Beiträge von dbhellmann

    Ich hatte eine Freundin, die inzwischen leider verstorben ist, die zu jenen "Puritanern" gehörte, und sie hat mir einmal mit simplen Worten erklärt, warum sie keinen Sex, keine Gewalt und nichts über Drogen oder Alkohol, etc. in Film oder Fernsehen sehen will.
    Sinngemäß zusammengerafft: "Weil man dann ein Bild von einer Sache vermittelt bekommt. Weil man dann, wenn man einem Menschen begegnet, der Drogen nimmt, nicht mehr den Menschen sieht, der sich hinter der Sache verbirgt, sondern aus dem Fundus seiner Erfahrungen schöpft, die man vermeintlich hat, obwohl sie lediglich aus den Medien stammen. Weil Gott uns unsere Körper gegeben hat, um sie unter anderem dazu zu benutzen, einander damit zu lieben, und ich selbst damit wunderbare Erfahrungen gemacht habe und mich überhaupt nicht interessiert, welche Erfahrungen andere Leute damit machen. Weil Gewalt nichts anderes ist als Manifestation von Angst und Frust, und der kann ich ihm wirklichen Leben entweder gar nicht begegnen, weil mich das selbst töten würde, und wie ich ihr mit Liebe und Hilfe begegnen könnte, bringt mir in dem Klapperkasten sicher keiner bei."
    Ziemlich deutlich, nicht wahr?

    Auch hierzu möchte ich kurz etwas ausführen, was in Europa selten bedacht wird. Ja, die Ausbildungskosten für unsere Kinder sind horrend. Nur WISSEN amerikanische Eltern das. Sie wissen bereits vor der Hochzeit, was auf sie zukommt, wenn sie eine Familie gründen. Und sie sparen sehr bewußt dafür, im Kleinen, jede Woche ein bißchen.
    Deshalb ist die derzeitige Wirtschaftskrise für den Mittelstand eine solche Katastrophe. Auf einmal sind durch Fehlinvestitionen an den Börsen ihre Ersparnisse geschrumpft, und zugleich sind die Schulgelder extrem gestiegen, weil die am Rande des Bankrotts operierenden Regierungen der einzelnen Bundesstaaten ihre Subventionen an die Schulen reduziert haben.
    Bis vor Kurzem haben die Banken Eltern und Kindern Kredite eingeräumt (jetzt nicht mehr!!!). Mein Mann kommt beispielsweise aus sehr armen Verhältnissen. Er war gut in der Schule und bekam Stipendien, hatte aber trotzdem nach seinem Studium einen Schuldenberg. Den haben viele Akademiker. Den können sie dann langsam abtragen, haben also trotz eines dann ordentlichen Einkommens kein Geld in der Tasche, aber das macht ja nichts. Irgendwann ist es schließlich vorbei, und dann können sie heiraten und selbst Kinder bekommen und für die weitersparen ...
    Kein Wunder, dass der Lieblingssatz eines normalen Amerikaners lautet: "Kann man X irgendwo billiger kriegen? DAS kann ich mir nicht erlauben."

    Eine "gewisse" Paranoia ist gestrunzt. Da das Angebot besteht, nur zu sehen, was man auch wirklich sehen will, sind manche Menschen nicht bereit, sich irgend etwas anzusehen, was nicht in ihre persönliche Lebensphilosphie passt. Sie haben halt die Möglichkeiten. Es wird ja im Detail aufgelistet, was in einem Film zu sehen und zu hören ist.
    Und dann gibt es Kanäle - die allerdings auch nur im Kabelfernsehen - die ausschließlich für dieses Publikum produzieren. Alle paar Monate sendet CBS sonntags einen dieser Spielfilme. Dabei kriege ich dann die Krise.


