Sorry für die "Schweigezeit"; komm gerade nicht so viel zum Posten, wie ich gerne würde (dafür relativ gut zum Lesen - bin auf S. 232).
Mir persönlich gibt der zweite Hauptabschnitt auch noch mal mehr als der erste (wie dyke schon sagte: es geht ans "Eingemachte" :-))
@Babyjane: Ich denke, dass du den Abschnitt zu überspitzt betrachtest. Wogegen Precht m.M.n. hier vor allem angeht, ist Rousseaus These, dass der Mensch (als Art) "zum Einzelgänger geboren" ist und Gesellschaft ihm quasi den guten Charakter verdirbt, und auf die Wichtigkeit von Sym- und Empathie für das moralische Bewusstsein. In dieser Hinsicht stimme ich ihm rückhaltlos zu.
Es geht ihm meiner Ansicht nach weniger um das "auch alleine klar kommen" als um das "nicht mit anderen klar kommen". Ersteres ist sicher ein positiver Zug (gutes Beispiel ist für mich eine Paarbeziehung - wenn ein Partner nicht auch zeitweise alleine klar kommt, wird's echt stressig); Letzteres erachte ich als problematisch.
Nur weil du dich ab und an gerne für eine Weile "einigelst" (was ich gut nachvollziehen kann - meine Frau kann ein Lied davon singen ;)), würde ich mich also an deiner Stelle nicht als von Precht einer Verhaltensstörung bezichtigt sehen. Denn dass es dir an Sym- und Empathie für andere Menschen per se nicht mangelt, meine ich (vorsicht: kühner Rückschluss aus geringer Quellenlage) bisher aus deinen Beiträgen recht eindeutig herauszulesen.
Einen kleinen aber für mich nicht unwesentlichen Lerneffekt hatte ich in dem Kant-Abschnitt, und zwar was das "Zwei Dinge..." Zitat angeht. Ich hatte das nämlich seit meiner Schulzeit als "Zwei Dinge lassen mich glauben, dass es einen Gott gibt..." im Kopf (was darauf hindeutet, dass es einer meiner Religionslehrer das erste Mal zitiert haben muss). 'Das Gemüt mit Bewunderung erfüllen' ist da schon eine Nummer kleiner.
Prechts Stil gefällt mir weiterhin sehr gut, inklusive kleiner Experimente wie dem Schopenhauer-Libet Dialog.
dyke
: Beim Schreiben kann es wahrscheinlich egal sein, ob der (unbewusste) Wille oder der (bewusste) Verstand die Finger über die Tasten wandern lässt - solange, wie du sagst, das Ergebnis stimmt.
Geht es aber um die Frage nach moralischem oder unmoralischem Handeln, nach Gut und Böse, dann wird die Annahme, unser Unbewusstes führt die Zügel und das verständige Bewusstsein zieht nur nach, halt schon spannend, wenn nicht skandalös.
Ich denke, das geht aus "Libets" (bzw. Prechts) Verteidigung seiner Annahme vom "freien Unwillen", also dem "Stopp-sagen-können", sehr gut hervor. "Das Unterbewusste hat mich dazu getrieben" möchte ich ebenso ungern als Rechtfertigung "bösen" oder ungesetzlichen Handelns gelten lassen* wie das althergebrachte: "Der Teufel ist in mich gefahren", denn als Ent-Antwortung liefe es m.E. auf dasselbe hinaus.
*diagnostizierte psychische Unzurechnungsfähigkeit ausgenommen
Insofern finde ich auch den "Fall Gage" immer noch extrem gruselig - aber der gehört zum nächsten Abschnitt