Beiträge von Vulkan

    Also, ich habe im Urlaub die ersten 523 Seiten gelesen, muss aber zugeben, dass ich in der Hektik des Alltags auch nicht die Nerven habe, weiterzulesen. Es gab ja schon verschiedene Rezensionen in den Zeitungen und vieles davon kann ich bestätigen:
    1. Es ist schon eindrucksvoll, wie das Bild Dresdens in den letzten Jahren der DDR entfaltet wird. Es finden sich immer wieder kleine Details, die ehemalige DDR-Bürger bestimmt wieder in die Zeit hinein versetzen.


    2. Es ist allerdings eine ganz bestimmte Schicht, die dargestellt wird. Also kulturinteressierte "Bildungsbürger", die durchaus staatskritisch eingestellt sind. Die Stasi spielt in dem Roman eine immerwährende Rolle - mehr, als sie dass im Bewusstsein vieler in den 1980er Jahren wohl war. Meine Mutter, die aus einem ähnlichen "Milieu" stammt, war jedenfalls etwas befremdet ob dieser ständigen Präsenz der Staatssicherheit in den Gesprächen der "Turmbewohner".


    3. Ich fand einige Passagen ganz wunderbar, spannend und eindrücklich beschrieben. Allerdings gibt es dazwischen häufig zig Seiten, die sprachlich wie inhaltlich so vor sich hindümpeln. Der Roman wird ja gerne mit den Buddenbrooks verglichen - woher dieser Vergleich kommt, ist mir ehrlich gesagt rätselhaft. Sprachlich reicht Tellkamp da nun wirklich nicht heran und auch in der Gestaltung der Charaktere bleibt doch vieles flacher. (Ganz abgesehen davon, dass es bei den Buddenbrooks um Aufstieg und Fall einer Familie über 3 Generationen ging, während es hier um 7 Jahre geht.)
    Insgesamt hatte ich auch häufig das Problem herauszufinden, warum wer was mit welcher Motivation macht - also vom erzählerischen finde ich es teilweise schwach. Ich kenne mich in der ganzen "Szene" (DDR-Geschichte, intellektuelles Mileu, etc.) noch ein bisschen aus, ich frage mich aber wirklich, wie verständlich dieses Buch für "normale" Leser ist, die vielleicht aus den alten Bundesländern kommen und noch jünger sind als ich, so dass sie kaum Vorkenntnisse haben.
    Diese erzählerischen Macken haben mich dann auch so genervt, dass ich das Buch erstmal weggelegt habe.


    Also mein erster Eindruck: interessant, lohnt sich mal hineinzugucken. Allerdings sollte man nicht mit zu großen Erwartungen herangehen und die Nerven haben, sich in dieses teilweise schwer verständliche Werk einzulesen.

    Ich habe vor 2 Jahren ein Büchlein angefangen, in dem ich festhalte, in welchem Monat ich welches Buch gelesen habe. Außerdem schreibe ich auf, wenn es einen bestimmten Anlass oder Auslöser für das Lesen eines Buches gab (dieses Jahr hat mich z. B. die Verfilmung von "Krieg und Frieden" im ZDF hintereinander zu "Krieg und Frieden", "Anna Karenina" und "Auferstehung" geführt), sowie persönliche Eindrücke. Also weniger die Geschichte selbst (die findet man ja bei Amazon jederzeit), sondern welche Eindrücke ein Buch hinterlässt, was man an neuen Ideen und Gedanken mitnimmt.


    Ich finde es ganz lustig, mit den Jahren sich anzugucken, wie man von einem Buch zum nächsten kommt, wie sich Cluster zu bestimmten Autoren / Perioden formieren usw.

    Zitat

    Original von Sibel
    Die Chancen stehen 50:50.
    Oder waren all die Bücher, die Du gelesen hast einsame Spitze ? Hattest Du noch nie Enttäuschungen, obwohl Du Dich auf das Buch gefreut hast ?



