Über eine geographisch doch beachtliche Strecke nimmt uns das Buch "Im Königreich der Kälte" mit auf seine Reise: Beginnend in Nordirland folgen wir der Reiseroute einer kleinen, überaus inhomogenen Reisegruppe in Richtung des Nordpolarmeeres.
Im Zentrum des Geschehens steht Light, ein 12jähriges Mädchen, das als Albino geboren wurde. Kaum von ihrer Seite weicht Butler, der die Rolle des Erziehungsberechtigten für Light übernommen hat, da ihre Mutter bereits vor vielen Jahren verstarb und ihr Vater seit einer kürzlich stattgefundenen beruflichen Expedition in die Arktis nicht zurück gekehrt ist.
Scheinbar ist Lights Vater großen Gefahren ausgesetzt, denn auch Light und ihre Bediensteten werden in ihrem Haus in Irland völlig unerwartet angegriffen. Zu Hilfe kommt ihnen ein phantastisches Geschöpf: Ein Tupilak. Zu je einem Drittel Eisbär, Mensch und Hai wird dieses Geschöpf Light von nun an auf ihrer Reise beschützen.
Um ihren Vater zu finden, macht sich diese Reisegruppe via Eisbrecher auf in Richtung der legendären Nordwest-Passage, die in historischer Zeit von Sir Franklin befahren wurde. Ab dem Zeitpunkt der Reise gehen fiktive Geschehnisse (des Autors), mythische Grundlagen (der Inuit) und historische Fakten (der Franklin Expedition) mehr und mehr ineinander über.
Als Gegenspieler von Light kristallisiert sich Frost heraus, die Urkälte, die Lights Vater in der Arktis gefangen hält. Um sich dem Kampf gegen Frost zu stellen sind Mut, Tücke und nicht zuletzt überirdische Kräfte notwendig.
Während ich dieses Buch im ersten Drittel als hochspannend und charmant fantasiereich bezeichnen würde, nimmt dieser hohe Anspruch im zweiten Drittel leider ab und sinkt im letzten Drittel noch einmal. Die Fülle an Kampfszenen und unrealistischen Verhaltensweisen eines Teenagers haben mich stark verwirrt. Die zum Teil einfach lückenhafte Auflösung der Erzählstränge zum Ende hin hat mich schlichtweg enttäuscht. Wie die unerbittliche Fede gegen die Urkälte "gelöst" wird, hat mich kopfschüttelnd zurück gelassen.
"Im Königreich der Kälte" ist ein Fantasy-Roman, der den Leser hinein die Region der Arktis und hinein die Mythen der Inuit entführt. Trotz der Einkategorisierung als Jugendbuch enthält diese Neuerscheinung gleich eine ganze Reihe von Gewaltszenen, die jugendlichen Lesern nicht unbedingt entsprechen. Es ist gerade wegen derartiger Kampfszenen oft sehr deutlich heraus zu lesen, dass dieses Werk aus der Feder eines männlichen Autors stammt.
Der englische Autor Nick Lake hat mit "Im Königreich der Kälte" sein Debüt veröffentlicht, welches in der deutschen Übersetzung im November 2009 im PAN-Verlag erschienen ist. Lake weist in seiner Danksagung explizit darauf hin, dass er sich gegen einige Empfehlungen des Lektors und des Kollegenkreises zum Skript durchzusetzen wusste. Das macht mir persönlich diesen engagierten Autor sehr sympatisch und verzeiht auch im Nachhinein die ein oder andere Ungereimtheit der Geschichte.