Ich scheine zu den etwas weniger kritischen Eulen zu gehören, denn ich habe mich sehr viel weniger an irgendwelchen "Realitäts- und Logiklücken" gestossen, als so manche hier in der Leserunde.
Der letzte Abschnitt hat mich sehr gepackt: Herzklopfen hatte ich bei der Flucht der anderen Frauen aus dem Gefängnis, dem Zurückbleiben der schwangeren Salomé und vor allem bei der Gewissheit über das Zusammenleben von Tinto und Anna.
Gott, wie muss sich das anfühlen zu erfahren, dass enge Freunde ein freies Leben führen konnten, während man selber unter übelsten Bedingungen eingesessen hat? In den Briefentwürfen an Victoria bringt sie es selbst auf den Punkt: " ... ich bin dreizehn Jahre länger im Gefängnis geblieben, um Dich auf die Welt bringen zu können."
Bis zuletzt hat sie die tiefe Hoffnung auf ein freies Uruguay nicht verloren- ich empfinde das als mutig und bewundernswert. Diese Gruppierung hat sich gegen schreiende Ungerechtigkeiten in ihrem Land erhoben, Verluste gab es auf beiden Seiten, aber ist das nicht immer besser, als zaghaft-stumm- regierungstreu einfach nur abzuwarten? Meiner Meinung nach hat sie für die richtige Sache eingestanden, auch wenn der Auslöser als Fünfzehnjährige sicherlich das reine Mitläufertum war. Ich konnte heraus lesen, dass sich auch für Salomé persönlich daraus sehr viel mehr entwickelt hat. Wo wären manche Länder heute, wenn sich gar niemand gegen Diktaturen aufgelehnt hätte?
Ganz zum Schluss hätte ich mir allerdings einen Touch mehr Happy End gewünscht. Ja, es wäre kitschig gewesen, aber ich hatte erwartet, dass Salomé und Tinto sich irgendwie wieder kriegen.
Umso schöner fänd ich die letzten Seiten zu lesen: Ein greiser Ignazio, der im wahrsten Sinne des Wortes bis in den Tod an seiner grossen Liebe hängt. Diese Ehe ist doch wahrlich durch Höhen und Tiefen gegangen! Das Bild des flüchtenden Gondoliere und seiner aufgeregten Familie hinter ihm hat mich in jedem Fall schmunzeln lassen.
Was ich dem Buch nicht bescheinigen würde, wäre eine konstante Erzählweise. Leitend sind allein die drei grossen Kapitel-Einordnungen um Pajarita, Eva und Salomé - ohne diese hätte ich den Faden zwischenzeitlich möglicherweise direkt mehrfach verloren. Vom ersten bis zum letzten Drittel gibt es eine ganz deutliche Ausrichtung weg von den traditionellen Sagen der Gauchos hin zu den knallharten Politiken der jüngeren Geschichte. Gefallen haben mir im Endeffekt alle Teile, auch wenn ich denke, dass die Autorin vor allem die Inhalte der letzten Kapiteln vermitten wollte.
Ich habe die Lektüre auf alle Fälle genossen und bin deswegen mit meiner wöchentlichen ToDo-Liste etwas ins Hintertreffen geraten. Mich mit dem Buch auf den Südbalkon zurück zu ziehen, war einfach eine zu große Verlockung!
GRÜSSE
savanna