    In diesen Filmen wird nicht geraucht und nicht getrunken, es sei denn, ein Mensch, der raucht, verendet im Verlauf der Handlung elendig an Lungenkrebs, oder ein Trinker tötet sich selbst und versehrt andere. Sexualität ist in diesen Filmen nicht existent, die Protagonisten gehen, wenn sie verliebt sind, miteinander wandern oder zum Essen aus. Zumeist ist ein Teenager involviert, der schwanger wird, und das Kind selbstverständlich bekommt, oder ein Drogenabhängiger findet zu Gott und damit zum Heil und zur Heilung.


    In meiner Familie hält man es für Zeitverschwendung, sich so etwas anzusehen, denn für unsere Augen ist so etwas weltfremd. Es gibt in diesem Land aber sehr viele Puritaner, und die wollen so eine weltfremde Unterhaltung oder gar keine.
    Als ich von fünfzehn Jahren herkam, dachte ich, diese Art von Menschen sei selbst weltfremd, doch mußte ich lernen, dass das überhaupt nicht stimmt. Erstaunlicherweise sind es genau die gleichen Puritaner, die eine schwangere Fünfzehnjährige bei sich aufnehmen und sich darum kümmern, dass sie nach der Geburt wieder zur Schule geht. Es sind die gleichen, die den Drogensüchtigen vom Herrn Doktor und vom Herrn Pastor im Hinterzimmer des Herrn Apotheker entgiften. Sie handeln also äußerst handfest, wollen aber ein Wort wie Bumsen nicht hören. Und in den Mund nehmen würden sie es selbstverständlich erst recht nicht.

    Das deutsche FSK- und das amerikanische Rating-System sind zwar ähnlich, doch hat ihre Arbeit andere Folgen. Beide Systeme bewerten Filme und empfehlen dann, für welches Publikum sie geeignet sind. Ein Rating "R" in den USA bedeutet, dass der Film, der da im Kino anläuft, nur für Erwachsene ist, und hier in Los Angeles sind die Kontrollen da extrem scharf, wie unsere Jungen früher immer zu klagen pflegten.
    Kommt der Film dann auf DVD/Video und im Nicht-Kabelfernsehen hat das Rating dann aber andere Folgen. Jetzt wird der Streifen durch die Kommission bearbeitet und in einer zweiten, der rated version im TV gesendet und als zweite Video-Version vertrieben.
    Diese Bearbeitung ist massiv. Der Ehemann einer Freundin von mir arbeitet bei einer Firma, die darauf spezialisiert ist. Beispiel: Im Original entführt ein Mafiaboss einen Familienvater, weil der nicht gespurt hat, bringt ihn in einen Keller, hält ihm den Pistolenlauf an den Schädel. Die Musik dröhnt, man sieht die angstvollen Augen des Opfers, der Schuss knallt, das Opfer fällt mit einem Loch, das an den Rändern schmurgelt, zu Boden.
    In der rated version entführt ein Mafiaboss einen Familienvater, weil der nicht gespurt hat, bringt ihn in einen Keller, hält ihm den Pistolenlauf an den Schädel. Die Musik verstummt, man sieht die angstvollen Augen des Opfers, der Bildschirm wird schwarz, man hört den Schuß.
    Was Sex angeht, sind die Beschränkungen, die das Rating auferlegt, noch sehr viel größer. Ich persönlich bin deshalb ein Mega-Fan von "Sex and the City". Ich kenne die Serie nämlich nur in der Network-Version, und in der sind die zumeist 27 Minuten langen Episoden nie länger als 23 bis 24 Minuten. Für mich besteht diese Serie aus grandiosen Dialogen und lustigen Klamotten. Ich habe noch nie eine Brustwarze gesehen, keine Körperflüssigkeiten spritzen sehen, und das Geküsse aufs offene Maul und das Gelecke sind bei der Kanal-Fünf-Version immer nur angedeutet: Rollt die Zunge, zoomt die Kamera raus.

