Ich habe heute Nacht schon mit dem Lesen begonnen (natürlich erst nach Mitternacht :-))! Da ich gerade ein paar Tage frei habe, kann ich gleich zu Beginn in die Leserunde einsteigen.
Am Anfang haben mich die vielen verschiedenen Personen und Generationen etwas irritiert. Irgendwann wusste ich nicht mehr so recht, wer zu welcher Familie und in welche Zeit gehörte. Beim zweiten Anlauf ging es dann. Ich gehe mal davon aus, dass die Autorin den Lesern einfach ein paar familiäre Hintergrundinformationen zu ihren Hauptfiguren an die Hand geben wollte. Diese Herangehensweise ist natürlich legitim, ich hätte aber auch durchaus darauf verzichten können, da die Schilderungen sehr an der Oberfläche blieben und mir deshalb das Schicksal der einzelnen Personen ziemlich egal war.
Auch das viele Blut auf den ersten Seiten und die häufigen Vergleiche des weiblichen Körpers mit den Eigenschaften von Früchten waren nicht so mein Fall. Hätte ich eher bei einem männlichen Autor erwartet!
Gut gefallen hat mir dafür der flüssige Erzählstil der Autorin. Wirklich sehr angenehm! Je weiter sich die Handlung entwickelte, desto leichter konnte ich ihr folgen. Eingangs bin ich noch über einige Begebenheiten gestolpert, die ich als sehr unglaubwürdig empfand, wie das mit Pajarita verbundene Wunder, aber ich gewöhne mich langsam daran. Solche phantasiereichen Geschichten mit vielen Ausschmückungen sind schließlich ziemlich typisch für die lateinamerikanische Erzähltradition, oder?
Hat eigentlich jemand eine Ahnung, warum Ignazio nach Montevideo und nicht, wie von seinem Großvater gewünscht, nach New York gereist ist? Der Mann ist mir total unsympathisch. Er betrügt seine Frau, ist aber total von der fixen Idee besessen, dass sie ihm untreu ist. Außerdem hat er das Verhalten seines Vaters überhaupt nicht reflektiert und entwickelt sich zu einem totalen Abklatsch seines Erzeugers. Deshalb verlässt er die Familie wohl auch für lange Zeit, nachdem er zum ersten Mal handgreiflich geworden ist, um sein inneres Chaos zu ordnen.
Die Ereignisse in Brasilien konnten mich nicht überzeugen. Ana Claras Tod wurde mal eben so nebenbei eingestreut. Da fehlte es mir einfach etwas an Gefühl. Und Artigas nächtliche Erscheinung hätte ich als weniger unrealistisch empfunden, wenn er nicht plötzlich gewusst hätte, dass Pajarita in Montevideo lebt.
Zu Lese-rinas Frage:
Der deutsche Titel "Die unsichtbaren Stimmen" hat mich auch sehr beschäftigt, da Stimmen nun einmal nicht mit den Augen, sondern den Ohren wahrgenommen werden. Man kann eine Stimme also hören, ohne den Menschen, dem sie gehört, sehen zu müssen. Der deutsche Titel ergibt für mich absolut keinen Sinn. Der Originaltitel des Buches "The Invisible Mountain" gefällt mir viel besser. Ich habe dabei gleich an Montevideo gedacht, da die Stadt ja nach einem Berg benannt wurde, der eigentlich nur ein kleiner Hügel ist. Ich könnte mir gut vorstellen, dass der Titel im übertragenen Sinne für Hindernisse und Widerstände im Gefühlsleben der Hauptpersonen steht, die erst überwunden werden müssen, damit die Betreffenden frei sein können.
Ich bin jetzt mittlerweile schon beim 2. Teil und der Roman gefällt mir immer besser!
________________________