Ich hatte in diesem Zusammenhang ein Erlebnis, das vielleicht bezeichnend ist. Ich hatte vor Jahren mit einer Frau zu tun, die mitten in der Nacht aufwachte, weil sie ihren dreißigjährigen Sohn "Mama!" hatte rufen hören - nicht panisch, nicht verzweifelt, aber fordernd und irgendwie "unwirklich". Das war eine sehr sensitive Frau, und sie stand danach auf und setzte sich in den Korridor neben das Telefon, denn sie ahnte, dass es klingeln würde. Das tat es auch tatsächlich, denn ihr Sohn war bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen.
Sie stand damals neben mir vor dem Körper ihres einzigen Kindes und stellte ganz lapidar fest, das sei er nicht mehr. Und dann meinte sie, das könne er ja auch gar nicht mehr sein, denn er habe sie ja gerufen, als er ging.
Ganz simpel formuliert und nach meinem persönlichen Empfinden völlig richtig auf den Punkt gebracht.
Beiträge von dbhellmann
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So ist das in den allermeisten Fällen! In der Hospiz-Ausbildung haben wir gelernt, dass sie davon ausgehen, dass es für den Sterbenden sehr viel einfacher ist, wenn niemand "Bindender" im Raum ist. Weshalb man als Angehöriger, wenn man selbst soweit ist, auch mal ganz bewußt ein paar Stunden gehen sollte, um dem Sterbenden die Zeit und den Raum zu schaffen zu gehen.
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Hier war die Frage, die ich vergessen hatte! "Er hört Sie nicht!" sagt Helen im Traumaraum zu Charlotte.
Nein, ich glaube wirklich nicht, dass diese Patienten irgend etwas sehen, hören, spüren. Diese Patienten, damit meine ich hirntote Patienten. Ihre Körper sind leer, das Wunder der Transformation vom Leben in den Tod hat bereits statt gefunden, doch ermöglichen uns modernste Technik, die Hülle eine Weile am Leben zu erhalten, um einzelne Bestandteile der Hülle gegebenenfalls weiter zu verwerten.
Angehörige fragen mich das natürlich oft. Manche spüren eine gewisse Präsenz des Verstorbenen, doch würden sie die in solchen Fällen auch spüren, wenn sie nicht neben seinem Körper säßen. Ich selbst habe zuweilen auch das Gefühl, wenn ich mit den Patienten allein im Raum bin, als sei noch jemand dort. Aber nicht IN dem Körper. Eher daneben, hinter mir. Das ist längst nicht immer so, aber es kommt vor. Und laut dem menschlichen Gegenstück zur Romanfigur Doktor Kidder ist es nix als Einbildung.
Aber wie gesagt beziehe ich diese Empfindungen auf hirntote Patienten. In Gegenwart von komatösen oder sterbenden Patienten sollte man jedes seiner Worte sorgsam abwägen und möglichst sogar aufpassen, worüber man nachdenkt. Wer neben dem Bett eines Sterbenden sitzt und sich überlegt, was er noch einkaufen muss fürs Wochenende, darf sich nicht wundern, wenn der Patient plötzlich unruhig wird.
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Nur wenige Menschen gelangen zu der Erkenntnis, dass sie den Tod eines geliebten Menschen erleben "dürfen", denn das Dürfen geht weit über die eigene Empfindung hinaus.
Das Sterben ist die intimste Erfahrung, die ein Mensch in seinem Leben macht, und die meisten Menschen möchten diese Erfahrung mit niemandem teilen. Schon gar nicht mit jemandem, dem sie im Leben sehr eng verbunden waren, und von dem sie jetzt einfach befürchten müssen, dass er sie im entscheidenden Moment aus emotionalen Gründen nicht gehen läßt. Weltliche Bindungen haben enorme Kraft. Eine Mutter kann sich wochenlang mit dem letzten Stück des Sterbens herumquälen, weil eines ihrer Kinder schlichtweg noch nicht soweit ist, sie gehen zu lassen. In funktionalen Familien ist das bewußte Sterben an einer tödlichen Krankheit ein regelrechte Gemeinschaftsproduktion.
Bei der Hospizarbeit versucht man unter anderem, diese Produktion im Interesse des Patienten voranzutreiben. Künstlich klappt das nicht, denn Menschen, die "bewußt" sterben, haben sehr viel feinere Sensoren als wir. Sie hören auch zwischen den Worten und sehen mit geschlossenen Augen, fühlen mit jeder Faser ihres Ichs (wobei mir auffällt, dass ich da noch eine andere wichtige Frage beantworten muss, die muss ich nur erst wiederfinden).
