Die Kuppel - Markus Stromiedel
Droemer Knaur, 395 Seiten
Deutschland im Jahr 2035: Vincent Höfler, 27 Jahre jung und angehender Militärpolizist, wird von seinen Chefs in Brüssel zur Aufklärung eines vermeintlich unspektakulären Todesfalls in die nordostdeutsche Provinz geschickt. Dort ist am Rande einer Militärbasis ein alter Mann erfroren, ganz in der Nähe zum mondänen High-Tech-Altenheim "First Resort", der titelgebenden Kuppel. Als der zuerst wenig motivierte Vincent trotz einiger Warnungen tiefer in der Sache zu ermitteln beginnt, wird aus dem Routinefall jedoch bald ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel mit unbekannten Gegnern. Inmitten der trostlosen Gesellschaft dieser wenig einladenden Zukunft beginnt für ihn und seine neu errungene Liebe Anna ein atemloser Wettlauf zur Aufdeckung dubioser Machenschaften in den höchsten Kreisen, der ihrer beider Leben für immer verändern wird...
DIE KUPPEL wird vordergründig als futuristischer Thriller angekündigt, gehört aber mit seiner dystopischen Schilderung eines Überwachungsstaates in nicht allzu ferner Zukunft eher ins Genre gesellschaftskritischer Science Fiction. Daran ist zunächst einmal nichts falsch, denn diese Spielrichtung der Belletristik ist in Deutschland eher unterrepräsentiert, sieht man von serialisierten Geschichten (PERRY RHODAN, CHARITY) und einzelnen Neuerscheinungen (zuletzt am prominentesten: Frank Schätzings LIMIT) einmal ab. Letztendlich will Autor Markus Stromiedel mit seinem neuen Roman aber weniger, als es den Anschein hat - er möchte Denkanstöße zu gesellschaftlichen Problemen und ihrer zukünftig erforderlichen Lösung geben und stellt tatsächlich genügend Material zur Diskussion. Der wirkliche Thrilleranteil der KUPPEL gerät ihm dann aber bestenfalls generisch.
DIE KUPPEL hat in Vincent Höfler einen Ich-Erzähler. Nun ist die Erzählperspektive in Romanen oft genug eine Geschmacksfrage, man mag sie lieben oder hassen (der Reviewer zählt sich seit der Invasion der Nackenbeißer-Romane zu letzterer Gruppe), aber in einem Thriller, der sich verschiedenster Wendungen und Schauplätze bedient, passt sie leider am wenigsten und hinterlässt nach Beendigung der KUPPEL ein wenig das Gefühl, lediglich aufgrund des Schlusstwists überhaupt eine Daseinsberechtigung zu haben. Über Vincent selbst und vor allem seine Entwicklung innerhalb der Geschichte erfährt man trotz der Möglichkeit, als Leser eng an der Figur zu bleiben, entschieden zu wenig, und zu oft wirken seine Entscheidungen relativ willkürlich. Immerhin stimmt die Chemie mit seinem weiblichen "love interest", der Ärztin Anna. Der Rest des Figurenensembles bleibt blass und besetzt lediglich die Positionen, die ein guter Verschwörungsthriller erfordert: ein undurchsichtiger Vorgesetzter, ein skrupelloser Gangster, der beste Kumpel, der mit Rat und Tat zur Seite steht, der Vater, der hier den Mentor des Helden gibt, die beste Freundin, der undurchschaubare Heimleiter, die geheimnisvollen Mitglieder des Widerstands. Das ist ein eindrucksvolles Personenkarussell, dessen Mitglieder zu keiner Zeit mehr sind als Erfüllungsgehilfen von Markus Stromiedels Vision. Kann man machen, aber echte Spannung kommt angesichts der recht durchschaubaren Konstruktion für den wahren Thrillerfan zu wenig auf.
Angesichts des Handlungsjahres 2035 ist es durchaus verständlich, dass DIE KUPPEL ihre Geschichte mit Anspielungen auf das Leben in der Zukunft würzt, allerdings bleiben die angedeuteten gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Veränderungen auf die Erwähnung technischer Gimmicks und ökologischer Katastrophen beschränkt, während die soziale Komponente zwar weitergedacht wird, sich schlussendlich aber in nebulösen Absätzen über Slums und Arbeitslose verliert - eine Szene in Hamburg gehört hier noch mit zu den besten Beschreibungen dieser gesellschaftlichen Zukunft, wird dann aber (genau wie die eingeflochtene Widerstandsbewegung) wieder fallen gelassen, um sich dem eigentlichen Thema der KUPPEL zu widmen und am Ende in der Auflösung zu gipfeln, die tatsächlich einen Denkanstoß gibt. Nur eben leider nicht mehr als das.
Dabei ist DIE KUPPEL durchaus flott geschrieben und liest sich innerhalb weniger Stunden weg - Unterhaltung ist somit garantiert, auch wenn am Ende nicht jeder befriedigt das Buch zur Seite legen wird. Kein literarisches Fast Food, aber auch kein Gourmet-Menü; DIE KUPPEL ist ordentliche Kantinenverköstigung ohne bitteren Nachgeschmack. Kurzum, ein Buch wie geschaffen für den nächsten Urlaub, aber weit entfernt von ZWILLINGSSPIEL und FEUERTAUFE, Stromiedels letzten Thrillern. Bleibt zu hoffen, dass er eben diese Qualität mit dem nächsten Roman wieder erreichen kann - so lang darf man sich durchaus auch der KUPPEL zuwenden.
Die Fragen, die hier aufgeworfen werden, dürften in der Nachdiskussion dabei fast interessanter sein als Vincent Höflers Geschichte selbst. So gesehen, hat sich Markus Stromiedels Absicht dann wohl eben doch erfüllt.