Beiträge von Vulkan

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    Original von newbook


    Was wäre denn für Euch ein angemessener Preis für ein Ebook? bzw. welche neuen Möglichkeiten könnte es für Verlage und Autoren geben?


    Mehr Lesereisen der Autoren oder T-shirts von den Literaturnobelpreisträgern? Wie seht ihr die Zukunft?


    Genau davor graut es mir... Ein angemessener Preis für ein Ebook sollte so liegen, dass der Käufer von den sinkenden Publikationskosten profitiert (Druck, Papier, Vertrieb). Wieviel das bei einem Buch ausmacht, weiß ich nicht. Aber um mehr als diesen Betrag dürfte das ebook nicht günstiger werden, zumindest würde ich das aus Angst vor den Konsequenzen nicht wollen.


    Prinzipiell halte ich Lesen für eine konservative Angelegenheit, bei der mir wenige Neuerungen zum Zwecke des Geldverdienstes einfallen. Bestsellerautoren würden vielleicht mehr Geld mit Lesungen verdienen können, aber die breite Masse?

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    Original von Thomas
    Dass die Buchpreisbindung für eine Vielfalt im Buchmarkt führt, scheint mir zweifelhaft. Verlage denken ebenfalls wirtschaftlich und Bücher, die sich von vornherein nicht rechnen, werden nicht produziert. Heutzutage mag es vereinzelte Ausnahmen von inhabergeführten Verlagen geben, aber das wird zunehmend abnehmen. Die Befürworter der Buchpreisbindung mögen mir mal bitte ein Beispielprojekt nennen, welches nicht erschienen wäre, wenn es die Buchpreisbindung nicht gäbe.


    Gruß, Thomas


    Ich habe vor 1-2 Jahren einige ausführliche Artikel über den Buchmarkt in Deutschland und USA gelesen. Darin wurde ausgeführt, dass Bestseller in USA inzwischen überall verkauft werden, und vor allem auch von Supermärkten und Discountern aufgekauft werden. Dabei diktieren sie teilweise mörderisch niedrige Preise. Die Verlage machen da mit, weil diese Verkaufsquellen ein großes Publikum erreichen. Der Gewinn pro verkauftem Bestseller ist dadurch in den letzten Jahren aber massiv gesunken. Früher waren Bestseller in den USA (wie heute in Deutschland) die Garanten für den wirtschaftlichen Erfolg eines Verlags, in deren Windschatten man dann anspruchsvolle, neue, exotische Autoren publizieren konnte, die sich nicht unbedingt selbst tragen mussten.


    Angeblich - laut dieser Artikel - hat die beschriebene Entwicklung in den USA dazu geführt, dass die Vielfalt der Publikationen abnimmt: Man geht weniger Risiko ein, macht weniger Übersetzungen, und hebt die Preise für die Bücher, die weniger verkauft werden teilweise massiv an.


    Der deutsche Buchmarkt ist wohl immer noch - gemessen an der Zahl der deutschsprachigen Leser - bei weitem der größte, auch und gerade, was Übersetzungen mehr oder weniger bekannter Autoren angeht. Verlage in anderen Ländern machen sich gerade diese Übersetzungsarbeit viel weniger. Das kann sicher verschiedenste Gründe haben, aber Geld ist sicher immer einer davon.

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    Original von Thomas
    Das ist mit zu viel Aufwand verbunden. Ein Buch stelle ich in den Schrank. Fertig. Es kann abbrennen, aber dann kommt meine Hausratsversicherung dafür auf. Dateien sind doch deutlich schwerer zu handhaben. Und wer hat schon Lust, bei einem Rechnerwechsel Dateien zu kopieren, dann erneut, wenn neue Lesegeräte kommen und noch einmal wenn sich die Formate ändern etc. Ich bin Leser, kein Datenkopierer.


    Gruß, Thomas


    Naja, ich erinnere mich noch an unseren letzten Umzug. Wenn man mich da gefragt hätte "packen, schleppen, wieder einsortieren" oder "Daten kopieren", weiß ich, was einfacher und schneller gewesen wäre...
    Aber ich würde aus emotionalen und haptischen Gründen nicht auf Bücher verzichten wollen. Aber unkomplizierter ist es alle mal, ein paar Daten zu kopieren als 1000de von Büchern zu bewegen.