    Die sind mir den Nervenkitzel und den Spass daran wert :)


    Hi Sibel,


    ich glaube, wir unterscheiden uns in 2 Punkten:
    1. Ich glaube, die Chance, dass ich ein Buch greife, dass gut ist, und dass ich noch nicht habe liegt nicht bei 50:50, sondern bei 5:95. Wobei es darauf ankommt: wenn ich in meinem riesigen Lieblingsbuchlade mich vor meine Lieblingswand stelle und blind darauf zugehe, würde ich nur das Problem haben, dass die Chance groß ist, dass ich das Buch bereits habe.


    Natürlich waren nicht alle Bücher einsame Spitze, genau deswegen bin ich inzwischen so überheblich zu sagen, dass 90 % der Bücher eines durchschnittlichen Buchladens mich nicht interessieren. Und meine Enttäuschungen hatte ich immer dann, wenn ich irgendwelche Bücher aus dem Buchladen mitgeschleppt habe, die ich mir nach Klappentext, Titel und persönlicher Laune ausgesucht habe.
    Deswegen bin ich dazu übergegangen, nur noch sehr bewusst meine Lesewünsche auszuwählen. Somit passiert es praktisch nicht mehr, dass ich in ein Buchladen gehe und einfach ein Buch mitnehme. Vorher muss ich schon einigemale reingelesen haben, Rezensionen gelesen haben, oder andere Bezüge zu dem Buch haben, damit es mitdarf.



    2. Ich bin nicht risikofreudig, das stimmt. Wobei da jetzt schon wieder jemand meinen könnte, ich sei Neuem gegenüber nicht aufgeschlossen - dass stimmt nicht. Allerdings bin ich nicht der Meinung, dass alles Neue per se gut sein muss. Und wenn pro Jahr tausende Neuerscheinungen auf den Markt kommen, muss mich eben ein Autor wirklich überzeugen, damit ich genau ihn auswähle. Solange das gerade keiner schafft, wende ich mich meinem Bücherregal zu und arbeite meinen Sub ab.

    Zitat

    Original von Voltaire
    Die "Buddenbrooks" ist ein Unterhaltungsroman der gehobenen Klasse - mehr aber auch nicht. Das Thomas Mann gerade auch für diesen Roman 1929 den Literatur-Nobelpreis erhalten hat, ist für mich ganz einfach nicht nachvollziehbar. ...
    Thomas Mann ist auch in diesem Buch wieder ein Meister der Sprache, vom Inhaltlichen hat er den Leserinnen und Lesern allerdings lediglich fast ausschließlich Banalitäten mitzuteilen.


    Die "Buddenbrooks" und auch den Autor halte ich für überschätzt. "Der Zauberberg" dagegen ist in meinen Augen ein geniales Buch - aber ein geniales Buch begründet noch keine Genialität des Autors. Vielleicht ja auch nur ein Glückstreffer?


    Offensichtlich gehört es in die Abteilung "Allgemeinbildung" die "Buddenbrooks" gelesen zu haben - nur fragt man sich dann, warum es so gut wie nie als Schullektüre ausgewählt wird, wenigstens ist mir nichts anderes bekannt.


    Hallo Voltaire,
    mich würde jetzt mal interessieren, was Du unter "Unterhaltungsroman" verstehst? Also dass Literatur, auch anspruchsvolle, unterhalten darf, ist ja glücklicherweise unter Schriftstellern, weitgehender Common Sense - im Gegensatz zu bspw. Komponisten des 20. Jahrhunderts, die Unterhaltung als Teufelszeug sehen.


    Aber Unterhaltung auf in Form von "meisterlicher Sprache" ist etwas, was nicht so viele Autoren schaffen. Was man nun als Banalität versteht und was nicht, ist ja glücklicherweise sehr unterschiedlich. Ich weiß, dass mich gerade diese Beschreibungen köstlich amüsiert haben. Ich habe das Buch mit 17 gelesen, und habe es wirklich v.a. als "Familienepos" gelesen. Inzwischen glaube ich, dass ich vieles damals gar nicht mitbekommen und richtig verstanden habe: Aufstieg und Niederfall einer alten Konsulsfamilie - das Symbol des 19. Jahrhunderts. Der Aufstieg einer Industriellenfamilie, kennzeichnend für das 20. Jh. Die Angst des Konsuls, als seine Geschäfte schlechter gehen, die nicht nur die Angst vor dem wirtschaftlichen Ruin ist, sondern gemäß der "protestantischen Ethik" auch Zeichen für Seelenheil, bzw. Seelengefahr ist.