Aber gleichgültig, wie gut eine Familie vorbereitet ist, und wie prima sie alles macht: Ich habe es unzählige Male erlebt, dass die Patienten in dem Moment starben, in dem nur ich im Raum war, die eine Person im Haus, deren offizieller Job es war, dieses Sterben zu begleiten. Mir konnten sie bedingungslos trauen, blieb nur der eine Moment abzuwarten, in dem Jenny draußen eine Zigarette rauchte, Jackie sich eine Jacke holte und Arthur mal gerade auf dem Klo war.
Sprich: Wer als nächster Angehöriger DA sein darf in diesem einzigartigen Augenblick eines menschlichen Lebens, bekommt damit eine letzte Frage beantwortet, die er vielleicht nie gestellt hat: Ja, ich weiß, dass du mich liebst, und ja, ich vertraue dir - mit meinem Sterben.
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Mit dieser Frage hier läßt sich, glaube ich, so einiges beantworten, was bisher angesprochen wurde. Nein, die Jodie Lang war nicht die Mary van Houten oder mit der verwandt. Ja, Menschen wie ich ziehen solche Leute wie magisch an. Und ja, zum Teil liegt das daran, dass mein Mann Psychiater ist.
Ein Psychiater und seine Familie haben immer Groupies. Zumeist sind das Leute, die gut und eng mit jemandem befreundet sein wollen, der ihnen mal eben ein Rezept für Pillen ausstellen kann, vorzugsweise welche, die dem Betäubungsmittelgesetz unterliegen. Wenn sie feststellen, dass sie da keine Chance haben, ziehen sie nicht etwa ab, sondern verziehen sich grimmig in den Hintergrund, denn wer weiß, vielleicht hat der nächste Bittsteller ja Glück, und dann könnte man den ja bitten, ob er einem von den "Brosamen" was abgibt.
Ich selbst bin ein Mensch, der nicht nur gern zuhört, ich habe mir sagen lassen, dass ich auch ausgesprochen gut zuhören kann, wie ich mir habe sagen lassen, dass das eine Eigenschaft ist, die heutzutage selten geworden ist. Durch meine ehrenamtliche Tätigkeit und durch die Arbeit meines Mannes, die hin und wieder natürlich auch schon mal ins heimische Leben überschwappt, mußte ich zudem gewisse Dinge bewußt LERNEN. Dazu gehört, mich vor der Konfrontation mit einem Menschen im "Distress", wie das hier so schön heißt, selbst ganz zu leeren oder zurückzustellen. Was in meinem Leben ist, belastet oder glücklich macht, muss ganz weg, und man selbst richtet sich her zu einer Art von Auffangstation. Man läßt ES an sich heran, aber nicht in sich hinein.Nun habe ich durch meine Arbeit festgestellt, dass man dieses Verhalten auch in seinem Privatleben als Akt der Nächstenliebe praktizieren kann, wenn es situationsbedingt erforderlich wird. Das, in Verbindung mit dem Umstand, dass mein Mann Psychiater ist (Fachbereich Forensik) zieht eine Gruppe von Menschen an, zu denen Jodie Lang gehörte. Schwerst mental und psychisch kranke Individuen mit soziopathischen und/oder narzissistischen Persönlichkeitsmerkmalen, die mich für sich gewinnen und meinen Mann überlisten wollen. Es war für die wirkliche Jodie ein japanisches Kirschblütenfest, meinem Mann ihre Stories unterzujubeln. "She out-psyched the psychiatrist." Für ihren kranken Geist war das ein monumentales Erfolgserlebnis.
Derweil ist es mir bei solchen Jodies als Nicht-Fachmann nicht möglich, das Kranke und damit potentiell Gefährliche als solches zu identifizieren. Ich verfüge lediglich über eine stark ausgeprägte Sensibilität, und ich habe nach Jodie gelernt, dieser Sensibilität zu entsprechen. Damals hatte ICH oft schreckliche Angst in ihrer Gegenwart. Ich hatte auch Angst, wenn ich ihren Namen auf der Anruferidentifikation sah. Hatte aber mindestens ebenso große Angst, wenn sie sich tagelang nicht meldete. Vor ihr hatte ich in Wahrheit keine Angst, das war mir nur nicht bewußt, und deshalb hielt ich die Gefühle für lächerlich und habe sie verdrängt. Ich hatte Angst vor ihrer Krankheit, vor ihrer Soziopathie, vor ihrem Narzissismus. Seit damals schlage ich sofort Alarm, wenn ich derartige Empfindungen bekomme. Und die Jodies dieser Welt warten immer irgendwo auf mich, da darf ich sicher sein. Ihre Stelle hätte allein im letzten Kalenderjahr bereits zweimal neu besetzt werden können.
