Heute bin ich fertig geworden. Es hat ein bisschen länger gedauert, mich durch die knapp tausend Seiten bedrucktes Papier zu lesen. Aber, ich bin dennoch durch und fast noch mittendrin.
Ja, und was bleibt? Whale Watching vor den Küsten Schottlands wurde für den Urlaub ad acta gelegt.
Ist man kein studierter, promovierter und habilitierter Meeresbiologe, -geologe, Bakteriologe usw. usf., muss man zumindest wissenschaftlich interessiert sein, sonst wird der Zugang "zum Schwarm" recht schwierig. Aber gut. Ein wenig googlen und in diversen Lexika nachzuschlagen, gibt einem doch zumindest einen groben Überblick über die Hintergründe und über die weitreichenden Folgen der beschriebenen Szenarien. Wobei man für diese eigentlich keine Sekundärliteratur benötigt. Denn Schätzing schafft es meiner Meinung nach auf eine ganz simple, aber wirkungsvolle Weise, die aus verschiedenen Wissenschaften stammenden Forscher, und auch den Wissenschaftsfremden, die biologischen Vorgänge zu erklären, indem er sie eben diese sich untereinander erläutern läßt. So wird der Leser nicht als dummer, ungebildeter Nicht-Wissenschaftler zurückgelassen, sondern er darf quasi an den Untersuchungen, am Fortschritt teilhaben. Die Bilder und Situationen sind so gut beschrieben, dass ich mich manchmal selbst mitten an einem Becken oder am Heck eines Schiffes habe stehen sehen.
Allerdings habe ich dann immer wieder schwer darüber nachdenken müssen, von welchem Schiff aus ich gerade wildgewordene Wale betrachte, denn Schiffe gibt es in diesem Buch viele. Und jedes war mit unterschiedlicher Technik ausgestattet und jedes Schiff oder Boot sollte seinen eigenen Zweck erfüllen. Natürlich! Das ist mit Sicherheit auch so. Doch mich hat es zeitweise wirklich überfordert, mir die Namen zu dem dazugehörigen Schiff und dem Meer, der Küste oder was auch immer zu merken, vor dem es vor Anker lag.
Tja. Im Laufe des Lesens habe ich mich gefragt, zu welchem Genre das Buch eigentlich gehört. Laut Umschlag sei ein Roman, es beherbergt aber auch Thriller-Elemente und auch eine gehörige Portion Science Fiction nebst Fantasy. Und vielleicht auch ein wenig vom derzeit beliebten Verschwörungsthriller. Aber dass die Amerikaner in der Geschichte so mit Klischees behaftet sind, hinterlässt auch bei mir einen leicht faden Geschmack. Judith Li fand ich auch stark überzogen, passte allerdings wieder zu dem ständig über Gott und die Bibel faselnden, ziemlich einfältigen Präsidenten, dem man nur rot für grün vormachen musste und er glaubte es. Schade, dass auch u.a. der CIA Typ ins gleiche Holz schlug. Die mehr oder weniger versteckten Kritikpunkte an den amerikanischen Vorgehensweisen hätte man vielleicht auch mit weniger Zaunpfählen versehen können. Dazu hätte es auch den Andeutungen auf die unzähligen Hollywood-Streifen nicht bedurft, in denen die Amerikaner grundsätzlich die Erde und dazu die gesamte Menschheit vor dem sicheren Untergang retten, weil nur sie über die dazu nötige weit fortgeschrittene Technologie verfügen.
Ein gewisses Happy End hat das Buch durchaus. Anawak und Weaver, die letztendlich zueinander finden durften, auch wenn wir nichts weiter mehr über sie erfahren, außer, dass sie sich in London aufhielten, als Sam ihr Buch/Bericht schrieb.
Und: die Menschheit hat noch eine Chance bekommen. Sie können weiter auf der Oberfläche leben, ohne sich vor einem Angriff aus den Tiefen der Ozeane fürchten zu müssen. Denn, wir sind schließlich nur ein Wimpernschlag in der Entwicklung der Erde, die die Einzeller und Mikroorganismen locker überleben werden. Also warum nicht einfach leben und leben lassen?
Ein bisschen etwas von Happy End hatte auch der nochmalige Auftritt der wichtigen Figuren auf Weavers Bühne, um sich in gewisser Weise zu verabschieden. Karens Gedankengänge, als sie unterwegs zum Grund der Tiefsee ist, sind allerdings m.M.n. auch kürzungswert, auch wenn die dahinter steckenden philosophischen Gedanken sicherlich ziemlich interessant sind, vielleicht aber an anderer Stelle geeigneter platziert gewesen wären.
Was aber doch gegen Ende des Buches zum Nachdenken anregte: der Lauf des Partikelchens durch die erwähnten Straßen, Meerengen usw. Die Beschreibung aber war in wunderbaren Bildern verpackt, die am Ende eine Zahl ausspuckten, die ich noch immer nicht fassen kann. 1000 Jahre soll es brauchen, um das alles zu durchlaufen, um einmal von Anfangspunkt zum Endpunkt zu kommen und somit wieder zum Anfang.
Ebenso imposant: die Erklärung der Datenkabel, die uns alle miteinander und den Rest der Welt verbinden. Erst durch solche Veranschaulichungen wird man sich dessen erst wieder bewußt.
Die Umschlagsgestaltung halte ich noch für erwähnenswert, denn sie springt einem augenblicklich und wortwörtlich ins Auge. Allerdings ist er sehr empfindlich und knickanfällig. Auch beim raschen Umschlagen der Seiten im Inneren, musste man doch sehr zärtlich mit den Seiten umgehen. So dünn wie sie sind. Aber stellt euch mal knappe tausend Seiten Geschichte auf dickerem Papier vor. Dieses Buch könnte niemand mehr einhändig neben dem Kochen halten. Aber einer Lupe bedarf es zum Lesen nicht.
Und letztendlich hat mich am Meisten zum Nachdenken gebracht, was wir eigentlich über unseren Planeten Erde wissen. Es wurde in Der Schwarm oft erwähnt: man weiß über das uns umgebende Universum mehr, als über die Tiefen des Meeres. Wir behaupten immer, wir würden jeden Flecken der Erde kennen und sicherlich ist das auch zum größten Teil richtig - betrachtet man nur die Landmassen und die flacheren Gewässer.
Aber „da unten“ in der Tiefsee ist es für uns nun mal nicht lebensbegünstigend – im Gegenteil. Und die Vorstellung, dass sich ausgerechnet dort, außerhalb unserer Wahrnehmung, etwas entwickelt, dass uns in Intelligenz zumindest ebenbürtig, wenn nicht überlegen, ist, ist meiner Meinung nach gar nicht so unwahrscheinlich und abwegig.