Liebe Dschaenna, da gebe ich dir völlig recht. Es tauchen Personen auf, die ich sehr detailliert eingeführt habe, und die dann wieder verschwinden. Das hat den Grund, Judiths Perspektive einmal zu verlassen und Zeit zum "durchatmen" zu haben. Die Modelleisenbahner zum Beispiel oder der Student von Schneider Bestattungen. Sie zeigen entweder eine Situation, die Judith nicht kennt oder kennen kann - Modellbauer unter sich - , und die sie auch nicht kennenlernen wird. Dennoch möchte ich dem Leser etwas an Atmosphäre und Hintergrundwissen geben - z.B. wie Bestattungsunternehmer arbeiten und warum morgens um drei da jemand am Telefon sitzt. Würde ich schreiben "Judith wusste, dass in Berlin soundsooft gestorben wird ..." klänge das für mich irgendwie an den Haaren herbeigeholt. Wechsle ich die Perspektive, kann ich frischer, unvoreingenommener schreiben. Wie ist es so, nachts allein am Telefon zu sitzen und auf einmal jemanden in der Leitung zu haben, der sympathisch ist und was ganz anderes will als eine Bestattung? Für mich sind das farbige Tupfer, die es nicht gäbe, wenn ich beispielsweise Judith in der Telefonzelle habe und auch noch erklären muss, warum sie jetzt Schneider Bestattungen anruft. Aber ich kenne das Problem auch sehr gut, dass ich oft beim Lesen anderer Bücher überhaupt nicht mehr weiß, wer bitteschön ist jetzt Eluasson oder Angstre oder Sinclair ... vergessen. Ich gebe mir Mühe, beim Schreiben ein Bild der Menschen entstehen zu lassen und das auch wieder aufzugreifen. Kellermann zum Beispiel: Bullig, kräftig, Ringer, Boxer, arrogant, laut, knurrig ... und hoffe, dass man die Person dann wiedererkennt, wenn ich sie fünfzig Seiten später wieder erwähne. Ich werde mir deine Anregung merken und in Zukunft noch mehr darauf achten, die Personen auseinanderzuhalten. Danke! :))
Beiträge von elisabethberlin
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Gefühle ... natürlich hat Judith Gefühle. Als sie den Grabstein zertrümmert zum Beispiel. Als sie Kaiserley beim Küssen zusieht. Wenn sie die Sterne beobachtet und weiß, dass dieses Bild da oben ein Blick zurück in den Anfang aller Dinge ist und sie selbst so unendlich klein, so klein, wie man sie damals im Heim gemacht hat. Ein ganz widersprüchlicher Charakter. Und letzten Endes fühlt sie viel mehr, als sie zugibt. Für Kaiserley, für Dombrowski, und irgendwann auch für ihre Familie. Haltet durch! :))
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Ihr seid wunderbar! Vielen vielen Dank! - Die Frage nach TeeTee ist durchaus berechtigt! Aber ich habe zuvor schon versucht anzudeuten, dass der Sohn den Vater erst glühend verehrt und dann genauso sehr verabscheut hat, weil er ihn für einen durchgedrehten Irren hielt. Trotzdem hilft er ihm, und ich wollte schon, dass erst ganz zum Schluss rauskommt, was die beiden eigentlich verbindet. Trotz der einen oder anderen Kritik an Judith - ich kann sehr gut verstehen, dass sie nicht everybodies darling ist! :)) - hat sie in ihrer Art wohl doch etwas Interessantes. Mal sehen, wie es mit ihr weitergeht. Noch habe ich selbst keine Ahnung ...:))
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Und - kurioserweise, so wenig mir sonst die detailierte Beschreibung der Arbeit eines Pathologen ausmacht - hier bei der Beschreibung bin ich empfindlicher.
