Beiträge von Jersey

    Dimitré Dinev - Engelszungen


    Dimitre Dinev: (wikipedia)


    Geb. 1968 in Plovdiv, Bulgarien. Er machte 1987 am Deutschen Gymnasium in Pasardschik Abitur. 1990 floh er über die „Grüne Grenze“ nach Österreich, wo er aufgegriffen und zunächst im Flüchtlingslager Traiskirchen einquartiert wurde. Nachdem ihm Asyl in Österreich gewährt wurde, studierte er in Wien Philosophie und russische Philologie und lebt heute als freier Schriftstleller.


    Werke:
    - Die Inschrift" (Erzählungen), 2001
    - Engelszungen (Roman), 2003
    - Ein Licht über dem Kopf (Erzählungen), 2005



    Engelszungen


    Die beiden aus Bulgarien stammenden Migranten Svetljo und Iskren treffen einander am Grab des Serben Miro am Wiener Zentralfriedhof. Beide sind finanziell am Ende, beide sind gestrandete Kreaturen und erhoffen sich vom mittlerweile toten „Engel der Einwanderer“, der mit seinem Handy begraben werden wollte, eine Lösung für ihre miserablen Lebenslage.


    Mit dieser zugegebenermaßen skurilen Ausgangsposition beginnt ein Familienepos der Sonderklasse mit dem Hintergrund des Bulgariens des 20. Jahrhunderts.


    Zitat

    Autor Dimitré Dinev in einem Interview auf www.buchkritik.at:

    Außerdem glaube ich, dass die schrecklichsten und grausamsten Geschichten nur durch Humor vermittelbar sind. Sie werden erträglich, ohne dabei an Wirkung und Ernst zu verlieren. Sie bleiben so auch länger im Bewusstsein haften, denn man erinnert sich viel lieber an das worüber man gelacht hat. Also habe ich mich für diesen Stil mehr oder weniger bewusst entschieden.


    Es ist wiederum der Stil und die Erzählweise, die dieses Buch so fesselnd machen. Den Haupterzählstrang dieses 600 Seiten umfassenden Buches machen die Kindheitsschilderungen der beiden Protagonisten aus, die in der Zeit der Diktatur unter Todor Schiwkows aufwachsen. Iskren ist der Sohn eines einflussreichen Parteiorgans, er besucht die deutsche Schule, ihm stehen die Türen offen. Svetljo stammt aus ärmeren Verhältnissen und lernt das Leben von der anderen Seite kennen. Beide haben es mit sehr autoritären Vaterfiguren zu tun, beide wachsen im selben Dorf auf, doch sie begegnen einander nie bewusst. Immer wieder – sei es durch Personen, durch Orte oder durch Ereignisse – werden die Schicksale der beiden Familien verwebt, eingeworfene Anekdoten, aberwitzige Ideen und köstliche Details machen das Buch zu einem Gesamtkunstwerk


    Nebenbei erfährt man von der Geschichte Bulgariens vom 2. Weltkrieg, über die Revolution 1990 bis zur heutigen Zeit, von den Ängsten und Hoffnungen der Emigranten, von den Problemen, mit denen sie im Westen zu kämpfen haben.


    Besonders zu betonen ist auch, dass Dinev dieses Buch – obwohl seine Muttersprache nicht Deutsch ist – auf Deutsch geschrieben hat! Ich hatte vor einigen Wochen das Vergnügen, eine Lesung von Dimtré Dinev zu seinem Buch "Ein LIcht über den Kopf" zu besuchen. Der Autor machte einen sehr bescheidenen, überaus humorvollen Eindruck, der Spaß am Schreiben hat, selber schon viel erlebt hat und weiß wovon er schreibt!


    Für mich ein absolutes Lesehighlight 2007, eine echte Empfehlung!

    Ich habe das Buch gestern, an diesem wunderbaren Ostersonntag-Nachmittag in der Sonne sitzend ausgelesen.


    Es begann recht vielversprechend, die Ausgangssituation als solche war recht witzig und Emmi bestach durch ihre enorme Schlagfertigkeit. Die Pointen und die Ironie zu Beginn des Buches entsprechen genau meinem Geschmack von Humor.


    Doch ab der Mitte des Buches wurde es etwas zäh, irgendwie drehte sich alles im Kreis und wurde auch allmählich etwas absurd.


