Meine persönliche Haltung zur Verfilmung ist naturgemäß komplex. Zunächst war es für meine schriftstellerische Laufbahn ein wichtiger Schritt, überhaupt einmal "verfilmt worden zu sein", wie es so schön heißt. Ich respektiere auch die geleistete Arbeit, finde viele Aspekte des Films sogar lobenswert - so ist die Filmmusik sehr schön geworden, auch technisch ist er hervorragend gemacht, insbesondere, wenn man sich das schmale Budget von 4,5 Millionen Euro vergegenwärtigt. Auch die Besetzung ist im großen und ganzen in Ordnung. Worüber ich nicht glücklich bin, ist das Drehbuch. Abgesehen davon, daß es weder die Geschichte noch den Geist des Buches wiedergibt, hat die Geschichte, die stattdessen erzählt wird, selbst dann, wenn man sie unabhängig von der Romanvorlage betrachtet - wenn man gar nicht wüßte, daß es überhaupt einen Roman dazu gibt - bisweilen unfaßbar große logische Löcher. Ich verstehe, daß man einen Roman nicht 1:1 in einen Film umsetzen kann. Das würde ich auch nicht einmal selber machen, wenn ich das Drehbuch zu einem meiner Romane zu schreiben hätte. Film ist ein anderes Medium; da muß man oft Figuren, Episoden usw. rauswerfen, umstellen, miteinander verschmelzen, Szenen anders aufbauen, anders erzählen und dergleichen. Doch im Drehbuch zu "Jesus Video" wurde viel rausgeworfen, um einfach durch Actionszenen aus der Klischeekiste ersetzt zu werden, wohl aus der Angst heraus, der Zuschauer könnte wegzappen, sobald er "zur Besinnung" käme. Tatsächlich machen diese Änderungen den Film natürlich schwächer, weil austauschbar. Das andere Ende wurde in manchen Filmbesprechungen sogar gelobt, was aber nur zeigt, daß die Rezensenten ziemlich unbelesen sind, denn natürlich bin ich auf die Idee, Stephen Foxx könnte sein eigenes Skelett gefunden haben, selber auch gekommen, in einem ziemlich frühen Stadium sogar, so schwer ist das ja nun wahrhaftig nicht. Aber ich habe die Idee gleich wieder verworfen, weil es nämlich in der Science Fiction Literatur schon jede Menge Geschichten gibt, in denen das der Witz ist. Man könnte ein ganzes Regalbrett damit füllen. Im Gegenteil war mir klar, egal wie der Roman ausgeht, SO darf er jedenfalls NICHT ausgehen.
Hätte ich diesen Film verhindern können? Die ernüchternde Antwort ist: Nein. Nicht ich habe die Filmrechte an die Produktionsfirma verkauft, die den Film letztendlich zusammen mit Pro Sieben realisiert hat, sondern der Verlag, der die Hauptrechte an dem Roman "Jesus Video" hat, Schneekluth. Als ich damals den Vertrag für dieses Buch schloß, war ich ein unbekannter Autor, der froh sein mußte, sein drittes Buch unterzubringen, und es gab nur die Wahl, "alle üblichen Rechte" an den Verlag zu übertragen oder das Buch nicht veröffentlicht zu bekommen. Es wäre mir übrigens auch bei einem anderen Verlag nicht anders ergangen. Die Hardcover-Originalausgabe von "Jesus Video" verkaufte sich zudem nicht gut, so daß es verständlich ist, daß Schneekluth nicht zögerte, zuzusagen, als ein Filmproduzent eine Option auf die Filmrechte erwerben wollte, um so ein wenig Geld in die Kassen zu bekommen. Und von da an nahm alles unabänderlich seinen Lauf.
Hätte ich mich wenigstens in den Produktionsprozeß einmischen sollen? Nun, lange Zeit habe ich nicht mitbekommen, daß da überhaupt eine Produktion in Gang war. Eine Option auf die Filmrechte, das heißt noch gar nichts. Als ich von konkreten Vorarbeiten erfuhr, war es schon zu spät. Und ich bin, offen gestanden, auch froh, es nicht versucht zu haben. Denn die Aussichten, sich als Romanautor in so einem Zusammenhang durchzusetzen, sind sehr gering bis gar nicht vorhanden - und DANN hätte ich mich wirklich geärgert! Mahnendes Beispiel ist mir in dieser Hinsicht Michael Ende, der sich in den Querelen um die Verfilmung der "Unendlichen Geschichte" buchstäblich aufgerieben hat. Deswegen habe ich bewußt die Entscheidung getroffen, mich aus Verfilmungsprojekten so weit wie möglich herauszuhalten und mich darauf zu beschränken, das Beste zu hoffen.
Es ist jedoch nun einmal so, daß Romanautoren nie viel Einfluß auf die Art und Weise haben, wie ihre Stoffe verfilmt werden. Das geht ja auch anderen, weit berühmteren Autoren so - man denke an Stephen King -, also hat es auch keinen Zweck, sich darüber aufzuregen. Ich würde auch weiteren Verfilmungen grundsätzlich zustimmen: neues Spiel, neues Glück. Wobei es auf der anderen Seite auch die Gefahr gibt, daß ein guter Film das Buch in Vergessenheit geraten lassen kann (wer liest heutzutage noch James Bond-Romane?); in dieser Hinsicht sehe ich momentan zumindest keine Gefahr. - Ich merke in der ganzen Diskussion auch, daß es für mich keineswegs ein Ziel ist, die Vorlage für einen großen Film zu liefern; für mich ist der Roman das Eigentliche und eine Verfilmung höchstens Beiwerk. Die negativste Erscheinung im Zusammenhang mit der Verfilmung des "Jesus Video" ist in meinen Augen, daß manche Leute glauben werden, sie wüßten, nur weil sie den Film gesehen haben, worum es in dem Buch geht, so daß sie es verpassen, es zu lesen.