Beiträge von Clio

    Da gibt es aber auch jede Menge Gegenbeispiele. Ich vermute mal, man muss da bei den etwas anspruchsvolleren historischen Romanen schauen, die nicht so nach Schema F geschrieben sind.

    Charles Fraziers Unterwegs nach Cold Mountain ist aus dem Stoff, aus dem große Liebesgeschichte geschneidert werden. Inman, den Soldaten der Konföderationsarmee der Südstaaten, und seiner geliebten Ada stehen zwei Armeen, viele hundert Kilometer Fußweg und der einbrechende Winter im Weg, denn Inman ist desertiert und auf dem mühsamen und gefährlichen Weg nach Hause. Kaum weniger mühseliger ist Adas Leben derweil. Die verwöhnte und lebensfremde Pfarrerstochter steht nach dem Tod ihres Vaters plötzlich alleine auf ihrer großen Farm da. Zum Glück bringt ihr Ruby, ein Nachbarmädchen aus armen Verhältnissen das Überleben im einsamen Hinterland bei.
    Aber Cold Mountain ist viel mehr als die Geschichte großer Sehnsucht und Liebe. Es ist auch ein farbenprächtiges Portrait der Südstaatengesellschaft während des Bürgerkrieges. Diese Gesellschaft ist vorallem von einer unfassbaren Gewalttätigkeit geprägt. Es wimmelt darin von Charakteren, die mehr oder minder willkürlich Menschen und Tiere quälen und töten, die ihre Kinder vernachlässigen und verkaufen und ihre Nachbarn an die allgegenwärtige Home Guard verraten, deren Aufgabe es ist Desserteure wahlweise zu erschießen oder zu ihren Einheiten zurückzubringen - meist entscheiden sie sich für ersteres. Das Buch ist nichts für schwache Nerven, was für ein Kriegsbuch ja nicht so ungewöhnlich ist. Aber die Brutalität in dieser Welt geht viel tiefer und man ahnt, dass der Krieg eher Wirkung als Ursache dafür ist. Eine weise Frau, der Inman auf seiner Flucht begegnet, macht die Sklaverei als Grundsübel dieser Gesellschaft aus.
    Trotzdem habe ich das Buch auch mit Freude gelesen. Denn die Welt, die Frazier zeichnet, ist vielchichtiger. Besondern gerne mochte ich die Episoden, die Adas Leben und Arbeiten auf dem Land schildern. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass Fraziers ausufernde Detailbeschreibungen von Arbeitsvorgängen und Mahlzeiten und vor allem seine epischen Landschaftdarstellungen nicht jedermans Ding sind. Frazier lässt auch den mythischen Süden, wie man ihn beispielssweise aus den Kurzgeschichten von Mark Twain kennt, wieder entstehen. Die Southern belle, ebenso anziehend wie lebensfern, taucht dort ebenso auf wie lustige und weise Schausteller und Tramps. Ein gutes Buch für das man ein wenig langen Atem braucht.

    Mist, ich bin genau auf diese Freche-Frauen-Aufmachung reingefallen. Habe es heute (im Second-hand-Laden für 2 Euro :cry) zurüchgelegt. Wenn ich das hier so lese, scheint es ja doch was für mich zu sein. Vielleicht ist es ja nächste Woche noch da...

    In ihrem zweiten Buch nach Die Frau des Zeitreisenden widmet sich Audrey Nieffenegger wiederum paranormalen Begebenheiten. Eslpeth, schwer an Leukämie erkrankt, vermacht ihren Besitz und ihre Wohnung in London ihren Nichten, den Zwillingstöchtern ihrer Zwillingsschwester Edie. Bediengung der Erbschaft ist jedoch, dass sie ein Jahr in der ererbten Wohnung leben müssen. Also kommen Valentina und Julia nach dem Tod ihrer Tante nach London. Sie entdecken London und lernen Robert, Elspeths Lebenspartner, der schwer an der Trauer um Elspeth trägt, und Martin, einen weiteren schwer zwangsneurotischen Hausbewohner kennen. Es zeigt sich jedoch, dass Elspeth nicht ganz so tot ist wie gedacht und als Geist weiterhin in der Wohung lebt. Und warum waren Eslpeth und Edie so zerstritten, dass die einst unzertrennlichen Zwillinge sich fast zwei Jahrzehnte nicht mehr gesehen haben?
    Niffeneggers Geschichte fängt gut an. Die Charaktere sind lebendig und liebenswert. Das etwas morbide Setting am Rande des berühmten Londoner Friedhofs Highgate passt gut zu der übersinnlichen Geschichte. So habe ich die erste Häfte mit einigem Genuß gelesen. Leider lässt das Buch in der zweiten Hälfte stark nach. Die Handlungen der Personen werden zunehmend unglaubwürdig. Die Lösung, die sie für ihre Probleme und Konflikte finden, sind so grotesk, dass der Roman eine bessere Erkläung für dermaßen verformte Charaktere hätte finden müssen. Der morbide Charme des Anfangs wandelt sich in etwas, was an die Exaltiertheit eines viktorianischen Gruselromans erinnert. Diese Anspielung ist sicherlich intendiert, will aber so gar nicht zum Rest des Buches passen. Wirklich schade!