    Das Ende habe ich eigentlich nicht anders erwartet und erhofft



    Aber Ihr habt Recht, das Buch schreit nur so nach einer Fortsetzung (die ich allerdings dann nicht lesen werde).

    Klappentext


    Vor dreißig Jahren hatte Felicitas Stern ihre Heimatstadt verlassen. Nun ist sie als Äbtissin des evangelischen Möldenburger Klosters zurückgekehrt. Sechs Monate nach ihrem Amtseintritt hat sie sich an ihre neue Aufgabe gewöhnt und ist mit sich, Gott und der Welt zufrieden: Die neun Konventualinnen respektieren ihre neue Leiterin, und endlich werden dank eines spendablen Mäzens die spätgotischen Wandmalereien im Refektorium restauriert. Der Herbst ist idyllisch - bis eines Nachts im Klosterwald eine Leiche gefunden wird, oder das, was nach Monaten unter modrigem Laub von ihr übrig ist...


    Irgendwie habe ich Petra Oelker immer mit historischen Romanen verbunden (obwohl ich auch noch keinen von ihr gelesen habe), deswegen war ich – aber erst nach einigen Seiten – eher überrascht, dass dieser Krimi in der Gegenwart spielt.


    Es ist eine recht beschauliche Geschichte in einem beschaulichen Kloster im beschaulichen Möldenburg. Die Protagonistin – Äbtissin Felicitas Stern ist die perfekte Frau schlechthin. Sie hat den frühen Tod ihres Mannes verwunden, als Alleinerzieherin ihre Kinder nahezu zu perfekten Menschen gemacht, und kehrt nun – nach getaner Aufgabe – zu ihren Wurzeln zurück und leitet ein evangelisches Frauenkloster – natürlich mit Rücksicht, Einfühlungsvermögen, Menschlichkeit und unendlicher Freundlichkeit. Sie ist immer zur Stelle, wenn Not am Mann (oder der Frau) ist, sie findet immer eine Lösung und spart nicht mit aufmunternden und tröstenden Worten. Ohne viel Zutun wird sie in diesen Kriminalfall, der sich im Wald des Klosters ereignet, verwickelt und ohne viel Zutun wird dieser Fall auch gelöst.


    Der Krimi liest sich gut weg, der Plot ist wenig phantasievoll, das Ende vielleicht doch ein wenig überraschend. Hauptbestandteil sind die Schilderungen über das alltägliche Leben im beschaulichen Möldenburg, wo jeder jeden kennt, Gerüchte in die Welt gesetzt werden und überhaupt viel getratscht und gespeist wird.


    Alles in allem kein großer Wurf, eine mir eher unsympathische – weil zu sehr Gutmensch – Protagonistin und vorerst mein letztes Buch von Petra Oelker.

    Eigentlich mache ich um alle Bücher, die nur annähernd mit Science-Fiction zu tun haben, einen großen Bogen – Kazuo Ishiguro hat mich aber eines Besseren belehrt.
    In nüchterner, distanzierter Sprache erzählt er von einer Zukunftsvision, als wäre sie heute schon alltäglich. Die Protagonistinnen Kathy, Tommy und Ruth sind wie Menschen von nebenan, ich hoffte, bangte und litt mit ihnen und schüttelte fassungslos den Kopf über die dahinterstehende Idee.
    Eine Warnung, wohin uns die Wissenschaft führen kann und dass die Setzung einer ethischen Grenze in Bezug auf Gentechnik verdammt schwierig ist. Ebenso ein Zeugnis dafür, wie gruppendynamische Merkmale entstehen, ein Buch über Loyalität, Freundschaft, Ausgrenzung und passive Anpassung an ein System.



    Am Schluss bleiben einige Fragen offen, was mich aber nicht weiter störte. Ishiguro lässt Platz für eigene Gedanken, Schlüsse und Szenarien.


    Ich persönlich finde den Originaltitel passender und treffender!

    Ich fühle mich auch direkt angesprochen, habe diese Zeile jetzt auch entfernt, kann aber auch nichts "Dreistes" daran finden.


    In vielen Signaturen von Mitgliedern gibt es Links zu Blogs, Web-Sites, etc.


