Beiträge von Susanne Ruit.

    He, Du hast mir gar nicht gesagt, dass Du auch hier bist, schön!


    In meinen Augen ist das Buch auch ein Plädoyer für Kommunikation. Besonders in der Familie. Redet ernsthaft miteinander, bevor jemand unrettbar in schwarze Löcher versinkt.
    Von daher hoffe ich auch, dass jeder, der es liest, etwas über zwischenmenschliche Beziehungen nachdenkt. Wäre für die Allgemeinheit nicht schlecht.

    Auch ich habe es schon gelesen und bin begeistert:



    Nichts ist in Ordnung in der Familie Bergmann.


    Vor einem Jahr ist die sechzehnjährige Sarah auf dem Heimweg von einer Party ermordet worden. Jetzt, als das Leben einigermaßen seinen Weg zu gehen scheint, schneidet Anne Bergmann sich die Pulsadern auf. Ihr Mann Jo, hilflos, bittet Sohn Simon, wieder zu Hause einzuziehen und seiner Mutter beizustehen. Und so unterbricht Simon sein Studium und kehrt ins Elternhaus zurück.
    "Ach Mama ... Ich hab gedacht, es geht dir besser ..."
    Das Haus, das seine Mutter, gefangen in ihrer Trauer, zu einem Schrein für Sarah gemacht; das Haus, in dem er seit der Geburt seiner Schwester die zweite Geige gespielt hat. Und während seine Eltern kaum zu normaler Kommunikation fähig sind, gelingt es ihm langsam, die Mauer aufzubrechen. Er, der Zwanzigjährige, geht dabei bis an die Grenzen seiner Belastbarkeit und erweist sich als reifer als die, die ihn in ein erwachsenes Leben geleiten sollten.


    Ein brutaler Mord, eine Familie, die lernen muss, damit weiterzuleben.
    "Ich will so nicht weiterleben."
    Kein schönes Thema, auf den ersten Blick.
    Kein Buch, das man mal eben als Lesefutter vernascht.
    Ein Coverbild, das Beklemmung erzeugt: Ein leeres Bett, die Falten des Lakens wirken wie Wellen; kaputte Stofftiere, glühende Augen im Dunkeln.
    Ein Buch, das berührt, das unter die Haut geht. Sätze, die mit präzisem Werkzeug herausgemeißelt scheinen, jedes Wort an seinem Platz, kein Wort zu viel, der Text verdichtet, nichts wird aufgebläht.
    Es gelingt der Autorin, uns die Protagonisten so nahe zu bringen, als wären wir selbst ein Teil der Familie. Die Kapitel sind abwechselnd aus der Perspektive von Anne, Jo und Simon erzählt, ihre Namen stehen als Kapitelüberschrift, im Text wird der Perspektivträger nicht mehr namentlich genannt. Der Leser folgt der Figur, als wäre er mit einer unsichtbaren Kamera auf ihrer Spur und erlebt die Gefühle hautnah mit.
    Die stummen Vorwürfe, die Schuldzuweisungen, die Verletzungen. Man möchte die Protagonisten schütteln beim Lesen, ihnen zurufen: „Jetzt redet doch endlich miteinander!“
    Auch Sarah, obwohl tot, ist sehr präsent. In kurzen, kursiv abgesetzten Rückblenden und Dialogfetzen wird aus der anfänglichen Skizze des ermordeten Engels ein Teenager aus Fleisch und Blut, mit Ecken und Kanten, und sie ist nicht die kleine Göttin auf dem Podest, zu der ihre Mutter sie in ihrem Gedenken erhoben hat.
    "Nichts kann ich festhalten."


    Lisa-Marie Dickreiter hat Drehbuch studiert und ihr Sinn für Dramaturgie ist in jeder Zeile, in jedem mit präziser Absicht gesetzten Absatz spürbar. Innerhalb jedes Kapitels steigert sie die Spannung und das ganze Buch läuft auf einen unerwarteten Höhepunkt hinaus. Nach dem Lesen fragte ich mich, wie so viel von allem, Emotionen, Handlungshöhepunkte, Bilder, auch durchaus komische Szenen in dieses auf den ersten Blick kurze Werk passen können.
    Selbst nach dem Zuklappen des Buches konnte ich es nicht einfach abschütteln und zur nächsten Lektüre übergehen. Aber wer sagt denn, dass man das muss?
    Es bietet sich geradezu an, nach Seite 272 wieder zu Seite 1 zurück zu blättern und es ein zweites Mal zu lesen.