    Warum es nicht in der Schule gelesen wird? Daran wird der Umfang schuld sein. Ich habe im Unterricht v.a. Stücke, Novellen, Erzählungen gelesen. Ich glaube, der Faust war noch das längste.


    Wie gesagt, es ist einige Zeit her, dass ich das Buch gelesen habe. Zu Weihnachten werden ich mir die Frankfurter kommentierte Ausgabe mit Kommentar schenken oder wünschen :grin, und im nächsten Jahr dann den Roman nochmal lesen, und ich bin mir sicher, ich werde ihn anders lesen als beim ersten mal.
    Ich persönlich mag solche Bücher unheimlich, die sich auf den ersten Blick gut und unterhaltsam lesen, in denen aber doch mehr versteckt ist, ohne zu aufdringlich zu sein.



    Ich finde es übrigens ganz schrecklich, wenn ich hier lese, dass Eulen "Respekt" vor Thomas Mann haben. Ich verstehe ja, wenn jemand, der nie liest, davor Respekt hat. Aber wer soll den den armen Th. Mann lesen, wenn nicht die ganzen Vielleser in diesem Forum?

    [Jawohl, genauso ist es (nicht böse gemeint, Vulkan, aber bist du etwa auch aus Bayern? :lache Ich hab das Gefühl, dass diejenigen, die es eher konservativ sehen, aus Bayern stammen :rofl :lache :lache).]


    Keine Sorge, ich komme erstens aus Berlin und zweitens kann man mich mit dem Wort 'konservativ' nicht ärgern, da muss sich jemand schon was anderes einfallen lassen. :grin


    Sibel, ich habe Dein Anliegen nicht kritisiert, nur wenn Du fragst, was wir von einem "Blindkauf" halten, kann ich doch auch sagen, wie ich es finde?!
    Ich bin da einfach sehr rational, weil ich min. 100 Bücher vor Augen habe, die ich lauf der Stelle esen möchte, und ich weiß, dass mit jedem gelesenen Buch 2 neue dazu kommen, die ich unbedingt lesen will.

    Hallo Ihr,


    was mich ja etwas wundert ist, dass Ihr so experementierfreudig mit Eurer Lesezeit seit. Also einfach mal in der Buchhandlung ein Buch in die Hand nehmen, auch aus einer Abteilung, aus der man sonst selten ein Buch liest, und mal reinlesen, verstehe ich ja noch. Aber das Risiko einzugehen, ein Buch zu kaufen, dass sich sprachlich oder inhaltlich als grenzwertig herausstellt, kann ich nicht nachvollziehen. Lest Ihr denn dann so ein Buch auch, wenn Ihr schon auf Seite 1-3 merkt, es ist "Schrott". Nicht böse sein, das soll jetzt nicht überheblich klingen, aber so wie Reich-Ranicki einen Großteil des Fernsehprogramms für qualitativ bedenklich hält, so halte ich ebenso einen großen TEil der Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt für verzichtbar. Also nicht verzichtbar in dem Sinne, dass ich ein Problem damit habe, dass es gedruckt wurde (schließlich gibt es ja auch genug, die diese Bücher kaufen), aber verzichtbar in dem Sinne, dass ich meine Zeit damit nicht verbringen möchte.
    In dem Blindflugexperiment wäre mir das Risiko, so ein verzichtbares Buch zu kaufen, zu groß.

    Hallo,


    noch ein Vorschlag von mir: Louis Begley: Lügen in Zeiten des Krieges. Die Geschichte eines polnischen jüdischen Kindes während des 2. Weltkrieges. Nicht allzu lang (ca. 240 S.), gut lesbar, und 100% Erwachsenenliteratur. Es wurde übrigens von Reich-Ranicki im Literarischen Quartett damals sehr gelobt, es scheint also auch einen gewissen literarischen Standard zu erfüllen.