    OT: Easter Parade
    Verlag DVA (Februar 2007)
    304 Seiten
    ISBN: 978-3421042613


    Eine „Easter Parade“ findet am Ostersonntag auf der 5th Avenue zwischen 49. und 57. Straße statt. Sie ist eine New Yorker Tradition, die bis in die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts zurückgeht, als die soziale Elite nach dem Kirchbesuch die 5th Avenue entlang schlenderte, um ihre neuen Hüte und Kleider bewundern zu lassen. (Glossar, S. 296).
    Esther Grimes, genannt Pooky, möchte so gerne zur „besseren Gesellschaft“ gehören. Ihr selber misslingt es, sie wechselt ständig den Job und den Wohnsitz, ihre Ehe scheitert, sie flüchtet sich in den Alkohol und setzt ihre Hoffnungen daran, dass es ihren Töchtern Sarah und Emily besser ergeht.
    Während die extrovertierte, hübsche Sarah früh in eine angesehene Familie einheiratet, sesshaft wird und 3 Söhne großzieht, macht die introvertierte, belesene Emily nach ihrem Studium Karriere als Journalistin und Werbetexterin, ist selbstständig, flexibel und unabhängig. Beide scheinen das Leben zu leben, das sie sich immer gewünscht haben, und das auch den Erwartungen ihrer Mutter entspricht.
    Doch wie bei der alljährlichen „Easter Parade“ trügt der Schein. Sarahs Ehe ist geprägt von permanenter Geldnot und Brutalität, doch diese Wahrheit sickert nur langsam nach außen durch. Emily hingegen genießt materiellen Wohlstand, stürzt sich von einer Beziehung in die nächste, gerät aber immer wieder an die „falschen“ Männer. Auch sie erkennt, dass ihre tiefsten Sehnsüchte nicht erfüllt werden können. Träume platzen wie Seifenblasen und es fällt allen dreien schwer, sich mit der Realität abzufinden bzw. sich selber einzugestehen, dass ihr Leben in Wirklichkeit ein Desaster ist und am Ende nur eine abgründige Einsamkeit geblieben ist.


    Dieses Werk des bereits 1992 verstorbenen Richard Yates erschien im Jahr 1976, wurde aber erst jetzt übersetzt. Ein Blick auf seine Biografie lässt die Vermutung zu, dass er viele persönliche Erfahrungen und Erlebnisse in diesem Buch verarbeitet hat. Yates beschreibt anhand des Schicksals dieser drei Frauen über eine Zeitspanne von 40 Jahren auf sehr nüchterne, düstere, aber eindringliche Weise das Leben des amerikanischen Mittelstandes mitsamt der Sehnsüchte, Träume und auch Verlogenheit. Er vermittelt beeindruckende und beklemmende Einblicke in das Amerika der 30er bis 70er Jahre und mir wurde bewusst, dass es auch heute nichts an Aktualität verloren hat.


    Eine absolute, uneingeschränkte Empfehlung nicht nur für Leser, die eine klare, nüchterne Sprache lieben, sich gerne mit den Themen des Lebens auseinandersetzen und nachdenkliche Bücher mögen.


    edit: Ich habe eine Verlinkung entfernt

    Klappentext
    Unergründlich und scheu ist er, Dorst, der Held in Annette Pehnts kraftvollem erstem Roman. Er läuft in den schwarzen Anzügen seines toten Vaters herum, erzählt als selbsternannter Reiseführer von Limonadebrunnen und Honigfrauen. Seine Phantasie ist grenzenlos, die Nähe zu anderen nicht. Vor allem nicht zu seiner Mutter und ihrem neuen Freund. Erst als Dorst die junge Elner trifft, scheinen seine Zurückhaltung und seine Rastlosigkeit ein Ende zu finden.


    Dorst ist ein Sonderling, ein zielloser, seine Unabhängigkeit liebender Mensch, der Menschenansammlungen genauso verabscheut wie Reglementierungen und feste Pläne. Sobald er sich in irgendeiner Weise eingeengt oder in Besitz genommen fühlt, sucht er das Weite. So wird "Ich muss los" zu seiner Lebensdevise.