    Der amerikanische Fernsehsender FOX ist ein rechter Sender, das genaue Gegenstück zum linken Sender CNN. Dabei ist etwas zu bedenken, was in Europa auch wenig bekannt ist. CNN wie auch FOX sind private Sender, können also nur über Kabelfernsehen empfangen werden. Der Endverbraucher zahlt monatlich mindestens dreißig Dollar dafür, seine Nachrichten in der Form politisch aufbereitet zu bekommen, wie es seiner persönlichen Gesinnung entspricht.
    Wenn Europa sich also bei Meldungen auf CNN als Quelle beruft, beruft es sich damit auf aufbereitete Nachrichten aus der linken Nische und verkauft die seinerseits als neutral.


    Als Nachrichtenquellen finde ich persönlich beide Sender gleichermaßen grässlich. Bei den Nachrichten kann man sich ausschließlich auf die Networks verlassen, ABC, CBS und NBC, um die drei größten zu nennen.


    Es stimmt, dass FOX bewußt christliche Filme vertreibt, doch ist das kein Markenzeichen von FOX. In den USA gibt es viele fromme Filme und daneben das so genannte Rating. Kinofilme, die für den Weltmarkt produziert werden, können wir hier im Fernsehen ohnehin nur in der "rated version" sehen. Die DVD können wir in zwei verschiedenen Varianten kaufen, rated und unrated, die Preise sind gleich. Europa kauft die unrated versions. Die beinhalten Sex- und Gewaltszenen. In der rated version werden diese Teile aus dem Filmmaterial entfernt.


    In unserem Haushalt gibt es ausschließlich rated versions. Nur ein einziges Mal hat uns unser Großer einen Film aus der Videothek mitgebracht, der unrated war: Ein mir unvergeßliches Erlebnis. Es handelte sich dabei um den 2005-Streifen "A History of Violence" mit Viggo Mortensen und Maria Bello. Mein Mann saß auf dem Sofa und guckte das, und ich goß die Blumen, als ich plötzlich sah, wie et Viggo dat Maria auf der Treppe in den Hintern .ickte. Erst da wurde mir bewußt, dass ich im amerikanischen Fernsehen seit 1994 nichts mehr gesehen hatte, was über einen innigen Kuss hinausgegangen ist, denn wir haben kein Kabelfernsehen. Aus Überzeugung nicht.

    Oswaldos Freund Renato stammt von Sizilien (schwul zu sein war da nicht unbedingt günstig). Er kommt aus sehr reichen Verhältnissen, und als der letzte Angehörige vor Jahren starb, konnten die beiden endlich dahin übersiedeln.

    Das ist ein Punkt, der in Europa sehr oft verkannt wird. Ja, die Amerikaner machen ihre ehrenamtlichen Jobs neben ihrer normalen Erwerbstätigkeit. Sie tun es, weil es eine alte Tradition ist, die jeder wahrt, der es sich finanziell einigermaßen erlauben kann. Sie wahren diese Tradition, weil das Gros sehr fromm ist. Diese Frömmigkeit hält man in Europa oft für bigott und künstlich, doch ist sie das ganz und gar nicht. Unsere Kirchen, Synagogen, Moscheen, Tempel platzen fast aus den Nähten. Das war immer schon so, ist jetzt im Rahmen der Wirtschaftskrise aber noch sehr viel heftiger geworden. Am vergangenen Heiligabend mußten sie die Innenstadt von Los Angeles sperren und haben über Fernsehen und Radio darum gebeten, nicht weiter versuchen zu wollen, in die Stadt hineinzukommen. Kardinal Roger Mahonys Mitternachtsmesse haben vor Ort und um die Kathedrale herum siebeneinhalbtausend Menschen beigewohnt.
    Das sind die gleichen Menschen, die einmal in der Woche im 99-Cent-Store Lebensmittel einkaufen, die sie zu den Food Banks bringen, wo die Armen bargeldlos einkaufen, sich diese Lebensmittel dann einfach von den Regalen nehmen. Die gleichen Menschen, die in ihrer Freizeit Behinderte, Alte und Waisen betreuen, herrenlose Tiere aufnehmen, aufpeppeln und in Großaktionen zur Adoption geben, und, und, und.
    Das ist grenzüberschreitend, wenn es um die einzelnen Religionen geht. Es wird zusammengearbeitet. Und auch Atheisten sind willkommen, vorausgesetzt, es handelt sich bei ihnen um entschiedene Atheisten. Wer überzeugter Nicht-Gläubiger ist, hat damit nach amerikanischer Lebensanschauung auch einen Glauben, und der ist zu respektieren - das steht sogar so in der Verfassung. Auch dazu gibt es einen schönen Spruch: "Welcome to the United States of America! Our Constitution grants you freedom of religion. Please be aware: There is no mention of freedom FROM religion."