Keine Ahnung wieso - muß ich mal ergründen GrinsenLiebe Johanna,
ich finde auch, im Vergleich zu Beckett bin ich geradezu appetitlich abendessenkompatibel :)) - Es ist aber auch ein harter Job. Bei der Buchpremiere in Berlin war Herr Heistermann dabei, ein echter Cleaner. Was der erzählt hat ... urrrgssssss ... damit hab ich euch verschont. Also ein wenig mehr Dankbarkeit bitte! (Doppelgrins, war ein Scherz ...) -
Ich muss auch sagen, dass es mich ehrlich erstaunt hat, dass die Zahl der Handelnden offenbar zu hoch gewesen sein soll. Es gibt sieben Protagonisten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Der Rest sind Nebenfiguren, ohne die kein Buch, kein Film auskommt. Natürlich hätte ich die beiden Modelleisenbahner weglassen können, aber das wäre schade gewesen. Auch Kai bekommt noch einmal einen kleinen, aber wichtigen Auftritt. Hausmeister Fricke weglassen? Bloß nicht! Sofie ... okay, aber sie ist der Grund, weshalb Judith zum ersten Mal Eifersucht spürt und gar nicht klarkommt damit. Die Vonneguts ... wichtige Tippgeber. Die einzigen, die wissen, wo die falschen Sonnenbergs untergetaucht sind. Sie waren im kalten Krieg BND-Agenten - wie Tausende andere auch, gerade in Norddeutschland und im sogenannten Zonenrandgebiet (siehe Norbert Juretzkos "Bedingt dienstbereit", er war ein "Anwerber", der Leute geworben und technisch ausgestattet hat für den Fall, dass "Die Russen" kommen und den Westen überrennen). Das Ehepaar an der Fähre ist ein Bild dafür, dass Judith aussieht wie eine heruntergekommene Hafenhure und die Frau sich darüber abfällig äußert. Das sind die Bilder, die ich im Kopf habe und aufschreibe, wenn ich eine Szene vor mir sehe. Würde ich einen Film drehen, dann würde ich dieses Ehepaar auch zeigen. Es taucht nie wieder auf, aber es ist eine von vielen Farben, die eine Szene erst bunt machen. Ich schreibe keine Kammerspiele, sondern Geschichten fürs Kino im Kopf. Klar, dass der eine es überschaubarer, der andere es opulenter liebt. Vielleicht bin ich auch altmodisch: Ich konzentriere mich, wenn ich schreibe, aber auch, wenn ich lese. Nicht leicht in einer Welt, die alles tut, um uns abzulenken :))
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Und einige Cassetten waren richtige Liebesbriefe .... schön, dass es euch gefallen hat! Dem Verlag übrigens auch. Ich habe gerade ein Exposé abgeliefert, Arbeitstitel: Zeugin der Toten, Fortsetzung ....
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Ich muss selber immer mal gucken, wo ihr grade seid ... hochinteressante Anmerkungen! Ja, Judiths Vater war ja für die Stasi im Westen, als Romeo hat er u.a. Agfa in Leverkusen ausgespäht. In Ostberlin hatte er Frau und Kind - und dann eines Tages das Monchichi mitgebracht. Hätte ich vielleicht noch genauer thematisieren sollen. Die Frage mit den Zufällen: Christina Borg wollte mit Judith Kepler Kontakt aufnehmen, kam aber nichts dazu. Ganz am Anfang, als Kaiserley sich an ihre erste und einzige Begegnung erinnert, erwähnt sie etwas: "Warum erst jetzt?" "Das hat private Gründe. Ich bin nicht nur wegen Ihnen hier.Ich muss ein paar Dinge erledigen, bevor Sie das hier an die große Glocke hängen."