    Schon während Lisa-Marie Dickreiter an dem Roman arbeitete, konnte sie vier Arbeits- und Aufenthaltsstipendien dafür gewinnen, und aktuell ist der Roman für den Klaus-Michael Kühne Preis nominiert, der im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals verliehen werden wird.
    Auf weitere Bücher aus ihrer Feder bin ich sehr gespannt.


    10 Punkte (darf man nicht mehr vergeben? schade ...)

    Ist zwar nicht neu, aber immer wieder gut.


    Für Prota-Paarungen nimmt man am besten gegensätzliche Pole. Und lässt die Konflikte schön knallen.


    Also einen Ordungsfanatiker mit einem Messie, einen Rockmusikfan mit entsprechender Kleidung mit einem Klassik-Fan, einen sportlichen Heckenfresser Veggie mit einem etwas pfundigen Gourmet und Hobbykoch etc ... :grin

    Bei der Einführung einer Ermittlergruppe muss man anfangs sowieso die Beziehungen anders beleuchten als das in späteren Bänden der Fall ist, wenn diese ganzen Hintergründe bekannt sind. Vieles, was jetzt vielleicht zuviel wirkt, ist dann weg bzw. nur für Erstleser skizziert, die den ersten Band noch nicht kennen.


    Es sind viele schöne Konflikte vorprogrammiert, das macht mich neugierig.

    Nicht unbedingt, eher die Fähigkeit, sich so auf die Geschichte einzulassen, dass die üblichen Fragen draußen bleiben müssen, wenn die Spannung da ist ;-)


    Dass Jana tot ist, war mir klar, als er das Essen wegwirf, das er auch nicht gefüttert, sondern nur hingestellt hatte.
    Denn ihre Stimme muss er sich genauso eingebildet haben wie die der Mutter, und dass die tot ist, stand für mich recht schnell fest.


    Ein Logikproblem habe ich noch mit ihrem Tod: Wann war das und wie ist er mit der Mumie umgezogen?
    Solche Fragen stelle ich mir aber immer erst nach dem Lesen, wenn ich rekapituliere. Während des Lesens belastet mich das nicht.


    Mir hat am meisten eine gewisse Verortung nach Wien gefehlt. Unter dem Motto: Wenn es schon woanders spielt als ich mich für gewöhnlich herumtreibe, möchte ich das irgenwie spüren.
    Aber das ist Korinthenzählerei ...


    Jedenfalls möchte ich sehr gerne weitere Bücher mit dieser Truppe lesen und die vielfältigen Beziehungsgeflechte weiter studieren können. Da ist viel Raum für interessante Weiterentwicklungen der Protas.


    Z.B. könnte Emilia in den Dienst eintreten und Moser erobern :chen


    (Man darf mich nicht an sowas ranlassen, mein Kopf plottet gern mal ins Blaue)

    Perfektes Timing, der Text reichte genau bis zu meiner S-Bahn Haltestelle.


    Obwohl die Elemente alle bekannt sind - Killer mit durchgeknallter Mutter (dass sie in der Kühltruhe liegt, war mir auch klar), Show-Down am Ende - da hatte ich erwartet, dass Christian sich wie im Film noch einmal aufbäumt und Schaden anrichtet :grin - hatte ich mein Lesevergnügen.
    Ich liebe seit Jahren Serienkiller-Bücher (sorry, Melanie) und sie müssen für mich auch nicht lehrbuchgerecht-stimmig in ihrer Verrücktheit sein.


    Dass Emilia nichts passiert, war klar - ein wenig muss man sich an Genrevorgaben halten als Autor - und Ermittler ohne private Macken gehen heute auch nicht.
    Sie macht die interessanteste Entwicklung durch - anfangs oberflächlich und hohlköpfig, dann stellt sich heraus, wie vielseitig sie in ihren Interessen ist, und wie sie sich wehrt und für die unbekannte Jana zum Schluss noch einstehen will, sie ist mir direkt ans Herz gewachsen. Bei ihrer Intelligenz könnte sie doch noch eine Polizeiausbildung machen, oder?


    Wagner und Sonja auseinander zu bringen fand ich logisch. Und dass sie den SS-Test nicht wegwirft, da sie ihn ja nicht zurück erwartet, fand ich schlüssig.


    Lauras Vater sterben zu lassen, war vielleicht etwas zuviel - hätte ich mir für später aufgehoben? Ich weiß es nicht. Aber es hat natürlich zum Seitensprung geführt. Wobei Wagner sich evtl. auch ohne diesen gegen Sonja entschieden hätte, und man hätte Laura und Wagner langsamer zusammen bringen können.