    Wichtig wäre natürlich, dass nicht ständig neue Datenformate entstehen. Aber mit CDs ist die Menschheit jetzt seit 25 Jahren glücklich, also sollte sowas doch absehbar auch für Texte möglich sein. (Also eine gleichbleibende Form der Datenaufbewahrung.)


    Übrigens, eine Hausratsversicherung würde mir beim Abbrennen meiner Bibliothek wenig helfen. Nicht nur, dass viele Ausgaben vergriffen sind, bzw. die Wiederbeschaffung aller Exemplare in neuen Ausgaben die Versicherungssumme bei weitem übersteigen würde, dazu kommt aber noch der Akt des Beschaffens selbst. Bis ich jeweils die richtigen Ausgaben gesucht, gefunden, bestellt, bezahlt habe, vergehen Jahre.


    Ich habe von den technischen Details keine Ahnung, aber es kann doch kein Problem sein, so ein ebook an eine externe Festplatte oder einen Computer anzuschließen und sämtliche Daten zu speichern.


    Bei einem Brand besteht immer noch die Gefahr, dass die Daten verloren gehen (oder man speichert auf zwei Festplatten und bewahrt diese an verschiedenen Orten auf). Normale Bücher gehen allerdings bei einem Wohnungsbrand dann erst recht drauf. Von der Sicherheit sehe ich also keine Probleme. Ich hätte eher das Problem, dass meine Bücherwand auf mich emotional anders wirkt als ein ebook und ein Computer auf dem Schreibtisch, selbst wenn ich weiß, dass da sämtliche Bücher gespeichert sind. Menschen haben sich immer an Buchkunst erfreut. Vielleicht gibt es ja in den nächsten Jahrzehnten sogar wieder einen Trend hin zu schön gemachten Büchern. Dann können sich die Leser für ihren neusten Krimi das ebook nehmen und für ihre Klassikerausgabe einen ledergebundenen Einband. Gerade diese Taschenbücher in Neonfarben sehen ja teilweise schrecklich aus im Bücherregal.

    Ich glaube, dass ich mir so ein Gerät irgendwann (wenn technisch ausgereift, bezahlbar und ausreichend Download-Möglichkeiten) zulegen werde. Gerade wenn man unterwegs ist oder verreist, ist die Platzersparnis enorm.


    Allerdings kann ich mir nicht vorstellen, meine 10 Bände Goethe, Th. Mann oder Tolstoi auf so einem ebook zu lesen. Zumal das Blättern doch erstmal ein Problem zu sein scheint, also da ein Buch vorerst überlegen sein wird. Gerade wenn man viel ins Inhaltsverzeichnis, in die Endnoten, Stichwortregister guckt, scheint mir ein Buch überlegen zu sein.


    Das einzige wirkliche Problem, dass ich mit dem ebook-System habe, ist die Buchpreisbindung. Ich sehe die Buchpreisbindung als Garantie für einen qualitativ hochwertigen und breiten Buchmarkt, bei dem die Bestseller die "Niedrigseller" (die ja qualitativ hochwertig sein können) querfinanzieren. Fallen mit der Buchpreisbindung die Preise für die Bestseller, hätte ich Angst um die Auswirkungen auf den gesamten Markt - wo soll dann noch Geld für die weniger bekannten und verkauften Autoren herkommen?

    Hallo,


    ich will ja nicht langweilen, aber DAS Werk der Reflexion über Zeit ist Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Ich würde mir allerdings ganz bewusst nur den 1. Band "In Swanns Welt" vornehmen, alles andere könnte einschüchternd wirken.
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    Was ich nicht gelesen habe, aber Dich vielleicht auch interessieren könnte: Sten Nadolny: "Die Entdeckung der Langsamkeit".
    Link

    Übrigens möchte ich anmerken, dass Richard Powers in seinem Roman "Klang der Zeit" diese Rassenthematik unheimlich gut bearbeitet hat. In dem Roman geht es um die Liebe zwischen einer Afroamerikanerin und einem Juden, der aus dem Europa der 1930er Jahre geflohen ist, und ihre Kinder. Diese Liebes- und Familiengeschichte wird perfekt verwoben mit den Themen Segregation, Diskriminierung, Civil Rights von den 1940er Jahren bis weit in die 1970er Jahre hinein.