Diese Menschen sind zwar krank, aber nicht dumm, alles andere als dumm. Sie beginnen ein Gespräch nicht mit den Worten "Hallo" oder "Wie geht's?", sondern mit: "Ich brauche Hilfe!" und "Hast du mal einen Moment Zeit für mich?" Und da unter denjenigen, die so etwas sagen, auch einmal ein echt Notleidender sein könnte, bedarf es immer einer gewissen Zeit, bis man weiß, wo man dran ist.
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Fotos gibt es nicht, so was machten wir damals noch nicht, aber ich war "ein gutes Mädchen" und hatte zu gross gestrickt. Worauf er natürlich stolz war.
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Das ist eine kurze Frage, die einer längeren Antwort bedarf! Ich bin ein tief religiöser Mensch und empfinde den Tod deshalb anders als das Gros der Menschen, mit denen ich es bei meiner Arbeit im Trauma Center und früher beim Hospiz zu tun bekomme.
Es ist heute sehr schick geworden zu glauben, dass der Weg das Ziel IST. Ich habe in einem Arbeitsbereich zu tun, in dem sich täglich zeigt, dass der Weg in Wahrheit ein Ziel HAT. Und dass der Weg dieses Ziel hat, ist das Einzige, was uns Menschen de facto wirklich miteinander verbindet. Irgendwann werden wir alle diesen einen Schritt gehen vom Leben in den Tod, der eine früher, der andere später.
So tragisch es einerseits auch ist, morgens zu einem geliebten Menschen zu sagen "Bis später, Schatz" und Stunden später vor seinem Leichnam zu stehen, so rasch und vergleichsweise schmerzlos war die Transformation doch für den Betroffenen. Er oder sie mußte nicht monatelang leiden.Da ich zutiefst davon überzeugt bin, dass kein Mensch einsam stirbt, dass Gott einen Jeden von uns "abholt" oder "abholen läßt" und wir auch alle gern gehen, wenn der Augenblick gekommen ist, gelingt es mir in den meisten Fällen recht gut, diese Geisteshaltung im Moment des ersten Schocks zu vermitteln. Es geht hier ausnahmsweise mal nicht um die "Ich-Meiner-Mir-Mich"-Ego-Manie unserer Zeit. Dass ICH meinen Mann oder meine Mutter verloren habe, ist in diesem Moment nicht wichtig. Mann oder Mutter sind angekommen, wo wir alle irgendwann ankommen werden, und bei allem Schmerz über den eigenen Verlust, ist das ein Grund, wenn auch nur für einen Moment, inneren Frieden zu empfinden. Da wurde etwas Einmaliges VOLLBRACHT. Für ein Leben in unserer ehemaligen Mitte hat sich der Kreis geschlossen.
Ich kann nach einer anstrengenden Schicht weder fernsehen, noch lesen, Musik hören oder schlafen. Zumeist setze ich mich einfach nur hin, versuche eventuell zu beten, und lasse ansonsten meine Gedanken fließen.
Gerade in den USA und ganz besonders hier im Glitz und Glamour von Los Angeles ist JEDER zu jung, wenn er stirbt. Die Leute wollen hier glauben, die durchschnittliche Lebenserwartung erreiche locker die 120 - man braucht nur die richtigen Vitamine und Mineralstoffe und jede Menge Botox. Dass eine Siebzigjährige beim Joggen (!) am Herzinfarkt stirbt, können sie sich nicht erklären.
Und dann haben wir die Sechzehnjährige, die das erste Mal mit Papas Auto fährt und nie nach Hause kommt. Natürlich weinen in einem solchen Fall alle, weil sie nie heiraten, nie Kinder haben, nie erleben wird, wie ihre Kinder am ersten Tag in die Schule gehen. Es wird nicht erwogen, dass besagte Sechzehnjährige - hätte sie weitergelebt - vielleicht mit 25 mit ihrem eigenen Auto mit einen Schulbus köllidiert wäre und damit das Leben von 20 Kindern beendet oder für immer verändert hätte.Das Leben eines jeden Menschen hat seine ureigene Zeitrechnung. Und wir können noch so viele Uhren besitzen, wie spät es wirklich ist, weiß keiner von uns. Wenn die Zeit abläuft, ist es IMMER der richtige Zeitpunkt. Wer zurückbleibt, versteht das dann zwar nicht, aber wir müssen auch nicht alles verstehen im Leben.