    Aus ungeordneten, nicht chronoglischen Erzählfetzen erfahren wird, dass er schon früh seinen Vater verloren hat, während seiner Schulzeit kaum Freunde hatte und eigentlich ein sehr einfaches, unspektakuläres Leben führte. Er unterhielt die eine oder andere Liebesbeziehung, doch nichts war von Dauer oder hatte Beständigkeit. Er war ein sehr guter Schüler, doch nach seinem Einser-Abitur jobbte er als "Reiseführer der anderen Art" in seiner Heimatstadt. Dort lernt er auch Elner kennen, jene Frau, der es vielleicht gelingen könnte, ihn aus seiner Reserve zu locken ....


    Ich gewann Dorst unheimlich lieb. Seine Naivität, sein Leben im Hier und Jetzt ohne einen Gedanken auf die Zukunft zu verschwenden, sein natürlicher Instinkt, auch seine unbeirrbare Menschenkenntnis und seine Prinzipien machen ihn zu einem sehr liebenswerten Menschen, mit dem man leidet und dem man einfach von Herzen wünscht, dass er jemanden findet, der ihn akzeptiert, so wie er ist.


    Ein ganz, ganz wunderbares Buch von einer sehr bemerkenswerten Autorin!

    Ein ganz, ganz großartiges Buch!


    Oft fälschlicherweise als "Abenteuerroman" bezeichnet, das ist er in der Tat nicht.


    Für mich ist dieser Roman ein großartiges Psychogramm. Elizabeth Cook, eine starke, sehr moderne Frau, die zweifelsohne ihrer Zeit voraus war. Ihre Lebensfreude, ihre Tatkraft, ihr Kampfwille und ihre Energie werden von den vielen Schicksalschlägen und Enttäuschungen untermauert, und am Ende - sie überlebt ihren Mann und alle ihre Kinder - bleibt eine gebrochene, alte Frau, innerlich zerrissen vom ständigen Zwiespalt zwischen Verstand, Pflicht und Gefühl.


    Zitat

    Original von geli73
    Doch immer, wenn James wiederkam, lebte sie auf. Und das bemerkt man auch beim Lesen.


    Ich hatte eigentlich einen gegenteiligen Eindruck. Während der Abwesenheit ihres Mannes "schupfte" sie den Laden, wusste, was sie wollte, kämpfte für ihre Kinder, hatte alles im Griff. Natürlich war alles auf die Heimkehr ausgerichtet, aber dennoch hatte ich nie das Gefühl, sie wäre hilflos ohne ihren Mann.
    Wenn er aber zuhause war, war sie wie ausgewechselt. Unsicher, fast unterwürfig stellte sie ihre Bedürfnisse total in den Hintergrund, "versteckte" sich hinter ihrem Mann, was sie bei Gott nicht Not hatte!
    Ich habe es zumindest so empfunden.


    Alles in allem ein ganz großartiges Buch über eine großartige Frau! Mir hat sehr gut gefallen, dass Elizabeth Cook nicht als "Heldin" dargestellt wird. Sie hat Ecken und Kanten, verhält sich auch oft fragwürdig und gerade das macht sie so menschlich! Von mir eine absolute Leseempfehlung!

    Inhalt von amazon.de


    John Updikes Roman »Hasenherz«, Auftakt des Zyklus über seinen Helden Harry Angstrom, gehört längst zur modernen Weltliteratur. Der Warenhausverkäufer Angstrom, ein blonder Hüne mit zierlicher Nase, die ihm den Spitznamen »Hasenherz« einbringt, hat Glück bei den Frauen – aber er bringt ihnen keines. Er verläßt Frau und Kind und versucht, seine ruhelose Sehnsucht in der wilden Liebe zu einer Gelegenheitsprostituierten zu stillen. Nach einem tragischen Ereignis in seiner Familie kehrt er jedoch zu ihr zurück, ...


    Ich bin mit sehr großen Erwartungen an dieses Buch herangegangen, war es doch mein erster Updike und hatte ich schon viel Lobenswertes über ihn gehört.