    1. Delphin, du sprichst genau das Thema an, dass mich immer wieder aufbringt in dieser Frage: Wann ist jemand "schwarz".
    Die Europäer haben sich die Beantwortung dieser Frage seit ihren ersten Kontakten zu Afrikanern sehr leicht gemacht: Schwarz, oder farbig ist jeder, der auch nur irgendeinen Urahn dunkler Hautfarbe hat. Dahinter steckt ein fast religiöses "Reinheitsgebot", dass jeden von der eigenen Hautfarbe ausschließt, der auch nur einen Tick anders aussieht.
    Nun hatte aber diese Bezeichnung "weiß" - "schwarz" nie nur beschreibenden Charakter, wie es bei der Beschreibung von Haarfarben der Fall ist.
    Die Bezeichnung als "schwarz" war gleichbedeutend mit dem Ausschluss aus der Mehrheitsgesellschaft, bzw. in den Südstaaten, wo Sklaven zahlenmäßig die europäischen Einwanderer weit übertrafen, bedeutete dies ein Ausschluss aus der besitzenden und herrschenden Klasse. Oder anders: Jeder, der irgendwie afrikanische Vorfahren hatte, wurde von den wesentlichen Menschenrechten ausgeschlossen.


    Diese Tradition macht es mir sehr schwer, in diesen Begriffen von schwarz und weiß zu denken. Ich habe nie verstanden, warum jemand, der einen "weißen" und einen "schwarzen" Elternteil hat, deswegen nun als "schwarz" und nicht als "weiß" gelten soll. Das ist eine Ideologie, mit der ich nicht klarkomme.


    Was allerdings zweifellos anzuerkennen ist, ist dass sich aus diesem europäischen Rassedenken massive soziale Implikationen ergeben: Unabhängig von seiner Hautfarbe wächst ein afroamerikanisches Kind in einem Umfeld auf, dass auch heute noch nicht zu vergleichen ist mit der Situation eines "weißen" Kindes. Ein afroamerikanisches Kind hat in den USA zu 90 % afroamerikanische Freunde, Familienmitglieder, etc. Es wächst mit Menschen auf, die noch eine lebendige Erinnerung an die Segregation und die Diskriminierungen haben, die wissen, dass sie aufgrund ihres Äußeren immer besser und hartnäckiger sein müssen, um das gleiche zu erreichen wie ihre "weißen" Schulkameraden, Kollegen, etc. Diese Kinder wachsen in dem Bewusstsein auf, dass sie aufgrund ihres Äußeren von den "Weißen" lange Zeit drangsaliert, unterdrückt, missachtet werden konnten. Ich glaube, dass es Deutschen, die nicht aus einem Migrations- oder anderen Minoritätshintergrund kommen, schwer fällt, einzuschätzen, was dieses Bewusstsein der ehemaligen Inferiorität bedeutet.


    Und das ist genau der Punkt, wo ich glaube, dass Obama den großen Vorteil hatte, diese Erfahrung nicht in der Prägnanz machen zu müssen, wie die meisten anderen Afroamerikaner. Er wuchs bei seiner "weißen" Familie auf, die eben nicht die Erinnerung an die dunkelste Zeit der Rassentrennung in sich trug. Es ist ein Unterschied, ob man etwas im Geschichtsunterricht lernt, oder von klein auf, lange bevor man es realisieren kann, über die Reaktionen seiner Eltern ständig aufnimmt. Natürlich wird Obama wissen, was Rassismus ist, und er wird sicher auch einige Erfahrungen damit gemacht haben. Aber er hat ein familiäres Erbe, in dem sich seine Familienmitglieder nie als die Verlierer des amerikanischen Traums, nie als die Unterdrückten fühlen mussten. Das ist ähnlich wie bei einem afrikanischen Kind, dass von "weißen" Europäern oder Amerikanern adoptiert wird. Dieses Kind wird vielleicht mal wegen seiner Hautfarbe komisch angeguckt. Aber es sieht seine Eltern als absolut integrierte, respektierte Mitglieder der Mehrheitsgesellschaft. Das ist für die Entwicklung seines Selbstbewusstseins, seiner Identität als Teil der Gesellschaft ein großer Vorteil, den die meisten afroamerikanischen Kinder bisher nicht hatten.