    Ich war wirklich beeindruckt und war über die eher schlechten Beurteilung hier überrascht. Man muss sich vielleicht darauf einstellen, dass Nazeems Entwicklung ziemlich langsam geschieht. Ich fand das gut, weil das nur realistisch ist, aber man kann das wohl auch als zäh empfinden. Wenn man aber Bücher mag, die nicht unbedingt "schnell zu Potte" kommen, ist Brick Lane ein guter Tipp!

    Nazneen kommt als junge Frau aus Begladesh nach England um dort mit einem ihr unbekannten Mann verheiratet zu werden. Sie spricht kein Wort englisch und ihr Mann sieht auch keine Veranlassung, dass sie es lernen muss. Schließlich gibt es keine Veranlassung, dass sie den Wohnblock, den das Paar mit anderen Bengalen, Pakistani und Indern teilt, verlässt. Für mehr als zwanzig Jahre spielt sich Nazeems Leben auf wenigen Quadratkilometern ab. Ganz langsam lernt sie jedoch, die Erwartungen, die ihr Mann und die bengalische Migrationsgemeinde an sie stellt, in Frage zu stellen.
    Monica Alis Roman ist eine wunderbar reiche und vielschichtige Emanzipationsgeschichte, die sicherlich helfen kann die vielfältigen Probleme von Migranten - auch in Deutschland - verstehen zu lernen. Ali bietet keine einfachen Lösungen an. Die Bruchlinien innerhalb der bengalischen Gemeinde, insbesondere zwischen den Generationen, aber auch zwischen den zu immer stärker zur Radikalisierung neigenden Muslimen und der weißen Mehrheitsgesellschaft werden fein ausgelotet. Der Leser gewinnt dabei ein Verständnis sowohl für die Eltern Nazeem und Chanu, die sich durch die Aufmüpfigkeit der Tochter bedroht fühlen, als auch für Shahana, die sich von den Traditionen ihrer Herkunft eingeengt fühlt.
    Auch die Ehe von Chanu und Nazeem wird in einer unglaublichen Differenzierung beschrieben, die jedes Klischee vermeidet. Es handelt sich um eine arrangierte Ehe, Chanu ist zwar gutmütig, aber körperlich abstoßend und pedantisch. Obwohl Nazeem in ihrer Ehe nicht glücklich ist und erst nach und nach lernt, so etwas wie Glück überhaupt zu erwarten, ist die Ehe dennoch nicht frei von Zärtlichkeit und auch Liebe. Diese feine Beobachtungsgabe und Fähigkeit zu differenzieren zeichnet Monica Ali aus und macht ihren Roman so lesenswert!

    Meine Erfahrung aus Archiven, es ist genau so. Die Handschriften der Staatsbibliothek (die ja auch eine Form von Büchern sind) sind zum Beispiel bis heute nicht vollständig katalogisiert. Die haben Schätze, die keiner kennt.
    Wenn man in die Vergangenheit geht, muss man ja außerdem von Büchern ausgehen, die es nicht mehr gibt, die nie in irgendeinem Katalog aufgetaucht sind.