    Der Grund dafür, dass die echte "Jodie" wie die im Buch so gern Teenager um sich hat, ist sehr viel simpler, als es auf Anhieb erscheint.
    Die echte Jodie hatte keine kleine Tochter verloren, sondern ihren kleinen Sohn. Sie suchte die Gesellschaft von Jungen, die in etwa in dem Alter waren, in dem ihr Sohn jetzt gewesen wäre. Damit konnte sie sich stundenweise vormachen, ihre Welt sei wieder in Ordnung, und da sie den Kids alles erlaubte, konnte sie sich auch einreden, eine "tolle Mutter" geworden zu sein, wenn das Schicksal es nicht anders gewollt hätte. Sie glaubte schließlich, eine gute Mutter, sei die beste Freundin des Kindes.


    Wenn man das als Fakt stehenläßt und sich darüber hinaus vor Augen führt, was die echte Jodie im wirklichen Leben mit meinem Stiefsohn gemacht hat, erklärt sich, wie krank und gestört sie tatsächlich war: Sie ist eine inzestuöse Beziehung mit ihrem eigenen Sohn eingegangen - damit der erlebte, wie toll Sex sein kann, wenn man weiß, wie es richtig geht. Für unseren Jungen war das nie offensichtlich, und das ist gut so.


    Man weiß natürlich nicht, ob die echte Jodie sich vielleicht anders entwickelt hätte, wenn ihr Sohn nicht gestorben wäre. Geht man davon aus, dass sie sich nicht anders entwickelt hätte, weil ihre ursächliche Störung ja bereits seit ihrer frühen Teenagerzeit bestand, ist ihrem eigenen Kind durch seinen frühen Tod viel erspart geblieben. Aller Voraussicht nach eine Karriere als Triebtäter und lebenslanger Freiheitsentzug. Denn wenn eine Mutter so etwas tut, ist das etwas, wofür die Amerikaner einen wunderbar bissigen Ausdruck haben: "It is the gift that keeps on giving ..."

    In den USA ist ehrenamtliche Arbeit für jede Familie etwas, was zum Leben dazugehört. Die Kinder werden schon sehr früh dazu angehalten. Für jede ehrenamtliche Tätigkeit durchläuft man hier eine Ausbildung - und die ist teilweise erstaunlich umfangreich, im Krankenhaus- und Hospizbereich allemal. Und ich habe zwei Kollegen, die über eine solche Ausbildung, weil sie einfach gut waren, in eine bezahlte Tätigkeit gerutscht sind. Karrieren sind das zwar nicht, aber schlecht bezahlte, allerdings auch krisenfeste Jobs - wie das halt so ist im Gesundheitswesen.

    So, jetzt habe ich mich wieder in die neuen Posts eingelesen und möchte mich auch mal ganz herzlich für das intensive Interesse und die lieben Statements bedanken.