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Es freut mich sehr, dass Roger für allgemeine Heiterkeit sorgt, denn er ist meine Hommage an einen Mann, den ich kannte, als ich noch eine sehr junge Frau war. Dieser Mann hatte eine innige, zuweilen aber auch zwiespältige Beziehung zum "Lümmel", denn der Lümmel war oftmals nicht der gleichen Ansicht oder Stimmung wie sein Eigner. Da ich damals eben noch sehr jung und unsäglich verliebt war, habe ich nicht viel darüber nachgedacht. Ich hatte männermäßig kaum Vergleiche und glaubte, alle Männer hätten einen Lümmel mit eigener Identität (ich hielt das sozusagen für eines der "Geheimnisse" in Beziehungen zwischen Männern und Frauen, über die keiner ein Wort verlor). Im Nachhinein hat das dann natürlich zu manchem Lachkrampf geführt, ist ja logisch. Übrigens stellte der Lümmel damals den Anspruch, zu Weihnachten auch etwas geschenkt zu bekommen. Und ich, gerade 22, habe artig ein Lümmeljäckchen gestrickt, weiß, mit zartblauen Noppen ...
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Ein paar Worte zu dem Begriff Trauma-Zentrum: Wie in Deutschland haben auch in den USA viele Krankenhäuser - längst nicht mehr alle - eine Notaufnahme. Die ist der "Emergency Room" oder "ER". Vergleichsweise wenige Einrichtungen haben daneben ein Trauma-Zentrum, ein so genanntes "Level 1 Trauma Center", wie es in "Zeit der Freundinnen" beschrieben wird. Dort gibt es die räumlichen und technischen und medizinischen Möglichkeiten, Menschen, die in akuter Lebensgefahr schweben zu "retten", i.e., zu diagnostizieren und zu stabilisieren, damit sie anschließend effektiv chirurgisch, neurochirurgisch oder intensivmedizinisch weiterversorgt werden können.
Ein engerer Patientenkontakt kommt in diesem speziellen Arbeitsfeld kaum zustande. Das Trauma-Team "klotzt ran", und wenn sie erfolgreich sind, geben sie den Fall weiter und kümmern sich um den nächsten Patienten. Was mit ein Grund dafür ist, dass manche, die in diesem Bereich arbeiten "so gar kein Einfühlungsvermögen haben". Sie lernen das in diesem Alltag nicht, und wenn man ehrlich ist, muss man zugeben, dass sie es eigentlich auch nicht brauchen. Man hat ja lieber, dass Papas Bein dran bleibt, statt mitzuerleben, dass es amputiert wird - der Arzt beim Sägen aber mehrmals seinem außerordentlichen Bedauern Ausdruck verleiht ... (schreibe ich natürlich mit einem Augenzwinkern)
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Wenn ich als Kind fragte, wo ich mit etwas anfangen sollte, meinte meine Mutter immer lapidar: "Am besten vorne!" (Die Frau hatte viel häufiger Recht, als ich ihr damals zubilligte.) Also halte ich mich hier mal brav an Mamas Rat und fange bei der Beantwortung der inzwischen gestellten Fragen vorn an.
Ich habe "Zeit der Freundinnen" mehr "aus dem Bauch" heraus geschrieben als jedes andere meiner Bücher. Der Auslöser dafür war die Frau, die im Buch Jodie Lang heißt. Ich bin ihr unter anderen Umständen begegnet, und sie schlich sich in der Realität noch sehr viel heimlicher in mein Leben, bevor sie es vollends auf den Kopf stellte.
Mein Mann ist Psychiater von Beruf, und wenn ich auch gern behaupte, den "Psychiater im Haus" zu haben, so ist doch eigentlich genau das Gegenteil der Fall. Wie viele Psychiater (nicht alle) will mein Mann daheim nichts von psychischen Problemen hören, aber sollten die Kinder und ich welche haben, ist er allzeit gern bereit, uns einen Termin bei einem Kollegen zu machen.