Und Juidth begeht eben den "Fehler", sich um Borg zu kümmern. Und dadurch werden eine Menge Leute auf sie aufmerksam. Ich glaube, ein Briefbote, der eine Sendung an jemanden überbringen muss, ist nicht der allergrößte Zufall. Martha hat ja erst ein paar Tage vorher das Haus Waldfrieden besucht und die Unterlagen, die sie dort versteckt hatte, geholt. Auf diese Akte wollte Borg noch warten - und kam nicht mehr dazu, sich mit Judith in Verbindung zu setzen,. -
In den ersten drei Lebensjahren entwickelt sich bei einem Menschen das, was man vielleicht "Liebesfähigkeit" nennen kann. Ich habe das selbst bei einer befreundeten Familie erlebt, die zwei Mädchen asoptiert hatten. Das erste kam mit vier, war sehr vernachlässigt worden, und ist bis heute scheu und zurückhaltend, fast übervorsichtig, was Kontakte und Freundschaften angeht. Das zweite Mädchen haben die beiden im Alter von wenigen Tagen bekommen - ein Sonnenschein, bis heute: Fröhlich, lebenslustig, optimistisch. Ich glaube, in Judith sind diese ersten fünf Jahre noch ganz tief drinnen. Und dann hat man versucht, alles auszuradieren. Ganz gelungen ist es aber nicht. Glücklicherweise.
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Freut mich sehr!!!
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Ich auch ... :))
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BND und CIA gleich? Ich vermute, da gäbe es manchen Aufschrei :)) - in Amerika ... Der BND ist ein Auslandsnachrichtendienst ohne militärische Berfugnisse. Damals war die DDR "Ausland", weshalb man sich mit Leidenschaft gegenseitig bespitzelt hat.
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Erst mal die zweite Frage: Ja, alles rund um Rosenholz ist real. Um einen ganz unpassenden Vergleich heraunzuziehen: Genauso wie das Bernsteinzimmer. Hätte ich einen Krimi über die Suche danach geschrieben, würde ich natürlich eine fiktive Lösung erfinden. In "Zeugin der Toten" waren diese realen Fakten zu Rosenholz Ausgangspunkt der Frage: Wo sind die Registraturen La-Li geblieben? Sie sind bis heute nicht aufgetauct. Also ist das schon einmal ein spannendes Thema.
Über mich gab es in der damaligen Gauck-Behörde auch eine Stasi-Akte, obwohl ich im Westteil Berlins gelebt und gearbeitet habe. Ich hatte zudem Verwandte und Freunde in der DDR. Mein ehemaliger Lebensgefährte hat fünf Jahre in Bautzen gesessen. Aber: Man muss nicht zu allem einen persönlichen Bezug haben, um darüber zu schreiben. In meiner Familei hat es defintiv keine Zwangsarbeiter gegeben, trotzdem habe ich in "Das Kindermädchen" darüber geschireben. In erster Linie interessiert mich ein Thema. Erst in zweiter Linie frage ich mich, in wieweit meine eigenen Erfahrungen dabei eine Rolle spielen. -
Judith war als Cleanerin "geplant". Aber für mich stellt sich natürlich bei einer Figur iommer die Frage, warum sie so ist wie sie ist. Niemand antwortet auf die Frage "Was wilst du denn mal werden?" - Putzfrau oder Tatprtreinigerin. Da mich deutsche Geschichte, vor allem die jüngere, sehr interessiert, wollte ich etwas über Judtiths DDR-Vergangenheit schreiben. Dazu kam, dass das Geheimnis um die Rosenholz-Dateien bis heute nicht gelüftet ist.