    Zu den Prostitutierten und "Jodies" Einstellung zu ihnen: Ich selbst habe da durch meinen Mann die gleichen Erfahrungen gemacht wie Britt, und ich habe damals versucht, Jodie zu erklären, was ich über diesen Berufsstand weiß. Dass keine dieser Frauen "glücklich" ist, um Gottes Willen: NEIN. Genau im Gegenteil. Die einen sind drogensüchtig und haben keine andere Möglichkeit, sich das Geld für ihre Sucht zu verdienen. Die anderen wollen "mal eben" fünfzigtausend Dollar für eine spezifische Ausbildung, einen Geschäftsaufbau oder für die eigenen Kinder verdienen, und kommen nie wieder aus dem Elendszirkel heraus. Es sind Frauen, die jegliches Selbstwertgefühl verloren haben von der hiesigen Polizei netter behandelt werden als von ihren Zuhältern und Freiern. Sie beschweren sich zwar, wenn sie eingesackt werden, aber nur, bis sie keiner mehr hört, denn auf dem Revier können sie sich mal ein paar Stunden ausruhen.
    Nur ein kranker Kopf, der eben - sehr richtig - seine eigene Geilheit rechtfertigen und schönreden will, um sich wenigstens einer Bevölkerungsgruppe zugehörig zu fühlen - kann behaupten, dass diese Frauen ihren Job LIEBEN.

    Guten Morgen aus Los Angeles!


    Ich habe soeben erfahren, dass ich einer Kollegin heute den Dienst abnehmen muss, deshalb werde ich die Posts erst morgen lesen und antworten.


    Bis dahin sende ich allen liebe Grüße

    Das war im Juli letzten Jahres, und das war kein Erdstoß, sondern ein richtiges Erdbeben. Und es war schauderhaft, weil wir hier direkt über der Auslaufbahn lagen. Dazu muss man wissen, dass ein Beben über dem eigentlichen Epizentrum, das in diesem Fall etwa 25 Meilen entfernt war, am heftigsten, zugleich aber auch am kürzesten ist. Die "Wellen" ziehen dann in einem Kreis vom Epizentrum unterirdisch weg - ist wie ein Rülpser der Erde, der irgendwann raus ist. Bei uns hat es über 30 Sekunden massiv gewackelt, ich konnte mich knapp auf den Beinen halten auf dem Weg vom Arbeits- ins Schlafzimmer, denn diese Hochhäuser stehen ja auch noch alle auf "Rollen" und bewegen sich deshalb extrem mit der Erde. Und es dauert hinterher noch mal 10 bis 20 Sekunden, bis sich das Haus wieder beruhigt hat.
    Erst in der Sicherheit des Schranks mit dem Kätzchen im Klammergriff fiel mir auf, dass ich diesmal nichts gehört hatte. Es hatte nur angefangen zu wackeln. Und solche Beben sind vergleichsweise ungefährlich. Die gefährlichen Beben, die hört man, bevor man sie spürt. Das hört sich an, als stünde man an einem Bahngleis, und es würde ein Güterzug vorüberrollen, und man ist verwirrt und fragt sich, wie das sein kann, wo doch nirgendwo ein Zug ist, - und DANN fängt es an zu beben.

    Wer in Kalifornien glücklich ist wie ich, ist von Haus aus Fatalist. Wir wohnen im zehnten Stock eines Apartment-Hauses in Hollywood. Für uns sind die Brände irrelevant. Wenn sie toben, können wir lediglich die Fenster nicht öffnen. Wir haben aber andere Sorgen. Wir spüren hier oben die Erdstöße, und die sind nicht ohne! Aber so ist das nun mal. Keine Rose ohne Dornen. Dafür leben wir in einer Region, in der 330 Tage im Jahr die Sonne scheint, man in einer halben Stunde am Meer ist und in zwei Stunden in den Bergen - zum Skifahren.

    Die Menschen, deren Geschichten im Buch erzählt werden, hat es ebenso real in meinem Leben gegeben, wie die Geschichten passiert sind, die geschildert sind. Die Geschichten sind aus Gründen des Persönlichkeitsrechts nur mit anderen Menschen verflochten.


