Noch ein Buchtipp zum Thema "Sind Märchen zu grausam für Kinder?":
"Verstoßen, verschlungen, erschlagen: Über Grausamkeit im Märchen" von Almut Bockemühl.
Meinung der Autorin:
Die scheinbar äußeren Vorgänge im Märchen haben ihre Gültigkeit in einem übertragenen Sinne, sie sind Bilder innerer Geschehnisse. An den Märchen, die in diesem Band eingehender betrachtet werden, wird deutlich: Was in ihnen grausig und unerträglich erscheint, gehört zur Krisis des Geschehens, es wird zum Tiefpunkt der Prüfung, die durchstanden werden muss.
Ich fand das Buch sehr hilfreich und interessant, da ich finde, dass man in Märchen nicht alles wörtlich nehmen darf, sondern nach den Bildern und Botschaften suchen muss, die sich dahinter verstecken.
So wird z.B. das Ende von Schneewittchens böser Stiefmutter (sie muss in glühenden Schuhen tanzen, bis sie tot umfällt) in "Verstoßen, verschlungen..." so erklärt, dass die glühenden Schuhe für die Qualen stehen, die sie durch ihre Eifersucht auf Schneewittchen erleidet. Ich finde, das ist eine faszinierende und nachvollziehbare Interpretation.
In der 11.Klasse haben wir im Religionsunterricht auch versucht, Märchen zu interpretieren, z.B. "Brüderchen und Schwesterchen". Seitdem mag ich dieses Märchen noch viel weniger... Allein der Gedanke an das Reh mit dem Strumpfband (!!) um den Hals - brrr...Schweinkram.
Einigen hat diese Unterrichtseinheit das Lesen von Märchen total verdorben, aber ich fand sie danach höchstens interessanter. Vorher hab ich mich immer an den Dinge in Märchen gestoßen, die irgendwie unlogisch waren und die mir trotzdem keiner erklären konnte. Jetzt weiß ich, dass diese Irritationen bestimmte "Schlüsselwörter" sind und nicht einfach überlesen werden dürfen, wenn man den tieferen Sinn des Märchens nicht total über den Haufen werfen will.