    Bei manchen Hintergründen von Christian hätte ich mir vielleicht etwas mehr gewünscht, vor allem, was seine Mutter betrifft. Der Voyeur in mir, ich weiß ...


    Was mir extrem auffiel, ist, dass ich vom Setting "Wien" absolut nichts gespürt habe. Außer ein paar typischen Begriffen wie Semmel hätte das für mich überall spielen können. Nun soll es ja eine breite Leserschaft ansprechen - klar. Aber etwas Wiener Schmäh oder typischen Kaffee hätte ich noch ganz lecker gefunden. Vielleicht kannst Du etwas mehr davon einbauen, ich spüre und rieche auch gerne die Umgebung (sofern sich das nicht auf den Seziersaal bezieht, versteht sich ...)


    Das unstrukturierte Ermitteln schien mir manchmal etwas zuviel und vor allem, dass sie am Ende zu zweit losziehen. Aber wir sind ja hier nicht in der Realität, sondern in der Buchwelt, und Spannung ist mir beim Lesen lieber. Über eventuelle logische Lücken kann ich mir hinterher, oder beim zweiten Lesen, Gedanken machen.


    Ganz am Ende, als der Moser durchblitze, der er hätte sein können, sah ich einen Hoffnungsschimmer. Vielleicht kann er ja nach der Therapie zurück kommen, bei Wallander sind sie auch mehr :lache


    Danke schon mal für alle Eure Eindrücke und für die Einblicke in Dein Schaffen, Berta. Ich freue mich auf mehr aus Deiner Feder ...

    Cujo ist halt viel älter, und er denkt wohl beim Schreiben an seine "Constant Readers", die in Casle Rock zweiten Wohnsitz haben ;-)
    Da ich die Bücher, nachdem ich ihn mit 16 (lang ists her) immer brav in der Reihenfolge gelesen habe, hatte ich damit kein Problem.


    Ich finde es immer genial, wenn sich die Geschichten aufeinander beziehen. Dadurch wird das Gesamtgefüge für mich realer.


    Das Ganze wird ja im Dark Tower zur Perfektion getrieben, indem er selbst auftritt, sowie mehrere Figuren aus anderen Romanen.

    Ich will hier nur kurz posten, da ich schon weiter bin ...
    habe mich auch manchmal gewundert, welche Freiheiten sie haben. Von Wallander war ich mehr den geordneten Ablauf gewohnt :chen.
    Die chaotische Arbeitsweise macht es aber spannend. Und es ist nicht nervige Technik drin wie bei den CSI-Serien beispielsweise (die Pinselwedler, bei denen endlose Detailaufnahmen von Fasern und Q-Tipps Plot, Handlung und Dialog ersetzen :grin)

    Ich bin mit diesem Abschnitt noch nicht ganz durch, daher nur kurz:


    Emilia hatte ich nicht als so stark eingeschätzt. Dass sie vorgibt, blind zu sein, und das auch durchhält, als sie wieder schemenhaft sieht, alle Achtung. Natürlich hoffe ich, dass sie überlebt.


    Christian muss von seiner Mutter sehr gequält worden sein, evtl. inkl. Inzest. Dann hat er den Unfall verursacht und Heinz Martin hat bei der Behandlung gepfuscht. Vielleicht ist er deshalb erst Pathologe geworden? Aber passt das dann vom Alter her mit der jahrelangen Zusammenarbeit mit Wagner?


    Wagner und Laura: Wagner braucht einen Schnaps und Laura auch ... ich kann mir den Rest denken (bin in Kap. 15)


    Die Abtreibung "einfach so", weil das Kind nicht in den Kram passt, stößt mir wg. meiner ungewollten Kinderlosigkeit sowieso auf. Über Verhügungsmittel ist hinlänglich alles bekannt, man kann ein Kind auch adoptieren lassen. Und vor allem kann man erst einmal den Vater mit einbeziehen ... Trennung von Sonja ist erwünscht! ;-)
    Wenn Du eine Serie aus den Ermittlern machen willst, Berta, müsste Wagner wieder zurück und Moser aber auch noch bleiben, der eignet sich gut als tollpatschiger Gegenpart. Man kann ihm ja mal irgendwann eine Frau zukommen lassen. :lache


    Über Hierarchie und Abläufe und unerlaubtes Fernbleiben etc. mache ich mir nie Gedanken, wenn die Geschichte spannend ist. Ich weiß sowieso nicht, wie es wirklich abläuft, ich beurteile eher, ob es in die "gefühlte Realität der Polizeiarbeit" passt, die man sich so aus Büchern und Filmen im Kopf zusammen gezimmert hat.


