Zitat
Original von Nicole
Manchmal habe ich schon den Wunsch, lieber rosarote, locker-flockige und zuckersüße Sachen zu schreiben, die die Leser einfach happy machen.
Aber ich kann's nicht.
Mich treibt das menschliche Leben in seiner ganzen Bandbreite, in all seinen Facetten um, mit den schönen und auch den nachtschwarzen, den schmerzvollen.
Das beschäftigt mich, das bewegt mich, davon will ich erzählen.
Mit "zuckersüß" könnte zumindest ich auch nicht so viel anfangen, ich bin dankbar zu lesen, dass auch andere Leute so ihre Probleme haben. Mir das nahezubringen, wenn es auch ganz andere sind als meine, auch ihre Entwicklung, ihre Lösungsansätze und Lösungen, ihre Fragen und manchmal das verzweifelte Suchen nach einer Antwort - dafür danke ich Dir und dafür liebe ich Deine Bücher.
Noch meine Eindrücke zu diesem Abschnitt:
Das Verhalten des Vaters gegenüber Georgina wirkt einerseits befremdlich, andererseits aber auch verständlich, wenn man seine eigene Einsamkeit und sein wohl ausschließliches Interesse am Handel berücksichtigt. Das passt natürlich nicht so ganz zur Empfindsamkeit einer jungen Dame. Obwohl ich ihm bzw. der Tante Recht geben muss. Was wird Georgina tun? Die Tage verträumen? Wird das auf die Dauer nicht ein wenig langweilig? Und so abgeschottet, wie sie sich einrichtet, mache ich mir den einen oder anderen Gedanken über das, was man gemeinhin als „soziale Kompetenz“ beschreibt. Gut tun kann das dem armen Kind nicht, sei sie nun umgeben von dienstbaren Geistern oder nicht.
Die unbeschwerte Badeszene Seite 100 ff.: Man gönnt sie den beiden jungen Leuten, aber ich habe doch den Eindruck, die Rechnung dafür wird noch präsentiert werden. Sie sind letztlich beide in einer schwachen Position, aber ich glaube, Georgina wird es teurer zu stehen kommen als Raharjo. Nach den Gesetzen der Orang Laut sind sie also ab Seite 140 verheiratet. Das wird einige, nein: viele Probleme mit sich bringen, besonders für Georgina. Was mich erstaunt, ist, dass sie so gar keinen Gedanken an ihren Vater verschwendet. Sie dürfte ja nicht volljährig sein, geschweige denn, dass ihr das Recht zustand, diese Entscheidung alleine zu treffen. Wie ernst ist es ihr überhaupt mit dieser Ehe? Hat sie über die Konsequenzen nachgedacht? Manchmal frage ich mich, ob sie nur aus Spontanität und Emotion besteht und sich einfach treiben lässt.
Ja, Entschuldigung, ich weiß, das ist alles sehr romantisch, aber ich bin wohl zu alt, um die praktische Seite außer Acht lassen zu können. Weil die so höchst unromantische Folgen hat, in der Regel.
Raharjo jedenfalls ist manchmal bemerkenswert einfühlsam. Das hätte ich nicht in diesem Maße erwartet. Seine Antwort auf Georginas stumme Frage (Seite 107) hat mich positiv überrascht. Man sieht den Realitäten ins Auge, soweit man sie überblicken kann. Und trotzdem Mensch bleiben bei all dem, das ist wohl die Kunst. Georgina hat sich anscheinend nie Gedanken darüber gemacht, was die Europäer dem Land und den Menschen antun (Kolonialmacht hin oder her), aber das wäre wohl auch ein wenig viel verlangt. Der Handel hielt sie wohl nicht davon ab – die Europäer, meine ich -, die Einheimischen nicht unbedingt als gleichwertig zu empfinden. Abgesehen natürlich, wenn sie nur reich genug waren. Aber auf einer Stufe – nein, ich glaube doch nicht. Das ist aber vielleicht das Große an Georgina, dass sie die Menschen trotzdem als solche nimmt, auch wenn sie sie bedienen. Und deshalb, so glaube ich, kann sie Raharjo auch so begegnen, wie sie es tat und tut. Natürlich kommt dann – zum Glück? zu allem Überfluss? - etwas hinzu, was mit dem Begriff Liebe umschreiben könnte.
Paul Bigelow bemüht sich um sie, natürlich. Das war zu erwarten. Meine Gedanken kann er hervorragend in Worte fassen, nebenbei bemerkt (Seite 117 unten). Meinen nicht vorhandenen Hut ziehe ich jedenfalls vor ihm. In mich hineinlächeln musste ich, als er behauptete, er wolle Georgina „ein guter Freund“ sein. Ja, klar, natürlich. Man darf nur hoffen, dass es dabei bleibt, neben dem anderen Punkt. Er entwickelt sich für mich immer mehr zum Sympathieträger. Er ist ein Mann der Tat, steht zu seinem Wort, packt an, schafft klare Verhältnisse. Ich wünschte, Georgina würde ihn lassen („... wenn du mich nur lässt...“). Er würde alles für sie tun, fast, aber nicht alles. Immerhin steht er ihr aber sogar bei der Geburt bei. Das ist selbst heute nicht selbstverständlich, umso ungewöhnlicher wohl für die damalige Zeit.
Seite 157 habe ich mich gefragt, und zwar doch ein wenig erschrocken, ob Georgina gesagt hätte, dass das Kind nicht von Bigelow ist. Sie ist sich wahrscheinlich überhaupt nicht darüber im Klaren, um was sie sich gebracht hätte, wäre sie zu Wort gekommen und hätte sie das eingestanden. Cempaka jedenfalls, so glaube ich, hat verstanden, wer der Vater des Kindes ist (Seite 155).
Tja, und Raharjo? Er tut mir leid. Und es tut mir leid, dass er wirklich geglaubt hat, er hätte Georgina einfach so bekommen können. Hätte Reichtum ihm wirklich genutzt? Um wieviel reicher als ein Brite oder anderer Europäer hätte er sein müssen bzw. welche handelstechnischen Beziehungen hätte er bieten müssen, um ihren Vater zu überzeugen, dass er der Richtige für seine Tochter ist. Das Bild, das er am Hochzeitstag von ihr bekommt, entspricht, so glaube ich, nicht der Realität. Ich will es jedenfalls nicht hoffen...
Ah Tong ist bisher die Figur, die meine Sympathie am meisten weckt. Er versucht, Cempaka zu erklären. Mag ja sein, dass das, was er sagt, tatsächlich so ist. Trotzdem glaube ich, da ist noch mehr, ich habe ein ungutes Gefühl, was sie betrifft. Denn ihr Verhalten, ihre Tiraden richteten sich ja gegen das Mädchen persönlich, sehr persönlich sogar, nicht in erster Linie gegen das Mitglied der Gesellschaft. Ah Tong jedenfalls – in ihm würde man in Europa wohl einen Philosophen vermuten (besonders Seite 123). Ein Weiser, so würde ich ihn bezeichnen. Nicht nur seine Kräuter, auch seine Worte können Schmerzen lindern, Wunden „verbinden“.
Eine Frage habe ich noch: Ich habe vergessen, mir zu notieren, auf welcher Seite das stand, aber es war von „die Schwestern verkaufen“ die Rede. In welchem Stil geschah das? Als was (ich weiß, ich weiß, die Frage ist dumm. Ich weiß doch, was heute "im Angebot" ist, warum hätte das früher anders sein sollen)? Und wohin? Betraf das alle Volksgruppen?