Klappentext
Eines Tages tauchten sie aus dem Nichts auf - die Geister der Toten. Millionen auf der ganzen Welt, und stündlich werden es mehr. Sie stehen da, bewegungslos, leuchtend, ungefährlich. An der Absturzstelle eines Flugzeugs, mitten in Europas einziger Wüste, warten zwei junge Frauen auf die Geister ihrer verunglückten Eltern. Rain hofft, die Begegnung wird ihrer jüngeren Schwester Emma helfen, Abschied zu nehmen. Auch Tyler, ein schweigsamer Norweger, ist auf seinem Motorrad nach Spanien gekommen, um ein letztes Mal seine große Liebe Flavie zu sehen. Dann erscheinen die Geister. Doch diesmal lächeln sie. Und es ist ein böses Lächeln.
Meine Meinung
„Phantasmen“ ist mein erstes Buch von Kai Meyer. Ich habe mich dafür entschieden, es zu lesen, weil ich das Thema äußerst interessant finde und mich das erste Kapitel überzeugt hat.
Es geht hier um die zwei Schwestern Rain und Emma, die sich von ihren bei einem Flugzeugabsturz verstorbenen Eltern verabschieden möchten und die eher zufällig in das Geheimnis rund um das Erscheinen der Geister hineingeraten.
Rain ist ein rebellisches Mädchen, das in ihrer Kindheit zu wenig von den Eltern geliebt wurde und in Afrika ein traumatisches Erlebnis hatte, das ihr Handeln und ihre Art zu denken, sehr stark beeinflusst. Sie ist mir ein sympathischer Charakter, mit dem ich sehr gut mitfühlen kann. Ihre Zuneigung zu ihrer Schwester und später auch Tyler ist realistisch und sehr gut nachvollziehbar. Einzig das benannte Afrika-Trauma überzeugt mich nicht. Mir scheint es, dass der Autor der Protagonistin etwas Besonderes verleihen wollte, das aber gar nicht zur Geschichte passen will. Nur die Tatsache, dass sich Rain am Ende der Geschichte ihrer Angst zu Liebe ihrer Schwester stellt, macht daraus eine runde, aber unnötige Sache.
Emma hingegen ist durch ihre autistischen Züge sehr speziell und absolut glaubhaft. Für mich ist sie die beste Figur des Romans. Dass sie wichtig für die Handlung ist, kann man sehr früh erahnen und macht neugierig. Emma bringt die Dinge durch ihr rationales Denken auf den Punkt und rettet das Trio oft aus brenzligen Situationen.
Tja und dann ist da noch Tyler, der den Stein erst ins Rollen bringt. Wer ist dieser Norweger überhaupt, der so gar nicht norwegisch erscheinen möchte? Auch hier wirkt mir die Figur wieder sehr konstruiert. Der männliche Protagonist sollte hier wohl Ecken und Kanten haben, bleibt allerdings nur blass und stellt sich oft eher als Problem dar.
Inhaltlich kann mich die Geschichte überzeugen. Das plötzliche Erscheinen der Geister und die damit verbundene Angst der Bevölkerung und die Maßnahmen der Regierung erscheinen mir logisch. Als die Geister dann noch zu lächeln beginnen und Menschen sterben, ist man absolut gefesselt und möchte die Ursache dafür erfahren. Diese Ursache ist völlig unvorhersehbar und absolut neu. Kai Meyer ist damit ein Geniestreich gelungen. Oft hat es mich beim Lesen gegruselt und ständig überrascht. Allerdings ist mir der Rahmen um diese Handlung zu actionlastig und zufällig. Die drei Protagonisten stolpern von einem Problem ins nächste und können dieses dann ohne weitere Hindernisse – einmal abgesehen von den vielen Leichenbergen – überwinden.
Da sich die Handlung nur über wenige Tage erstreckt, ist das Tempo rasant. Vielleicht hätte man aus diesem Buch tatsächlich mehrere Bände machen sollen, damit die Leser und die Protagonisten Zeit zum Verschnaufen haben und die Dinge besser erklärt werden können.
Das ist nämlich das größte Problem der Geschichte: Es wird kaum etwas erklärt. Zwar weiß man, WIE es dazu kam, dass die Geister erscheinen konnten, aber das große WARUM wird nicht ausreichend erklärt. Wenn mal eine der wenigen Passagen kam, in der man Hintergründe erfahren hat, habe ich diese genossen.
Leider gibt es auch keinen echten Bösewicht: Nur zum Ende hin wird derjenige obligatorisch erwähnt, bekommt aber keine besondere Aufmerksamkeit.
Der Showdown gerät mir dann auch zu kurz und erinnert mich sehr stark an einen Hollywood-Endzeitfilm. Das Ende ist dann aber ziemlich versöhnlich und erscheint mir nach den Ereignissen mit den Geistern durchaus realistisch.
Abschließend kann ich sagen, dass kaum Fragen offen bleiben. Vieles erklärt sich von selbst oder wird so erzählt, dass man sich die Konsequenzen zusammenreimen kann. Man braucht als Leser also kein großes Fazit, aber ich hätte es mir gewünscht, damit die Geheimnisse und letztendlich das Fantastische rund um die Geister eindeutiger wird. Vor allem hätte ich mir gewünscht, dass sich der Autor traut, uns einen Blick hinter den Tunnel werfen zu lassen, aber vielleicht war ihm das für ein Jugendbuch zu religiös.
Ich spreche hier eine Leseempfehlung aus, weil das Buch trotz einiger Schwächen, durch die überraschende und neuartige Handlung überzeugt.