    Der Vergleich zu Tolstois Krieg und Frieden drängt sich bei Wasilli Grossmans Leben und Schicksal (allein die Titel gleichen sich ja schon in ihrem universalen Anspruch) gerade zu auf. Was Krieg und Frieden für den Napoleonischen Krieg ist, bedeutet Grossmans Roman für den Zweiten Weltkrieg, oder den Großen Vaterländischen Krieg, wie er in Russland bis heute genannt wird. In beiden Romanen kommt eine Fülle von Figuren vor, mit denen ein weites gesellschaftliches Spektrum aufgespannt wird. Als ich die Liste der Protagonisten am Anfang des Romanes las, wurde mir ein bißchen schwindelig. In der Tat ist es jedoch nach kurzer Zeit gar nicht so schwierig die Personen auseinanderzuhalten. Zusammengehalten wird das Personengefüge durch zwei große, weit verzweigte Familien. Die verschiedenen Episoden erstrecken sich über die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager, Frontstellungen und bestzte Gebäude in Stalingrad, Moskau und Kasan als Evakurierungsort einflußreicher Moskauer. Ebenso weit gefächert sind die Personen, ein jüdischer Physiker und seine Familie, einfache Soldaten, altgediente Revolutionäre... So gelingt es Grossman ein umfassendes Panorma des Kriegserlebens zu schildern. Auch wenn die grauenhaften Krieges- und Vernichtungspraktiken der Nationalsozialisten dabei im Mittelpunkt stehen, gerinnt dieses Epos niemals zu Schwarz-Weiß-Malerei. Die Leiden der nationalsozialistischen Opfer werden auf eindringliche Weise geschildert. Eine der bewegensten Passagen ist der Brief einer jüdischen Mutter, die kurz vor ihrer Deportation und Ermordung an ihren Sohn schreibt. Grossman, der selber seine Mutter im Holocaust verloren hat, verarbeitet hier eigene Erfahrungen und schreibt den Brief, den er von seiner eigenen Mutter nie erhalten hat. Aber vielleicht noch wichtiger sind die Beschreibungen des stalinistischen Terrors, der Wilkür, der die Betroffenen ausgeliefert waren, der ständigen Angst, die Opfer zu Tätern machte, indem Menschen andere auslieferten um sich selbst zu schützen, der grausamen Verhöre, die von ihren unschuldigen Opfern noch ein Schuldeingeständnis forderten, der Entmenschlichung. Leben und Schicksal ist eine tiefgreifende Analyse des Menschen im stalinistischen Russland und ganz grosse Literatur.

    Zitat

    Original von MagnaMater
    Clio hat Pynchon begonnen?
    Alle achtung, den hab ich schon beim kaufversuch ins regal zurückgestellt, aber Ulysses geht eigentlich an dem hab ich nur ein halbes jahr gekaut, und es gehört zu den büchern, die ich bei gelegenheit sogar wieder lesen werde.
    Tristram Shandy gehört auch zu den sperrigsten büchern, die ich kenne; ich hab aber vor ihn wieder einmal zu lesen, in den nächsten 20 jahren, wenn mir der tod keinen strich durch die rechnung macht, weil er trotz allem irgendwie beeindruckend war, obwohl ich damals dafür ein ganzes jahr gebraucht, und vermutlich nichtmal die hälfte davon verstanden habe.


    Mir geht es eher umgekehrt. Ulysses ist echt gar nicht meins, schon mehrmals angefangen und immer wieder weggelegt. Gravity's Rainbow zwar auch, aber das werde ich schon noch schaffen. Tristram Shandy steht auch bei mir im Regal. Hab mal gelesen, dafr bräuche man ein gewisses Alter. Vielleicht mache ich mich langsam mal daran. :grin

    Ein Mann sitzt im Café und trinkt abwechselnd Kafffee und Wodka, stundenlang. Und dabei denkt er, an die Vergangenheit vor allem. An die Kindheit mit den verhuschten angepassten Eltern, Flüchtlinge aus Schlesien und an seine große, verkorkste Jugendliebe mit Joey, einer drogensüchtigen Untergrundsängerin, die jung gestorben ist. Umgeben ist er dabei von den Toten, die er im Jenseits besucht hat. Dabei sind Joey und seine Eltern, aber auch die von ihm verehrten Andy Warhol und Jim Morrison. Immer wieder mischen sie sich in seine Gedanken ein, stimmen zu oder geben eine abweichende Meinung zum besten. Am Ende des Romans läuft Ralph Zimmermann durch das verschneite Stuttgart. Sonst passiert in diesem Roman nichts. Er besteht eigentlich nur aus einem einzigen, langen Monolog. Und wie das bei Gedanken so ist, springen sie hin und her, wird eine Geschichte anerzählt und wieder fallengelassen, später wieder aufgenommen oder auch nicht. Das ist gelegentlich unbefriedigend, hätte man als Leser doch gerne mehr gewusst über Joey oder über ihren vernachlässigten Sohn, den auch der Erzähler im Stich gelassen hat. Aber die Autorin stellt sich mit großer Konsequenz ihrer Form. Hier wird nichts auserzählt, alles bleibt flüchtig, in der Schwebe.
    Das könnte langweilig sein, ist es aber nicht. Lesenswert macht den Roman Lewitscharoffs Sprache. Jeder Satz fühlt sich an, als sei er lange abgewogen worden, jedes Wort sitzt. Diese Präzision nimmt manchmal fast die Qualität von hermetischer Lyrik an. Sie fasst das Stimmungshafte, Atmosphärische. Auch wenn der Roman gelegentlich allzu sehr ins reine Sprachspiel abgleitet, lohnt sich eine Lektüre - es sollte allerdings eine langsame, entspannnte sein, die sich dem ruhigen Tempo des Romans anzupassen bereit ist.

