Leo Becker ist 37 Jahre alt und einer der angesehensten Maler Deutschlands. Sein aktueller Auftrag besteht darin, eine Serie von zwölf Bildern für das Met-Museum in New York anzufertigen. Je näher die Abgabefrist rückt, desto klarer wird sich Leo über die Veränderungen in seinem Leben. Die Leichtigkeit und das Erfolgsgefühl von früher sind längst einem großen Druck gewichen: Er malt nicht mehr, weil er Lust dazu hat, sondern weil es von ihm erwartet wird. Zudem geht seine Ehe mit Rahel langsam aber sicher in die Brüche und Ebba, die Frau seiner Vergangenheit, verdreht Leo zwar wieder den Kopf, scheint sich jedoch vor ihm zu verschließen. Im Strudel seiner Krise verliert Leo das Gleichgewicht und stellt sein Leben und die ihm zugeschriebene Rolle in der Gesellschaft in Frage…
Louise Jacobs lässt in ihrem Roman drei Figuren zu Wort kommen:
An erster Stelle steht Leo, scheinbar von sich überzeugt, kalt und den Menschen und Dingen um ihn herum gleichgültig gegenüber. Hinter der Fassade sieht es jedoch anders aus. Zweifel nagen an ihm und seiner Arbeit. Seine Liebe ist auf der Strecke geblieben und trotz seines Erfolgs sehnt er sich zurück in seine Kindheit, in der das Leben unverfälschter schien.
Der Leser merkt recht schnell, dass Leo sich selbst verloren hat.
An zweiter Stelle steht Rahel, Leos Frau, die sich danach sehnt von ihm geliebt zu werden. Zu glücklich waren die Tage ihres Kennenlernens! Wie kann das alles vorbei sein? Sie hadert mit sich selbst und ihren Wünschen, testet Affären und findet doch nie das, was sie eigentlich sucht: Leos Aufmerksamkeit und Zuneigung.
Rahels stille Rivalin ist Ebba, Leos Jugendliebe und sein gedanklicher Ruhepol. Langsam gewinnt sie wieder einen Stellenwert in seinem Leben und sie wird zum einzigen Halt, den Leo in seiner Krise noch finden kann.
Erstaunlich ist, dass bis auf Ebba alle Personen in dem Roman erstmal unsympathisch wirken. Leo scheint sehr egoistisch, Rahel provoziert ihn mit anderen Männern und die gesamte Kunstszene ist ein Gemisch aus Oberflächlichkeit und Schein.
Erst in ruhigeren Momenten kann man als Leser in die Seelenleben der einzelnen Protagonisten eintauchen und sehen, dass es unter all dem Geld und Smalltalk ganz anders aussieht. Dieser Blick hinter die Fassade wertet den Roman zwar auf, konnte mich jedoch im Ganzen nicht tiefer berühren. Die Gedanken und Geschehnisse sind so sehr von Kälte und Nüchternheit gezeichnet, dass man die zerstörerische Kraft des Künstlerseins zwar vor Augen geführt bekommt, jedoch erfüllt sie einen selten mit Mitgefühl.
Vielleicht hat Jacobs genau diese Regung hervorrufen wollen, da sie der von Leo, Rahel und Ebba wohl ähnelt: Innen drin ist etwas abgestorben und die Gefühle werden im Laufe der Zeit taub. Die Figuren stecken in ihren Rollen fest und können sich nicht mehr unbekümmert aus ihnen lösen, wodurch sie schließlich zum Scheitern verurteilt sind. Es wird ein Bild der Trostlosigkeit gezeichnet.
Müsste ich dessen Farbgestaltung beschreiben, so wäre es wohl ein Gemisch aus Grau, erdigem Braun und kleinen pinken Spritzern, die fehlplaziert wirken.
Der Schreibstil ist zwar der Nüchternheit des Inhalts angepasst, wirkt aber sehr flüssig und macht einem beim Lesen keine Mühe.
Den Aufhänger „ Wer hat Leo Becker getötet?“ sollte man nicht wörtlich nehmen. Es geht um keinen Mord im eigentlichen Sinne, auch wenn in diesem Roman Menschen mitsamt ihren Gefühlen sterben. Zurück bleibt Leere – vielleicht auch beim Leser.