich beim Lesen ;-). Ich hatte zum Beispiel Probleme, mir bei der mittelalterlichen Frauenkleidung, wie sie mir bekannt ist, nackte Schultern und tiefe Dekolletees vorzustellen, wie sie die Mägde in Melfi zur Schau stellen.
Wir werden sicher noch einige neue Erkenntnisse gewinnen, da gebe ich dir recht. Zu deinen Anmerkungen über Frauenkleider passt der Fund von mittelalterlichen Büstenhaltern, der kürzlich in Österreich auf einer Burg gemacht wurde. Aus dünnem Leinen gefertigt sahen sie nicht viel anders aus als die heutigen. Da war man auch ganz erstaunt und hätte sich das nicht vorgestellt. Überhaupt spuken uns gerade über das "dunkle" Mittelalter eine Menge Vorurteile und Vorstellungen durch den Sinn, die so nicht richtig sind. Die tiefen Ausschnitte meiner Schankdamen war sicher nicht die Normalkleidung. Ich habe das hier gewählt, weil es sich eben um Schankweiber handelt, die bestimmt etwas freizügiger gekleidet waren.
Man darf auch nicht vergessen, dass unsere Idee von der Prüderie und Züchtigkeit des Mittelalters falsch ist. Diese sogenannte Kenntnis nehmen wir aus den Schriften der Mönche, die ständig voller moralischer Ermahnungen waren. Eben weil das wirkliche Leben nicht so moralisch war. Besonders die Herren der Schöpfung nahmen sich einiges heraus. Und in den Badehäusern ging es hoch her. Und dort verkehrten tagsüber auch ehrbare Damen mit ihren Kindern. Die Prüderie ging eher später los, besonders im Spätmittelalter und frühen Neuzeit.
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Gibt es eigentlich einen tieferen Grund dafür, daß die Hautevilles oder Altavillas so stillschweigend als Anführer akzeptiert werden? Drogo war nicht sehr beliebt; es hätte ja durchaus einer der anderen Barone versuchen können, sich selbst zu seinem Nachfolger wählen zu lassen anstatt Onfroi?
Das ist ja auch so gewesen. Besonders der gute Pierron war zeitlebens ein Konkurrent der Hautevilles. Hat sich sogar mit Drogo beinahe mal ein Duell geliefert.
Warum die Hautevilles dominierten ist nicht schwer zu erklären. Es lag zunächst an der Persönlichkeit des ältesten Williame, der zur Zeit des Romans schon gestorben ist. Er war (zusammen mit Drogo) schon Anführer normannischer Söldner in der Sizilienkampagne der Byzantiner zehn Jahre früher. Als man seine Leute nicht an der Beute beteiligt hat, hat er sich wütend mit seinen Männern nach Italien zurückgezogen und sich dann von einem Lombardenfürsten anzetteln lassen, den Aufstand gegen Byzanz zu proben. Dabei war er ziemlich erfolgreich und hat die Byzantiner in einer Art Guerillakrieg mehrfach empfindlich geschlagen. Dabei wurde auch Melfi zu seinem Stützpunkt. Er war also der von allen Normannen und auch Lombarden respektierte Anführer.
Außerdem hatten die beiden Brüder Williame und Drogo eine enges Verhältnis zu Guaimar entwickelt, was die Normannen enorm stärkte, ihnen zumindest Anerkennung und eine gewisse Legitimität verlieh. Daher auch die Bedeutung der Vermählung mit einer lombardischen Prinzessin. Es war also normal, nach Williames Tod, Drogo zum Anführer zu wählen. Die Hauteville-Brüder waren alle beeindruckende Kerle und Kämpfer. Und schlau genug, zusammenzuhalten und sich gegenseitig Ländereien und andere Vorteile zuzuspielen. Während die anderen Barone sich Apulien aufteilten, haben sie sich große Landstriche ganz im Süden und in Kalabrien untern den Nagel gerissen und wurden mit der Zeit unter den Baronen immer mächtiger. Onfroi wurde gewählt, weil sie unter Druck standen und er sich als besonders fähiger Reiterführer erwiesen hatte. Sie haben sozusagen den besten General unter sich gewählt
Trotzdem hat es auch weiter Streit gegeben. Pierron hat auch Robert später weiterhin das Leben schwer gemacht. Es gab sogar einen bewaffneten Aufstand. Aber ich will nicht vorgreifen.