Aus diesem Grund habe ich damals monatelang für mich behalten, wie "verrückt" mich diese "Jodie" machte, denn ich selbst konnte nicht ahnen, womit ich es hier zu tun hatte.Da es mir im Nachhinein schwer fiel, diese Verbindung zu verarbeiten, habe ich angefangen, darüber zu schreiben, und daraus entwickelte sich „Zeit der Freundinnen“ – ein Titel, um den ich mit meinem Verlag ringen mußte, denn die wollten das Buch „Charlottes Sonnentage“ nennen und ein noch fröhlicheres Cover wählen (man ist in Deutschland überzeugt davon, dass der Leser „positive“ Bücher will – die Leute, die von so etwas überzeugt sind, sitzen bei den Verlagen in der Finanzabteilung und haben mit „dem Leser“ nur selten zu tun). Die Personen, die im Buch beschrieben werden, gibt es alle real, wenn sie auch im wirklichen Leben nicht ganz so "extrem" sind und zum Teil andere Hintergründe haben.
Ich selbst arbeite in einer Notaufnahme in dem Job, den Helen im Buch macht. Ich mache das aber nur ehrenamtlich und deshalb nie länger als zwei Tage (oder Nächte) hintereinander - weshalb ich nie in den Genuss komme, mich an die Nachtschicht zu gewöhnen. Außerdem bin ich in puncto Schlafentzug ein wandelnder Jammerlappen, habe schon als junges Mädchen keine Nacht durchmachen können. Eine echte Charakter- oder Körperschwäche.
Ich mache die Arbeit im Traumazentrum ehrenamtlich, weil es bei uns wie in Deutschland für diesen Arbeitsbereich keine Planstellen gibt. Man hatte mir den "Job" vor Jahren angeboten, nachdem ich zuvor viele Jahre Hospizarbeit gemacht hatte.Ich schaue mir jeden Patienten in Ruhe an, bevor die Angehörigen in den Raum gelassen werden. Es ist bei uns in der Notaufnahme nicht üblich, dass der Patient vorher zurechtgemacht wird. Oftmals stecken noch die Schläuche (dazu weiter unten mehr). Ich schaue mir die Patienten vorher an, weil Angehörige unterschiedlich reagieren. Manche halten Distanz und wollen sich nur vergewissern, dass der geliebte Mensch wirklich tot sind. Andere wollen indes genau sehen, was da passiert ist. Letztere könnten für mich, die ich diese Angehörigen stützen soll, zu einer echten Problematik werden, denn oftmals sehen die Unfallopfer nicht nur entsetzlich aus, sondern es riecht auch übel. Wenn ich das in aller Stille mit mir selbst abmache, kann ich hinterher, wenn die Angehörigen dabei sind, gelassener damit umgehen.
Wie gesagt, werden Unfallopfer bei uns im Traumazentrum nicht hergerichtet, nicht einmal leidlich. Der Grund dafür ist ein extremer Personalmangel. Zum einen sind viele unserer Mediziner und Krankenschwestern/-pfleger im Irak und in Afghanistan. Zum anderen hat die Wirtschaftskrise, die jetzt die Börsen beeinträchtigt, schon vor Jahren das Gesundheitswesen erfaßt. Viele Amerikaner können sich keine Krankenversicherung leisten. In den Notaufnahmen werden sie kostenlos versorgt. Die Krankenhäuser zerbrechen an den Kosten, die dadurch entstehen, und der Staat geht einfach hin und schließt die Notaufnahmen. Vor fünf Jahren haben hier in Los Angeles vier Kliniken die Traumapatienten aufgenommen, die heute von zwei Traumazentren bewältigt werden müssen.
Zeit ist da nicht mehr so sehr gleichbedeutend mit Geld als vielmehr mit Überleben. Patient rein in Trauma 1, es wird alles versucht, Patient tot, also nix wie raus aus Trauma 1, denn da kommt schon der Nächste rein, der Computer schaltet gnadenlos frei.Ich glaube, damit habe ich schon mal einige wichtige Fragen beantwortet. Vorerst nur noch eines: An welcher Krankheit Ben in der Vergangenheit litt, hat niemand überlesen, und es ist auch kein loses Ende. Das klärt sich in einem Kapitel ganz genau.
In diesem Sinne wünsche ich einen schönen Sonntagabend und sende liebe Grüße aus Tinseltown,
Diana Beate Hellmann
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Hallo aus Kalifornien!
Die technischen Probleme sind gelöst, und damit kann ich mich nun in aller Form für das Interesse an meiner "Zeit der Freundinnen" bedanken.
Ich habe gesehen, dass da schon einige Fragen aufgetaucht sind, und die werde ich mir jetzt in Ruhe zu Gemüte führen und dann hoffentlich zur allgemeinen Zufriedenheit beantworten.
Bis dahin wünsche ich viel Vergnügen beim Lesen und sende sonnige, wenn auch für unsere Verhältnisse kühle 17-Grad-Grüße aus Los Angeles,
Diana Beate Hellmann