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Lieber Beowulf,
in diesem Buch geht es nicht um einen Jugendwerkhof, sondern um ein "normales" DDR-Kinderheim. Es war eine Station - die schlimmste - im Leben von Judith Kepler. Aber im Verlauf der Geschichte wird weniger diese Zeit aufgearbeitet, sondern der Gurnd, warum sie anstelle eines anderen Mädchens dorthin kam. Ich würde mich freuen, wenn du der Geschichte eine Chance gibst. -
Hallo! Ich freue mich sehr, dass wir uns ab heute hier in der Lesrunde treffen. Ich bin gespannt auf eure Meinung, eure Fragen, eure Kritik ... und wünsche euch auf jeden Fall erst einmal viel Vergnügen beim Lesen, sofern das bei diesem Thema nicht ein bisschen gewagt ist Ich werde jedenfalls sehr oft hier vorbeischauen! Liebe Grüße aus Berlin Elisabeth Herrmann
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Ganz kurz zu "Lilienblut": Die Hauptfigur ist die 16jährige Sabrina, die den Mord an ihrer besten Freundin Amelie aufklären will. Im Gegensatz zu "erwachsenen" Krmis geht es eher um erste Liebe als wilden Sex, von daher habe ich das Buch bewusst etwas zahmer in dieser Hinsicht geschrieben (wobei der arme Vernau ja in den letzten Jahren auch nicht allzu viel erleben durfte:)). Das Buch spielt in Andernach am Rhein, also in einer Kleinstadt und nicht im Moloch Berlin.
Ich glaube, es ist sehr gut für Erwachsene zu lesen. Die Vorgabe war, ins Thrillermilieu zu gehen, also härter zu werden, als Jugendkrimis gemeinhin sind. Ein Trend, der in Amerika wohl wesentlich heftiger ausschlägt als hier. Da ich nach wie vor nichts von Schlachtszenen im mörderischen Sinne halte, schlägt der Tod hier etwas sanfter, aber nicht weniger schmerzhaft - und nicht nur einmal -zu. Sabrina muss zudem nicht nur den Mord aufklären, sondern sich auch von der vergötterten, flirrenden, schönen, lebenslustigen Über-Freundin verabschieden und ihren eigenen Weg finden.
Ich war anfangs sehr skeptisch, ob ich überhaupt einen Zugang zu diesem Genre finden werde. Ich muss sagen, es hat mir unglaublichen Spaß gemacht, diese Geschichte zu schreiben. Ich sage das nicht nur, weil es aus meiner Feder stammt. Für mich war diese atemberaubende Erste-Liebe und die Wiederentdeckung von unglaublichen Gefühlen, zu denen man eigentlich nur als junger Mensch fähig ist, einfach wunderschön zu beschreiben. Vielleicht habe ich auch nur meine düster-romantische Ader ausgelebt ... egal.
Außerdem habe ich gehört, dass Jugendbücher zu 80% von Erwachsenen - Eltern, Großeltern, Freunde, Verwandte - gekauft und dann verschenkt werden.
Also wenn euch das Thema zu lieblich ist - dann denkt einfach an mich, wenn das Cousinchen beschenkt werden soll
Zumindest kriegt es sprachlich was mit auf den Weg ... -
Danke! Das ist das schönste Kompliment für einen Autor überhaupt. Hoffentlich bleibt es dabei! :))
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Das würde mich sehr freuen! "Die siebte Stunde" ist der zweite Fall von Vernau und Marie-Luise, und "Die letzte Instanz" der dritte. Dann ist aber erst mal ein bisschen Pause mit den beiden.
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Das ist aber völlig normal. Ich lese auch Bücher, bei denen ich manchmal nur noch Bahnhof verstehe und z.t. gar nicht mehr weiß, wer der Mörder eigentlich war. Da muss ich auch erst Mal zurückblättern. Vor allem bei den von mir sehr geschätzten skandinavischen Krimis komme ich oft durcheinander, weil ich anhand der Vornamen oft gar nicht mehr unterscheiden kann, ob das jetzt ein Mann oder eine Frau ist. Danke für dein Duchhaltevermögen!
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Joachim wurde nicht von Connie, sondern von Aaron angeschossen. "Der kleine Kevin" stimmt übrigens - Kevin ist ein solcher Allerweltsname geworden, dass ich ihn als sehr passend für einen Anfang-Zwanziger-Stundenten fand. Freut mich sehr, dass die das Buch gefallen hat!