    Zitat

    Original von LeseMann


    Der Name sagt mir nichts :gruebel
    Googeln ... :-)


    Ist ein amerikanischer Autor der Postmoderne. Habe den hier nur genannt, weil sein Buch Das Ende der Parabel zu dem kompliziertesten, sperrigsten gehört, was mir gerade einfiel. Ich bin zumindest bislang daran gescheitert, an Ulysses auch.

    Naja, ich denke auch nicht, dass man bestimmte Bücher gelesen haben muss. Letztendlich ist die Auswahl, welche das nun gerade sein sollen, immer zufällig und diskutierbar. Mal davon abgesehen, dass die Auswahl an Büchern, die man gelesen haben "muss" viel zu groß ist. Ich kenne prommovierte Literaturwissenschaftler, die die Odyssee nicht gelesen haben (was sie natürlich nicht zugeben würden :lache). Wer Odysseus und wer Penelope ist, sollte man wohl schon wissen. Aber auch bei Allgemeinbildung stellt sich bei unserem überbordenden Wissen die Frage, was eigentlich noch dazu gehört.


    Ich will natürlich auch niemandem vorschreiben, anspruchsvolle Literatur zu lesen. Ich rate nur jedem dazu, weil sich nur so der Lesehorizont erweitern kann und einem diese Bücher so viel geben können. Man muss ja auch nicht gleich mit Joyce oder Pynchon anfangen. :-)

    Auf die Gefahr hin, diese Diskussion noch in die Länge zu ziehen. Ich verstehe gar nicht, warum es so problematisch sein soll, auch mal ein Buch zu lesen, was einem Schwierigkeiten bereitet (der Begriff quälen erscheint mir in diesem Zusammenhang übertrieben). Das kommt bei mir häufiger mal vor. Wenn man nicht ausschließlich zur leichten Unterhaltung vorkommt, kann schon mal vorkommen, dass ich ein Buch lese, dass zu lesen mir nicht ganz leicht fällt. Weil es ein hartes Thema behandelt oder weil es sperrig und schwierig geschrieben ist. Oft braucht man Zeit in ein Buch reinzukommen. Ich habe auch schon Bücher gelesen, bei denen ich über die Hälfte der Lesezeit nicht so recht verstanden habe, worum es eigentlich geht, aber irgendwann fällt alles zusammen und sie sind einfach genial. Natürlich gibt es hoffnungslose Fälle, und an die sollte man keine Zeit verschwenden. Aber es gibt auch Bücher, die einem etwas abverlangen und gerade deshalb gut sind.

    Michel Bergmann
    Die Teilacher
    Arche Verlag 2010
    gebunden 19,90 Euro


    Der Autor
    Michel Bergmann wird 1945 als Kind jüdischer Eltern in einem Internierungslager in der Schweiz geboren. Nach einigen Jahren in Paris ziehen die Eltern nach Frankfurt am Main. Nach seiner Ausbildung bei der Frankfurter Rundschau wird er freieer Journalist. Er entdeckt seine Liebe zum Film und arbeitet u.a. als Autor, Regisseur und Produzent. Seit über 15 Jahren schreibt er Drehbücher für Film und TV. Die Teilacher ist sein erster Roman.


