Eigentlich wollte ich das gar nicht, aber ich habe mir Boot Camp aus Versehen auf Englisch ertauscht und es dann, nach einigem Zögern, doch gelesen. Mein Englisch war echt eingerostet und ich war froh, dass einige der Vokabeln in Fußnoten übersetzt waren.
Damit würde ich das Buch auch für Englischlese-Anfänger empfehlen.
Vielleicht ist mir aufgrund des Sprachumweges auch die Holzschnittartigkeit der Figuren nicht so aufgefallen. Vielleicht auch aufgrund dessen, dass ich das Buch in wenigen Tagen verschlungen habe.
Und ich war entsetzt. Richtig. Vor allem, als ich im Nachwort erfahren habe, dass Boot Camps genau in dieser Art in den USA exisitieren und Minderjährige nur aufgrund einer Entscheidung ihrer Eltern dort landen.
Das ist für mich unvorstellbar grausam.
Aber leider exisitiert die Vorstellung, dass man Menschen "brechen" und nach eigenen Wünschen neu aufbauen könnte, immer noch in vielen Köpfen.
"I'm in a Boot camp and its purpose is to break me down and "train" me like a cowboy breaks a bronco or a dog is taught to obey in obedience school" (S.17) schreibt Ich-Erzähler Connor über seine Situation.
Und die Art, mit der die Jugendlichen "gebrochen" werden, kann man oft genug nicht anders als mit dem Begriff Folter beschreiben.
Hier im Thread wurde ja mehrfach gesagt, dass die Leser mit Connor nicht warm geworden sind und dass sie das "Verbrechen", für das er ins Boot Camp kam, etwas unpassend fanden.
Aber je länger ich darüber nachdenke, warum Morton Rhue Connor und sein "Verbrechen" auf genau diese Art konzipiert hat, um so genialer finde ich es.
Connor ist ein hochbegabter Jugendlicher, der seine Situation in dem Boot Camp und die Mechanismen, mit denen es funktioniert, auf's genauste analysiert und durchschaut und als solche dem Leser transparent macht.
Und selbst für ihn gibt es keinen Ausweg.
Connor liebt Sabrina. Connor ist 15, Sabrina ist 25 und seine Lehrerin.
Wir erfahren von ihr nur durch seine Augen, nie kommt sie selbst zu Wort. Connor ist einfach ein verliebter Teenager, der über seine Traumfrau schreibt.
Wenn man mal die deutsche Gesetzeslage (und unsere Moralvorstellungen) als Grundlage nähme, so hat SIE das Verbrechen begangen. Connor ist das Opfer.
Und dennoch wird er hier dafür bestraft, dass eine Lehrerin eine Affäre mit ihrem minderjährigen Schüler eingegangen hat.
In meinen Augen ist das völlig absurd...
In den Augen der Boot Camp Betreiber ist das völlig egal, weil allein die Eltern entscheiden, was mit ihren Kindern passiert. Und genau das führt Morton Rhue hier eindrucksvoll vor.
Einfach, holzschnittartig - ja. Aber die Botschaft kommt an. In aller Deutlichkeit und mit allem Entsetzen.