Dutzende bekannter Familienromane spielen im englischsprachigen Raum irgendwo in Großbritannien, Australien, Neuseeland oder den USA. Dass der Leser in Form einer Familiensaga auch mal in den lateinamerikanischen Kontext entführt wird, ist eher selten.
Carolina De Robertis Debüt umfasst eine zeitliche Spanne von mehr als drei Generationen und eine räumliche Ausdehnung von Uruguay bis Argentinien. Drei Frauen in einer direkten Mütter-Töchter-Linie bestimmen die Strukturierung und die Entwicklungen des Buches. Der Leser lernt 'Pajarita' und ihre Tochter 'Eva' kennen, wie später auch wiederum Evas Tochter 'Salomé' eine entscheidende Rolle spielen wird. Großmutter, Mutter und Tochter der uruguayischen Familie Firielli stehen im Fokus dieses etwa 460 starken Buches.
Der Schreibstil ist vor allem geprägt durch sparsame Dialoge, Zwischenmenschliches wird je nach Situation intensiv beschrieben oder nur oberflächlich angerissen. Dem Leser wird in den seltensten Fällen der Luxus detailreicher Erläuterungen zuteil. Oder positiv ausgedrückt: Die Autorin lässt dem Leser den größtmöglichen Raum eigener Interpretationen. Bei mir persönlich hat dies jedoch dazu geführt, dass ich mir nur schwerlich ein Bild der drei Hauptprotagonistinnen machen konnte. Wenig Erläuterungen bedeuten in dem Fall leider auch verdammt wenig Identifikationsfläche.
Besonders auffällig sind die zunehmenden politischen Tendenzen, die das Leben der Familie Firielle und weiterer Protagonisten bestimmen. Vergleichbar einer stetig ansteigenden Kurve wird dieser Aspekt größer und größer geschrieben. Gerade in diesem Aspekt meine ich die da hinter stehende Ausrichtung der Autorin zu erahnen: selbst aus Uruguay stammend, jedoch im Ausland aufgewachsen, möchte De Robertis den Leser möglicherweise auf die politische Gegebenheiten 'ihres' Landes stoßen.
Ähnlich ansteigend verhält es sich mit der durchaus vorhandenen Spannungskurve: zu Beginn herrscht eine fast blumige Sprache vor, die nach und nach abgelöst wird durch eine ereignisintensive Erzählweise. Gerade im letzten Drittel des Buches um das Leben Salomés herrscht deutliche Spannung vor. Während mir die poetische Erzählweise des Anfangs besonders gut gefiehl, konnte ich mit größer werdendem Interesse vor allem dem letzten Drittel folgen. Die Schwachstelle des Buches befindet sich damit eindeutig im mittleren Drittel der Kapitel um 'Eva'.
Alles in allem habe ich das Buch sehr genossen und es geliebt, in ein ländliches Uruguay der Gauchos entführt zu werden. Liebe, Freundschaft, Mut und Hoffnung sind neben den Komponenten der Familie weitere Schlagwörter, die deutlich die Atmosphäre des Buches mitbestimmen. Für mich eindeutig ein Frauenbuch - von einer Frau über Frauen für Frauen geschrieben.