    Laura kommt mir durch den Verlust des Vaters näher, aber ich fand sie schon von Anfang an eine interessante Nebenfigur, besonders, weil sie so selbstbewusst ist.


    Bei der Szene, in der Christian die Frau aufgabelt, fängt er ganz schön an zu bröseln. Er macht Fehler. Die Fassaden werden Risse bekommen.


    Wagner hätte ich treten können, bis ihm das mit dem Bild aus der Zeitung wieder einfällt. Schon als der Fotograf auf der Vernissage zugange war, habe ich mich gewundert, warum Christian davon nicht nervös wird.


    Spannend, wie Heinz denkt, die Leiche wäre Emilia, der Leser weiß ja an dieser Stelle mehr als er. Seine Erleichterung war spürbar.

    So, ich trudel auch endlich hier ein ;-)
    Den Prolog kannte ich ja schon .. immer wieder gruselig. Neu ist es ja nicht, dass ein Irrer kreative carving an jungen, vorzugsweise hübschen Mädchen praktiziert, aber ich lese es immer wieder gerne.


    Ich habe mich gewundert, warum das Opfer die Kette erkennt, aber klar, sie kannten sich ja.


    Zu den Figuren:
    Wagner finde ich ganz nett. Sonia ist offenbar nicht die richtige für ihn. Es könnte also sein, dass er das aufgibt und zu Laura zurück kehrt.


    Moser möchte ich in den A... treten. Wieder mal einer, der Kind und Frau verloren hat - das mit dem verlorenen Kind hatte ich gerade bei "Mittsommermord" von Viveca Sten (über Vorablesen gewonnen). Der war aber netter dabei. Verletzt, man mochte ihn trösten und knuddeln. Moser garantiert nicht.
    Ich sehe zwei mögliche Handlungsverläufe: Er bleibt so und wird wieder abserviert, weil Wagner zurück kommt.
    ODER: Es gelingt Laura, wieder einen Mensch aus ihm zu machen. Fände ich dramaturgisch und von der Figurenentwicklung her interessant. ;-)



    Heinz (wie alt ist der eigentlich, mit Heinz verbinde ich Uraltmänner): Bleibt mir noch etwas blass. Wenn er schon so alt war, als sein Vater ging, finde ich die Eifersucht übertrieben. Da hätte ich gerne noch ein paar Details von passierten Verletzungen und Zurücksetzungen.
    Emilia ist ein albernes Huhn. Schön blöd, dass sie reinfällt.
    Dass sie fotografiert werden, hilft garantiert bei der Auflösung.


    Hat Heinz sich die Kante gegeben an dem einen Abend? Das klingt erst in den Auswirkungen an. Alkoholproblem vorhanden?


    Christian - oder wie er auch immer heißt - offenbar hat er eine alte Rechnung mit Heinz offen. Ich hoffe, dass er eine der Figuren ist, die vor der Auflösung vorkommen, dass er nicht am Ende aus dem Hut gezaubert wird.
    Bei der Mutter musste ich auch an Norman Bates denken. Aber klar, wer traumatisiert jemanden, wenn nicht in erster Linie die Eltern.
    Er hat Janas Unfall verursacht. Ich glaube übrigens auch, dass sie nicht lebt. Er hat sie ausgestopft und bei den Augen ist es schief gegangen. Meine persönliche Theorie.


    Berta lacht sich wahrscheinlich schepp in ihrem stillen Kämmerlein über den Unsinn, den ich hier verzapfe. Aber es ist eine Leserunde, ich habe schon lange keine mehr gemacht und dieses Mitraten ist immer wieder reizvoll.


    Laura ist mir sehr sympathisch. Von der hätte ich gerne mehr.


    Soweit zum ersten Abschnitt.

    Der Schluss ist absolut himmlisch ;-) und ich hätte beinahe im Kino randaliert, als ich sah, was die daraus gemacht haben. Einzig wg. Hopkins liebe ich die Filme trotzdem.


    Und Hannibal ist mein Lieblingsbösewicht. Wie schafft es der Autor, dass ich mich für eine solche Figur begeistere und seine "Bestrafungen" auch noch nachvollziehen kann? Irre!