    Diese "weißen" Wurzeln, von denen ich sprach, führen meiner Meinung dazu, dass Obama sehr versöhnlich hinsichtlich des Verhältnises von "schwarzen" und "weißen" Amerikanern ist. Er hegt nicht den verständlichen Groll vieler Afroamerikaner, und gerade auch der afroamerikanischen Bürgerrechtler. Er hat die Wut eines Jesse Jackson oder auch einer Michelle Obama über ihre Geschichte und ihre eigenen Erfahrungen eben nicht tief in sich vergraben. Interessanterweise gab es ja von seiner Frau zu Beginn des Wahlkampfes einige Bemerkungen zum Thema Rassismus und Afroamerikaner, die vom Wahlkampfteam schleunigst unterbunden worden sind, weil man Angst hatte, damit die "weißen" Wähler zu vergraulen.


    zu 2. Natürlich hast Du recht, dass Hautfarbe immer noch eine Rolle spielt, und zwar bei Obama unabhängig von seiner "weißen Sozialisation". Was bestätigt, dass viele Amerikaner eben wirklich noch auf die Hautfarbe gucken. Aber wenn ich Obama als "schwarz" oder Afroamerikaner bezeichne, folge ich der jahrhundertelangen rassischen Definition der Europäer, mit denen jeder Weiße, der etwas "afrikanisches Blut" in sich trug, zum "Schwarzen" und damit meist zum Rechtlosen wurde. Ich gönne mir die Arroganz, Obama so als weiß zu bezeichnen, wie andere ihn eben als schwarz bezeichnen. Für mich ist nicht die Hautfarbe, sondern der soziale Kontext seiner Erziehung entscheidend.

    So, das war jetzt etwas ausschweifend. Ich wollte nur deutlich machen, dass ich diese sozialen Implikationen, die sich in den USA aus der Hautfarbe ergeben, für wesentlicher halte als die Definition über die Hautfarbe selbst, die sonst nicht mehr wäre als der Unterschied zwischen Blonden und Brünetten hierzulande.

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    Original von janda


    Attentate gibt es. Warum aber Obama gefährdeter sein soll, wie der - wohl meistgehasste Präsident seit Jahrzehnten - ist mir ein Rätsel?


    Es sagt mehr über den Rassismus in euren Köpfen aus, als über den der Amerikaner.


    Ich gebe zu, ich habe auch Angst vor einem Anschlag gegen Obama. Wir alle wünschen uns, dass es unter Obama einen deutlichen Wechsel in außen- und sicherheitspolitischen Angelegenheiten gibt. Aber gerade an diesen außenpolitischen Themen haben bestimmte Leute ein sehr großes Interesse. Ob Amerika die Demokratie ist, für die wir sie heute halten, wird sich in den nächsten Jahren herausstellen.


    Ich weiß nicht, was das mit Rassismus zu tun hat. Für mich ist Obama kein Afroamerikaner, daher bin ich immer noch etwas befremdet über die Hysterie der Afroamerikaner angesichts ihres neuen Präsidenten. Toll ist natürlich, dass mit der First Lady eine echte Afroamerikanerin ins Weiße Haus zieht, aber das tut sie (für mich) eben nicht an der Seite eines afroamerikanischen Präsidenten, sondern an der Seite eines Weißen (wenn man sich schon dieser kranken Schwarz-Weißmalerei bedienen will), der zufällig einen kenianischen Vater hatte. Aber er ist in einer sehr "weißen" Umgebung aufgewachsen und hat eben gerade nicht den Ballast der Sklaverei, Diskriminierung, Segregation in seinen Wurzeln. Ich glaube, dass er auch nur deswegen Präsident werden konnte, weil ihn die "normalen weißen" Mittelschichten ihn als einen der ihren anerkannt haben. Ich hoffe, dass Obama die nächsten 8 Jahre Präsident ist. Ich hoffe aber genauso, dass ich irgendwann noch einen wirklichen Afroamerikaner an der Spitze der USA sehen werde.