    Ja, Teenager sind überall auf der Welt gleich. Ich hatte es ja mit zwei Jungen zu tun, und die haben andere "Macken". Die sprechen ab einem gewissen Alter nur noch mit einem, wenn sie Geld oder was zu essen wollen. Daneben darf man sie nicht behelligen, weil man ja als Elternteil dermaßen "antik" und "neben der Scheibe" ist, dass man eh nicht schnallen würde, was in ihnen vorgeht.
    Kaum hatte ich diese Phase überlebt, wurde unser Ältester zum ersten Mal Vater. Inzwischen bekommen wir das dritte Enkelkind. Mit anderen Worten komme ich aus dem "Kinderkram" nicht heraus, denn jetzt sehe ich mich der Herausforderung gegenüber gestellt, mit meiner fünfjährigen Enkeltochter immer wieder ihren Lieblingsfilm zu gucken: "Alvin and the Chipmunks". Ist für heute Nachmittag auch wieder geplant. Sie schläft danach selig. Ich werde die Chipmunks die nächsten drei Tage nicht aus den Ohren bekommen.

    Sie haben ganz Recht mit dem, was Sie schreiben, und ich habe auch kein schlechtes Gewissen. Es tut mir nur unendlich Leid, dass keiner von uns rechtzeitig erkannt hat, dass wir es nicht mit einer Macke oder einem Problem oder den Wechseljahren zu tun hatten, sondern mit einer massiven psychischen Störung, die stationär hätte betreut werden müssen.
    Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich mit dieser Freundin ein Gespräch geführt über das Altern und dabei platt vermerkt: "Meine Liebe, wer nicht alt werden will, muß früh sterben, eine andere Wahl hat man nicht."
    Das ist die Wahrheit. Ich stehe voll dazu. Sie wußte wohl auch, dass es die Wahrheit ist. Und sie hat für sich persönlich die Konsequenzen gezogen.

    Ich habe Familienbande zu Liguren und deshalb von frühester Kindheit an fast sämtliche Ferien dort verbracht. Bei dem Ort handelt es sich um Loano. Als der Rummel um ZWEI FRAUEN 1989 Überhand nahm, mußte ich Mittel und Wege finden, zwischendurch auch irgendwo noch mal zur Ruhe zu kommen, denn man erwartete zwar von mir, dass ich ein zweites Buch schrieb, doch war ich nahezu täglich vom frühen Morgen bis zum späten Abend voll verplant. In einem derart öffentlichen Leben ist keinerlei Platz mehr für Kreativität. Deshalb habe ich mir Ende 1990 mit Hilfe meiner Familie in Loano einen zweiten Wohnsitz geschaffen.
    Ja, es war das richtige Kloster, und wenn man von der Bergseite zum Monte Carmelo pilgert, nicht den Weg vom Hafen nimmt, ist es ein regelrechter Hiking Trail. Das Haus, in dem ich damals gewohnt habe, liegt unmittelbar am Meer, schräg gegenüber von der Stranddiskothek Saita. In 2000 war es immer noch erdbeerfarben, im Erdgeschoß befindet sich eine Pizzeria, und wenn man mit dem Rücken zum Meer vor dem Haus steht, geht es rechts in die Via Garibaldi.
    Der Besitzer der Bar al Bosco heißt im wirklichen Leben Oswaldo. Durch meine Ballett-Vergangenheit hatte ich eine ganz besondere Beziehung zu ihm. Ich war gerade mal vier Jahre alt, als ich durch das Ballett den ersten homosexuellen Männern in meinem Leben begegnete. Sprich, ich habe Homosexualität "erlebt", lange bevor ich lernte, welche Vorurteile die Gesellschaft dagegen hat. Aus diesem Grund habe ich ein sehr feines Gespür dafür entwickelt, ob ein Mann schwul ist, etwas, was mein Mann "erschütternd" findet. Manchmal lernen wir jemanden kennen, und ich sage dann zu ihm "Du, der ist schwul", und dafür gibt es zu dem Zeitpunkt keinerlei Anhaltspunkt, aber Jahre später bewahrheitet es sich.
    In meiner Naivität dem Thema gegenüber habe ich irgendwann als junges Mädchen Oswaldo danach gefragt, ob er eigentlich einen festen Freund habe oder à la carte lebe. Dem Mann ist fast die Kinnlade heruntergefallen, denn seine Homosexualität war das bestgehütete Geheimnis der gesamten Küstenregion. Dass ich ihn "durchschaut" hatte und immer noch liebte, beseelte den Mann über alle Maßen, und meine Mutter und ich waren die ersten Menschen, die seinen langjährigen Lebensgefährten kennenlernen durften - was der Anfang dieser so besonderen Freundschaft war.