    Der Roman
    Der Begriff Teilacher stammt aus dem jiddischen und setzt sich zusammen aus dem Wort "Teil" und dem hebräischen "Laachod", Einzelhandel. Gemeint ist damit ein Vertreter, sozusagen das kleinste Teil des Einzelhandels. "Die Teilacher", das ist eine Gruppe jüdischer Männer aus ganz Europa, die es nach dem Krieg nach Frankfurt verschlägt. Bleiben wollen sie im Land der Deutschen nicht, eigentlich auch keinen Kontakt zu ihnen aufnehmen. Aber irgendwie muss man ja leben und so beginnen sie Wäsche zu verkaufen. Und obwohl sie eigentlich immer noch weg wollen, in die USA oder nach Palästina, bleiben sie, nie richtig angekommen, immer ein wenig fremd. Fremd auch von den Deutschen, in ihrer Umgebung, die - von wenigen Außnahmen abgesehen - nicht bereit sind ihr Leid anzuerkennen.
    David Bermann ist einer dieser Teilacher und der Onkel von Alfred, dem Erzähler dieses wundervollen Romanes. Als David Bermann stirbt macht Alfred sich auf die Geschichte des alten Mannes zu erzählen, der so viel Leid erfahren hat, der 21 Angehörige in Auschwitz verloren und dafür ein paar tausend Mark Entschädigung erhalten hat. Der aber nie seinen Lebensmut, seine Freude am Verkaufen und an den Frauen verloren hat. Und desser Rettung der jüdische Humor ist. Davon lebt der Roman. Jüdische Witze und jiddisches Idiom sind sozusagen das Rückrad der Menschen von denen er handelt und auch das Rückrad der Geschichte. So ist es Michel Bergmann gelungen eine ungewöhnliche traurige, zuweilen bittere Geschichte zu schreiben, die trotzdem komisch ist und trotz allem eine gewisse Heiterkeit ausstrahlt. Ein ganz tolles Buch, dem ich viele Leser wünsche!
    Eine Leseprobe findet sich hier:
    http://arche-verlag.com/index.php?id=101

    Habe mir mal die Zusammenfassung der Statistik durchgelesen. Meines Erachtens stimmt die Aussage, die Deutschen kaufen 11 Büchr im Jahr nicht. Es wird ja nur von 36 Millionen Deutschen ausgegangen, die überhaupt Bücher kaufen und von denen kauft jeder im Schnitt 11 Bücher im Jahr.
    Oder habe ich das falsch verstanden? :pille

    Atwoods Roman Der blinde Mörder beginnt mit dem Satz: "Zehn Tage nach Kriegsende lenkte meine Schwester Laura ein Auto von einer Brücke." Diese Tat ist der Dreh- und Angelpunkt des Romans, denn es ist der Angelpunkt im Leben von Iris, der Ich Erzählerin, die im Roman die Geschichte ihres Lebens erzählt. Geboren ist sie nach dem Ersten Weltkrieg, als Tochter eines wohlhabenden Fabrikbesitzers. Ihre Kindheit ist nicht leicht, die Mutter stirbt früh, der Vater ist von seinen Erlebnissen im Krieg seelisch schwer verwundet. Um so wichtiger ist ihre kleinere Schwester, mit der sie eine fast symbiotische Beziehung verbindet. Mit der Weltwirtschaftskrise verarmt die Familie und Iris ist gezwungen einen sehr viel älteren Mann zu heiraten, in der Hoffnung damit die Fabrik retten zu können. Die Ehe ist jedoch lieblos. Erst nach und nach gelingt es Iris sich zu emanzipieren und hinter die Fassaden des scheinbar perfekten Privat- und Finanzlebens ihres Mannes zu schauen.
    Iris erzählt ihr Leben nicht strigent, sondern es werden die verschlungenen Erinnerungen einer alten Frau wiedergegeben. Ganz am Anfang schon wird klar, dass es in dieser Familie Geheimnisse mit tödlicher Wirkung gibt. Denn nicht nur Laura nimmt sich das Leben, auch Iris Mann stirbt auf mystheriöse Art, die gemeinsame Tochter stirbt unter Alkoholeinfluss. Von Anfang an ist klar, dass es hier um ein zerbrochenes Leben geht, um eines, dass fürchterlich schief gelaufen ist. Trotzdem ist dieser Roman nicht nur deprimierend, sondern Iris strahlt Lebensmut,Kraft und einen bissigen Humor aus, die sie zu einer faszinierenden Protagonistin machen. Durchzogen ist der Roman mit Erzählungen von Laura über eine geheime Liebesaffäre und Science-Fiction-Fragmenten. Das Ganze entwickelt erst nach und nach einen Sinn. Obwohl dieses Buch sperrig und lang ist, hat mich schon lange kein Roman mehr so in den Bann gezogen, so einen Lesesog entfaltet, dass ich das Buch kaum noch aus der Hand legen konnte. Margaret Atwood ist eine ganz große Meisterin ihres Faches und dieses Buch, für den sie den Booker Preis erhielt, gehört zu ihren Besten!