    Platz 1-9 in der Reihenfolge, in der ich die Bücher gelesen habe:


    Buddenbrooks - Th. Mann
    Vulkan - K. Mann
    Wendepunkt - K. Mann
    Die Füchse im Weinberg - L. Feuchtwanger
    Liebe in Zeiten der Cholera - Garcia Marquez
    Die Welt von gestern - Stefan Zweig (falls das als Roman gilt)
    Klang der Zeit - Richard Powers
    Krieg und Frieden - Tolstoi
    Das verborgene Wort - Ulla Hahn


    Um Platz 10 streiten sich die restlichen Romane, wobei meine Kinder- und Jugendromane (Kästners "Doppeltes Lottchen", Hesses "Narziß und Goldmund", gelten die Wolkow-Märchen schon als Roman?) die Schlacht wohl gewinnen werden....

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    Original von Babyjane
    @ Vulkan,


    Das allerdings ein Buch mit diesem Namen und Inhalten verboten ist in unserem Staat, erachte ich als wichtig und richtig:


    Welches Buch ist das?


    Prinzipiell glaube ich, dass gerade in Zeiten des Internets Zensur wenig Sinn macht. Wer sich vornimmt, dutzende oder tausende Menschen umzubringen, schafft das, oder auch nicht - aber das ist meines Erachtens unabhängig davon ob er Zugang zu indizierten Büchern hatte oder nicht.
    Ich persönlich empfinde es schon irgendwo als Entmündigung, wenn ein Staat meint, bestimmte Bücher wären gefährlich. Aber ich verstehe, dass es da unterschiedliche Auffassungen gibt, und würde auch nie groß daran rühren.


    Jep, ich fall immer wieder darauf herein (auf den Begriff Index). Ich meinte, dass es ein Neudruck, noch dazu ein Gesamtdruck (einige Auszüge samt Kommentaren gibt es ja) nicht gibt in Deutschland. Dass es noch alte Ausgaben gibt, ist bei der Verbreitung in den 1930er Jahren verständlich. Und dass man keine Rezension dazu schreiben mag, verstehe ich auch. Ich wollte auch nur zum Ausdruck bringen, dass ich nicht glaube, dass dieses Buch - auch wenn es eine Neuauflage geben sollte - eine Gefahr für unser heutiges politisches System birgt.


    Nun ja, also erstens: Demokratie heißt Herrschaft des Volkes, oder besser der Bürger. Das ist bei uns jeder mit deutscher Staatsangehörigkeit ab 18. Er hat das Recht, zu wählen, und vor allem sich in Parteien (oder außerhalb von Parteien) politisch zu engagieren, sich wählen zu lassen, ein Mandat anzunehmen. Historisch gesehen ist das ein Maß an Mitbestimmung einer breiten Bevölkerungsschicht, wie es sie selten gegeben hat. Demokratie ist natürlich kein absoluter BEgriff. Es gibt immer Bandbreiten, es gibt unterschiedliche Meinungen, welcher Aspekt der Demokratie besonders wichtig ist.


    Was Du ansprichst, bezieht sich zum großen Teil auf Meinungsfreiheit. Das ist ein bürgerliches Freiheitsrecht, das man nicht unbedingt mit der Demokratie gleichsetzen sollte, wenn auch beide Sachen meist voneinander abhängen.
    Es ist der Vorteil jedes Bürgers, auch von dem, der die Verfassungsgrundlagen unseres Staates nicht teilt, das sein Leib und Leben geschützt sind. Das finde ich gut. Ich bin gegen jede Aktion gegen Rechts- oder Linksextreme, die nicht in absoluter Übereinstimmung mit Recht und Gesetz stehen. Ich kann nicht einen freiheitlichen Rechtstaat schützen, indem ich die Gesetze breche.
    Aber eine Gesellschaft funktioniert jenseits der Gesetze auch über informelle Übereinkünfte, die sogar die Form von Zwang annehmen können. So durfte jahrzehntelang nicht über deutsche Kriegsopfer gesprochen werden. So sehr das aus Respekt vor den europäischen Kriegsopfern zu verstehen ist, hatte diese "Geschichts- und Erinnerungspolitik" aber auch ihre Nachteile, die erst jetzt langsam aufgedeckt werden.
    Das Verhalten der meisten Deutschen in bezug auf Rechtsextreme entspringt dieser informellen Übereinkunft. Ich persönlich neige zwar auch hin und wieder dazu, da etwas quer zu denken - ich glaube z. B. nicht, dass es unserer Demokratie schaden würde, Hitlers "Mein Kampf" vom Index zu nehmen. Aber prinzipiell glaube ich, dass solche informellen Übereinkünfte einer Gesellschaft eine eigene Identität und Geschlossenheit geben.


