Hui, lässt der Sommer die Kommentarfähigkeiten verkümmern? Die Beteiligung ist diesmal ja eher lau, wenigstens hat ja Voltaire den Ehrenretter gespielt.
Ich schreibe mal etwas unsortiert auf, was mir ein- und auffällt:
Bei dem Thema war in diesem Monat klar, dass die Geschichten eine sehr pessimistische und/oder zynische Grundhaltung einnehmen - "Medien" ruft wohl in allen Leuten erst einmal negative Assoziationen wach. Das war zu erwarten.
Erstaunt bin ich trotzdem über die vielen Holzhämmer, mit denen man die klassischen Klischees in Botschaften verpackt hat - das bietet sich bestimmt an, wirkt aber manchmal für die Geschichte selbst eher kontraproduktiv. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass die Reizüberflutung der Medien auch den Autoren zu schaffen macht und man sich eher den diesbezüglichen Stand der Dinge vor 1950 zurückwünscht. Dabei ist doch nichts von Grund auf schlecht: Computer machen nicht notwendigerweise bewegungsunfähig ("Ein Leben ohne ..."), Fernseher sind nicht alleinverantwortlich für soziale Vereinsamung ("Ihr einziger Freund") und Mobbing via Social Network führt in Verbindung mit Hartz IV-Umfeld und Alkohol nicht zwingend zum Amoklauf ("Eins plus eins"). Gerade bei diesen Stories war ich hin- und hergerissen, weil sie bestehende Vorstellungen (und teilweise Vorurteile) nur unreflektiert aufgreifen und wenig variieren - dem Publikum im Endeffekt also erzählen, was es hören will. Bei den genannten Stories wäre auch stilistisch ein wenig mehr rauszuholen gewesen. Andere waren sehr gut geschrieben, aber "Zahlen und Fakten" musste ich beispielsweise dreimal lesen, bevor ich Überblick über die Geschichte hatte (und fühlte mich sehr an Weingartners FREE RAINER erinnert) und "Von einem, der auszog" fand ich auch toll formuliert, aber letztlich etwas platt in der Botschaft - das Bild vom desillusionierten, einst knallharten Newsreporter ist mit all seinem Zynismus auch schon zu sehr in den Köpfen etabliert, als dass der Text hätte überraschen können. Dafür fand ich hier aber die Gartenzaun-Metapher trotz allem ziemlich hübsch, das hätte man als zentrales Motiv vielleicht schön ausbauen können. Gelacht habe ich über "Der Dieb" (obwohl so lange Dialoge als Geschichte immer ein bissel faul wirken, dafür wars aber sehr amüsant) und über "Zapping", was einfach eine witzige Idee war (und bestimmt nicht einfach zu strukturieren). "Traumkiste" hatte einen netten Schlussgag, würde aber noch ein wenig Schliff benötigen, und zu "Büroduell" kann ich gar nichts sagen.
Überrascht hat mich "Seltsame Neuigkeiten", obwohl ich glaube, dass der Text bei einigen nicht sehr populär sein wird, weil er in der Tat etwas sperrig ist. Mir hat das ganz gut gefallen (einen Protagonisten namens K. hatten wir ja schon mal :grin...), und obwohl ich auch diese Geschichte erst mehrmals lesen musste, um zu verstehen, was der Autor meinte, ist sie in diesem Monat tatsächlich mein Favorit. Subtil erzählt, ohne Holzhammer, als unerhörter Vorfall bis zur Surrealität abstrahiert, ist tatsächlich die bedeutendste Neuigkeit, dass es keine Neuigkeit gibt. Ein wirklich schöner Schlusssatz.