    Es ist für uns alle ausgesprochen schwierig, das zu verdauen. Es hat "ihre Macken" wie gesagt keiner ernst genommen. Altersbedingte Dysmorphophobie nennt man das, was sie hatte. Was wir in ihrem Gesicht als Fältchen wahrnahmen, sah sie im Spiegel als Verunstaltungen, mit denen sie nicht mehr unter die Menschen gehen konnte. In den letzten zwei Jahren fand sie in Los Angeles keinen Schönheitschirurgen mehr, der ihr weiterhin Botox spritzen oder die Lippen aufpumpen wollte. Keiner von uns wußte, dass sie seither immer nach Mexiko rüberfuhr, um es in Tihuana machen zu lassen. Auch ihr Mann hat das nicht gewußt. Wenige Wochen vor ihrem Tod war ich abends zum Essen mit ihr verabredet, und da war sie angezogen wie ein Kind, mit Rüschenrock und Ringelshirt und pinkfarbenen Lacksandaletten mit Stilettoabsätzen. Die Leute im Restaurant haben sich fast in die Hose gemacht vor Lachen, und ich habe mich nicht getraut, ihr zu sagen, was ich von ihrem Aufzug hielt - was ich im Nachhinein natürlich bereue.

    DIE CHORKNABEN sind nicht umsonst ein Kultroman, das kann ich guten Gewissens behaupten. Ein total GEILES Buch ist das, und zwar nicht im übertragenen Sinne. Ich habe beim Übersetzen derart viele neue Ausdrücke für Vagina und Penis gelernt, dass ich meinem Verlag gegenüber meinem außerordentlichen Bedauern Ausdruck verliehen habe, dass man mich mit dieser Aufgabe des Übersetzens nicht schon vor zwanzig Jahren betraut hat, als das Buch ursprünglich auf den Markt kam. Hätte ich damals bereits gewußt, weiß ich heute weiß, so hätte ich eine zweite Karriere daraus machen können.

    Warum es hier jedes Jahr so schrecklich brennt, liegt wohl vor allem an der Fruchtbarkeit dieser Gegend. Man glaubt das gar nicht, schon gar nicht, wenn man wie ich aus Essen an der Ruhr kommt. Alles, was man hier in die Erde steckt, wuchert tschernobylmäßig vor sich hin. Ich hatte letztes Jahr auf unserer Terrasse fleißige Lieschen gepflanzt, die hatten Stengel so dick wie meine Mittelfinger - es war beängstigend!!!
    Weil alles so mordsmäßig gedeiht, müsste ständig überall gerodet und geschnitten und gekappt werden, aber da das Land so riesig ist, werden dabei immer wieder Stellen übergangen. Altes Grünwerk, das sagen sie uns in den Nachrichten immer, neigt aber automatisch zur Selbstentzündung. Hinzu kommen die Santa Ana-Winde, die sich anfühlen, als würde man einen riesigen Fön auf Heissluftstufe schalten. Wenn die wehen, braucht nur mal einer eine brennende Zigarette aus dem Wagenfenster zu werfen, und schon nimmt das Unheil seinen Lauf.