    Zum Thema Holocaust / Völkermord an den Armeniern. Hier bin ich etwas befremdet darüber, dass Du das in einem Atemzug nennst. Es ist nämlich genau das Problem, dass die Türken die Völkermord (bei 1-2 Mio. Menschen kann man wohl davon sprechen) eben in ihrer Geschichte nicht akzeptieren. Die Menschen sind aber tot, das weiß man. Wie weit das nun geplant war oder nicht, ist eine andere Frage, aber das ist angesichts dieser Tragödie auch erstmal sekundär. Primär ist die Anerkennung, dass hier - warum auch immer - eine Bevölkerungsgruppe ausgelöscht wurde.
    Deutschland wiederum verbietet aus Respekt vor den 6 Millionen Toten europäischen Juden die Verleugnung dieser Toten. Es ist Fakt, dass diese Menschen nicht mehr leben, und wenn jemand dies leugnet, dann ist das nachträgliche Leichenschändung zu politischen Zwecken. Und das muss eine Regierung nicht tolerieren. So sehr ich gegen verordnete Moral bin, finde ich, dass hier eine moralisch motivierte Gesetzgebung - aus REspekt vor den Toten und um politische Instrumentalisierung zu vermeiden - geboten ist.


    Nun noch zu den USA: Wie ich schon sagte, die Bandbreite von Demokratie und assoziierten Rechten wie Meinungs-, Pressefreiheit, Rechtsstaatlichkeit ist durchaus groß. Ich schätze die USA durchaus. Aber gerade was Meinungsfreiheit angeht, die Dir ja sehr wichtig zu sein scheint, würde ich an Deiner Stelle mal genauer hinschauen, was in den letzten 7 Jahren dort vor sich geht. Die großen Print- und TV-Medien sind bestimmt nicht kritischer als unsere Medien hier. Schau Dir mal an, wie mit Leuten umgegangen wird, die Zweifel an der offiziellen Version des 11. Septembers haben. Man findet alle Meinungen in den USA - aber manchmal muss man verdammt lang suchen. Und Druck auf missliebige Meinungen wird da durchaus auch ausgeübt.
    Also wie gesagt, bei aller Zuneigung zu den Amerikanern, aber gerade die linksliberalen machen am heutigen Tag (hoffentlich) drei Kreuze, dass diese Periode abgehakt ist, und hoffentlich die USA wieder ein ganz bisschen mehr zu dem werden, was sie vor 7 Jahren noch waren.

    Ich war in Sankt Petersburg und habe die erste Nachricht (als es noch nach einem Unfall aussah) noch in der Sprachschule im Internet gelesen. Die eigentliche Nachricht vom dem Terroranschlag bekam ich dann von meiner Mutter per Telefon.
    Ich glaube, dass ich den 11. September in Russland erlebt habe, hat mich ziemlich stark beeinflusst in meiner Meinung dazu.
    Was ich im Nachhinein interessant fand, war die Reaktion der Russen: Sie waren schockiert angesichts der tausenden von Toten, aber nicht so hysterisch wie hier. Unsere Russischlehrerin redete bereits am nächsten Tag in einer relativ sachlichen Art über diesen Anschlag, wie wir sie im Westen erst viel, viel später wiedergefunden haben. (Sie konnte z. B. ziemlich genau auseinandersetzen, dass Terroranschläge nicht aufgrund der eigentlichen Zerstörung von Menschenleben so "wirksam" sind, sondern aufgrund der Angst, die sie in den Menschen auslösen. Die USA haben in den Jahren gezeigt, dass sie diese Angst der Menschen 100% für sich ausnutzen konnten. Nicht der 11. September war die eigentliche globale Tragödie, sondern die Reaktion der westlichen Welt darauf. Am 11. September sind 3000 Menschen gestorben. Danach sind weit über 3000 amerikanische Soldaten in Afghanistan und Irak gestorben, 100.000 und mehr Iraker und die afghanischen Todesopfer scheint wohl niemand zu zählen...

