Hallo allerseits!
Auch ich war durch die Buchmesse etwas mit Beschlag belegt und will mich heute mal wieder melden.
Zunächst einmal vielen Dank für Eure Reaktionen. Natürlich freue ich mich sehr über Lob, bin aber auch immer sehr neugierig auf alles, was Schwierigkeiten bereitet und entweder nicht gelungen ist oder nicht so richtig rüberkommt.
Tatsächlich ist der Roman schwer einzuordnen, was ja immer das Problem bei mir ist, da ich nun mal keine Genre-Romane schreibe sondern nur manche Techniken daraus benutze, um die eben etwas anspruchsvolleren Stoffe besser erlebbar zu machen. Meine Verleger und Vertreter stöhnen immer, wenn ich Ihnen meine Stoffe erzähle, denn sie passen nun mal nicht auf einen Bierdeckel und sind daher zunächst schwerer zu verkaufen als ein nach einer bestimmten Masche gestrickter Roman. Aber da ich genau solche Bücher gerne lese, will ich auch keine anderen schreiben.
Der Roman sollte ursprünglich zwischen 1970 und 2000 spielen. Er ist also durchaus nicht "historisch" von der Anlage her. Aber wie ich schon gesagt habe, die Thematik ist zu groß, man braucht Abstand, um sie überblicken zu könne. Daher die achtzig Jahre Distanz.
Nun zu Euren Fragen:
Das Blut am Ende, also Alinas Tod.
Einmal geht es darum zu zeigen, mit welcher Gewalt und Skrupellosigkeit die Nazis allen, die sie nur zu benutzen dachten, plötzlich entglitten sind. Alinas Ermordung soll durchaus wie ein Schock wirken, nicht nur auf die Familie, die plötzlich erkennt, welche Bestie sie da in ihrer Mitte herangezüchtet haben, sondern auch auf den Leser.
Dann gibt es natürlich die Bedeutungsebene des Romans. Alina ist Leonies Wiedergängerin. Ihre Schicksale sind verbunden. Leonies "Rückkehr" erzwingt Alinas Ende, jedenfalls aus der Figur Alina heraus gedacht. Das ist freilich nur angedeutet, sonst wäre es ja plötzlich eine fantastische Geschichte, was es nicht ist. Aber Fragen der Mystik grenzen daran, deshalb habe ich ein Bild gesucht, das sowohl realistisch (Nazi-Terror) als auch allegorisch (das Schicksal erfüllt sich) lesbar ist.
Edgar und Alina sind am Ende nicht als Liebespaar vereint. Alina folgt nicht Edgar (das geht ja aus ihrem Brief klar hervor). Sie folgt Leonie. Sie ist Leonies Wunsch. Alina lebt in einer ganz anderen Welt als Edgar. Ihre Begegnung ist nur physisch, im ganz engen Wortsinn. Edgar ist ja gar nicht zur Liebe fähig. Er ist zu Beginn der Geschichte ein seelisches Wrack. Er ist völlig leer. Alina kann nur über Sex an ihn heran. Und so lockt sie ihn in eine andere Erfahrungswelt. Das kommt bei vielen Lesern nicht gut an, weil sie das Manipulation nennen. Aber das ist eben genau die Grenze, die mich an dieser Geschichte interessiert, die Grenze zwischen Verführung und Manipulation, zwischen Anregung und Zwang, zwischen Erziehung und Konditionierung.
Warum wollte Alina Edgar mit seiner Mutter in Kontakt bringen?
Das will sie zunächst gar nicht. Sie weiß ja gar nicht, daß Leonie noch lebt. Sie schlittert ja auch mehr oder minder in diese Sache hinein. Sie will das alles eigentlich gar nicht machen, aber als sie Phil in Berlin besucht und sieht, wie bekümmert und hilflos er ist, da will sie sich Edgar wenigstens mal ansehen ... und dann kommt eins zum anderen. Sie hat die ganze Zeit Skrupel, deshalb ist ihr Verhalten seltsam, hin und her gerissen zwischen ihrer Wut auf Leonies Schicksal und dem Willen, das Testament dieser unglücklichen Frau, mit deren Tagebuch sie sich identifiziert, zu vollstrecken. Dann reizt sie Edgar als Mann. Er bietet ihr die Möglichkeit, eine Rolle, eine Phantasie auszuleben. Ich glaube, aufgrund all dieser Widersprüche scheint sie so unnahbar zu sein. Sie bleibt bis zum Schluß rätselhaft, wie Leonie ja eigentlich auch. Aber das kann gar nicht anders sein. Das Rätsel dieser beiden Frauen (plakativ gesagt: ihre mystische Weltsicht) kann nicht gesagt, kann nicht beschrieben werden ... man muß es selbst erleben, das kann einem niemand abnehmen, kein Buch und kein Kommentar. Man muß dort selbst hinein ... wenn man will.
Woher wußte Leonie, dass ihr Kind von Phil war?
Soviel man mir erzählt hat, weiß eine Frau in solch einer Situation im allgemeinen, wer der Vater ist. Spätestens nach der Geburt.
Welchen Sinn hat der Kontakt zwischen Wilhelm und Phil?
Das habe ich oben bereits erklärt. Das wird wohl wirklich nicht klar. Tut mir leid, ist wohl zu skizzenhaft geraten.
Tja, ich hoffe ich habe wenigstens einige Unklarheiten beseitigt.
Herzliche Grüße und vielen Dank auch für die vielen positiven Bemerkungen.