    Umso enttäuschter war ich nach der Lektüre. Woran es lag? Sicherlich nicht nur an dem fürchterlichen Cover meiner Ausgabe (siehe Abbildung unten) :zwinker:


    Einerseits ist es sicher die Figur des Harry "Rabbit" Angstrom, die mir einfach zutiefst zuwider ist. Ich habe keinerlei Verständnis oder Sympathie für Männer, die sich vor Verantwortung drücken, Problemen aus dem Weg gehen, Schwierigkeiten davonlaufen und nur "das Eine" im Kopf haben. "Davonlaufen" - das ist die Devise von Rabbit und es ist unfassbar, wie gut er mit dieser Methode fährt. Und immer wieder findet sich jemand, der ihm weiterhilft, wo er Zuflucht findet, und immer wieder landet er auf den Beinen. Aber vielleicht liegt die Bedeutung Updikes darin, dass er genau dieses Phänomen so großartig beschreibt.


    Andererseits sind es wohl auch die ersten ca. 150 Seiten (von insgesamt 315), durch die ich mich sehr gequält habe. Die langatmige, ausufnernde Beschreibung der Flucht durch Amerikas Wildnis stießen bei mir auf keinerlei Begeisterung. Ohne dem festen Vorhaben, endlich einmal "einen Updike" zu lesen, hätte ich wohl nicht durchgehalten.


    Updike schreibt unbestritten gut, denn diese Oberflächlichkeit der Gesellschaft bringt er einfach gut rüber, auch viele andere gesellschaftskritische Themen werden angesprochen. Doch insgesamt bin ich doch einigermaßen enttäuscht.


    Hasenherz ist der Beginn der sogenannten "Rabbit-Pentalogie", welche folgende Bände umfasst (lt. wikipedia)


    1960 - Rabbit, Run (dt. Hasenherz, 1976)
    1971 - Rabbit Redux (dt. Unter dem Astronautenmond, 1978)
    1981 - Rabbit Is Rich (dt. Bessere Verhältnisse, 1983)
    1990 - Rabbit at Rest (dt. Rabbit in Ruhe, 1992)
    2002 - Rabbit Remembered (dt. Rabbit, eine Rückkehr , 2002)


    Ich habe von Tim Parks bisher nur "Schicksal" gelesen und fand es ganz, ganz großartig. Es war eines der Highlights im Lesejahr 2006.


    Herr Palomar : Du scheinst ja Tim Parks-Kenner zu sein, welches Buch könntest Du empfehlen? Ich habe mir fest vorgenommen, weitere Tim Parks Bücher zu lesen, und mit "Weißes Wasser" bin ich da wohl nicht so gut beraten ....

    OT: "Från doktor Klimkes horisont"
    btb Verlag, 2007
    288 Seiten
    ISBN: 978-3-442-75147-1


    „Das Leben steckt so voller beunruhigender und schrecklicher Ereignisse, dass es vollkommen ausreicht, daneben zu stehen und zuzusehen.“
    Mit diesem Zitat beginnt die dritte von insgesamt sechs – auf den ersten Blick voneinander unabhängigen - Erzählungen, die Håkan Nesser in diesem Buch präsentiert.


    Die Protagonisten sind ganz alltägliche Menschen, Leute von „nebenan“, deren Leben plötzlich und meist ohne eigenes Zutun eine Wendung erfahren.


    Wie der Titel schon verrät, geht es um die Perspektive, aus der ein Ereignis beobachtet wird und so kann es schon mal sein, dass vermeintlich Unschuldige zu Tätern und mutmaßliche Mörder rehabilitiert werden.
    Der Leser begegnet einem Schriftsteller, der in Venedig nach neuen Ideen sucht und sich plötzlich in einer sehr verhängnisvollen Situation wiederfindet; einem Sprachlehrer, der von seiner seit 30 Jahren tot geglaubten Jugendliebe eine Botschaft erhält; einer 10-jährigen, die für ein Haustier vor gar nichts zurückschreckt; einem Lehrer, der infolge des Todes einer Schülerin seinen Beruf von einer ganz anderen Seite sieht; und einem Professor, dem seine krankhafte Eifersucht um den Verstand bringt.


    Es sind keine „Kriminalgeschichten“ im herkömmlichen Sinn, es gibt weder Kommissare noch Detektive. Håkan Nessers Sprache ist klar, prägnant und nüchtern. Er verarbeitet psychologische und philosophische Elemente und verleiht seinen Geschichten etwas Mysteriöses und sehr Verstörendes. Was zu Beginn locker und belanglos erscheint, spitzt sich zu überraschenden Wendungen zu und verursacht richtiggehend Gänsehaut und die Botschaften „zwischen den Zeilen“ hinterlassen einen schalen Nachgeschmack. Wiederkehrende Motive und auch Figuren verweben die einzelnen Erzählungen zu einem rundum stimmigen, intelligent durchdachten und spannenden Buch bis zur letzten Seite!