    Ich bereue mindestens 1x im Monat, dass ich Leonard Bernstein nicht live erleben durfte. So sehr ich Superlative in der Kunst hasse, aber ich halte ihn wirklich für den größten im 20. Jahrhundert: Er hat selbst komponiert (u.a. eins der besten Musicals aller Zeiten), war ein exzellenter Pianist und Dirigent, sowie Lehrer. Und vor allem war er begnadet darin, Menschen Musik nahe zu bringen. Ich glaube, die Kombination all dieser Fähigkeit erlebt man wirklich nur ganz, ganz selten.

    So, nachdem ich am Sonnabend mir die drei Bände Archipel Gulag, Kreis der Hölle (beide von Solschenizyn), den neuen Pamuk, die Blendung von Canetti und den neuen Kenzaburo Oe (Sayonara, meine Bücher - ein Roman über Bücher!) gekauft habe und noch 1-2 m weitere Bücher auf meinem Stapel "unbedingt und sofort zu lesender Bücher" habe und ich zudem nicht verreise in den nächsten 40 Tagen, sondern sogar ziemlich viel zu arbeiten habe.....


    lass ich mich auf das Experiment ein.

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    Original von Nomadenseelchen
    Im Buchladen habe ich im Vorbeigehen aufgeschnappt, durch die ersten 100 Seiten müsse man siech eher durchquälen, dann wäre das Buch umso besser. Kannst du das bestätigen, Vulkan?


    Ja, ich habe mir die Seitenzahl 80 gemerkt. Das liegt auch daran, dass der Roman mit dieser endlos lang beschriebenen Feier anfängt, durch die man sich erst mal "durchquälen" muss. Allerdings fand ich auch danach keinen durchgehenden Spannungsbogen, sondern eher einzelne spannende Mosaiksteinchen - sonst wäre ich jetzt mit dem Buch durch. :grin

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    Original von Munitia


    Es gäbe zwar eine, aber die findet meinen Büchergeschmack doof und nicht intelektuell genug. Na ja, sie ist halt was seltsam.


    Munitia


    Ich glaube, der sehr unterschiedliche Zugang zu Büchern und der sehr unterschiedliche Büchergeschmack wird häufig unterschätzt. Nur weil jemand liest, habe ich noch lange kein Gesprächsthema mit ihm. Selbst wenn er die gleichen Bücher liest, kann es sein, dass man keine Ebene findet, darüber zu reden, weil man vielleicht auf völlig unterschiedliche Aspekte anspringt. Je besser und vielfältiger ein Buch, um so größer die Wahrscheinlichkeit, dass drei Menschen dieses auf drei völlig verschiedene Arten lesen.


    Ich persönlich beurteile Menschen schon lange nicht mehr danach, ob, was und wieviel sie lesen, weil das allein eben selten was aussagt. Und wenn man intellektuell und emotional wirklich auf einer Linie liegt, kann man sich auch über Bücher austauschen, die nur einer gelesen hat. Meine Mutter und ich gehen zwar regelmäßig gemeinsam Bücher kaufen. Aber jeder sucht sich unterschiedliche Bücher aus - wir lesen kaum mal beide das gleiche. Trotzdem können wir gut über unsere Eindrücke reden.


    Mein Mann liest überhaupt keine Belletristik. Trotzdem erzähle ich ihm regelmäßig von meinen Büchern (so, wie er mir von seinen philosophischen Schriften erzählt) und es ist selten, dass dieser Austausch nicht trotzdem fruchtbar ist. Austausch ist ja gerade dann spannend, wenn möglichst unterschiedliche Gedanken und Ideen zusammenkommen. Daher finde ich es nicht unbedingt notwendig, dass mein Gesprächspartner das gleiche Buch gelesen hat.