    Hallo!


    Ich habe auch ganz ähnliche Erfahrungen mit dem Buch gemacht! Ich bin großer Fan von E.-E. Schmitt, doch nach diesem Buch war ich echt enttäuscht.


    Es sollte das 4. und letzte Werk der Tetralogie der Weltreligionen, behandelnd die Religion des Buddhismus, sein. Ich ging mit großen Erwartungen an dieses Büchlein heran (das im Übrigen nur 90 großgeschriebene, tw. nur halb beschriebene Seiten umfassst), war ich doch von "M. Ibrahim..." und "Oskar..." schlichtweg begeistert.


    Leider entpuppt sich diese Erzählung als sehr legenden- und parabelhaft. Mir fehlte der Bezug zum täglichen Leben, die Einbindung der Religion in den Alltag der Buddhisten und Ansätze zum besseren Religionsverständnis.


    Die Geschichte erzählt hauptsächlich die Legende des Milarepa, handelt von Gleichnissen und Träumen. Eine Rahmenhandlung im Paris der heutigen Zeit (die aber sehr künstlich und aufgesetzt wirkt) rundet das Buch ab. Vieles verstand ich schlicht und ergreifend nicht, so auch den tieferen Sinn dieses Buches (sollte es einen haben).


    Zum Glück war das Buch aus der Bibliothek geliehen!

    In insgesamt 5 „Episoden“ im Zeitraum von 1945 bis 1981 wird das Leben des Anton Steenwijk erzählt, der eigentlich dieses Erlebnis verdrängen und die Vergangenheit ruhen lassen will. Doch immer wieder wird er mit Menschen und Szenen konfrontiert und das Erlebte begleitet und überschattet sein Leben.
    Der Stil ist nüchtern, fast beiläufig wird die Geschichte „erzählt“, ohne aber Distanz zum Protagonisten zu erzeugen.


    Es ist die Frage nach der Schuld, die sich wie ein roter Faden durch das 200-Seiten-Buch zieht.
    Sind die Deutschen schuld? Sind es die holländischen Kollaborateure oder gar die Widerständler, die den Polizisten erschossen haben? Wären da noch die Nachbarn, die auch ihre Finger im Spiel hatten ….


    Anton beginnt zu verstehen, dass es keinen „Schuldigen“ gibt, bzw. dass man, um die Schuldfrage zu klären, wohl bis zu Adam und Eva zurückkehren muss.


    Es gibt viele Bücher, die sich mit der Vergangenheitsbewältigung und dem Thema 2. Weltkrieg beschäftigen. Aber dieses Buch behandelt die Thematik in einer Form, die mich sprachlos macht. Neben Imre Kertesz’ „Roman eines Schicksallosen“ ist „Das Attentat“ für mich ein ganz wichtiges Buch, das jeder gelesen haben sollte! Aufrüttelnd, nüchtern, ohne anzuklagen, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Besserwisserei und es hinterlässt das Bewusstsein, dass man sehr vorsichtig sein soll mit Pauschalverurteilungen und Schuldzuweisungen!


    Ganz große Literatur!

    Großartig, wie die Autorin die Welt des jungen Erwachsenen (ist er schon erwachsen? - Eher nicht) Lutz einfängt, wie er sich "seine" Welt zusammenreimt und zurechtlegt. Getrieben von Schuldgefühlen, aber auch von Besserwisserei, von nach außen gezeigter "Coolness" und innerer Einsamkeit, Zerrissenheit und Orientierungslosigkeit.
    Vieles ließe sich verhindern, würde man einfach mehr miteinander reden. Jugendliche brauchen mehr als ein Dach über den Kopf und ein Essen auf dem Tisch! Diese "Binsenweisheit" wird von Ariane Grundies aber sehr lakonisch, mit skurrilen Elementen und großem Einfühlungsvermögen vermittelt!


    Ich hoffe, von dieser Autorin noch öfter zu hören